Testtour über Nagelfluhkette und Hörner


Publiziert von Nik Brückner , 5. September 2022 um 16:18.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:11 Juni 2009
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   A   Bregenzerwald 
Zeitbedarf: 4 Tage
Aufstieg: 4400 m
Abstieg: 4000 m
Strecke:70 Kilometer
Unterkunftmöglichkeiten:Zahlreiche Möglichkeiten unterwegs

Im Jahr 2009 wollten meine damalige Freundin und ich von Bregenz nach Bozen wandern. Mit 299 Kilometern und 18300 Höhenmetern in 17 Tagen kein kleines Unterfangen. Da wir beide mit einer solchen Strecke keine Erfahrung hatten, planten wir eine Art Trainingstour ein, einige Monate früher. Wir entschieden uns, zu diesen Zweck die ersten vier Etappen unserer Alpenüberquerung zu gehen. Dabei würden wir sehen, wie wir als Team funktionierten, welche Ausrüstung wir brauchten und welche nicht, und viele weitere kleine Dinge, die man erst bemerkt, wenn man draußen unterwegs ist. Meinen Vater nahmen wir mit, weil der Lust hatte, und ein zweites Auto mitbringen konnte. So eine Tour geht bequem mit zwei Autos.

Vor allem aber wollten wir wissen, wie verlässlich die Angaben in unserem Büchlein, dem Rother-Wanderführer E5 von Stephan Baur und Dirk Steuerwald sein würden. Dabei ging es uns unter anderem insbesondere um die Zeitangaben. Eine Etappe, die Etappe am Kaunergrat, die mit über zehn Stunden Gehzeit angegeben war, machte uns ganz besonders Gedanken. Wir wollten wissen, in welchem Verhältnis unsere Geschwindigkeit im Vergleich zu den im Buch angegeben Gehzeiten stand, um einschätzen zu können, ob wir auf solchen langen Etappen ein ausreichendes Zeitpolster haben würden.

Das Fazit vorneweg: Diese Trainingstour über die Nagelfluhkette war äußerst aufschlussreich. Wir lernten alles, was wir in punkto Ausrüstung und Teamwork wissen mussten, und wir sahen, dass wir je nach Etappe ca. zwei Drittel bis drei Viertel der im Buch angegebenen Gehzeiten brauchten. Damit stand der gemeinsamen
Alpenüberquerung (und vor allem der Etappe am Kaunergrat) nichts mehr im Wege. Und ich kann allen, die so etwas ebenfalls vorhaben, aber noch keine Erfahrung im Weitwandern haben, nur ans Herz legen, ebenfalls vorher eine Testtour einzulegen, damit man, wenn's drauf ankommt, nicht in Schwierigkeiten kommt. Man möchte schließlich nicht erst beim 2000-Meter-Abstieg von der Memminger Hütte nach Zams merken, dass man ein Knieproblem hat...



Tag 1: Bregenz - Halden

Los ging's damit, dass wir mit zwei Autos anreisten, eines davon in Bolsterlang abstellten ("Äy! Kannst Du ma grad hinder die Bolster lang?"), und mit dem anderen nach Bregenz weiterfuhren. "Pictures at an Exhibition" von Friendly Rich im Player. Dort übernachteten wir dann in einer JuHe.

Von Bregenz (398m) aus führt der E5/Nordalpenweg nach Wolfurt und von dort hinauf in den Wald Richtung Bildstein. Wir stiegen also von Wolfurt (434m) aus auf dem Rheintal-Höhenweg nach Bildstein (658m) hinauf.

Das Wallfahrtskircherl dort hatte ich oft schon aus dem Rheintal gesehen, und ich wollte dort schon lange mal hin - dieses Mal entschieden wir uns allerdings dagegen, es zu besichtigen. Wir hatten einen anderen Fokus. Haben's aber dann natürlich ein paar Monate später nachgeholt.

Dann ging es auf dem Höhenweg weiter nach Oberbildstein. Von hier aus wandert man ein Weilchen durch den Wald, hinunter nach Fischbach und Burgen. Und wieder in den Wald hinunter. In der Sommerhitze ein paar Monate später eine Erholung, jetzt um diese Jahrezeit ging's aber noch. An einer Quelle hatte ein netter Mensch zwei Gläser zum Trinken aufgehängt, das kam uns gerade recht. Hier, in der Nähe eines Wasserfalls, legten wir drei ein dringend benötigtes Päuschen ein. Ebenso dann unten an der Bregenzerach, zu der wir an einem E-Werk vorbei hinunterstiegen. Dann ging es eine Weile im Tal entlang, bis wir nach Langenegg (688m) aufstiegen. Weiter ging's schließlich über Oberkirchdorf zu unserer Unterkunft in Halden am Rotenberg.


