Vier Tage im Herbst 3: Elmer Rotwand, Pfeilspitze und alle Kreuzspitzen
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Sonntag! Der dritte Tag meines kurzen Tourenpakets im Spätsommer. Auf der Oberlahmsspitze konnte ich mich ein bisschen ablockern, und endlich ist auch meine Erkältung weg! Das Wetter ist glänzend - genau der richtige Tag für etwas richtig krasses. Die Überschreitung von Rotwand und Pfeilspitze ist eine geniale, haarsträubende Tour in nahezu durchgehendem T5/T6-Gelände. Wer da keinen Mentalträner dabeihat, muss schon sehr genau wissen, was er tut...
Los geht's - "Ghost of Foodstool" von The Bob Lazar Story im Player. Mit dem Auto geht's von Elmen im Lechtal Richtung Bschlabs/Hahntennjoch. Kurz vor dem ersten, winzigen Tunnel zweigt scharf links ein steiler Forstweg ab. Diesem folge ich bis zu einem Wendeplatz, auf dem ich das Auto abstelle.
Ich war hier schon mal. Ein paar Wochen zuvor. Nur zum Auschecken, es war viel zu nass, um die Tour zu gehen. Und ich habe das Schild gesehen.... Dieses Schild...
"ACHTUNG! Der Weg auf die ROTWAND ist nicht markiert und für ungeübte Bergsteiger sehr gefährlich. Absolute Schwindelfreiheit und genaue Ortskenntnis sind unbedingt erforderlich. ABSTURZGEFAHR!"
Solche Schilder stehen nicht an vielen T6-Touren. Das Schild weiß, was es sagt. Und man sollte das, was es sagt, unbedingt ernst nehmen!
Wer aber weiß, was er da vorhat, der folgt nun hinter dem Schild den dünnen Wegspuren, die sich bald in einen dünnen Weg verwandeln. Es geht über Wiesen und durch den Wald hinauf, immer auf dem Westrücken der Rotwand. Nach nicht einmal einer Minute hatte ich nasse Schuhe, und mich beschlichen erste Zweifel. Würde es oben trocken genug sein? Im Wald ging es besser, da war der Boden trocken - die Nässe stammte also noch vom Regen, der nun - wieviele? - drei Tage zurücklag. Ob das wohl gutgehen würde?
Na, versuchen würde ich's auf jeden Fall. Und so stieg ich weiter hinauf, und mit den Höhenmetern stiegen die Zweifel. Die Schuhe immer nasser...
Es geht vorbei an zahlreichen Almhüttchen, eine malerischer gelegen als die andere. Meist zieht der Weg durchs Gras - soweit man ihn überhaupt sehen kann.
Am letzten Hüttchen verläuft sich der Weg dann endgültig. Hier hält man sich am Besten rechts, im Wald, dort sind die Lawinenverbauungen und entsprechend Zugangspfade. Aber Vorsicht! Hier stecken unzählige Metallklammern im Boden! Das sind veritable Stolperfallen, und auch wenn in diesem Gelände noch gestolpert werden darf, es soll ja noch höher hinausgehen!
Irgendwann verlässt man endgültig den Wald und steht vor einem Wiesenhang, der auf seiner rechten Seite von Lawinenverbauungen - nun ja - verbaut ist. An deren Rand führt der Pfad nun hinauf aufs Alple, eine kleine Senke auf ca. 1900 Metern Höhe, nordwestlich dem Gipfelaufbau der Rotwand vorgelagert.
Parkplatz - Alple (Absatz vor dem Gipfelaufbau): T3, 1 Stunde
Man sollte sich nicht täuschen lassen: Auf diesem Absatz ist man noch etwas mehr als 400 Hm unter dem Rotwandkreuz. Spätestens hier sollte man nun den Hang genauestens studieren und sich die Aufstiegroute einprägen: Es geht eine breite Latschengasse hinauf, bis an die ersten Felsen, die den unteren Rand einer bauchigen Vorwölbung bilden. Man quert unterhalb der Felsen nach rechts, um dann den gewölbten Grasrücken zu ersteigen. In dessen oberem Teil geht es dann schräg links hinauf in eine Rinne. Links oberhalb dieser Rinne sieht es so aus, als sei der Hang durch ein unübersichtliches Gewirr deutlich ausgeprägter Rippen gegliedert. Ist man später oben, entpuppen sich diese als leichte Geländewellen, und der Hang ist deutlich übersichtlicher, als es von unten den Eindruck macht. Es geht aus der Rinne links hinaus, und in einem Bogen auf der äußersten linken Begrenzung der Rinne hinauf zum Kreuz.
Hat man sich das eingeprägt, kann man's angehen. Schon die Latschengasse ist im oberen Teil äußerst steil. Aber es wird noch deutlich schlimmer! Wer also schon hier Probleme kriegt, sollte schleunigst umkehren.
Ich hatte Glück: So wie ich es erhofft hatte, war das Gras hier oben trocken! Mist - jetzt hab ich keine Ausrede mehr...
Gelangt man an den Felsriegel, wendet man sich nach rechts. Es geht unter den Felsen entlang schräg hinauf. Danach muss man achtgeben, denn auf diesem bauchigen Vorbau wird das Gelände etwas unübersichtlich. Man hält sich bald nicht mehr ganz so streng nach rechts, sondern steigt an geeigneten Stellen je nach Vorliebe über Fels oder Gras nach oben. Spätestens wenn man im Hang auf alte Metallseile stößt (Überreste von einem Sendmast-Projekt), wendet man sich schräg links hinauf. Eine gute Orientierung bietet eine Felsmauer, die sich schräg links hinaufzieht. Wenn man die erwischt, kann man ihr unterhalb folgen, sie vielleicht sogar als Handlauf für die rechte Hand nutzen. Sie führt einen direkt hinein in die besagte Rinne.
Bald sieht man also diese Rinne vor sich, die von ganz oben herunterkommt. An dieser Stelle wird das Gelände wieder übersichtlich, weil sich der Hang auf der anderen Seite konkav hinauswölbt. Zudem kann man ein paar Schritte waagrecht gehen, bei der Querung in die Rinne hinein, auch wenn der Hang selbst natürlich immer noch recht steil ist.
