Geißhorn Ostgrat: Auf der Direttissima vom Vilsalpsee zum Gipfel


Publiziert von Nik Brückner , 26. September 2017 um 10:01. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:21 September 2017
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 5:30
Aufstieg: 1120 m
Abstieg: 1190 m
Strecke:10km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Der Vilsalpsee ist von Tannheim aus mit dem Auto zu erreichen. Allerdings ist die Straße zwischen 10 und 17 Uhr gesperrt, dann nimmt man den Bus.
Unterkunftmöglichkeiten:Zahlreiche im schönen Tannheimer Tal.

Das Geißhorn (auch "Gaishorn" geschrieben, ist aber nicht der Punkt, sagt Frau Mayr) ist der zweithöchste Berg der Vilsalpseegruppe und einer der Hausberge Tannheims. Er ragt direkt westlich des Vilsalpsees auf, wo auch sein Ostgrat beginnt. Dieser Grat stellt die kürzeste, und wie ich nun weiß, auch die schönste Verbindung vom See zum Gipfel dar: Eine schöne Kante, viel Steilgras, und manche Kletterei in leider teils brüchigem Fels.

Der Ostgrat hat mich interessiert, seit ich vor - öhrm - einer Zeit das erste Mal auf dem Geißhorn stand (ich glaub', im Rahmen meiner hohen Vilsalpseerunde anno domini). Infos darüber waren allerdings nur wenige zu finden, Bene69 erzählte mir auf der Freispitze mal, dass die Tour möglich ist, und bei Andi Dick las ich etwas von II bis III.



Das reichte mir, um es auszuprobieren! Und so reiste ich im Herbst 2017 an, mit "PeroPero" von Lizards im Player, wühlte mich durch die Viehscheid-Aufregung in Tannheim, und buste hinter zum Vilsalpsee (1165m).

Bissl Schnee is g'le'ng. Aber von Tannheim aus sah es aber so aus, als wäre die Tour machbar. Logisch, von unten sieht's immer nach weniger Schnee aus. So passte mir das.

Der ursprüngliche Plan war gewesen, auf dem Wanderweg über die Rossalpe zum Geißhorn zum Beginn des Grats zu gehen, und dort auf den Gratrücken zu wechseln. Vom See aus sah mir das aber nach viel Latschen aus, und ich entschied mich spontan für eine steile Grasrinne, die direkt vom See zum Grat hinaufführte. Die ist gut gangbar, wenn auch oben steil.

Ich stieg die Grasrinne hinauf, querte dabei zahlreiche Tierspuren, und nutzte die, um oben vor einer Felswand zunächst nach links auszuweichen, und später, an einem Baumstumpf, schräg zum Grat hinaufzurechtsen.

Hier ist es tatsächlich ziemlich unübersichtlich. Am Grat selbst stehen Latschen, ausweichen könnte man sowohl in die linke (Sonne) wie in die rechte (Schatten, feucht) Flanke. Ich stieg zunächst ein wenig links herum, wechselte dann aber auf die rechte Seite. Dort war es zwar nass, aber die Nordflanke ist weniger steil. Ich peilte eine Lücke zwischen Bäumen weiter oben am Grat an, und stieg in diese Richtung, da stieß ich plötzlich auf Trittspuren. Über mir waren Latschenäste abgesägt: Ein Jägerpfad!

Es schien mir, als käme der vom Weltlingbach herauf, und es wäre interessant, zu wissen, wo diese zusätzliche Aufstiegsmöglichkeit genau verläuft.

Ich gab meinen Plan, zu der Lücke aufzusteigen, auf, und nahm den Jägerpfad. Dieser führte mich bei etwa (und das ist nur ganz ungefähr, weil erst im Nachhinein rekonstruiert) 1600 Metern Höhe hinauf auf den Grat, und dann oben weiter, auf dem Rücken, später deutlich links davon. Ich blieb trotzdem auf dem Pfad; am Grat sah ich immer wieder Latschen, manchmal auch Abbrüche - einladend sah das jedenfalls nicht aus.

