Gaishorn Ostgrat - Bruch und Latschenkampf


Publiziert von quacamozza , 25. Oktober 2017 um 19:50. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:17 Oktober 2017
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   D 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 1100 m
Strecke:P Vilsalpsee-Gaishorn-Vordere Schafwanne-Vilsalpe-P Vilsalpsee (7 km)
Kartennummer:AV-Karte Bayerische Alpen BY 5 1:25 000 Tannheimer Berge Köllenspitze, Gaishorn

Das Gaishorn ist der höchste Gipfel der Vilsalpsee-Umrahmung und zusammen mit der etwas versetzt stehenden, höheren Leilachspitze der schönste Aussichtsgipfel in dieser Berggruppe.

Hin und wieder wird das Gaishorn auch zum Geißhorn. Da der Name von den bekannten Bergziegen kommt, wäre das sprachlich zwar korrekt. Es ist aber trotzdem nicht die richtige Schreibweise. "Geißhorn" ist die deutsche Schreibform. Da das Gaishorn aber komplett auf österreichischem Boden liegt, ist die österreichische Terminologie maßgeblich. Das Geißhorn gibt es im Allgäu ebenfalls, es befindet sich aber im Kleinwalsertal. Der offizielle Name in den Topo-Karten und der vor Ort gebräuchliche Name ist "Gaishorn" (siehe auch AV-Karten und Wikipedia), so dass ich mich wie bisher in meinen Tourenberichten an diese Schreibweise halte. Vielleicht kann man ja mal beim Schifahren, Skifahren oder Ski fahren nochmal drüber reden.

Für den direkt auf der Grenze liegenden Westgipfel gibt es dagegen eine deutsche (Geiseck) und eine österreichische Variante (Gaisegg).

Eine klare Linie gibt dagegen der Ostgrat vor. Er zieht knapp nördlich des Vilsalpsees über 1000 Höhenmeter zum Gipfel. Der Grat fristete bisher ein Schattendasein. Über den Routenverlauf sagt der alte AV-Führer nicht viel. Mühsam soll es sein und ohne besondere Schwierigkeiten, Bewertung: II. Da kann man nicht viel mit anfangen.
Es gibt ein paar Fotos und eine Bewertung von Andi Dick (T 6; II-III), einige dürre Worte vom Bene, der zwei Abkletterstellen im III.Grad erwähnt und den ausführlichen *Tourenbericht vom Nik. Es liegt also einige Spannung in der Luft, als wir uns auf den Weg machen.

Unsere Bewertung bezieht sich auf die von uns begangene Linie. Möglicherweise gibt es weniger schwierigere Varianten.



Zur Schwierigkeit:

Eine Stelle III, mehrere Stellen II und Gehgelände bis T 6-; Variante direkt am Grat: zwei kurze Stellen je ca. 5 Meter zum Abklettern III


Zum Zeitbedarf: 

Aufstieg: 3 Std 30 min
Abstieg: 1 Std 30 min



Vom Parkplatz am Vilsalpsee am Gasthaus vorbei, über die Brücke und 100 Höhenmeter auf dem breiten Wanderweg Richtung Obere Roßalpe bergauf.
Auf spätestens 1300m wird der bequeme Weg nach links verlassen, und es geht weglos, auch ohne Pfadspuren, kräftig im Wald bergauf. Das Steigen ist zwar mühsam, bereitet aber ansonsten keine Schwierigkeiten. Nach einer Viertelstunde ist der Grat zum ersten Mal ausgeprägt. Wir steigen direkt am Grat bergauf. Hin und wieder weichen wir auf Gamsspuren in der Nord- oder Südseite aus, kehren aber immer schnell wieder zum Grat zurück. Auf der linken Seite ist es meist etwas flacher, aber auch bewucherter. Rechts ist es dafür ziemlich feucht.

Auf ca. 1560m wird der Grat für 150 Höhenmeter etwas flacher, ist aber stark fichtenbestanden, so dass wir für eine Weile knapp links unterhalb des Grates höherkommen. Danach stellt sich dichter Latschenbewuchs in den Weg. Direkt vor der Latschenzone machen wir eine ausgedehnte Pause. Wir hoffen, dass es da schon irgendwie kommod durchgeht. Leider entpuppt sich diese Annahme als Trugschluss. 

Zuvor haben wir keinerlei Wegspuren oder gar ausgeschnittene Latschengassen entdecken können. Es gibt am Grat auch keine Steinmänner oder sonstige Begehungsspuren. 


Nach unserer Pause müssen wir gnadenlos durch die undurchlässige Latschenzone, ein mühsamer Kampf. Abbrüche sind zwar nicht zu überwinden. Es geht lediglich mal für ein paar Meter in eine Lücke. Trotzdem kostet dieser Abschnitt Zeit und Nerven. Wenn's irgendwie geht bleiben wir auf dem Grat und balancieren über die Latschenäste. Dabei ist auf die nordseitig steil abbrechende Kante zu achten.

Gut 100 Höhenmeter weiter oben (ca. 1820m) lassen wir die letzten Latschen endgültig hinter uns. Jetzt stellen wir uns auf einen gemütlichen Abschnitt ein. Doch wir werden enttäuscht. Einige leichte, aber äußerst bröselige Felsen sind zu überwinden, bevor der Grat plötzlich mit einer senkrechten 5 Meter-Wand abbricht. Da wir mit weiteren Abbrüchen rechnen müssen, ziehen wir uns zunächst mal in die Südflanke zurück, steigen deutlich ab und später über Schrofen wieder zum Grat zurück, direkt hinter der zweiten Abkletterstelle.

