Thaneller Ost - West: Weglose Überschreitung auf einer grandiosen Route


Publiziert von Nik Brückner , 15. August 2016 um 14:34.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Lechtaler Alpen
Tour Datum:13 August 2016
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 6:15
Aufstieg: 1650 m
Abstieg: 1650 m
Strecke:10km
Unterkunftmöglichkeiten:In Heiterwang

Seit ich vor ein paar Jahren den Geheimtipp eines Einheimischen bekommen hatte, stand der Thaneller-Ostgrat auf meiner Wunschliste. An einem der wenigen schönen Wochenenden im Sommer 2016 hopste ich morgens um fünf ins Auto, "From The Law Offices of Levin Minnemann Rudess" im Player, düste hinunter nach Heiterwang und machte mich auf den Weg - der mit einer Riesenüberraschung aufwarten sollte...


Los ging's morgens um neun in Heiterwang (992m). Von hier aus führt ein sparsam markierter Weg hinauf Richtung Jochplatz/Schneeplatz, zwei ebenso schönen wie wenig besuchten Fleckchen Erde nordöstlich des Thanellers. Der Weg ist zudem, sobald man eine Schotterstraße verlässt, ziemlich zugewachsen, so dass es schon hier, in eigentlich normalem Wandergelände, ein bissl Orientierungssinn braucht, um hinaufzufinden.

In stetem Zickzack geht es bergan, und manchmal zieht der Weg ein wenig unangenehm weit nach Westen. Unangenehm, weil ich keinesfalls über den Jochplatz ins Thanellerkar gelangen wollte, mein Ziel war vielmehr die phantasievoll "Scharte" genannte Scharte zwischen Achseljoch und Thaneller. Doch der Weg wendet sich immer wieder zurück nach links, und an der entscheidenden Stelle steht dann auch ein Schild, das nach links Richtung Schneeplatz weist.

Ab hier ist der Steig dann nochmal stärker zugewachsen, man findet sich aber trotzdem gut durch zu einem Jagdhüttl, von dem aus es dann hinunter in die Wanne und zum Schneeplatz (1510m) geht. Gut zu sehen sind aus der Abstiegspassage die schotterigen Pleisen, die aus der Scharte herunterziehen, und über die es in der Folge, nach einer Bachquerung, hinaufgeht.

Schon im Aufstieg wird schnell klar, dass die Schwachstelle hinaus in die Scharte eine Rinne ganz rechts ist. Man könnte auch ein wenig weiter links hinausklettern (II), aber die Rinne ist einfacher (kaum I). Bei großer Nässe in der Rinne ist die Möglichkeit links allerdings empfehlenswert.

Heiterwang - Scharte: T1 bis T3, direkt unter der Scharte dann T4/I, 2h


Und in der Scharte (1862m) ging es dann los...

Ich wusste, dass der Einstieg in den Ostgrat unübersichtlich ist. Tatsächlich steht man in der Scharte unter einer Vielzahl von Türmen und Zacken, und eine klare Routenführung ist nicht ersichtlich. Ich habe mich durchgekämpft, es gibt aber sicherlich eine leichtere Variante. Ich vermute, dass man zunächst aus der Scharte auf die Berwanger Seite hinabsteigt, und dort zur letzten Rinne quert, die noch auf den Ostgrat (und nicht zu der Mauer, die vom Ostgrat nach Süden zieht) hinaufführt. In dieser Rinne dürfte die korrekte Route verlaufen. Jedenfalls kam ich auf meiner Route von der Heiterwanger Seite an einer Stelle auf den Grat, wo eine größere Rinne heraufkommt, die ich für ebendiese letzte Rinne zum Ostgrat hielt - es kam danach keine mehr zum Grat herauf.

Meine Route (deren Nachahmung ich allerdings ausdrücklich nicht empfehle) führte mich von der Scharte weg zunächst auf der Berwanger Seite querend zu einer ersten Rippe, dann durch eine Rinne und weiter zu einer nächsten Rippe. Die kletterte ich hinauf und gelangte an ein winziges Schartl im Ostgrat, gerade breit genug für mich. Bis hierher okay, eine II, aber ein ziemliches Ratespiel. Gut, solang man wieder umdrehen kann, ist's noch kein Problem.