Der zweite Teil des Aufstiegs wird nun deutlich, und hier wird auch klar, dass das Rippengewirr, das man vom Tal und vom Alple aus wahrzunehmen glaubte, aus der Nähe einfach nur ein paar Geländewellen sind. Der Weiterweg ist somit unschwer zu erkennen.
Es geht so weit unten wie möglich (also über einer senkrechten Stufe) in die Rinne hinein. Dass das der richtige Weg ist, zeigen ein paar alte Markierungen, verblasste rote Punkte, die über die Rinne und drüben den Hang hinaufführen. Es lohnt sich, ihnen zu folgen, sie garantieren den leichtesten Aufstieg.
Es geht dann, den Markierungen folgend, links der Rinne im Hang kerzengerade nach oben auf die äußerste Begrenzungsrippe und auf der Rippe bzw. etwas rechts davon hinauf. Dieser Teil ist ähnlich steil wie der untere (Latschengasse und bauchige Stufe), aber das Gras ist gut gestuft. Und wer genug vom Gras hat, kann hier auch im Fels klettern (I-II), allerdings geht es dann nochmal ausgesetzter genau auf den scharfen Kante hinauf. Aber wer hier auf die Rotwand geht, den dürfte das nicht schrecken.
Die Rippe führt dann ziemlich genau zum Gipfelkreuz (2334m), das man auch während des Aufstiegs beruhigend deutlich erkennen kann.
Diese Route macht die (z. B. unter "gipfelsuechtig.de" oder "festivaltour.de") beschriebene Rippenquerung im oberen Teil rechts der Rinne überflüssig. Ich hab mir das Gelände mal angesehen: Man kann das machen, ich finde das aber gruselig, meiner Meinung nach ist es unnötig schwierig und gefährlich. Nicht umsonst führen die alten Markierungen viel weiter unten schon in die Rinne. Der Aufstieg vom Alple zum Rotwandkreuz ist aber auch so das gruseligste, was ich bis dato gemacht habe. Ich war zwar überrascht, wie gut das ging, unsicher habe ich mich nie gefühlt. Aber ich muss gestehen, dass ich oben ziemlich weiche Knie hatte. Erst nach einer ausgiebigen Pause, später auf dem Hauptgipfel der Rotwand, hatte ich die Sicherheit wieder, die ich auf T6-Graten gewohnt bin. Der Hang ist auf gut 400 Metern Höhe bis zu 60° steil, meist so ausgesetzt, dass man besser nicht darüber nachdenkt, dass man das, was man da gerade tut, freiwillig tut, dass einen niemand dazu zwingt. Neben der Ausgesetztheit soll noch erwähnt sein, dass es auch ordentlich Kraft kostet, einen 400 Meter hohen Steilhang im Gras hochzuklettern. Das sollte man nicht unterschätzen, denn die Kraft muss hier bis zum letzten Schritt reichen. Fehltritte oder-griffe sind strengstens verboten! Wie sagt das Schild? "ABSTURZGEFAHR!"
Alple - Rotwandkreuz: T6/I, 1 Stunde
Am Rotwandkreuz habe ich den Fehler gemacht, schnell weiterzugehen. Eine Pause wäre besser gewesen, bissl entspannen, die Reste meiner Psyche zusammenkratzen, Kräfte sammeln. Aber der eine oder andere Tourengeher hatte einige der folgenden Stellen derart gruselig beschrieben, dass ich schnell durchwollte. Ein Fehler, denn mit mehr Ruhe wäre ich sicherer gegangen.
Zumindest habe ich ins Gipfelbuch geschaut. Sechs Einträge für 2014. Ich war der siebte.
Es geht nun weiter zum Hauptgipfel der Rotwand, der schon deutlich als höchste Erhebung vor der Pfeilspitze zu erkennen ist. Ab hier bis hinter die Rotwand läuft man nun immer direkt auf dem Grat, mit nur einer Ausnahme. Der Grat ist schmal, oft äußerst schmal, und wer schauen will, der bleibt zu diesem Zweck besser erstmal stehen...
Hinter dem Kreuz geht es ein bisschen auf und ab, dann schnürt sich der Grat zusammen und fällt in eine Scharte ab. Hier geht es nun hinunter. Unten steht ein Gendarm quer, der einem den Weg versperrt. Davor wird die Schneide recht schmal. Man klettert nun auf der Schneide hinunter.
Der Gendarm muss links umgangen werden (man kann ihn schon überklettern, jedenfalls wenn man's kann. Drüben runter ist einfach). Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Vor dem Gendarm ziehen zwei Rinnen vom Grat hinab, die sich ein paar Meter weiter unten vereinen. Die erste ist felsiger, die zweite erdiger, aber leichter. Am Grat oben trennt ein weiterer Zacken die beiden Rinnen, der, falls die zweite Rinne für den Abstieg gewählt wird, ausgesetzt überklettert werden muss (im Aufstieg I, im Abstieg II).
Die erste Rinne führt bereits vor diesem Zacken steil, aber nicht sehr ausgesetzt hinunter (I-II). Von der Stelle aus, wo beide Rinnen sich vereinen, noch ein wenig weiter abwärts, dann steht man vor einem deutlichen Zacken im Nordgrat des Gendarms. Zwischen Zacken und Gendarm kann man bequem hindurchschlüpfen. Drüben geht es ebenso bequem ein paar Schritte bergab, dann, sobald möglich, auf steilem Gras (dem Anstieg zur Rotwandkreuz durchaus vergleichbar) wieder zurück auf den Grat.
Auf dem Grat geht es nun in Richtung Rotwand-Hauptgipfel. Zunächst vergleichsweise unschwierig über Gras, dann über eine sehr schmale felsige Schneide. Hier muss hin und wieder die Hand an den Fels, an einer Stelle bin ich auch nochmal für ein paar Meter Trittspuren folgend etwas links der Schneide gegangen. Ansonsten immer an der Kante entlang zum höchsten Punkt.
Rotwandkreuz - Rotwand Hauptgipfel: T6/II, 30 Min.
Auf dem Hauptgipfel hab' ich dann erst einmal ausgiebig gepaust. Im Aufstieg ist zwar alles gutgegangen, und ich habe mich überraschend sicher gefühlt, aber am Grat fehlte mir irgendwie die gewohnte Selbstsicherheit. Also lieber Pause machen, was essen, was trinken - und natürlich ganz viel schauen! Der messerscharfe Grat zur Pfeilspitze sieht von hier aus absolut atemberaubend aus. Ein Privileg, dort hinaufgehen zu dürfen!