So langsam geht es an den großen Grataufschwung heran. Hier probieren wir verschiedene Möglichkeiten aus (je weiter rechts, desto schwieriger schaut es aus) und steuern dann links auf die steile Plattenkante zu. Die ist unten recht leicht. Oben wird's aber deutlich anspruchsvoller (wohl zwischen II und III). Wir queren, bevor es steil wird, auf die gegenüber liegende, brüchige Rippe. Die Kletterei ist hier zwar etwas leichter. Wir befinden uns aber im heiklen Absturzgelände (T 6- und II). Das alles bietet schon wesentlich mehr an Schwierigkeiten, als wir auf der ganzen Tour erwartet haben. Und oben warten ja mit einiger Sicherheit noch knifflige Stellen. 

Nach dieser ernsten Prüfung geht es im Wandergelände weiter, wobei Wandern hier schon heißt: mindestens T 4. Gemütliches Flanieren ist es jedenfalls nicht.

Wir kommen an den markanten Grataufschwung und finden sofort den Riss, der nach links hinaufzieht und dann oben rechts enden soll. Dafür müssten wir links hinüber queren. Das sieht ja nicht gerade nach II er Kletterei aus. Wir überlegen. Der Riss ist klatschnass, auf jeden Fall nicht angenehm zu klettern, und oben soll's Bröselgelände pur sein. Also, das machen wir heute nicht.


Ich klettere stattdessen gerade aufwärts durch die strukturierte, aber steile Felswand. Das ist zwar auf einigen Metern ein III er, aber wenigstens trocken. Ein kurzes Band nach links, dann nach rechts aufwärts (T 6-), und ich habe zumindest einen kleinen Stand zum Ausruhen.
Nico probiert sich ebenfalls an der Wand, möchte aber das doch ziemlich anspruchsvolle Gelände aus nachvollziehbaren Gründen nicht mehr weitergehen, so dass wir uns letztendlich an dieser Stelle trennen. Bei dieser Passage wäre Seilsicherung auch sicher keine schlechte Idee.

Nico steigt in das Kar südöstlich des Gaishorns hinunter und dann unterhalb des Grates in anspruchsvollem T 5-Gelände zurück Richtung Aufstiegsweg bzw. unterer Ostgrat. Auch auf dem Rückweg lässt sich kein Pfad finden. 
Ich schaue auch von oben nochmal genauer hin, nichts zu sehen, alles wegloses Gelände. 


Mich erwartet am Ende des Aufschwungs übelstes Bröselgelände, alles ist locker. Ich bin froh, dass man auf dem anschließenden Grashang wenigstens gut höherkommt. Eine Felsmauer wird in der Mitte durchstiegen (II; passabler Fels). Dann folgt ein weiterer Steilgrashang

Ich bleibe weiter am Grat. Das Gelände wird zunehmend unübersichtlich bzw. weitläufig. Es geht aber immer irgendwie in Gratnähe höher. Einmal weiche ich einem Vorbau, der von unten heftig aussieht, nach rechts durch eine Rinne aus (I-II). So erreiche ich die recht gut zu begehenden Schrofen unter dem Gipfel. Es geht zuerst nach links, dann wieder nach rechts zurück zum Grat und schnell auf den Gipfel des Gaishorns.


Ein herrlicher Tag auf dem Gaishorn. Ich telefoniere mit Nico, erkundige mich, wie es bei ihm auf dem Abstiegsweg läuft. Seine Tourenfortsetzung ist heute auch ohne Gipfel anspruchsvoller als meine, denn bei mir geht es auf gut markiertem, einfachem, wenn auch manchmal steilem Wanderweg hinunter zur seit gestern geschlossenen Vilsalpe und schließlich auf dem Uferweg zurück zum Gasthaus am Vilsalpsee



Fazit: Ein mühsamer und anspruchsvoller Gratanstieg, den man kein zweites Mal begehen muss. Einerseits ist es einsam und landschaftlich abwechslungsreich, andererseits gibt es schönere Anstiege auf den Gipfel, weil man von Bruch, Latschenkampf und heiklen Passagen verschont wird. Im Winter ist vor allem die Skiroute von Tannheim übers Älpele empfehlenswert. Im Sommer bieten der Übergang vom Rauhhorn und der markierte, aber keinesfalls einfache Nordanstieg vom Zirleseck zum Geiseck lohnende Alternativen.












Tourengänger: quacamozza, Nic


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Kommentare (2)


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Grimpeur hat gesagt: hmmmm
Gesendet am 5. November 2017 um 10:06
zuerst einmal Glückwunsch zum Ostgrat! Hab das auch schon jahrelang im Hinterkopf aber noch nie angepackt, jetzt weiß man ja so pi mal Daumen was einen erwartet!

Schöne Grüße ausm Ländle!

Grimpeur

quacamozza hat gesagt: RE:hmmmm
Gesendet am 5. November 2017 um 16:18
Danke schön.

Öfter als einmal musst den Grat wirklich net machen.
Man kann's so gehen wie der Nik, einfach die untere Hälfte komplett umgehen, aber dann ist es halt nicht der vollständige Grat. Oben gibt's ohnehin mehrere Alternativen. Vielleicht findest ja noch eine gute Linie...

Ich empfehle den Daumen Nordwestgrat oder die Kälbelespitze-Überschreitung, das ist viel lohnender.

Gruß zurück
Ulf



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