Kirchentag im Hintersteiner Tal


Publiziert von WoPo1961 , 4. November 2019 um 18:42. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:15 Oktober 2019
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 4:30
Aufstieg: 1080 m
Abstieg: 1080 m
Strecke:10km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem Bus ins Ostrachtal
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Mit dem Bus aus dem Ostrachtal
Unterkunftmöglichkeiten:In Hindelang oder Hinterstein

Einen Tag nach unserer Überschreitung von 12er, 11er und Liechelkopf sollte es etwas Kurzes (Löwensteiner), Schotterfreies (WoPo) und Geiles (Nik) sein - wenn möglich, mit See (webeBe). Wir entschieden uns für das Naheliegende: einen Kirchenbesuch.

Im Hintersteiner Tal steht eine Kirche. Nein, nicht die Kapelle der Jäger unten an der Talstraße - die Laufbichlkirche. Der Berg steht direkt an einem Wanderweg, trotzdem kennen ihn die meisten, die hier vorbeikommen, nicht. Diejenigen aber, die ihn kennen, sprechen nicht ohne Respekt von ihm: Steile Hänge, schmale Kanten - der Gipfel ist von keiner Seite aus leicht zu erreichen.

Am anspruchsvollsten ist die Überschreitung über den bis zu 65 Grad steilen Nordwest- und den schmalen Ostgrat: Diese Route hatten wir uns ausgesucht. Zusätzlich schwierig wurde die Tour dadurch, dass das Gras Mitte Oktober schon ziemlich knusprig gebacken war. Ist die Laufbichlkirche ansonsten für ihr dichtes, hüft- ja mannshohes Gras berühmt, war es in diesem Herbst dünn, dürr, und als Steighilfe nicht mehr zu gebrauchen. Aber es geht auch so.



Mit dem ersten Bus fuhren wir zum Giebelhaus (1068m). Hier sammelten wir uns - wichtig bei einem Kirchenbesuch - und wanderten andächtig auf dem beschilderten Fahrweg durch herrlichen Herbstwald in einem knappen Stünderl hinauf zur Käsrrralpe (1401m).

Giebelhaus - Käseralpe: Markierter Fahrweg, T1, 50 Minuten


Dort folgten wir der Beschilderung zum Engeratsgundsee, und stiegen auf dem guten und vielbegangenem Wanderweg weiter hinauf. Bei einem Ruinerl pausten wir erst einmal, dann wanderten wir weiter auf zum herrlich gelegenen Engeratsgundsee (1876m).

Käseralpe - Engeratsgundsee: Markierter Wanderweg, T2, 1h


Hier ist das Koblat erreicht, eine karstige Geländestufe unterhalb des Grats, der vom Nebelhorn zur Daumengruppe führt und den Hindelanger Klettersteig auf seiner Kante trägt. Von hier aus schweiften unsere Blicke schon respektvoll nach links hinüber zu den markanten Steilaufschwüngen der Laufbichlkirche. Nur WebeBe überlegte, ob sie nicht vielleicht doch lieben baden gehen sollte....

Wir gingen dann aber doch zu viert auf dem Wanderweg weiter Richtung LaufbichlsattelAuf einem Rücken gegenüber der Kirche entschied WebeBe dann, erst einmal hier zu bleiben, und uns zu fotografieren, und dann eben doch in den See zu hopsen.

Wir anderen drei wanderten weiter, und gelangten in wenigen Minuten zum Laufbichlsattel (1970m), wo wir den Weg verließen.

Engeratsgundsee - Laufbichlsattel: markierter Wanderweg, T2, 25 Minuten


Im Sattel haben wir uns gar nicht lange aufgehalten. Pickel raus, Helme auf, dann gaben wir uns die Kante.

Praktisch übergangslos steigt man in die haarigste Passage der Überschreitung ein: eine ca. 40 Meter hohe Kante, die sich schnell an die 60, 65 Grad aufsteilt. Hier ist der Pickel ein (fast) unverzichtbares Hilfsmittel, sind die erdigen Tritte doch klein (aber immer groß genug) und das Gras spärlich: Es wachsen hier nur kleinblättrige Küchenkräutlein, in die schlecht hineinzugreifen ist, bisweilen hat man gar nur ein paar Gewürzlein zwischen den Fingerspitzen. In der Kante gibt es zwar immer wieder kleine Podeste, auf denen man stehen kann, zwischendrin wird es aber an zwei Stellen (in der Mitte und ganz oben) derart steil, dass man ganz freiwillig recht still wird - oder zu fluchen anfängt. Wir nennen keine Namen.