Nach der ausgiebigen Pause ging's dann. Die hatte ich wirklich nötig. Es folgt nun der Abstieg vom Hauptgipfel der Rotwand. Zunächst geht es über steile Grastritte hinunter, dann wird es gleich felsiger. Im Gras sind viele schräge Platten eingelagert, über die man abklettern muss (I-II). Dieser Abstieg wird in den Beschreibungen meist etwas übergangen, man sollte ihn aber nicht unterschätzen. Er ist mit dem Abstieg von der Pfeilspitze durchaus vergleichbar.
In der Scharte zwischen Rotwand und Pfeilspitze angekommen, geht es nun gnadenlos auf dem dramatisch scharf geformten Grat über mehrere Stufen hinauf. Immer wieder wechseln sich Gras und Felsen ab, die Schlüsselstelle bilden einige schräge Platten, die die Schneide so scharf werden lassen, dass man sie besser auf Rissen in der Südseite überquert. Vorsichtig...
Es folgt der kühne, felsige Gipfelaufbau, der kaum über einen Einser hinausgeht. Dann steht man auf der kleinen Felsenkanzel der Pfeilspitze (2469m). Auch hier nur sechs Einträge für 2014. Das sagt schon was über die Tour aus.
Rotwand Hauptgipfel - Pfeilspitze: T5/I, 45 Min.
Direkt hinter dem Kreuz geht es nun an den Abstieg. Noch so ein Abschnitt, über den ich Horrormeldungen gelesen hatte. Doch der Abstieg ist bei kluger Routenwahl kaum schwerer als der vom Hauptgipfel der Rotwand.
Der direkte Abstieg über die erste Stufe wäre tatsächlich eine II, machbar, und sicher auch mit viel Vergnügen. Es gibt aber auch eine einfachere Variante: Vom Gipfel gleich links in die Nordflanke drehen. Hier bewegt man sich in Versturzgelände, da liegen also ein paar große Blöcke herum, zwischen denen es hindurchgeht (Abstieg zum Stablsee möglich). Je weiter man eindreht, bevor man sich wieder nach rechts zum Grat wendet, umso weniger muss man klettern. Nun also in übersichtlichem Gelände zwischen großen Blöcken auf dem einfachsten Weg zurück zum Grat, der zwischen erster und zweiter Stufe als schmaler Grasgrat in Richtung Südosten verläuft.
Auf dem Grasgrat nun ganz nach vorne. Noch ein Stück! Noch ein Stück! Jawoll. Jetzt stehen wir ganz vorne an der Kante. Erst hier kann man sehen, dass die zweite Stufe am besten direkt an der Kante abgestiegen wird. Ich schreibe bewusst "abgestiegen", nicht "abgeklettert", denn hier gibt es so gut wie keine Kletterei. Im oberen Teil sind die Grastritte sehr gut zu erkennen, weil fest gestampfter Hornsteinschotter, und damit im grünen Gras deutlich rot abgesetzt. Das Gelände ist ausgesetzt und steil, aber die Tritte sind groß genug für den ganzen Schuh (ich trage im Gebirge 47!). Lediglich für die letzten 10, 15 Schritte schwenkt man dann etwas links ein - das ist von oben schon zu sehen. Die guten Kanten des leider nicht ganz zuverlässigen Hornsteins machen aber auch das zu einem - wenn auch steilen - Gehgelände.
Die von Yeti69 beschriebene Pickelquerung in der Nordseite sah mir ziemlich gruselig aus, und ich finde sie unnötig und unnötig gefährlich. Über die Kante abzusteigen war mir viel lieber. Dennoch führen unten Trittspuren in die Nordflanke - ich denke aber, dass man da im Aufstieg halt an die Felsen rechts neben der Kante herantritt, und dann direkt hinaufklettert.
Nach der Kante wird es dann endgültig einfacher. Das Gruselgelände ist überwunden. Lediglich ein letzter Grasabstieg zur tiefsten Stelle des Grates Richtung Bschlaber Kreuzspitze ist nochmal ordentlich steil.
Abstieg Pfeilspitze: T6/I, 20 Min.
Von hier aus geht es nun immer am Grat entlang bzw. etwas rechts davon im Gras etwa 200Hm hinauf zur Bschlaber Kreuzspitze. Hier sind auch wieder Markierungen zu sehen, und erstmals seit dem Alple wieder menschliche Begehungsspuren. Im Aufstieg spürte ich, dass meine Erkältung vollkommen verschwunden war, und die gewohnte Kraft wieder zur Verfügung stand. Nur eine Stunde zehn nach der Pfeilspitze stand ich auf der Bschlaber Kreuzspitze (2462m)
Scharte - Bschlaber Kreuzspitze: T4, 50 Min.
Von hier aus wollte ich eigentlich über die Bortigscharte nach Bschlabs absteigen, wo ich ein Mountainbike deponiert hatte. Aber Kraft und Lust ließen mich den Plan umwerfen, und ich beschloss, auf dem fantastischen Grat die Runde bis zur Elmer Kreuzspitze zu vollenden. Ich gab mir eine Stunde, um auf dem Anhalter Höhenweg, einem Wanderweg, der hier meist direkt auf der Kante verläuft, über die Mittlere Kreuzspitze (2496m) zur Elmer Kreuzspitze (2480m) zu gelangen. Nach einer halben Stunde war ich da.
Bschlaber Kreuzspitze - Elmer Kreuzspitze: T4, 30 Min.
Auch hier genoss ich die großartige Aussicht, vor allem die auf die bis dahin geschaffte Route.
Mein Blick fiel dabei natürlich zuerst nach Norden, dort sind die Tannheimer Berge zu erkennen: Rote Flüh, Gimpel, Köllenspitz und die Gehrenspitze.
Weiter geht's mit den Ammergauer Alpen: dem Säuling und dem Branderschrofen, daneben der Hohe Straußberg. Dann ist die Krähe zu sehen, die Hochplatte und die Große Klammspitze. Es folgt der Thaneller, direkt dahinter die Geierköpfe, der Kreuzspitz und der Friederspitz. Dann fält der Blick auf den Danielgrat, von der Kohlbergspitze bis zum, na, eben dem Daniel.