Tag 2: Halden - Staufner Haus

Kurz nach sechs kräht der Hahn, wir stehen auf und ziehen los. Hinterm Haus hoch in den Wald und nördlich um den Rotenberg herum ging es zunächst nach Hittisau (790m). Wir passierten die historische Kommabrücke, dann folgte ein steiler Anstieg über Gfäll und die Gschwendalpe hinauf zum Hochhäderich (1566m). Wir legten am Gipfel eine Pause ein - und machten uns dann an die Nagelfluhkette. Das Wetter war prima und wir genossenen die Tour auf der Kante.

Vom Gipfelkreuz weg geht's erst hinauf zum höchsten Punkt und dann weiter RIchtung Falken. Stets am aussichtsreichen Grat geht's hinunter in den Sattel zwischen Hochhäderich und Falken, teils mit Seilen gesichert. Die Schlüsselstelle an Tag 2: Bei einem Riss muss man ein paar Meter im Fels senkrecht hinaufsteigen, wieder unterstützt von einem Seil. Dann geht's weiter über den Falken (1564m) und die anderen Gipfel bis zum Seelekopf (1663m), über schmale Kanten und breite Rücken. Kraxelei gleich am zweiten Tag - das ist genau die richtige Einstimmung für eine Alpenüberschreitung. Trotzdem kamen wir viel zu früh am Staufner Haus (1634m) an.


Tag 3: Staufner Haus - Gunzesrieder Säge

Nach einer fantastischen Nacht im Staufner Haus (1634m) standen wir gemütlich um halb acht auf. Die heutige Tour würde ja nicht so lang werden: wir wollten über Hochgrat, Rindalphorn, Buralpkopf und Stuiben bis vor zum Steineberg, und dann zur Gunzesrieder Säge absteigen, wo wir unser Quartier gebucht hatten. Nach einem Genussfrühstück (Bircher Müsli!) brachen wir auf.

Zunächst ging's mit Handlauf hinauf zum Hochgrat (1834m), dem höchsten Gipfel der Nagelfluhkette. Dort begrüßten uns die Dohlen, die längst wach waren.

Und hier, am höchsten Punkt der Tour, genossen wir die Aussicht. Der Blick fällt zunächst: voraus, auf den weiteren Verlauf der Nagelfluhkette, bis zu den Stuiben. Dahinter ist der Grünten zu sehen. Weiter geht's dann im Osten mit dem Aggenstein, dem Einstein, dem Kühgundkopf und der Köllenspitze. Prominenter sind Gaishorn und Rauhhorn, Großer Daumen, Nebelhorn und Rubihorn. Der Hochvogel ist zu sehen, davor der Schneck, davor der Schattenberggrat. Es folgen die Wilden mit dem Wildengrat, die Höfats, Rauheck und Kreuzeck. Dahinter, am Horizont, Marchspitze und – ziemlich genau im Südwesten – der Krottenkopf. Davor ist der Himmelschrofenzug zu sehen.
 
Hinter dem Kratzer und der Trettachspitze sind mit der Parseierspitze und der Freispitze zwei prominente Lechtaler zu erkennen, dann folgen Mädelegabel und Hohes Licht am Allgäuer Hauptkamm. Davor erhebt sich mit dem Linkerskopf der höchste Grasberg Deutschlands. Dann dominieren der Hohe Riffler und der Biberkopf den Horizont. Als nächstes ist der Elfer zu sehen, rechts davon Kleiner und Großer Widderstein. Davor zeigt sich der Hohe Ifen.
 
Ziemlich genau im Süden beherrscht dann die Braunarlspitze den Horizont. Es folgen die Hochkünzelspitze und die Rote Wand, der Diedamskopf und der Zitterklapfen. Dann sind im Rätikon die Drei Türme, die Drusenfluh, die Zimba und natürlich auch die Schesaplana zu sehen. Davor die Kanisfluh und die Winterstaude.
 
