Der Wildengrat - von hinten


Publiziert von Nik Brückner , 12. September 2014 um 20:05.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:28 August 2014
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   A 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 1550 m
Abstieg: 1550 m
Strecke:15km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Nach Hinterhornbach aus dem Lechtal
Unterkunftmöglichkeiten:In Hinterhornbach

Der Wildengrat! Ein wilder Grat!

Bereits wild beschrieben hier, sprang der Wildengrat als Ersatz ein, als ich meine Tourenpläne im verregneten Sommer 2014 spontan ändern musste. Anders als der Meister der Allgäuer habe ich den Wildengrat aber von hinten genommen, sprich von Hinterhornbach aus. Damit konnte ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Ich konnte meine Ersatztour gehen, ohne einmal um die halben Allgäuer herumzufahren, und ich konnte den rückwärtigen Anstieg auf den Großen Wilden austscheggen. Das hatte mich schon lange mal interessiert.



Jack Dupons "Tête De Chien" zum Aufwachen. Viertel nach sieben in Hinterhornbach - das scheint zur Zeit mein Schicksal zu sein... Losgez! Und in einer Viersiebtelstunde hinter zu den Jochbachhütten (T2).

Hinterhornbach - Jochbachhütten: 45 Minuten, Wanderweg, T1/T2


Zum Aufstieg auf den Großen Wilden schreibt der AV-Führer: "Großartige Tour für Könner"! Das stimmt natürlich ;-) - abgesehen davon stimmt an der Beschreibung leider nur wenig.

Etwa 350 Meter nach den Hütten überquert man in kurzer Folge zwei Bäche, die von Norden herabkommen. Direkt nach dem zweiten Bach, dem Wildenbach, geht es rechts hinauf.

Ich bin, verführt von der ungenauen Beschreibung im AV-Gebietsführer, zu weit gegangen und musste mich den Hang hochwühlen, bis ich irgendwann per Zufall auf einen roten Punkt und damit auf die eigentliche Anstiegsroute traf (Auch in der Kompasskarte ist der Einstieg zu weit westlich eingezeichnet).

Also noch am zweiten der beiden nahbeinanderen Bäche hoch und die Augen auf, damit man die roten Punkte nicht verpasst.

Jetzt beginnt ein Punktesuchspiel...

Die Punkte markieren nicht wirklich einen Weg, allenfalls kann man das ein dünnes Steiglein nennen. Auf diesem nun heran an die erste Felsstufe und durch einen schmalen Durchschlupf hinauf. Oben scheint es dann nach rechts zu gehen, aber die breite Latschengasse endet bald. Also ein paar Meter zurück, bis ein schmaler Durchlass zwischen Latschen weiter hinaufführt. Und so geht es weiter: Mal schmale, mal breite Latschengassen führen steil hinauf. An einer Stelle führt die Route nach rechts recht nah zu der Schlucht des Wildenbachs, danach geht es einen Hang und eine grasige Rinne links hinauf. Am Ende der Rinne nach rechts und bald wieder links hinaus in eine kleine Wanne, wo der Sulzbach vom Goldbrünnele herunterkommt.

Bis hierher ist das Steiglein mit ein wenig Spürsinn gut zu finden, auch und vor allem, weil die roten Punkte immer wieder gute Orientierungshilfen bieten. Hier oben, in der Wanne, befindet sich nochmal ein großer roter Fleck auf einem breiten Fels, danach habe ich links des Bachs noch zwei, drei Punkte gefunden. Damit hörte es dann aber auf. Ich habe mich dann an die AV-Karte gehalten und bin rechts des Bachs weiter aufgestiegen. Am Goldbrünnele in etwa 2100 Metern Höhe entspringt der Sulzbach, auch das Gras wird hier spärlicher, und darüber erwartet einen eine riesige, karge Karstlandschaft.

Ich LIEBE Karrenfelder. Blockfelder könnt Ihr geschenkt haben, aber Karrenfelder sind mein Ding. Ich liebe das! Nun also irgendwie weiter hinauf, immer auf die tiefen Spalten im Karst achtend, bis sich oben eine Scharte abzeichnet. Wie sich später herausstellen sollte, ist das die Scharte zwischen Süd- (links) und Hauptgipfel des Großen Wilden - ich war also richtig. Aus der Scharte nun in wenigen Minuten zum Südgipfel, wo ich um Viertel nach elf ankam.

Jochbachhütten - Großer Wilder Südgipfel: 3:15, Pfadspur, Karrenfelder, T4+/I


Vom Südgipfel gelangt man durch die bereits begangene Scharte in wenigen Minuten zum Hauptgipfel.