Ich bin dann aus dem Schartl in ziemlich heiklem Gelände (kein Foto...) in die Heiterwanger Seite gequert, und sobald die Gegend wieder leichter wurde, links Richtung Grat hinaufgeklettert. Immerhin wurde ich dafür mir einem spektakulären Felsenloch belohnt, durch das ich natürlich gleich hindurchgekrabbelt bin. Heraus kam ich in besagter Scharte, in die von der Berwanger Seite aus eine Rinne heraufkommt. Hier stieß ich auf Begehungsspuren.

Ich erkannte auch gleich ein Türmchen weiter oben am Grat, das ich auf einem Foto mabons gesehen hatte. Ich war also richtig!

Von hier an ging es nun deutlich leichter als bisher (gerade mal T5/I) durch steiles Gelände hinauf, das in der Folge immer flacher wird. Bald geht es links hinaus auf die riesige Grasrampe, auf der man nun in leichtem T3-Gelände bis knapp unter den Gipfel wandert. Orientieren kann man sich an den weiß-rot geschminkten Masten, die hier am Grat stehen.

Unter dem Gipfel wird es dann nochmal kurz felsiger und steiler, je nach Spaß kann man sich Ier- und IIer-Routen heraussuchen, dann geht's auf den letzten Metern des Wanderwegs zum Gipfel des Thanellers (2341m).

Thaneller Ostgrat: Unten T6/II (auf der korrekten Route vermutlich leichter), dann T3 und oben T4/I, 1,5h


Geschafft! Mein Plan für heute war erfüllt. Schön war's! Und so eine herrliche Aussicht! Der Thaneller ist ein hervorragender Aussichtsberg.

Es geht im Norden los mit den Ammergauer Alpen: dem Säuling und dem Branderschrofen, daneben der Hohe Straußberg. Dann ist die Krähe zu sehen, die Hochplatte und die Große Klammspitze. Es folgen die Geierköpfe, der Kreuzspitz und der Friederspitz.Bald schiebt sich im Vordergrund der Danielgrat ins Blickfeld, von der Kohlbergspitze bis zum, na, eben dem Daniel.
 
Rechts dahinter erhebt sich der Wetterstein, mit dem Waxensteinkamm, der Zugspitze und dem Schneefernerkopf. Es folgt die Mieminger Kette, mit der Hohen Munde ganz hinten, der Hochwand und dem Hochplattig sowie den Griesspitzen. Direkt davor erhebt sich die schöne Sonnenspitze.
 
Davor wiederum beginnt die Kette der Lechtaler Alpen, mit deren nördlichstem Grasberg, der nahen Bleisspitze. Daran anschließend die Gartnerwand. Das Bichlbächer Jöchle gibt dann den Blick auf den wuchtigen Wannig frei.
 
Im Südosten weitet sich der Blick dann und dort sind mit Habicht, Ruderhofspitze, Schrankogel, Acherkogel und Grieskogel ein paar veritable 3000er zu sehen. Direkt davor der Rote Stein und die Steinmandlspitze, mit ihren Ausläufern, den Suwaldspitzen.

Weiter Richtung Süden folgt der markante Loreakopf. Darüber bilden die Wildspitze, die Verpeilspitze und die Watzespitze den Horizont. Der Süden wird dann von der mächtigen Heiterwand markiert.

Rechts davon erheben sich der Muttekopf, die Große Schlenkerspitze, die Namloser Wetterspitze sowie, ganz hinten am Horizont, Gatschkopf und Parseierspitze. Direkt davor ist die Tajaspitze zu sehen, während es am Horizont mit dem Hohen Riffler im Verwall, der Freispitze und der Vorderseespitze, dem Patteriol und der Feuerspitze weitergeht. Davor zeigen sich die drei Kreuzspitzen.
 
