Scharf über Lochgehre, Sulz, Schochen - und der Ostgrat der Roten Spitze


Publiziert von Nik Brückner , 9. November 2016 um 02:51.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum: 1 November 2016
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 1300 m
Abstieg: 2050 m
Strecke:18,5km
Unterkunftmöglichkeiten:Landsberger Hütte, viele in Tannheim

Der "beliebteste Wanderweg Österreichs" - das verheißt nichts Gutes: Menschenmassen nämlich. Doch hier am Neunerköpfle gibt es eben auch ein paar fantastische Allgäuer Grasgrate! In direkter Nachbarschaft zum Wanderweg (man hat also Zuschauer) und doch vollkommen einsam - hier kommt nämlich außer den Freunden des schmalen Gehens niemand herauf.

Im August war ich schonmal hiergewesen, mit lieben Freunden. Damals habe ich mir herausgenommen, einen von ihnen zum Nordgrat des Schochens zu (ver)führen. Diesmal wollte ich das ausbauen, und Lochgehrenspitze, Sulzspitze sowie Schochenspitze überschreiten - und, wenn möglich, nochwas Tolles dranhängen. Vielleicht den Klettersteig auf die Lachenspitze? Oder lieber den Ostgrat der Roten Spitze?



Und so fuhr ich also zur Neunerköpflebahn, "Atrament" von A Sense of Gravity im Player, und baumelte nach dem nur zu drei Vierteln gelungenen Experiment am Nordostgrat des Diedamskopfs an einem weiteren wunderschönen Herbsttag hinauf zur Bergstation am Neunerköpfle (1780m). Das ließ ich diesmal aber aus und links liegen, ebenso das Vogelhörnle, um stracks in den Sattel südlich der beiden Gipfel zu gelangen. Von dort aus wanderte ich, immer noch auf Wanderwegen, hinunter zur Äußeren Alpe, oder, wie man hier sagt: Ussralpe (1633m).

Neunerköpfle - Usseralpe: Wanderwege, T 1 und T2, 15 Minuten


Von der Usseralpe aus führt ein guter Almweg hinauf in den Sattel südlich des Lochgehrenkopfes. Dort endet er, und ich wandte mich nach links. Es geht durch einen schmalen Waldgürtel und über Weidegelände hinauf zu den zackigen Zacken des Lochgehrengrats, die schon vom Tal aus faszinieren. Wer immer auf dem Rücken bleibt, kann diese nicht verfehlen.

Zunächst bleibt die Route einfach, T2 im Wiesengelände. Bald nähert man sich dem ersten Zacken, auf den man aber noch leicht hinaufkommt. Den hab ich prompt für irgendeinen Zacken gehalten, Dank Sven86 weiß ich nun, dass es sich dabei um die Lochgehrenspitze (1995m) handelte! Sowas... Jetzt könnt' ich mich glatt ärgern, dass ich auf der Lochgehrenspitze war, ohne zu wissen, dass ich auf der Lochgehrenspitze war... Hätt sich bestimmt nochmal ganz anders angefühlt! ;o}

Der Abstieg ist dann schon ein anderes Thema, ebenso wie der Grat hinüber zum nun folgendn Steilaufschwung. Hier ist alles schmal und scharf, nur selten gibt's mal einfaches Geläuf. Die meiste Zeit muss man sehr vorsichtig gehen, weil die Gegend hier doch recht schmal ist. Wer hier auspsycht, kehrt besser um oder steigt über eine weniger steile Rippe ab. Nach links, wohlgemerkt.

Über eine Felsstufe geht es an den felsigen Steilaufschwung heran. Der stellt sich zunächst als ein Rätsel dar, bis man direkt davorsteht und bemerkt, dass Tier- (und wohl auch Menschen-) Spuren in die ausgesetzte rechte Flanke führen. Hier ist es abschüssig und schotterig, also vorsichtig gehen!

Drüben angekommen, geht es dann einen steilen Grashang hinauf zum nördlichen Ausläufer eines Plateaus, dessen südliches Ende die Sulzspitze bildet. Entsprechend schnell ist man zum Gipfel der Sulzspitze (2084m) hinübergewandert.

Usseralpe - Sulzspitze: Weglose Gratüberschreitung, auf der Gratschneide und zur Lochgeherenspitze bis T5, davor und danach leichter, 50 Minuten


Auf der Sulzspitze hab' ich erstmal ein bissl herumgepaust, dann stieg ich über den Südgrat hinunter. Das ist im oberen Teil noch einfach, es geht über einen schrofigen Grat auf Trittspuren bergab, dazwischen sind Kraxelstellen im Ier-/IIer-Bereich zu bewältigen. Dann weicht man einmal kurz nach rechts aus, gelangt wieder auf den Grat und kann nun wählen: Entweder man klettert die Schlüsselstelle ab, einen schmalen Kamin, oder umgeht sie links in steilem Schotter, was auch nicht leichter ist. Ist man wieder auf dem Grat, geht es wieder einfacher, am Ende nochmal steil, in die Gappenfeldscharte (1858m) hinunter.

