Überschreitung von Hochwiesler und Roter Flüh - ein Grasgratschmankerl in den Tannheimer Bergen


Publiziert von Löwensteiner , 14. Juni 2019 um 21:43. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum: 5 Juni 2019
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 4:45
Aufstieg: 1100 m
Abstieg: 1100 m
Strecke:P Krinnenalpe Lift - Gimpelhaus - Hochwiesler - Rote Flüh - Judenscharte - Gimpelkar - Gimpelhaus - P Krinnenalpe Lift: 9km
Unterkunftmöglichkeiten:Zahlreiche im schönen Tannheimer Tal.
Kartennummer:AV-Karte Bayerische Alpen BY 5

Juni 2019. Viel Schnee liegt noch am nördlichen Alpenrand. Aber der Löwensteiner ist ein paar Tage im Allgäu, Nik beruflich in Innsbruck - da muss man einfach was zusammen machen. Und so verabredeten wir uns im Tannheimer Tal, um einen wilden Grasgrat zu gehen - einen der wenigen, die um diese Zeit schon begehbar sein würden: Den Südostgrat der Roten Flüh.

Wir trafen uns um kurz nach zehn auf dem Parkplatz des Lifts zur Krinnenalpe (1130m). Ein großes Hallo! Schließlich hatten wir einander lange nicht gesehen. Zu lange! Unser Vorhaben: Hinauf zum Gimpelhaus, dann in der Flanke hinauf auf den Grat, und auf ihm über den Hochwiesler zur Roten Flüh.


Wir querten das Tal hinüber nach Nesselwängle und folgten dem Wanderweg hinauf zum Gimpelhaus (1659m).

Parkplatz Krinnenalpe - Gimpelhaus: markierter Wanderweg, T2, 1:10h


Hinterm Gimpelhaus führt der markierte Weg weiter hinauf ins Gimpelkar, von wo aus man zahlreiche Wander- Klettersteig- und Klettertouren unterschiedlichster Schwierigkeitsgrade unternehmen kann. Eine leichte und beliebte Tour ist die auf die Rote Flüh. Die war auch unser Tagesziel, nur dass wir sie nicht über den Weg ersteigen wollten, oder über ihre senkrechten Südwände, wie die wenigen Kletterer, die an diesem Tag unterwegs waren, sondern über den Südostgrat. Dazu verließen wir den markierten Wanderweg kurz hinterm Gimpelhaus, an einer Stelle, an der in einer Rechtsbiegung ein großer Wegweiser steht. Die deutlichen Wegspuren, die hinter dem Schild geradeaus den Hang hinauf verlaufen, führen zu den Südwänden von Hochwiesler und Roter Flüh.

Die Felsen oberhalb, auf die man zuhält, bilden den Südostgrat der Roten Flüh, dessen markanteste Erhebung der Hochwiesler ist. Gleich zu Beginn des Südostgrats ist er noch vergleichsweise niedrig, und weniger steil. Oben ist eine grasige Einsattelung zu sehen, in die es aufzusteigen gilt. Und wir sagen es gleich hier: Es ist sowohl einfacher (T3 - T4), als auch objektiv deutlich weniger gefählich, von Norden, durchs Gimpelkar in diese Einsattelung zu gelangen. Die Route von Süden, die wir gewählt haben, ist möglich, aber steil, wegen in dürftigem Gras eingelagertem Schotter unangenehm zu gehen, und steinschlaggefährdet. Wir würden sie beim nächsten Mal meiden.

Um in die Einsattelung zu gelangen, gibt es drei Möglichkeiten. Und wir sagen gleich, dass wir den durch deutliche Steigspuren ausgewiesenen Normalweg erst im mittleren Teil des Anstiegs entdeckt haben. Es ist die östlichste Variante, die nah am Hüttengrat heraufkommt, durch ein Schartl in die breite Rinne kommt, die wir begingen, zwischen einer Felswand (rechts) und einem Baumgerippe hindurch, und dann in scharfem Zickzack den oberen Teil der Rinne hinaufführt.