Weiter rechts dominiert der Wetterstein mit der Zugspitze und dem Hochwanner. Es folgt die Mieminger Kette, mit der Hochwand, dem Hochplattig und, genau im Osten, dem wuchtigen Wannig. Davor zeigen sich die Bleisspitze, der Rote Stein, die Steinmandlspitze und die Gartnerwand.
Rechts davon reihen sich die Gipfel der Heiterwand auf, davor die dominante Namloser Wetterspitze. Im Südosten weitet sich der Blick dann und dort sind mit Acherkogel, Grieskogel und Schrankogel ein paar veritable 3000er zu sehen. Fast genau im Südosten steht die markante Hintere Platteinspitze. Noch dominanter ist der Muttekopf, dahinter sind dann die Verpeilspitze und die Watzespitze zu erkennen. Es folgen die Große Schlenkerspitze sowie genau im Süden, die spitze Dremelspitze.
Auf der anderen Talseite stehen Tajaspitze und Hochgwas, dann folgen am Horizont Gatschkopf und Parseierspitze, Hoher Riffler, Freispitze, Vorderseespitze, Feuerspitze und Holzgauer Wetterspitze.
Weiter Richtung Westen fällt der Blick natürlich zuerst auf die eben überschrittene Pfeilspitze. Dahinter, am Horizont, zeigen sich fernere Gipfel, wie die Valluga und die Roggspitze, die Drusenfluh, die Schesaplana und die Rote Wand.
Dann wandert der Blick hinüber auf die andere Seite des Lechtals. Dort erhebt sich die schmale Schneide des Pfeilers, darüber erstreckt sich der Allgäuer Hauptkamm mit Hohem Licht, Hochfrottspitze, Mädelegabel und Krottenkopf, daran anschließend die lange Hornbachkette. Der Hochvogel sieht von hier aus besonders eindrucksvoll aus. Dann sind das Nebelhorn, der Große Daumen, der Kleine Daumen, Rauhhorn und Geißhorn sowie die Lachenspitze und die Leilachspitze zu erkennen.
Dann machte ich mich an den Abstieg. Der Wanderweg führt nun nach Westen steil hinab. Nach insgesamt sechs Stunden (einschließlich aller Pausen) war ich an den Scharte zwischen Elmer Kreuzspitze und Elmer Muttekopf angekommen.
Hier in der Scharte traf ich zwei Jungs, die ersten anderen Bergsteiger des Tages! Ich hab sie gleich angequatscht und bald frech gefragt, ob sie mich wohl mit ihrem Auto zu meinem Startpunkt hochfahren würden. Denn auf den Latsch die Straße entlang von Elmen hinauf zu meinem Parkplatz hatte ich wenig Lust. Sie willigten ein, und so sind wir zu dritt gemütlich bis zur Stablalpe (1411m) abgestiegen.
Dort habe ich dann vier Almdudler gestürzt, woraufhin mich der Wirt gefragt hat, was ich gemacht hätte. Natürlich haben wir gleich über die Tour gefachsimpelt. Er gehört zu denen, die vor Jahren das Gipfelkreuz auf der Pfeilspitze installiert haben. Und er konnte mir erklären, was es mit den Drahtseilen im Anstiegshang der Rotwand auf sich hat, und mit den roten Punkten in der Rinne. Aber das Wichtigste war der folgende Satz: "In Elmen wohnen fünf Leute, die sich noch auf die Rotwand trauen". Er sagte "trauen". Das hat echt gutgetan...
Elmer Kreuzspitze - Elmen: T4, mit vielen Pausen 3 Stunden (geschätzte Zeit ohne: 1:30)
Fazit:
Meine schwierigste Tour bisher. 60° steiles Gras ist absolutes Horrorgelände, wenn man's nicht gewohnt ist. Ich bin überraschend gut durchgekommen - Horror war es trotzdem. ;o} Alles andere geht im Vergleich.... Jedenfalls für den, der es genießen kann, stundenlang auf messerscharfen Graten zu spazieren, die stellenweise nur wenige Zentimeter breit sind. Es braucht:
- Schuhe mit beinharter Sohle (im Gras muss sicher gekantet werden)
- Stöcke
- ein Pickel mag hilfreich sein, ich hatte einen dabei, habe ihn aber nicht eingesetzt
- eine absolut stabile Psyche. Wer hier auspsycht, hat wenig Chancen, aus dem Gelände allein wieder herauszukommen. Zwischen Rotwand und der Pfeilspitze gibt es keine Notabstiege. Einmal drin, muss man durch!
- Kletterfertigkeit (II. Grad)
- absolute Trittsicherheit auf einem extrem ausgesetzten Grat
- absolute Schwindelfreiheit auf einem extrem ausgesetzten Grat
- absolute Trittsicherheit in bis zu 60° steilem Gras
- absolute Schwindelfreiheit in bis zu 60° steilem Gras
- ausreichend Kraft, um gut 400Hm in bis zu 60° steilem Gras zu überwinden
Nur zur Erklärung: 60° steiles Gras ist ne Wiese, die vor Dir ist, nicht unter Dir.
Wer sich den gesamten Grat aus einer aufschlussreichen Perspektive mal ansehen möchte, sollte dieses Foto von Nyn mal auschecken. Auch dieses Foto von Yeti69 ist ziemlich aufschlussreich.
Tipp:
Für alle, die die Tour als Kurztour gehen wollen, habe ich folgenden Tipp:
Auf's Alple kommt man auch anders: Auf der Hahntennjochstraße hinauf Richtung Bschlabs. Dann direkt vor dem vorletzten Tunnel (dem Brückentunnel) vor Bschlabs rechts von der Straße runter auf einen Fahrweg. Ob man auf dem fahren darf, weiß ich nicht, aber er ist von Bschlabs aus auch gut auf Wanderwegen zu erreichen. Auf diesem Fahrweg über den Tunnel hinweg und norwestwärts weit hinauf in den Hang. Am Ende des Fahrwegs beginnt ein guter Serpentinenpfad, der schnell hinauf zu den Lawinenverbauungen führt. Nun zuerst an deren rechtem, dann an deren linkem Rand hinauf aufs Alple.
Wer also wenig Zeit hat, stellt das Auto in Bschlabs ab, nimmt diese Route hinauf aufs Alple, und steigt später nach der Pfeilspitze über die Hochpleiß oder die Bschlaber Kreuzspitze wieder nach Bschlabs ab.