Großer Wilder Südgipfel - Großer Wilder Hauptgipfel: paminuttn, Trittspuren, T3


Okay, höchster Punkt der Tour. Zumindest ein kurzer Rundblick muss drin sein. Den Reigen eröffnen die Tannheimer im Norden, mit Bschiesser, Ponten, Gaishorn, Rauhhorn und Kugelhorn, dahinter der Aggenstein und das Brentenjoch. Richtung Nordosten folgen Gimpel, Rote Flüh, Kellenspitze und Gehrenspitze. Der nächste höhere Gipfel ist dann die Leilachspitze, bis dann der knapp vier Kilometer entfernte Hochvogel alles beherrscht.

Dahinter zeigt sich natürlich die unvermeidliche Zugspitze, gleich daneben die Mieminger Kette. In den Lechtalern sieht man noch die Elmer Kreuzspitze, dann stellen sich die Gipfel der Hornbachkette davor. Immerhin schauen die Parseierspitze und die Freispitze herüber, ziemlich genau im Süden auch noch der Hohe Riffler.

Sodann dominieren die näher gelegenene Marchspitze, der Krottenkopf. und die Öfnerspitze den Horizont. Davor erheben sich Jochspitze, Muttekopf und Rauheck. Genau im Südwesten stehen dann die Promis am Allgäuer Hauptkamm, das Hohe Licht, die Hochfrottspitze, die Mädelegabel und die Trettachspitze, ganz nah beieinander. Von der letzteren zieht sich der Himmelschrofenzug gen Norden, davor sind der Fürschießer und die Kegelköpfe zu sehen.

Der Horizont wird hier von Mohnenfluh,
Schesaplana, Braunarlspitze, Tödi, Widderstein, Elfer, Hochkünzelspitze, Zitterklapfen und Säntis dominiert. Davor erhebt sich die markante Höfats, weiter hinten der Ifen und die lange Nagelfluhkette. Viel näher sind der Schneck, das Laufbacher Eck, der Giebelgrat, der Grat vom Nebelhorn zum Großen und zum Kleinen Daumen. Was soll man sagen -  ein grandioser Rundblick!

Um Dreiviertel zwölf bin ich vom Hauptgipfel los. Kein Mensch hier oben! Kommen die Leute erst nach dem Mittagessen herauf?

Ich war überrascht, dass es hier oben richtige Wege gibt, breite Spuren, auf denen man prima hinunter zum Wildengrat gelangt. Sehr schön zum Gehen.

Der Wildengrat! Zunächst noch gar nicht wild. Vielmehr erst noch ein breiter, gemächlicher Rücken. Quaca schreibt, hier könne man Fußball spielen. Recht hat der Mann. Bald aber wird der Rücken schmaler, dann noch schmaler und am Ende sogar schmäler. Der Abstieg zu einem senkrechten Mäuerchen, das das erste echte Hindernis am Grat darstellt, ist dann schon T5, ausgesetzt und kraxelig.

Watt nu?

Gut, wenn man quacamozzas Tourenbeschreibung einstecken hat. Er gibt den Tipp, das Ganze links zu umgehen. Links! Oh je! In dem brüchigen Zeugs? Quacamozza schreibt "Ich fand den besten Weg, indem ich sofort wieder auf den Grat kletterte" - ja, das glaub ich sofort. Hab ich auch gemacht, ist oben dann aber kurz gruselig, weil man über eine Spalte rüber muss... Die Stecken helfen bei dem kurzen Sprung.

Dann geht es weiter, zunächst immer über die Felsen am Grat hinüber. Anders als quacamozza bin ich vor dem Vorderen Wilden aber noch zwei Mal in die Nordflanke ausgewichen. Einmal kurz in blödes schottriges Gelände, ein zweites Mal vor einem markanten Pilzfelsen (das müsste diese Stelle gewesen sein), vor dem sowohl nach rechts ins Gras, wie nach links in die Schuttwand deutliche Trittspuren führten. Die Spuren rechts habe ich nicht probiert, dafür die, die nach links führten. Hier bin ich wohl ein wenig zu lange in der Flanke geblieben. Dann fand ich einen Riss, in dem ich schön schräg queren konnte, bis ein senkrechter Riss den Aufstieg zum Grat ermöglichte. Puh! Jetzt aber oben bleiben!

Das ist bis zum Vorderen Wilden dann auch wieder gut möglich. Die Überschreitung ist ausgesetzt, durchgängig T6, aber am Grat gangbar. Den Vorderen Wilden kann man dann schon von Weitem sehen und die einfachste Route ist auch schnell klar: Vom zerklüfteten Gipfel zieht eine Rippe in einem Bogen nach links hinaus, die zum Gipfel hin eine mit Geröll gefüllte Rinne ausbildet. In diese Rinne quert man vom Grat aus links hinein, dann geht es drüben hinaus auf die Rippe und auf dieser unschwer im Bogen zum Gipfel. Dort findet man unter einem Steinmann in einem der berühmten Allgäuer Gurkengläser ein Gipfelbuch... Leider ist das Glas undicht, so das das Buch mittlerweile ziemlich aufgeweicht ist. Das müsster mal austauschen, Jungs.