Gute Entscheidung, quacamozza und Nic sind bei ihrer Begehung einige Wochen später am Grat geblieben, und hatten dort mit dichten Fichten, wilden Latschen, brüchigen Felsen und senkrechten Abbrüchen zu kämpfen. Das hätte ich mir nicht geben mögen. Da hatte ich wohl den richtigen Riecher, umso mehr als es zehn Meter über mir in der Art eines Plotzes (plötzlich also) aufflatterte ....

Ein Adler! Ich hatte schon ein paar gesehen, hier in den Allgäuern, aber so nah noch nie. Wahnsinn! Ich sah ihm lang nach, wie er sich immer höher schraubte, renkte dann meine Nackenwirbel zurecht, und ging weiter. Schließlich war der Höhepunkt des Tages ja...

- plötzlich, also in der Art eines weiteren Plotzes, rummste es rechts über mir! Noch ein Tier, kein Vogel, und deutlich größer als eine Gams. Steinböcke gibt's hier nicht, also.... - ein Hirsch! Und viel zu schnell, als dass ich ihn hätte fotografieren können. Es war ein ordentlicher Bursche, mit einem Geweih, das sogar mich neidisch werden ließ. Aber das ist eine andere Geschichte.


Ich kriegte mich kaum weg von diesem Fleck. Aber, wie gesagt, der Höhepunkt des Tages sollte eigentlich etwas anderes sein, wart, irgendein Ostgrat, ich hatte es schon fast vergessen. Verblasst leicht, gegenüber solchen tollen, unerwarteten Erlebnissen.

Also weiter auf dem Jägerpfad, aber langsam, vielleicht würde sich der Hirsch ja nochmal zeigen. Tat er aber nicht. Der Pfad ist mal deutlicher (in schmaleren Baum- bzw. Latschengassen), mal weniger deutlich (in breiteren), aber nicht zu verfehlen.

Mir war bald klar, dass der Pfad mich in das kleine, südöstlich des Geißhorn-Gipfels gelegene Kar führen würde. Das war vollkommen in Ordnung, ich verpasste oben am Grat vermutlich sowieso nur einen Latschenkampf. Außerdem war es besser, den Hirsch nicht zu verfolgen, der wäre ja ausgetickt. Ich würde dann eben aus dem Kar zum Grat hinaufsteigen.

Und tatsächlich kam ich etwa eine halbe Stunde, nachdem ich auf den Jägerpfad gestoßen war, in diesem Kar an, auf etwa 1670 Metern Höhe. Hier legte ich erst einmal eine Pause ein.

...Pause...

Ich stieg dann einen steilen Gras- und Schrofenhang 200 Meter hinauf zum Grat. Man könnte hier direkt zum Beginn des Gipfelaufbaus hinaufsteigen, ich wollte aber die darunterliegende, latschenfreie Kante und einige Felszacken davor noch mitnehmen, deshalb hielt ich mich rechts. Dort sind zwei Gratzacken zu sehen.

Beim Aufstieg bemerkte ich, dass auch weiter oben, in etwa 1770m Höhe, ein Jäger- (oder Tier-)pfad durch eine Latschengasse von Osten her in das Kar führt. Auf Satellitenfotos konnte ich diesen (meinen sowieso) später problemlos wiederfinden. Der obere scheint mir aus der Luft besehen ebenfalls gut begehbar zu sein, er würde einem zudem einige Höhenmeter sparen. Probiere ich beim nächsten Mal aus!

Rechts von den beiden Gratzacken kam ich auf die Grathöhe hinauf.

Blickt man von hier nach Osten über den niedrigen Teil des Grats, sieht man ein ziemmliches Latschengewimmel unterhalb auf dem Grat, wenn auch mit einigen Gässchen. Ich hatte also tatsächlich nichts verpasst.