Man sollte sich übrigens auf Zuschauer gefasst machen. Der Wanderweg ist vielbegangen, die Kirche nicht, und wer hier hinaufgeht, zieht die Blicke der Passanten unweigerlich auf sich. Es gilt Niks alte Bergsteigerregel: Egal was du machst und wie's dir dabei geht - versuch' immer, cool auszusehen....

Erst direkt am Ausstieg wird es dann besser und man gelangt auf eine waagrechte Stufe im Grat, von der aus der Gipfel schon greifbar nahe ist. Das schwierigste Stück des Aufstiegs hat man hinter sich. Allerdings zieht sich der Grat zum Gipfelaufschwung hin noch einmal ordentlich zusammen, ein Meter, 80cm, 60cm, während es immer steiler hinaufgeht. Diesmal aber nicht mehr ganz so steil, und so gelangt man schnell hinauf zum höchsten Punkt der Laufbichlkirche (2042m).

Laufbichlsattel - Gipfel: weglose Gratüberschreitung, T6, I, weiter oben T5, 20 Minuten


Hierher kann man übrigens auch leichter durch die Wanne südlich des Laufbichlsattels gelangen. Steil ist's dann zwar immer noch, aber man umgeht die gruselige Kante. Dennoch fanden wir im Gipfelbuch für 2019 nur fünf Einträge vor. Der Berg ist und bleibt ein exklusives Ziel. Wir haben unseren Eintrag hinzugefügt, lagen keuz und quer im Gras herum, und haben dabei überprüft, ob WebeBe auch wirklich badet. Na, na, na!

Erst nachdem die Zeit geraum geworden war, haben wir uns dann an den Abstieg gemacht. Zunächst geht es ein paar Meter steil und schrofig hinunter, ein paar Schritte wieder hinauf, und dann auf dem vorübergehend gemütlichem Grat südostwärts. Kaum macht sich Entspannung breit, zieht sich der Grat aber sofort wieder dachartig zusammen und die Laufbichlkirche erinnert einen daran, warum sie so heißt.

Nun geht's rechts einen steilen Grashang hinunter, der recht gut gestuft ist, und dadurch auch im Spätherbst besser begehbar ist, als es von oben den Anschein hat. Unten zieht sich der Grat wieder zusammen, und auf einem gebrochenen Mäuerchen geht es zum nächsten Zacken hinüber. Auch hier geht es wieder ein paar nicht nennenswerte Schritte hinauf.

Vom Zacken sieht man die Käsrrrralpe schon trügerisch nahekommen. Allerdings ist der Abstieg von der L'Kirche wie eine Achterbahnfahrt: Kaum kann man sich ein paar Meter erholen, kommt der nächste steile Abschwung, kaum ist's ein paar Meter leicht, zieht sich der Grat messerscharf zusammen. Und so folgt nun die krasseste Passage des Abstiegs: Es geht hinunter zu einem brüchigen Felsköpfl am Grat. Ein paar Meter kann man auf der Graskante absteigen. Dann wird sie sehr steil und schotterig, weshalb man besser rechts des Grats zu dem Felsköpfl hinunterzickzackt. Dieser Abstieg ist sehr steil, und das Gras war ausgerechnet an dieser Stelle äußerst crisp, so dass an eine kräftiges Zupacken nicht zu denken war. Dieses Problem mussten unsere Vibrams alleine lösen.

Man liest in einigen Tourenbeschreibungen, dass man das Köpfl vorsichtig überklettern soll, weil der Fels äußerst brüchig ist. Das sieht aber gruselig aus, deshalb sind wir deutlich vor dem Köpfl ein paar Meter rechts hinuntergestiegen und auf guten Tritten und festem Fels drumherum gegangen. Das ist ein Tickerl weniger ausgesetzt, einfacher und weniger gefährlich.