Noch'n Tipp:
Der Nordostgrat der Elmer Kreuzspitze, bis dato weitgehend ein Geheimtipp, ist fast genauso großartig.
Und nun?
Was Leichtes zum Abschluss? Och nöööö....
Los geht's - "Ghost of Foodstool" von The Bob Lazar Story im Player. Mit dem Auto geht's von Elmen im Lechtal Richtung Bschlabs/Hahntennjoch. Kurz vor dem ersten, winzigen Tunnel zweigt scharf links ein steiler Forstweg ab. Diesem folge ich bis zu einem Wendeplatz, auf dem ich das Auto abstelle.
Ich war hier schon mal. Ein paar Wochen zuvor. Nur zum Auschecken, es war viel zu nass, um die Tour zu gehen. Und ich habe das Schild gesehen.... Dieses Schild...
"ACHTUNG! Der Weg auf die ROTWAND ist nicht markiert und für ungeübte Bergsteiger sehr gefährlich. Absolute Schwindelfreiheit und genaue Ortskenntnis sind unbedingt erforderlich. ABSTURZGEFAHR!"
Solche Schilder stehen nicht an vielen T6-Touren. Das Schild weiß, was es sagt. Und man sollte das, was es sagt, unbedingt ernst nehmen!
Wer aber weiß, was er da vorhat, der folgt nun hinter dem Schild den dünnen Wegspuren, die sich bald in einen dünnen Weg verwandeln. Es geht über Wiesen und durch den Wald hinauf, immer auf dem Westrücken der Rotwand. Nach nicht einmal einer Minute hatte ich nasse Schuhe, und mich beschlichen erste Zweifel. Würde es oben trocken genug sein? Im Wald ging es besser, da war der Boden trocken - die Nässe stammte also noch vom Regen, der nun - wieviele? - drei Tage zurücklag. Ob das wohl gutgehen würde?
Na, versuchen würde ich's auf jeden Fall. Und so stieg ich weiter hinauf, und mit den Höhenmetern stiegen die Zweifel. Die Schuhe immer nasser...
Es geht vorbei an zahlreichen Almhüttchen, eine malerischer gelegen als die andere. Meist zieht der Weg durchs Gras - soweit man ihn überhaupt sehen kann.
Am letzten Hüttchen verläuft sich der Weg dann endgültig. Hier hält man sich am Besten rechts, im Wald, dort sind die Lawinenverbauungen und entsprechend Zugangspfade. Aber Vorsicht! Hier stecken unzählige Metallklammern im Boden! Das sind veritable Stolperfallen, und auch wenn in diesem Gelände noch gestolpert werden darf, es soll ja noch höher hinausgehen!
Irgendwann verlässt man endgültig den Wald und steht vor einem Wiesenhang, der auf seiner rechten Seite von Lawinenverbauungen - nun ja - verbaut ist. An deren Rand führt der Pfad nun hinauf aufs Alple, eine kleine Senke auf ca. 1900 Metern Höhe, nordwestlich dem Gipfelaufbau der Rotwand vorgelagert.
Parkplatz - Alple (Absatz vor dem Gipfelaufbau): T3, 1 Stunde
Man sollte sich nicht täuschen lassen: Auf diesem Absatz ist man noch etwas mehr als 400 Hm unter dem Rotwandkreuz. Spätestens hier sollte man nun den Hang genauestens studieren und sich die Aufstiegroute einprägen: Es geht eine breite Latschengasse hinauf, bis an die ersten Felsen, die den unteren Rand einer bauchigen Vorwölbung bilden. Man quert unterhalb der Felsen nach rechts, um dann den gewölbten Grasrücken zu ersteigen. In dessen oberem Teil geht es dann schräg links hinauf in eine Rinne. Links oberhalb dieser Rinne sieht es so aus, als sei der Hang durch ein unübersichtliches Gewirr deutlich ausgeprägter Rippen gegliedert. Ist man später oben, entpuppen sich diese als leichte Geländewellen, und der Hang ist deutlich übersichtlicher, als es von unten den Eindruck macht. Es geht aus der Rinne links hinaus, und in einem Bogen auf der äußersten linken Begrenzung der Rinne hinauf zum Kreuz.
Hat man sich das eingeprägt, kann man's angehen. Schon die Latschengasse ist im oberen Teil äußerst steil. Aber es wird noch deutlich schlimmer! Wer also schon hier Probleme kriegt, sollte schleunigst umkehren.
Ich hatte Glück: So wie ich es erhofft hatte, war das Gras hier oben trocken! Mist - jetzt hab ich keine Ausrede mehr...
Gelangt man an den Felsriegel, wendet man sich nach rechts. Es geht unter den Felsen entlang schräg hinauf. Danach muss man achtgeben, denn auf diesem bauchigen Vorbau wird das Gelände etwas unübersichtlich. Man hält sich bald nicht mehr ganz so streng nach rechts, sondern steigt an geeigneten Stellen je nach Vorliebe über Fels oder Gras nach oben. Spätestens wenn man im Hang auf alte Metallseile stößt (Überreste von einem Sendmast-Projekt), wendet man sich schräg links hinauf. Eine gute Orientierung bietet eine Felsmauer, die sich schräg links hinaufzieht. Wenn man die erwischt, kann man ihr unterhalb folgen, sie vielleicht sogar als Handlauf für die rechte Hand nutzen. Sie führt einen direkt hinein in die besagte Rinne.
Bald sieht man also diese Rinne vor sich, die von ganz oben herunterkommt. An dieser Stelle wird das Gelände wieder übersichtlich, weil sich der Hang auf der anderen Seite konkav hinauswölbt. Zudem kann man ein paar Schritte waagrecht gehen, bei der Querung in die Rinne hinein, auch wenn der Hang selbst natürlich immer noch recht steil ist.
Der zweite Teil des Aufstiegs wird nun deutlich, und hier wird auch klar, dass das Rippengewirr, das man vom Tal und vom Alple aus wahrzunehmen glaubte, aus der Nähe einfach nur ein paar Geländewellen sind. Der Weiterweg ist somit unschwer zu erkennen.