Nun ging es also hinauf. Der erste Zacken ist unproblematisch, der zweite aber muss südseitig umgangen werden, weil er mit einer senkrechten Wand abbricht. Dann geht es auf der Kante weiter, ein paar Meter hinunter, wo man ein Türmchen ebenfalls links umgeht. Es folgt ein hoher Aufschwung. Den erklettert man an der Kante oder etwas links davon, dort ist der Fels zwar ziemlich plattig, aber trotzdem gut begehbar (II). Es geht hinauf zum höchsten Punkt des Aufschwungs, und von dort auf der Kante weiter zum Gipfelaufbau.

Man kann den höchsten Punkt des Aufschwungs aber auch umgehen, indem man vom Ansatz des Aufschwungs zum Grat hinaufschrägt. Nimmt sich alles nichts, ist alles IIer-Kletterei.

Die Kante, die vom Aufschwung zum Gipfelaufbau führt, ist dann nahezu waagerecht. Gehgelände. Dann steht man vor einer Felswand. Den Durchstieg vermittelt ein brüchiger Riss, der steil nach links hinaufzieht. Griffe und Tritte sind unten klein, aber einigermaßen fest, nach oben hin werden sie größer, die Felsqualität aber schlechter. Besser man schwebt hinauf und belastet nichts wirklich voll. Es geht oben noch kurz durch Bruch, dann steht man auf einer Grasrampe, die nach rechts hinaufzieht. Darüber befindet sich eine Felswand. Man folgt der Rampe hinauf und steigt an der niedrigsten Stelle durch die Wand (kurz II). Darüber befindet sich eine weitere Steilgraspassage. Da es direkt an der Gratkante unübersichtlich ist, hielt ich mich etwas links davon im Gras. Bald entdeckte ich über mir eine felsige Rinne, durch die ich weiter hinauf wollte. Ich stieg in die Rinne ein, und kletterte bis zu einer schmalen Stelle hinauf. Durch diese hätte ich mich durchzwängen können (man kann auch links herum), allerdings befindet sich genau hier eine Grasrampe, die nach rechts hinaus- und hinaufführt. Auf dieser kann man die schmale Stelle gut umgehen. Rechts hinaus, dann kurz steil geradewegs bergan, und oben wieder links, dann steht man am oberen Ausgang der Rinne.

Nun müsste es eigentlich nicht mehr weit sein, dachte ich. Zehn Minuten? Eine Viertelstunde, wenn ich Pech hatte. Aber...

...der Ostgrat endet mit einer Überraschung! Zwei Schritte, und man steht direkt auf dem Gipfel des Geißhorns (2247m), nur wenige Meter von einer Bank entfernt. Und da der Berg ein beliebtes Ziel ist, kann man sicher sein, dass man dort für ein großes Hallo sorgt!

Der Ostgrat des Geißhorns! Wie schön! Es hatte hingehauen!

Vilsalpsee - Geißhorn: Meist weglos (bis T5+), kurz ein Jägerpfad (T2), II und I, 3:30


Es war herrlich auf dem Gipfel. Die Sonne schien, der Himmel war blau, und die Gipfel verschneit. Ein phantastischer Tag! Ich verbrachte etwa eine halbe Stunde heroben, schaute zum Einstein, zum Aggenstein, zum Brentenjoch, dem Lumberger Grat und weiter zu Roter Flüh, Gimpel, Kellenspitze und Gehrenspitze.

Dahinter schließen sich ein paar Ammergauer an, mit dem Branderschrofen, der Klammspitze, dem Geiselstein, der Gumpenkarspitze, dem Gabelschrofen und dem Säuling. Jenseits der Gehrenspitze setzen sich die Ammergauer dann fort, mit der Kreuzspitze und den Geierköpfen, dem Friederspitz und der Schellschlicht, dem Daniel und der Kohlbergspitze.