Leichter zu finden ist die besagte Rinne, die unten, direkt oberhalb vom Weg, schmaler, und deutlicher ausgeprägt ist. Wir folgten unten der Schotterrinne in äußerst unangenehmem Gelände, und hielten dann auf das bereits genannte Baumgerippe zu, wo wir auf die von rechts kommenden Steigspuren stießen, die wir mal besser hätten nehmen sollen. Weiter oben in der Rinne lag ein hartnäckiges Schneefeld, rechts daneben plattgedrücktes Gras aus dem letzten Jahr, das wir keinesfalls begehen wollten. Durch dieses Gelände zickzackt sich der Normalweg hoch. Wir umgingen hier eine Felswand nach links, und stiegen dann durch ebenfalls plattes, aber besser gestuftes Gras ohne weitere Probleme - und vor allem ohne weitere Schotter - hinauf in die Einsattelung.

Die dritte Möglichkeit ist noch weiter links: Schon unter senkrechten Felswänden steigt man eine Schrofenrampe links hinauf, um sich weiter oben direkt unten den Wänden wieder nach rechts zu wenden. Dort befindet sich eine von unten schon gut sichtbare Gufel. Über weitere Schrofen und steiles Gras gelangt man schließlich hinauf in die Einsattelung, im oberen Teil identisch mit unserer Route.

Wie gesagt, das alles ist unschön und steinschlaggefährdet. Wir würden beim nächsten Mal den Anstieg von Norden wählen. Den sieht man gleich vom Sattel aus komplett ein, vom drübigen Wanderweg ebenso, und es sind vom Wanderweg höchstens zehn Minuten durch mäßig steiles, wegloses Gelände (T3 - T4).

Gimpelhaus - Einsattelung am Beginn des Grats: unmarkierter Steig, dann wegloser Anstieg in steilem Gras- und Schrofengelände, T5/I, 45 Min.


Man könnte hier gleich starten, es ist aber informativ, noch einen der beiden östlich befindlichen Graskuppen zu erwandern. Von ihnen aus hat man einen instruktiven Blick auf den gesamten Südostgrat der Roten Flüh.

Dann nahmen wir die Gratüberschreitung in Angriff. Aus dem Sattel gelangt man über steiles Gras schnell an die ersten Felsen. Ein schmales Wandl muss überklettert werden. Dann sind zunächst zwei Felskämme zu überklettern. Diese kann man in der linken Flanke auch komplett umgehen, hier finden sich Steigspuren, wir haben uns aufgeteilt, um beides zu erkunden, und um geile Fotos zu machen. Dann findet man sich in einer kleinen Einschartung wieder. Von hier aus umgeht man die nächste, von einem Baum bewachte, senkrechte Felsstufe links in mäßig steilem Gras. Dann geht es über steile Grasbuckel und hohe Wiesen hinauf auf den Hochwiesler (1950m).

Deutliche Trittspuren führen etwa 30 Höhenmeter einen Grashang hinunter in eine deutliche Einschartung. Drüben steigt man dann eine kurze Felsstufe (I) und einen Schrofenhang hinauf, bis zu einer Schulter, die nur wenige Meter höher ist, als der Hochwiesler. Hier wird es kurz flacher, dann steigt der Schrofenhang zur nächsten Erhebung hin wieder an.

Man sieht es zunächst nicht, aber man steigt hier einen Schrofenzacken hinauf, der auf der anderen Seite etwa zehn Meter senkrecht abbricht, zur letzten Scharte vor dem Gipfel der Roten Flüh. Um in diese Scharte zu gelangen, hat man zwei Möglichkeiten:

1. Links, in unmittelbarer Nähe des höchsten Punkts über gut gestuften, aber senkrechten und abwärtsgeschichteten Fels direkt in die Scharte (vermutlich III-)

2. Weiter rechts über eine flache, schmale Grasrampe in eine Lücke, und daraus über gut gestuften Fels deutlich leichter eine Schrofenrinne hinunter (II-), und unten dann links in die Scharte.