Hinter dem Köpfl ist der Grat dann nochmal steil und schmal, aber das Ganze sieht spektakulärer aus als es ist. Man steigt auf einem schmalen Mäuerchen hinunter, bevor man am Ende nach rechts in den Grashang schwenkt. Den ging's nun hinunter, in knurpsigem Gras oder am linken Rand eines Erosionsfelds, wo es gute Stufen gibt. Im unteren Teil wird der Grashang endlich flacher. Hier hält man sich links, aber nicht zu weit, denn da bricht der Grat wieder senkrecht ab.  Rechts neben einem Feld, das aussieht, als hätte sich hier ein Bulldozer betätigt, geht es hinunter, nochmal steil am hier baumbewachsenen Grat. Dann an geeigneter Stelle rechts in den Hang, der weniger steil ist als der Grat, und hinunter zum Wanderweg bzw. zur Käseralpe (1401m).

Gipfel - Käseralpe: weglose Gratüberschreitung, T5, 1:20


Von der Käseralpe aus führt ein schöner, vielbegangener Wanderweg hinunter zum Engeratsgundhof (1154m), der leider schon geschlossen hatte.

Käseralpe - Engeratsgundhof: markierter Wanderweg, T2, 25 Minuten


Wir wanderten schließlich noch zurück zum Giebelhaus (1068m), wo wir auf unsere Tour anstießen. Aber nicht allzu lang! Der letzte Bus fuhr um 16:10.

Engeratsgundhof - Giebelhaus: markierter Fahrweg, T1, 15 Minuten


Wir busten nun zurück nach Hinterstein, nicht ohne uns noch drei der obligatorischen Gschichtln anzuhören. Dort verabschiedeten wir uns vom Löwensteiner, den zuhause eine Spaghettischlacht erwartete. Wir anderen drei kehrten in Hinterstein noch ein, und ließen den schönen Tag bei Rösti, gefüllten Schnitzelchen und Ladyweizen ausklingen.


Ausrüstung:

Stecken, dazu Helm und Pickel für die steile Kante.


Mein Fazit:

Pöh, ich hab genug geschreibselt. Für einmal lass ich die Anderen ran. Dafür verzichte ich sogar auf`s letzte Wort. Toll war`s aber auf jeden Fall. Steil auch. Und Schotterfrei. Also tiptop. 
Soh, bin raus... der näxte Bitte!!



WebeBes Fazit:

Seebädersuchende Agnostiker kommen genauso auf ihre Kosten wie eifrige Kirchendachbegeher, glaube ich. Allein, mir fehlt das Wissen. Weil ich an dem Tag leider weder der einen noch der anderen Fraktion angehört habe ( das Wasser war sogar mir zu kalt und die Außentemperatur auch eher nicht mehr dazu geeignet, nach Bergseetaufen ordentlich zu trocknen... ärgert mich aber durchaus, es nicht trotzdem gemacht zu haben, war meine letzte Chance für ein Jahr und der See ist wirklich wunderschön! ). Aber davon mal abgesehen war es ein guter Tag für Menschen, die auch einfach mal nur sitzen wollen. Und gucken. Sollte man ohnehin öfter mal tun, vor allem, wenn man dabei drei sehr lustige Typen beim Kantenkrabbeln beobachten kann. Beim nächsten Mal üben wir, ob ihr mit euren Silhouetten nicht irgendwelche schönen Formen an den Grat malen könnt, ok? Fazit: gerne wieder, ihr drei Grasheiligen.


Des Löwensteiners Fazit:

Laufbichlwas? Den meisten Wanderern im Nebelhorngebiert wird dieser Gipfel unbekannt sein, den Kennern - meist Wiederholungstäter -  allerdings entlockt er ein Grinsen.
Der Aufstieg über den Nordgrat hinterlässt bleibende Eindrücke. Das erste mal ist auf jeden Fall eine Grenzerfahrung, man fragt sich zwischendurch, was man hier eigentlich tut.
Man sollte stets konzentriert und bedacht steigen und sich nicht von den Zuschauern beirren lassen, die auch schon mal stehen bleiben und das Treiben verfolgen, denn der Wanderweg führt direkt hinter/unter einem vorbei.