Weiter Richtung Westen ragen die Allgäuer Alpen empor, beginnend mit der Hornbachkette, dem Krottenkopf und der Mädelegabel. Es folgt der markante Hochvogel. Dann sind das Nebelhorn, der Große Daumen, der Kleine Daumen, Leilachspitze, Rauhhorn, Schochenspitze, Geißhorn, Sulzspitze, Litnisschrofen und Krinnenspitze zu erkennen.

 
Im Tannheimer Tal kann man den kleinen Einstein entdecken, davor die Gaichtspitze, dann folgen der Lumberger Grat, Rote Flüh, Gimpel, Köllenspitz und schließlich die Gehrenspitze.

So! Jetzt nur noch den Riezlersteig runter.

Und dann las ich dieses Schild...: "Steig endet nach 200 Metern. Kein Abstieg möglich!"

Rrrrrrrrrrrrrrrrrrrr.....

Solche Schilder turnen mich an! Also kurzerhand umgeplant, den Riezlersteig anderen überlassen, und mal geschaut, wie das Gelände nach 201 Metern so aussieht...


Sehr gut sogar! Der Weiterweg Richtung Rintljoch ist klar, ein Schotterhang und ein Gegenanstieg, sogar Wegspuren sind drin. Wird probiert!

Nach einer Viertelstunde stand ich auf dem Rintljoch (2166m). Kein Problem bis hierher, das ist kaum T3.

Thaneller - Rintljoch: Kaum T3, 15 Minuten


Bis hierher hatte ich die Route einsehen können. Danach hatte ich noch ein paar Gratköpfe gesehen, die südwestseitig mit Latschen besetzt sind. Würde es hier ein Durchkommen geben? Innerlich stellte ich mich schon mal auf einen Latschenkrieg ein.

Doch ich hatte mich geirrt! Der Abstieg vom Rintljoch in die nächste Scharte erfolgt noch über einen weglosen Schotterhang, dann finden sich einige kleine Steinmänner und um Latschenäste gebundene, rot-weiße Plastikstreifen, die, wie sich bald herausstellte, Wegmarkierungen sind. Sie führen den Wanderer sicher durch ein Labyrinth von natürlichen und freigeschnittenen Durchlässen, das zu durchwandern ein großes Vergnügen ist. Immer wieder steht man vor einem Gratturm, einer Felswand oder einem Latschenriegel, die zunächst unüberwindbar erscheinen, und immer eröffnet sich ein überraschender, winziger Durchlass. Die Grattürme nach dem Rintljoch werden dabei fast immer links umgangen, entweder durch schmale Latschengassen oder zwischen Latschen und Felswand. Kaum je gelangt man dabei direkt auf den Grat, meist bewegt man sich ein Stück links unterhalb. Die Route ist eng, aber nicht schwer, die schwierigste Stelle ist ein Felsaufschwung rechts hinauf hinter einem Turm, der mit I bewertet werden muss.

Nach den Türmen führt die Route ab und zu mal hinauf auf den Grat, dann geht es dort zwischen Abgrund und Latschen entlang, wer aber für längere Zeit in diesem Gelände unterwegs ist, hat garantiert einen der kleinen Durchlässe nach links verpasst. Man kommt am Grat zwar gut voran, ist aber doch besser beraten, sich an die freigeschnittene Route zu halten - die ist ob ihrer Wegführung eh viel vergnüglicher!

Nähert man sich dem unteren Ende der Latschenzone, dann ist man bereits nordwärts unterwegs, Richtung Jöchle. Hier wird es ein wenig schwieriger, der Route zu folgen, weil die Latschen lichter stehen, und es bisweilen mehrere Möglichkeiten gibt, voranzukommen. Auf keinen Fall verpassen darf man eine Grasrinne, die vom Grat westwärts hinunterzieht. Den Begehungsspuren folgend steigt man hier hinunter, um nach vielleicht 20, 30 Höhenmetern wieder in eine schmale Latschengasse Richtung Jöchle einzubiegen. Bald wird es lichter, man gelangt in den Wald, und wandert nun einfach geradeaus zum Jöchle (1700m), wo der Wanderweg vom Rauchälple heraufkommt.