Abstieg von der Sulzspitze in die Gappenfeldscharte über den Südgrat: Gratkletterei und Gehgelände, weglos, kurz T5+/II und meist leichter, 25 Minuten


Von der Gappenfeldscharte aus geht es drüben gleich wieder rauf, über Weidegelände auf den Rücken nördlich der Schochenspitze. Hat man den erreicht, geht es auf dem Rücken südwärts. Er zieht sich in der Folge zusammen, wird zu einem schönen Grasgrat und dann bald recht schmal...

Dann steht man auf ausgesetztem, brüchigem Fels. Es geht an die erste steilere Stufe heran und hinauf. Alles noch gut machbar, Ier, IIer-Bereich, aber eben brüchig. Hier muss Vorsicht walten. Bald wird das Gelände vorübergehend flacher, wenn auch nicht weniger ausgesetzt, und man tritt an zwei Grattürme heran. Keine Sorge, muss man nicht drüber. Zwischen ihnen hindurch geht es an einen grasigen Riss links von einem bauchigen Felsen. In den Riss gelangt man von links, durch den Riss hinauf, der sich bald zu einem Kamin erweitert. Unten hat es gute Griffe und Tritte, nach oben hin wird es etwas schwieriger (II, oben II+). Auf einem schmalen Grasband nach links hinaus und auf einen grasigen Kopf. Weiter geht es auf der kurz horizontalen Graskante zum nächsten Felsen, den man links in steilem Gelände gut umgehen kann (Quacamozza hat den Fels auf halber Höhe rechts umklettert, das ist eine III-, meine Variante ist T5/I). Danach gleich in der ersten steilen Rinne über gute Grastritte hinauf auf den Grat und auf diesem unschwierig, aber nochmal ausgesetzt zum Gipfel (2069m).

Gappenfeldscharte - Schochenspitze über den Nordgrat: Grashang, Gras- und Felsgrat, T5/II+, 50 Minuten


Dort saßen wieder viele Normalwanderer, doch ein Plätzchen war noch frei, und so hab' ich oben erstmal abgepaust. Ich bin dann südwärts an der Kante abgestiegen.

An der zugefrorenen Lache (1774m) vorbei ging's dann zur Landsberger Hütte (1805m), die bereits geschlossen hatte (auch das wird der Klimawandel noch ändern, da hab' ich keine Zweifel).

Im Abstieg hatte ich noch überlegt, ob ich den Klettersteig zur Lachenspitze mal ausprobieren sollte. Doch dann sah ich den schönsten Gipfel weit und breit vor mir, die Rote Spitze, und ich entschied spontan, über ihren Ostgrat zum Gipfel zu gehen.

Und so nahm ich den Ostgrat der Roten Spitze in Angriff. Der Grat ist, wie so viele, im unteren Teil einfach eine Reihe von immer höheren Grashügeln. Bald wird er jedoch schneidiger und man tritt an eine erste Felsstufe heran. Die wird links schnell umgangen. Der gleich darauf folgende Steilaufschwung ist jedoch nicht so einfach: Eine äußerst schmale, senkrechte Felskante. Man kann die Stelle ebenfalls links umgehen, und mit unterschiedlichen Schwierigkeiten wieder auf den Grat hinaufsteigen. Dazu geht man einfach nach links, der Mauer entlang, und wählt die erste Möglichkeit, die einem geeignet erscheint. Kleiner Tipp dazu: Wie ich erst sehen konnte, als ich oben war, wird der Aufstieg umso leichter, je weiter man der Wand folgt. Wer jedoch gleich die erste Möglichkeit wählt, der kriegt es mit einem Grasanstieg in äußerst steilem T6-Gelände zu tun. Ich habe mich für diese Möglichkeit entschieden, weil ich so wenig wie möglich von der Kante verpassen wollte - und nicht wusste, dass es weiter vor leichter wird.

Danach schwingt sich der Grat immer weiter Richtung Gipfel hinauf. Einen besonders steilen Aufschwung erklettert man links im Gras, der Rest ist Gehgelände. Schwierig wird es nicht mehr, aber der Grat ist landschaftlich so grandios, dass einem das wurscht ist. Wer austesten will, wann er/sie auspsycht, kann einfach weiter rechts gehen, dort ist es senkrecht bis überhängend...