nun mein endgültiges Fazit:
Tolle Tour mit wunderbaren Hikrn! Eine ideale Tour für den erfahrenen Steilgrasgeher, wenn man etwas Kurzes, Schotterfreies und Geiles sucht!
Danke für die spannenden gemeinsamen Tage



Niks Fazit:

Die Kante! Hr hr hr.... Ich hab die anderen ja ordentlich angeheizt unterwegs. Die gruselige Kante! 80, 90, ach, was sag ich, 190 Grad steil! Geil! Und dann kam's wie es kommen musste: WoPo ist eggsdräjm louggär da raufgetschoggt, ich hinterher, mit großer Freude am Spaß, weil's beim zweiten Mal defi easier ist, und der Löwensteiner hat sich mit einem Löwenmut hinaufgepickelt, als gäb's kein Morgen. Sehr, sehr geile Männer, die.

Und während wir uns die Kante gaben, hat WebeBe fotografiert wie eine richtige Fotogräfin. Tscheggt ihre Bilder aus - es sind die geilen Bilder.

Mädel, Boys, es war so geil mit Euch. Wie nett, so schöne Menschen - nein, halt - wie schön, so nette Menschen zu kennen, und mit ihnen in's Gebirge gehen zu können. Leute, Ihr regiert!


Und die Kirche? Eine geile Tour, die trotz Hikr, Festivaltour und Konsorten immer noch ein Geheimtipp zu sein scheint. Im Spätjahr angesichts des knusprigen Grases vielleicht nicht ideal, andererseits macht das manche Stelle durchaus auch einfacher. Die letzten Meter oberhalb der Käseralpe etwa, da muss man sich im Frühsommer durch mannshohes Kraut schlagen - im Herbst war das kein Problem. Wir hatten jedenfalls einen Riesenspaß!

Als Notabstiege eignen sich übrigens der Abstieg vom Gipfel in die Wanne südlich des Laufbichsattels sowie einige Rippen Richtung Süden. Allerdings sind auch diese äußerst steil - und unten dürfte man dann mit Erlengestrüpp zu kämpfen haben. Unten quert ein Weg die Südflanke, den müsste man ansteuern.




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Kommentare (4)


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Schubi hat gesagt:
Gesendet am 5. November 2019 um 00:12
Extremst amüsanter Bericht! Glückwunsch an die Runde zu dieser schrägen Tour.

WoPo1961 hat gesagt: RE:
Gesendet am 5. November 2019 um 19:24
Dann bedanke ich mich mal im Namen aller Beteiligter für deinen Kommentar. Zumindest mich freut es immer wieder auf's Neue, wenn solch ein Bericht Zustimmung bekommt. So richtig schräg war die Tour nur dann , wenn die Horizontale "etwas" in Schräglage geriet. Aber dies war ja nur kurzzeitig.
Einen Gruß aus Flachlandhausen ist dir aber sicher. Und zwar vom
WoPo

derMainzer hat gesagt: Steile Hänge, schmale Kanten
Gesendet am 5. November 2019 um 08:37
Servus an die Crew der steilen Gratgrasbezwinger,

bei den Aufstiegsbildern wird mir jetzt erst wirklich bewusst, warum die Allgäuer auch im Sommer mit Grödln und Pickel in ihre Berge gehen. Respekt vor diesem steilen Gratgrasaufstieg.

Gruß
derMainzer

WoPo1961 hat gesagt: RE:Steile Hänge, schmale Kanten
Gesendet am 5. November 2019 um 19:34
Ein Grüezi, Moin und Tach auch an denMainzer. Jau, ich bin eigentlich überhaupt noch nie zuvor mit nem Eispickel ins Grüne gezogen. Dies war somit Premiere. Für jemanden, der dieses Gerät eher auf Hochtouren einsetzt, schon einetwas merkwürdige Tätigkeit. Aber bei diesen (Gras)Verhältnissen konnte man ihn schon gut gebrauchen.
Merci vielmal fürs kommentieren und danke für deinen Respekt. Ich denke, meine Mitstreiter wirds freuen... Ich zumindest hab mich gefreut.
Grüße vom platten Land
WoPo


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