Es geht so weit unten wie möglich (also über einer senkrechten Stufe) in die Rinne hinein. Dass das der richtige Weg ist, zeigen ein paar alte Markierungen, verblasste rote Punkte, die über die Rinne und drüben den Hang hinaufführen. Es lohnt sich, ihnen zu folgen, sie garantieren den leichtesten Aufstieg.
Es geht dann, den Markierungen folgend, links der Rinne im Hang kerzengerade nach oben auf die äußerste Begrenzungsrippe und auf der Rippe bzw. etwas rechts davon hinauf. Dieser Teil ist ähnlich steil wie der untere (Latschengasse und bauchige Stufe), aber das Gras ist gut gestuft. Und wer genug vom Gras hat, kann hier auch im Fels klettern (I-II), allerdings geht es dann nochmal ausgesetzter genau auf den scharfen Kante hinauf. Aber wer hier auf die Rotwand geht, den dürfte das nicht schrecken.
Die Rippe führt dann ziemlich genau zum Gipfelkreuz (2334m), das man auch während des Aufstiegs beruhigend deutlich erkennen kann.
Diese Route macht die (z. B. unter "gipfelsuechtig.de" oder "festivaltour.de") beschriebene Rippenquerung im oberen Teil rechts der Rinne überflüssig. Ich hab mir das Gelände mal angesehen: Man kann das machen, ich finde das aber gruselig, meiner Meinung nach ist es unnötig schwierig und gefährlich. Nicht umsonst führen die alten Markierungen viel weiter unten schon in die Rinne. Der Aufstieg vom Alple zum Rotwandkreuz ist aber auch so das gruseligste, was ich bis dato gemacht habe. Ich war zwar überrascht, wie gut das ging, unsicher habe ich mich nie gefühlt. Aber ich muss gestehen, dass ich oben ziemlich weiche Knie hatte. Erst nach einer ausgiebigen Pause, später auf dem Hauptgipfel der Rotwand, hatte ich die Sicherheit wieder, die ich auf T6-Graten gewohnt bin. Der Hang ist auf gut 400 Metern Höhe bis zu 60° steil, meist so ausgesetzt, dass man besser nicht darüber nachdenkt, dass man das, was man da gerade tut, freiwillig tut, dass einen niemand dazu zwingt. Neben der Ausgesetztheit soll noch erwähnt sein, dass es auch ordentlich Kraft kostet, einen 400 Meter hohen Steilhang im Gras hochzuklettern. Das sollte man nicht unterschätzen, denn die Kraft muss hier bis zum letzten Schritt reichen. Fehltritte oder-griffe sind strengstens verboten! Wie sagt das Schild? "ABSTURZGEFAHR!"
Alple - Rotwandkreuz: T6/I, 1 Stunde
Am Rotwandkreuz habe ich den Fehler gemacht, schnell weiterzugehen. Eine Pause wäre besser gewesen, bissl entspannen, die Reste meiner Psyche zusammenkratzen, Kräfte sammeln. Aber der eine oder andere Tourengeher hatte einige der folgenden Stellen derart gruselig beschrieben, dass ich schnell durchwollte. Ein Fehler, denn mit mehr Ruhe wäre ich sicherer gegangen.
Zumindest habe ich ins Gipfelbuch geschaut. Sechs Einträge für 2014. Ich war der siebte.
Es geht nun weiter zum Hauptgipfel der Rotwand, der schon deutlich als höchste Erhebung vor der Pfeilspitze zu erkennen ist. Ab hier bis hinter die Rotwand läuft man nun immer direkt auf dem Grat, mit nur einer Ausnahme. Der Grat ist schmal, oft äußerst schmal, und wer schauen will, der bleibt zu diesem Zweck besser erstmal stehen...
Hinter dem Kreuz geht es ein bisschen auf und ab, dann schnürt sich der Grat zusammen und fällt in eine Scharte ab. Hier geht es nun hinunter. Unten steht ein Gendarm quer, der einem den Weg versperrt. Davor wird die Schneide recht schmal. Man klettert nun auf der Schneide hinunter.
Der Gendarm muss links umgangen werden (man kann ihn schon überklettern, jedenfalls wenn man's kann. Drüben runter ist einfach). Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Vor dem Gendarm ziehen zwei Rinnen vom Grat hinab, die sich ein paar Meter weiter unten vereinen. Die erste ist felsiger, die zweite erdiger, aber leichter. Am Grat oben trennt ein weiterer Zacken die beiden Rinnen, der, falls die zweite Rinne für den Abstieg gewählt wird, ausgesetzt überklettert werden muss (im Aufstieg I, im Abstieg II).
Die erste Rinne führt bereits vor diesem Zacken steil, aber nicht sehr ausgesetzt hinunter (I-II). Von der Stelle aus, wo beide Rinnen sich vereinen, noch ein wenig weiter abwärts, dann steht man vor einem deutlichen Zacken im Nordgrat des Gendarms. Zwischen Zacken und Gendarm kann man bequem hindurchschlüpfen. Drüben geht es ebenso bequem ein paar Schritte bergab, dann, sobald möglich, auf steilem Gras (dem Anstieg zur Rotwandkreuz durchaus vergleichbar) wieder zurück auf den Grat.
Auf dem Grat geht es nun in Richtung Rotwand-Hauptgipfel. Zunächst vergleichsweise unschwierig über Gras, dann über eine sehr schmale felsige Schneide. Hier muss hin und wieder die Hand an den Fels, an einer Stelle bin ich auch nochmal für ein paar Meter Trittspuren folgend etwas links der Schneide gegangen. Ansonsten immer an der Kante entlang zum höchsten Punkt.
Rotwandkreuz - Rotwand Hauptgipfel: T6/II, 30 Min.
Auf dem Hauptgipfel hab' ich dann erst einmal ausgiebig gepaust. Im Aufstieg ist zwar alles gutgegangen, und ich habe mich überraschend sicher gefühlt, aber am Grat fehlte mir irgendwie die gewohnte Selbstsicherheit. Also lieber Pause machen, was essen, was trinken - und natürlich ganz viel schauen! Der messerscharfe Grat zur Pfeilspitze sieht von hier aus absolut atemberaubend aus. Ein Privileg, dort hinaufgehen zu dürfen!