Übergang Großer Wilder Hauptgipfel - Vorderer Wilder: 1:45, weglos, T6/II.


Nach dem Vorderen Wilden ist das schwierige Gelände noch nicht vorbei. Zunächst weiter auf dem Grat, bis dieser in einer großen Stufe abbricht. Diese Stufe umgeht man, indem man rechts hinuntersteigt (II). Von dieser Stelle an geht es dann in leichter Wanderung über den wieder gemütlich breiten Grasgrat hinauf zum Kreuzkopf.

Übergang Vorderer Wilder- Kreuzkopf: 30 Minuten, weglos, T6/II, dann T3.


Auf dem Kreuzkopf habe ich dann erstmal eine gemütliche Pause eingelegt. Von hier aus könnte man quacamozza zufolge noch bis zum Weittalkopf weitergehen, doch ich wollte mich langsam an den Abstieg machen. Ich ahnte nämlich bereits, dass der nochmal recht mühsam werden würde.

Und so verließ ich gegen halb drei den Kreuzkopf absteigend in Richtung Südosten. In den langgezogenen Kar hat man jede Menge Abstiegsmöglichkeiten. Ich orientierte mich wieder am AV-Führer bzw. an der AV-Karte und stieg bis fast unter die Kaltwinkelscharte.

Ich muss etwas unterhalb von Pt. 2138 gewesen sein, als ich mich endgültig nach Süden wandte. Ich wollte auf einer der oben grasigen, unten latschenbewachsenen Rippen absteigen, und zwar möglichst weit östlich, um einer Steilstufe auszuweichen, die den westlichen Teil des Weittaltrichters ungangbar macht. Diese Stufe könnte man wohl in einer weiten Schleife Richtung Westen umgehen (das ist vermutlich die im AV-Führer beschriebene Variante), aber der direkte Abstieg östlich ist ebenfalls gut möglich (wenn auch steiler und weniger bequem). Zu weit östlich sollte man allerdings nicht gehen, denn die steile Hochvogelwand kommt weiter unten sehr nah an den östlichsten Bachlauf heran und dürfte zu allem Übel auch noch steinschlaggefährdet sein.

Also auf der breitesten Rippe hinunter. Bis in die Latschen...

Ist aber so schlimm nicht. Anstrengend, ja, aber ich hatte es schon schlimmer. Immer wieder lassen einen Gamswechsel weiter absteigen. Weiter unten habe ich dann rechts eines Bachlaufs einen Weg gesehen, zu dem durchzukommen etwas schwieriger war. Ansonsten ging es aber.

Leider hat der Bach den wenig begangenen Weg weitgehend weggerissen. Und so sucht man sich seinen Weg einfach irgendwie im und neben dem Bachbett, mühsam über große und kleine Steine, bis man - endlich! - im Jochbachtal anlangt.

Abstieg Kreuzkopf - Jochbachtal: 2:15, weglos, T4, aber unangenehm.


Von hier aus dann in gemütlicher Wanderung zurück nach Hinterhornbach.

Ausgang Weittal - Hinterhornbach: 30 Minuten, Wanderweg, T1/T2.


Fazit:

Um nochmal den AV-Führer zu zitieren: "Großartige Tour für Könner"! Selbstverfreilich! Wer wollte dem schon widersprechen! Nein, ganz im Ernst, diese Tour ist eine der schwierigsten, die ich in den Allgäuer Alpen gegangen bin. Sie fordert den Allrounder: Orientierung, Wegfindung, Kletterfertigkeit, Trittsicherheit auf Gras, Karrenfelden, Schrofen, und in ausgesetztem, unzuverlässigem Gelände. Auspsychen darf man keinesfalls. Dafür braucht's schon einiges an Erfahrung.


Ausrüstung:

Schuhe mit sehr festen Sohlen (im Gras muss sicher gekantet werden), Stöcke.


Kartenmaterial:

Am Besten gleich mehrere verschiedene Karten. Ich hatte dabei: Oberstdorf/Kleinwalsertal (Kompass), die AV-Karte 2/2 Allgäuer-Lechtaler Alpen Ost und einen Ausdruck der Topokarte von der Seite Outdooractive.com.

Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (2)


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Nic hat gesagt:
Gesendet am 13. September 2014 um 12:52
"Saugeile" Tour! Top! "Der geile Quacamooza" haha. Ja er macht echt geile Touren und ist außerdem ein cooler Typ.

VG Nico

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. September 2014 um 13:40
Hi Nico!

Ja das stimmt! Ulf hat mich schon zu vielen Touren inspiriert!

Herzlichen Gruß,

Nik


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