Dahinter ragt der Wetterstein auf: Waxenstein,
Alpspitze, Zugspitze, Schneefernerkopf. Dann leitet der Thaneller den Blick weiter zu den Mieminger Bergen, von der Hochwand über die Sonnenspitze bis zum Grünstein. Davor zeigen sich Bleisspitze, Gartnerwand, Roter Stein und Steinmandlspitze. Von diesen Gipfeln aus erstrecken die Lechtaler Alpen sich nach Süden: Heiterwand, Kreuzspitze, Pfeilspitze, Muttekopf, Schlenkerspitze und die Parseierspitze, die von hier aus den Süden genau markiert. Irgendwo ganz hinten ragen Wildspitze und Watzespitze, Weißseespitze und Weißkugel empor, und sogar der Glockturm ist zu sehen.

Weitaus näher, gerade auf der anderen Talseite, zeigen sich
Sulzspitze, Schochenspitze, Lachenspitze und Rote Spitze. Dahinter dominiert die Leilachspitze.

Ein wenig rechts der Parseierspitze beherrscht dann der nahe Hochvogel den Horizont. Von ihm aus zieht eine Kette zum Geißhorn herüber, bestückt unter anderem mit dem Lahnerkopf, dem Kugelhorn und den unmittelbar benachbarten Rauhhorn.

Sodann markieren Marchspitze, Krottenkopf,
Mädelegabel, Trettach und Biberkopf den Horizont, davor zeigen sich die Wilden mit dem Wildengrat, der Fürschießer, der Schneck, das Laufbacher Eck und der Giebelgrat, sowie der schöne Grat vom Laufbacher Eck zum Zeiger.

Der Horizont im Südwesten bilden Spullerschafberg, die Drei Türme, die Mohnenfluh, die Braunarlspitze, der Widderstein, die Hochkünzelspitze und der Zitterklapfen. Viel näher sind die Laufbichlkirche, das Nebelhorn und der Große Daumen. Dahinter zeigen sich die Churfirsten, der Altmann und der Säntis in der Schweiz. Ganz im Westen enden die Alpen schließlich mit der langen Nagelfluhkette.

Ich quatschte ein wenig mit den netten Leuten hier oben, und entscheid mich dann, Bus Bus sein zu lassen, und nach Tannheim zu laufen. Den Weg kannte ich noch nicht, und die Route sah von oben sehr schön aus.


Ich wanderte also nach Westen und folgte der Beschilderung in die Nordflanke. Hier war richtig Winter: 30, 40 Zentimeter Schnee. Bedeutet an diesem Berg: Besser zu begehen als sonst, da muss man nämlich durch unangenehmen Schotter. Klar, man muss aufpassen, nicht auszurutschen, aber sonst war's gut zu begehen. Zwei Wanderer vor mir wurden allerdings vom Berg mit Steinen beworfen - ja, es gibt Steinschlag hier, also Vorsicht, auch auf diesem Wanderberg.

Ich folgte dann weiter dem Wanderweg, ging Richtung Schnurschrofen, und davor rechts hinunter. Ich passierte die schön gelegene Untere Roßalpe (1397m) und war etwa zwei Stunden, nachdem ich den Gipfel verlassen hatte, zurück in Tannheim (1097m).

Geißhorn - Tannheim: Wanderweg, normalerweise vermutlich bis T3, 2 Stunden


Fazit:

Großartige Tour über einen schönen Fels- und Grasgrat. Der Ostgrat ist im unteren Teil des Gipfelaufschwungs äußerst brüchig, da heißt es aufpassen, weiter oben kommt dann viel Steilgras, dort ist dann ein gutes Gespür für die Routenfindung gefragt. Alles in allem ist diese Route eine schöne, spannende Tour, und ab sofort meine Lieblingsroute aufs Geißhorn.


Ausrüstung:

Helm
, Stecken.


Tja, und am nächsten Tag wollte ich was ganz Ähnliches machen: Die Überschreitung des Daniels über Ost- und Südostgrat.

Tourengänger: Nik Brückner


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