Nach der ausgiebigen Pause ging's dann. Die hatte ich wirklich nötig. Es folgt nun der Abstieg vom Hauptgipfel der Rotwand. Zunächst geht es über steile Grastritte hinunter, dann wird es gleich felsiger. Im Gras sind viele schräge Platten eingelagert, über die man abklettern muss (I-II). Dieser Abstieg wird in den Beschreibungen meist etwas übergangen, man sollte ihn aber nicht unterschätzen. Er ist mit dem Abstieg von der Pfeilspitze durchaus vergleichbar.
In der Scharte zwischen Rotwand und Pfeilspitze angekommen, geht es nun gnadenlos auf dem dramatisch scharf geformten Grat über mehrere Stufen hinauf. Immer wieder wechseln sich Gras und Felsen ab, die Schlüsselstelle bilden einige schräge Platten, die die Schneide so scharf werden lassen, dass man sie besser auf Rissen in der Südseite überquert. Vorsichtig...
Es folgt der kühne, felsige Gipfelaufbau, der kaum über einen Einser hinausgeht. Dann steht man auf der kleinen Felsenkanzel der Pfeilspitze (2469m). Auch hier nur sechs Einträge für 2014. Das sagt schon was über die Tour aus.
Rotwand Hauptgipfel - Pfeilspitze: T5/I, 45 Min.
Direkt hinter dem Kreuz geht es nun an den Abstieg. Noch so ein Abschnitt, über den ich Horrormeldungen gelesen hatte. Doch der Abstieg ist bei kluger Routenwahl kaum schwerer als der vom Hauptgipfel der Rotwand.
Der direkte Abstieg über die erste Stufe wäre tatsächlich eine II, machbar, und sicher auch mit viel Vergnügen. Es gibt aber auch eine einfachere Variante: Vom Gipfel gleich links in die Nordflanke drehen. Hier bewegt man sich in Versturzgelände, da liegen also ein paar große Blöcke herum, zwischen denen es hindurchgeht (Abstieg zum Stablsee möglich). Je weiter man eindreht, bevor man sich wieder nach rechts zum Grat wendet, umso weniger muss man klettern. Nun also in übersichtlichem Gelände zwischen großen Blöcken auf dem einfachsten Weg zurück zum Grat, der zwischen erster und zweiter Stufe als schmaler Grasgrat in Richtung Südosten verläuft.
Auf dem Grasgrat nun ganz nach vorne. Noch ein Stück! Noch ein Stück! Jawoll. Jetzt stehen wir ganz vorne an der Kante. Erst hier kann man sehen, dass die zweite Stufe am besten direkt an der Kante abgestiegen wird. Ich schreibe bewusst "abgestiegen", nicht "abgeklettert", denn hier gibt es so gut wie keine Kletterei. Im oberen Teil sind die Grastritte sehr gut zu erkennen, weil fest gestampfter Hornsteinschotter, und damit im grünen Gras deutlich rot abgesetzt. Das Gelände ist ausgesetzt und steil, aber die Tritte sind groß genug für den ganzen Schuh (ich trage im Gebirge 47!). Lediglich für die letzten 10, 15 Schritte schwenkt man dann etwas links ein - das ist von oben schon zu sehen. Die guten Kanten des leider nicht ganz zuverlässigen Hornsteins machen aber auch das zu einem - wenn auch steilen - Gehgelände.
Die von Yeti69 beschriebene Pickelquerung in der Nordseite sah mir ziemlich gruselig aus, und ich finde sie unnötig und unnötig gefährlich. Über die Kante abzusteigen war mir viel lieber. Dennoch führen unten Trittspuren in die Nordflanke - ich denke aber, dass man da im Aufstieg halt an die Felsen rechts neben der Kante herantritt, und dann direkt hinaufklettert.
Nach der Kante wird es dann endgültig einfacher. Das Gruselgelände ist überwunden. Lediglich ein letzter Grasabstieg zur tiefsten Stelle des Grates Richtung Bschlaber Kreuzspitze ist nochmal ordentlich steil.
Abstieg Pfeilspitze: T6/I, 20 Min.
Von hier aus geht es nun immer am Grat entlang bzw. etwas rechts davon im Gras etwa 200Hm hinauf zur Bschlaber Kreuzspitze. Hier sind auch wieder Markierungen zu sehen, und erstmals seit dem Alple wieder menschliche Begehungsspuren. Im Aufstieg spürte ich, dass meine Erkältung vollkommen verschwunden war, und die gewohnte Kraft wieder zur Verfügung stand. Nur eine Stunde zehn nach der Pfeilspitze stand ich auf der Bschlaber Kreuzspitze (2462m)
Scharte - Bschlaber Kreuzspitze: T4, 50 Min.
Von hier aus wollte ich eigentlich über die Bortigscharte nach Bschlabs absteigen, wo ich ein Mountainbike deponiert hatte. Aber Kraft und Lust ließen mich den Plan umwerfen, und ich beschloss, auf dem fantastischen Grat die Runde bis zur Elmer Kreuzspitze zu vollenden. Ich gab mir eine Stunde, um auf dem Anhalter Höhenweg, einem Wanderweg, der hier meist direkt auf der Kante verläuft, über die Mittlere Kreuzspitze (2496m) zur Elmer Kreuzspitze (2480m) zu gelangen. Nach einer halben Stunde war ich da.
Bschlaber Kreuzspitze - Elmer Kreuzspitze: T4, 30 Min.
Auch hier genoss ich die großartige Aussicht, vor allem die auf die bis dahin geschaffte Route.
Mein Blick fiel dabei natürlich zuerst nach Norden, dort sind die Tannheimer Berge zu erkennen: Rote Flüh, Gimpel, Köllenspitz und die Gehrenspitze.
Weiter geht's mit den Ammergauer Alpen: dem Säuling und dem Branderschrofen, daneben der Hohe Straußberg. Dann ist die Krähe zu sehen, die Hochplatte und die Große Klammspitze. Es folgt der Thaneller, direkt dahinter die Geierköpfe, der Kreuzspitz und der Friederspitz. Dann fält der Blick auf den Danielgrat, von der Kohlbergspitze bis zum, na, eben dem Daniel.
Weiter rechts dominiert der Wetterstein mit der Zugspitze und dem Hochwanner. Es folgt die Mieminger Kette, mit der Hochwand, dem Hochplattig und, genau im Osten, dem wuchtigen Wannig. Davor zeigen sich die Bleisspitze, der Rote Stein, die Steinmandlspitze und die Gartnerwand.