Ein knappes Stünderl nach meinem Aufbruch an der Landsberger Hütte stand ich auf der Roten Spitze (2130m). Allein, denn gegen halb vier hatten sich die letzten Wanderer bereits verzogen.

Landsberger Hütte  -  Rote Spitze: Weglose Gratüberschreitung, eine Stelle T6/II (vermeidbar), sonst T3, 55 Minuten


Der höchste Punkt der Tour! Zeit, sich mal ein wenig umzusehen. Direkt über dem Vilsalpsee erheben sich Kugelhorn, Rauhhorn und Geißhorn. Im Norden erheben sich dann die etwas niedrigeren Tannheimer Berge: Breitenberg, Einstein, Aggenstein, Brentenjoch, Lumberger Grat, Rote Flüh, Gimpel, Kellenspitze und Gehrenspitze. Näher sind Sulzspitze, Schochenspitze und Litnisschrofen.

Dann schließen sich die Ammergauer Alpen an, mit dem Straußberg, der Hochplatte, der Kreuzspitze und der Schellschlicht. Im Osten zeigt sich die Zugspitze, unmittelbar davor dominiert aber die Leilachspitze den Blick. Davor die Gartnerwand, die Krottenköpfe und die nahe Lachenspitze.

Es schließen sich weitere Lechtaler an, darunter die Heiterwand und die Namloser Wetterspitze, die Elmer Kreuzspitze und die Pfeilspitze. Im Süden dominiert optisch die Stallkarspitze, an die sich
die Gipfel der Hornbachkette anschließen.

Im Südwesten dominiert der nahe
Hochvogel. Von ihm aus zieht sich eine Kette hinüber zum Schrecksee, mit Gipfeln wie der Fuchskarspitze und dem Kesselspitz. Dahinter ragen der
Schneck, das Laufbacher Eck und der Giebelgrat hervor. Prominenter sind wiederum dahinter Widderstein, Zitterklapfen, Ifen, Säntis, viel näher Nebelhorn und Großer Daumen. Mit Kugelhorn, Rauhhorn und Geißhorn schließt sich der Kreis.

Auf dem Normalweg stieg ich dann ins Kastenjoch (= Westliches Lachenjoch, 1960m) hinunter und wanderte von dort aus zur Landsberger Hütte (1805m) zurück.

Rote Spitze - Landsberger Hütte: Wanderweg, T3, 20 Minuten


Da ich keine Lust hatte, schon wieder zum Vilsalpsee hinunterzulaufen, und ich den Weg aus der Gappenfeldscharte ins Tal noch nicht kannte, entschloss ich mich, noch bis zur Gappenfeldalpe heroben zu bleiben. Auf dem Wanderweg dorthin begegnete ich dann doch noch ein paar Leuten: Bergfreaks mit coolen Brillen, die einander neugierig beäugten: Kenn' ich Euch? Vielleicht Hikr?!?

Landsberger Hütte: Gappenfeldscharte: Wanderweg, T3, 50 Minuten


Aus der Gappenfeldscharte (1858m) ging es dann, vorbei an der Gappenfeldalpe (1830m) hinunter ins Tal. Der Wanderweg ist nicht besonders schön, außerdem war er an diesem Tag gefroren, so dass der Abstieg keinen Spaß gemacht hat. Immerhin konnte ich noch das Farbenspiel der untergehenden Sonne beobachten. Unten im Tal wanderte ich dannn zurück nach Tannheim, zur Talstation der Bergbahn (1104m).

Gappenfeldscharte - Tannheim: Wanderweg und Straße, T3 und leichter, 1,5 Stunden


Fazit:

Den beliebtesten Wanderweg Österreichs kann man auch exträjm gehen: Über alle Grate rüber. Wer mag, findet hier ein aufschlussreiches Foto. Wunderschön, ein Allgäuer Schmankerl, insbesondere wenn man die Rote Spitze dranhängt. Deren Ostgrat ist ein echtes Highlight, und wenn man die schwierige Stelle umgeht, gar nicht schwer. Der Nordgrat des Schochens ist witzig, aber nicht bullenmäßig lohnend - die brüchige Gratkletterei muss man sich nicht geben.


Ausrüstung:

C-Schuhe, Stecken, Helm

So! Am nächsten Tag würde das Wetter underperformen. Für den Nachmittag war in höheren Lagen Schnee angesagt. Da musste für den Vormittag was kurzes geiles her! Aber - ob was Kurzes geil sein kann?!?


Tourengänger: Nik Brückner


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