Im Südwesten sind schließlich die Schweizer Gipfel eher zu ahnen als zu sehen, der Alpstein mit Altmann, Säntis und dem Hohen Kasten sind aber nicht zu übersehen.



Vom Hochgrat führt ein bequemer Pfad hinunter in die Brunnenauscharte (1626 m). Doch hier lagen Schneereste, und wir mussten hin und wieder dem Frühjahrsmatsch ausweichen. Es folgt dann zunächst der Anstieg auf den Gelchenwanger Kopf (1812 m), von dem aus nach einem kurzem Zwischenanstieg und eine kurze Stelle am scharfen Grat schnell das Rindalphorn (1822 m) erreicht ist.

Der Abstieg vom Rindalphorn war kein Spaß. Wer da jemals im Matsch runtergerutscht ist, weiß, wovon ich rede. In der Gündlesscharte (1555m) haben wir erst einmal pausiert und diskutiert. Sollten wir lieber ins Tal absteigen?

Ach, das würde schon werden. Die Sonne taute den Schnee ja bereits ab, und die nächsten Gipfel sind ca. 100 Meter niedriger. Zunächst ging es hinauf auf den Gründleskopf (1748 m), dann schwingt der Grat hinüber zum Buralpkopf. Unterwegs helfen an einer schmalen Stelle nochmal Seilversicherungen, dann steht man auf dem Buralpkopf (1772 m).

Vom Buralpkopf muss man nun fast 190 Höhenmeter absteigen, den Ostgrat entlang in eine tiefe Scharte. Ein nicht ganz einfacher Pfad über einige ausgesetzte felsige Absätze. Dann geht's wieder einfacher hinauf auf den Sedererstuiben (1737 m) und weiter zum Stuiben (1749 m). 

Vorletzte Station am Grat: Das Steinköpfle. Dieser Wegabschnitt ist wieder etwas anspruchsvoller. Zunächst muss im Abstieg vom Stuiben eine steile Nagelfluhplatte gequert werden. Drahtseile helfen auch hier.

Anschließend schlängelt sich ein teils ausgesetzter Pfad zwischen Felsen hindurch hinunter zu einer Wegkreuzung am niedrigsten Punkt. Immer in Gratnähe und bald auf dem Grat geht's weiter zur nächsten schrägen Platte. Auch hiher helfen Drahtseile weiter und hinauf auf's Steinköpfle (1669 m).

Es folgte unsere letzte Etappe am Grat: Die Überschreitung zum Steineberg. Der ist auf dem einfachen Weg schnell erreicht, kurz vor dem Gipfel hat man dann allerdings die Wahl:

Entweder auf einfachem Weg in wenigen Minuten zum Gipfel, oder links herum und von hinten über eine zwanzig Meter hohe Leiter hinauf. Meine Freundin und ich wählten den einfachen Weg, mein Vater die Leiter, und wir trafen am Gipfelkreuz des Steinebergs (1660 m) wieder zusammen.

Von hier aus wanderten wir dann in eineinhalb Stunden hinunter zur Gunzesrieder Säge (931m).


Tag 4: Gunzesrieder Säge - Bolsterlang

Die Schwierigkeiten lagen nun hinter uns, heute war Genusswandern angesagt: Es ging über die Hörner nach Bolsterlang. So machten wir uns gemütlich um halb neun an der Gunzesrieder Säge (931m) auf, und wanderten zur Weltcuphütte (1287 m) mit der Weltcup-Express Bergstation (1300 m) hinauf auf die Höhe. Der erste Gipfel des Tages war das Ofterschwanger Horn (1406 m), das wir unerschrocken überschritten.

Der Hörnerhöhenweg ignoriert das Sigiswanger Horn, wir auch, und nimmt erst das Rangiswanger Horn (1615 m) wieder mit. Wir auch. Letzter Gipfel des Tages war der Weiherkopf (1665 m), von hier aus stiegen wir an der Bergstation der Hörnerbahn (1530 m) vorbei hinunter nach Bolsterlang (880 m).


Fazit

Die perfekte Testtour, und auch als erste Tour im Frühjahr immer wieder gut geeignet. Abgesehen davon ist die Nagelfluhkette ein perfekter Laufsteg mit erstklassiger Aussicht in alle Richtungen.

Tourengänger: Nik Brückner, H. Brückner


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