Rechts davon reihen sich die Gipfel der Heiterwand auf, davor die dominante Namloser Wetterspitze. Im Südosten weitet sich der Blick dann und dort sind mit Acherkogel, Grieskogel und Schrankogel ein paar veritable 3000er zu sehen. Fast genau im Südosten steht die markante Hintere Platteinspitze. Noch dominanter ist der Muttekopf, dahinter sind dann die Verpeilspitze und die Watzespitze zu erkennen. Es folgen die Große Schlenkerspitze sowie genau im Süden, die spitze Dremelspitze.
Auf der anderen Talseite stehen Tajaspitze und Hochgwas, dann folgen am Horizont Gatschkopf und Parseierspitze, Hoher Riffler, Freispitze, Vorderseespitze, Feuerspitze und Holzgauer Wetterspitze.
Weiter Richtung Westen fällt der Blick natürlich zuerst auf die eben überschrittene Pfeilspitze. Dahinter, am Horizont, zeigen sich fernere Gipfel, wie die Valluga und die Roggspitze, die Drusenfluh, die Schesaplana und die Rote Wand.
Dann wandert der Blick hinüber auf die andere Seite des Lechtals. Dort erhebt sich die schmale Schneide des Pfeilers, darüber erstreckt sich der Allgäuer Hauptkamm mit Hohem Licht, Hochfrottspitze, Mädelegabel und Krottenkopf, daran anschließend die lange Hornbachkette. Der Hochvogel sieht von hier aus besonders eindrucksvoll aus. Dann sind das Nebelhorn, der Große Daumen, der Kleine Daumen, Rauhhorn und Geißhorn sowie die Lachenspitze und die Leilachspitze zu erkennen.
Dann machte ich mich an den Abstieg. Der Wanderweg führt nun nach Westen steil hinab. Nach insgesamt sechs Stunden (einschließlich aller Pausen) war ich an den Scharte zwischen Elmer Kreuzspitze und Elmer Muttekopf angekommen.
Hier in der Scharte traf ich zwei Jungs, die ersten anderen Bergsteiger des Tages! Ich hab sie gleich angequatscht und bald frech gefragt, ob sie mich wohl mit ihrem Auto zu meinem Startpunkt hochfahren würden. Denn auf den Latsch die Straße entlang von Elmen hinauf zu meinem Parkplatz hatte ich wenig Lust. Sie willigten ein, und so sind wir zu dritt gemütlich bis zur Stablalpe (1411m) abgestiegen.
Dort habe ich dann vier Almdudler gestürzt, woraufhin mich der Wirt gefragt hat, was ich gemacht hätte. Natürlich haben wir gleich über die Tour gefachsimpelt. Er gehört zu denen, die vor Jahren das Gipfelkreuz auf der Pfeilspitze installiert haben. Und er konnte mir erklären, was es mit den Drahtseilen im Anstiegshang der Rotwand auf sich hat, und mit den roten Punkten in der Rinne. Aber das Wichtigste war der folgende Satz: "In Elmen wohnen fünf Leute, die sich noch auf die Rotwand trauen". Er sagte "trauen". Das hat echt gutgetan...
Elmer Kreuzspitze - Elmen: T4, mit vielen Pausen 3 Stunden (geschätzte Zeit ohne: 1:30)
Fazit:
Meine schwierigste Tour bisher. 60° steiles Gras ist absolutes Horrorgelände, wenn man's nicht gewohnt ist. Ich bin überraschend gut durchgekommen - Horror war es trotzdem. ;o} Alles andere geht im Vergleich.... Jedenfalls für den, der es genießen kann, stundenlang auf messerscharfen Graten zu spazieren, die stellenweise nur wenige Zentimeter breit sind. Es braucht:
- Schuhe mit beinharter Sohle (im Gras muss sicher gekantet werden)
- Stöcke
- ein Pickel mag hilfreich sein, ich hatte einen dabei, habe ihn aber nicht eingesetzt
- eine absolut stabile Psyche. Wer hier auspsycht, hat wenig Chancen, aus dem Gelände allein wieder herauszukommen. Zwischen Rotwand und der Pfeilspitze gibt es keine Notabstiege. Einmal drin, muss man durch!
- Kletterfertigkeit (II. Grad)
- absolute Trittsicherheit auf einem extrem ausgesetzten Grat
- absolute Schwindelfreiheit auf einem extrem ausgesetzten Grat
- absolute Trittsicherheit in bis zu 60° steilem Gras
- absolute Schwindelfreiheit in bis zu 60° steilem Gras
- ausreichend Kraft, um gut 400Hm in bis zu 60° steilem Gras zu überwinden
Nur zur Erklärung: 60° steiles Gras ist ne Wiese, die vor Dir ist, nicht unter Dir.
Wer sich den gesamten Grat aus einer aufschlussreichen Perspektive mal ansehen möchte, sollte dieses Foto von Nyn mal auschecken. Auch dieses Foto von Yeti69 ist ziemlich aufschlussreich.
Tipp:
Für alle, die die Tour als Kurztour gehen wollen, habe ich folgenden Tipp:
Auf's Alple kommt man auch anders: Auf der Hahntennjochstraße hinauf Richtung Bschlabs. Dann direkt vor dem vorletzten Tunnel (dem Brückentunnel) vor Bschlabs rechts von der Straße runter auf einen Fahrweg. Ob man auf dem fahren darf, weiß ich nicht, aber er ist von Bschlabs aus auch gut auf Wanderwegen zu erreichen. Auf diesem Fahrweg über den Tunnel hinweg und norwestwärts weit hinauf in den Hang. Am Ende des Fahrwegs beginnt ein guter Serpentinenpfad, der schnell hinauf zu den Lawinenverbauungen führt. Nun zuerst an deren rechtem, dann an deren linkem Rand hinauf aufs Alple.
Wer also wenig Zeit hat, stellt das Auto in Bschlabs ab, nimmt diese Route hinauf aufs Alple, und steigt später nach der Pfeilspitze über die Hochpleiß oder die Bschlaber Kreuzspitze wieder nach Bschlabs ab.
Noch'n Tipp:
Der Nordostgrat der Elmer Kreuzspitze, bis dato weitgehend ein Geheimtipp, ist fast genauso großartig.
Und nun?
Was Leichtes zum Abschluss? Och nöööö....
Hike partners:
Nik Brückner
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