Rintljoch - Jöchle: T4/I, 1h


Auf diesem Wanderweg geht es nun rechts hinunter ins Thanellerkar, an der Abzweigung des Riezlersteigs vorbei und drüben hinauf, weiter zum Jochplatz (1690m). Bald ist man wieder am Abzweig zum Schneeplatz, von wo aus es auf dem bekannten Weg noch weit nach Heiterwang hinuntergeht.

Jöchle - Heiterwang: T3, eine Stelle I, 1,5h


Fazit:


"Steig endet nach 200 Metern. Kein Abstieg möglich!" - was für eine wunderbare Überraschung! Der Ostgrat ist toll, unten pfui, dann aber hui, aber über den Westgrat abzusteigen war ein großes Vergnügen. Immer wieder locken mich solche Schilder, und oft entpuppen sich dann genau diese Routen als ganz besonders schön. So wie in diesem Fall! Empfehlung!

Ich blieb in der Gegend: Am nächsten Tag machte ich mich an die langersehnte Umrundung des Berwanger Älpeletals auf der höchstmöglichen Route.

Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (7)


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fspiegel hat gesagt: Toller Bericht
Gesendet am 30. Oktober 2018 um 16:59
Wirklich gut bescrhieben. Macht Lust aufs Nachmachen. Das hebe ich mir aber für's nächste Jahr auf...

Nik Brückner hat gesagt: RE:Toller Bericht
Gesendet am 31. Oktober 2018 um 08:08
Grüß Dich, fspiegel! Und vielen Dank!

Was! Nächstes Jahr erst! Raus mit den Langlaufskiern und ab auf die Thanellerüberschreitung! ;o}

Na, ohne Schnee geht's vermutlich besser. Pass nur auf, dass Du am Schartl die richtige Rinne erwischst. Der Rest sollte dann kein Problem sein. Viel Spaß dabei!

Gruß,

Nik

helmoudo hat gesagt: Update 2020 für den Abstieg
Gesendet am 28. Juli 2020 um 15:27
Meine Frau und ich haben den hier beschriebenen Abstieg vom Thaneller über die Westumrahung des Karlestales zum Jöchle gestern gemacht.
Bis Rintljoch schön, danach OK, ab Latschenzone unschön.
Die damals freigeschnittenen Latschengassen sind großteils wieder zugewachsen.
War viel Schlupferei und Sucherei.
Im unteren Teil des Grats ist es zum Glück besser, da sind einige Gassen noch erhalten und das Gelände ist auch lichter.
Insgesamt keine Katastrophe, aber wir waren uns nachher einig, dass wir Abenteuer über 2000m doch vorziehen...

Nik Brückner hat gesagt: RE:Update 2020 für den Abstieg
Gesendet am 28. Juli 2020 um 15:43
Grüß Euch!

Ja, das kann einem leider passieren. Dass die rot-weißen Bänder nicht lange halten würden, war klar, und ohne die ist die Ori sicherlich nicht einfach. Und Latschen sind nicht jedermanns Sache!

Für das Update also ganz herzlichen Dank! Ich habe von einigen meiner Freunde und Bekannten gehört, dass sie Lust haben, die Überschreitung mal zu machen; dank des Updates wissen sie jetzt über den aktuellen Zustand Bescheid.

Herzlichen Gruß, und viel Spaß weiterhin,

Nik

Nyn hat gesagt: RE:Update 2020 für den Abstieg
Gesendet am 28. Juli 2020 um 17:39
Ebenfalls meinen Dank für das Update.
Bleibt bei mir trotzdem auf der To-Do-Tourenliste, allerdings wegen des zu erwarteten Latschenkampfes besser im Spätherbst

Nik Brückner hat gesagt: RE:Update 2020 für den Abstieg
Gesendet am 29. Juli 2020 um 10:48
Viele der Latschengassen dürften noch da sein - man sieht halt vor Ort nicht unbedingt, welche die richtige ist. Tendenziell bleibt man immer möglichst nah am Grat.

Nyn hat gesagt: RE:Update 2020 für den Abstieg
Gesendet am 29. Juli 2020 um 12:07
Yo, nicht dass es mir so geht wie an der Stallkarspitze bzw Haldenspitze :D


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