Uns war klar: Die rechte Variante sollte es sein. Allerdings war in der Scharte ein hartnäckiges Altschneefeld eingelagert. Würden wir da hochkommen?

Es ging. Auf der Kante der Randkluft, ein paar Schritte weiter oben dann in der Randkluft selbst, gelangten wir, mit ein bissl Ausatmen, in die Scharte.

Nun folgen bis zur Roten Flüh noch zwei Kletterpassagen, der Rest ist Steilgras. Die erste Felsstufe befindet sich gleich hier in der Scharte. Um sie zu überwinden, steigt man auf der Seite der Roten Flüh ein paar Schritte rechts hinunter (in unserem Fall wieder in der Randkluft), steigt dann auf einem stetig schmal werdenden Band in einen Spalt, spreizt dann am Ende des Bandls mit dem rechten Bein in den Spalt, und verlässt ihn auf dessen rechter Seite. Das ist kurz, aber nicht ohne, weil's einiges an Kraft braucht.

Über Schrofen und steiles Gras geht es dann weiter zu einem hohen Felsriegel, der schon von weitem zu sehen war.

Diesen kann man durch vier Kamine/Rinnen durchsteigen. Die linke, die, die man zuerst erreicht, ist gleich die einfachste. Ganz rechts befindet sich eine Grasrinne, die wir uns nicht weiter angesehen haben, die beiden Rinnen dazwischen, die wir sowohl von unten als auch von oben eingesehen haben, erschienen uns zu glatt, oder zu brüchig. Aber die erste Rinne ist gut begehbar, also entschieden wir uns für die.

Drei Abschnitte sind zu unterscheiden: Unten geht es auf einer schräg verlaufenden Verschneidung auf einen Felszacken zu. Das ist einfach. Dann geht es in eine schattige Rinne hinein, die zwar nicht einengt, aber doch schmal genug ist, um einem das Gefühl von Ausgesetztheit zu nehmen. Hier steigt man über schrofige Stufen hinauf, wobei man aufpassen muss, keine Steine loszutreten. Nachsteigende warten besser auf ein "Okay", das erst erfolgen sollte, wenn man wirklich raus ist. Man verlässt die Rinne am Besten nach rechts, und steigt in den weiten Grashang hinaus, der von hier dann bis hinauf in den Gipfelbereich führt.

Der Rest ist, wie gesagt, ein steiler Grashang, der in kaum fünf Minuten erstiegen ist. Uns legte sich dann am Gipfel noch ein Schneefeld in den Weg, aber das war schnell überwunden - dann standen wir einsam und alleine auf dem Gipfel der Roten Flüh (2108m). Das kommt bei diesem Wetter und um diese Jahreszeit sehr selten vor. Zumindest gehörte uns der Gipfel für ca. 15 Minuten alleine - dann gesellten sich zwei Kletterer zu uns.

Einsattelung am Beginn des Grats - Rote Flüh: Weglose Gratüberschreitung, T3 - T4, II, 1h


Hier oben hat man einen tollen Rundblick auf die Tannheimer Berge: Leilachspitze, Hochvogel, Lochgehre, Sulz und Schochen, Kugel-, Rauh-, und Geißhorn, Einstein, Aggenstein, Sebenspitze, dann direkt benachbart Gimpel und Köllenspitze, die weniger prominente Schneidspitze sieht man auch die ganze Zeit, dahinter Danielgrat, dahinter Zugspitze, die Sonnenspitze, die Pleisspitze (das ist der nördlichste Steilgrasberg der Lechtaler), der Thaneller, und, und, und. Eine tolle Rundsicht!

Nun diskutierten wir zwei Möglichkeiten: Die eine wäre gewesen, ,in die Gelbe Scharte abzusteigen, den Schartschrofen mit dem Klettersteig nördlich zu umgehen, und dann über den Adlerhorst zurückzukehren, die weniger spannende, aber kürzere, war der Abstieg durchs Gimpelkar. Da Nik an diesem Tag noch nach Hause fahren musste, entschieden wir uns für die zweite Variante. Richtig so: Nördlich vom Schartschrofen lag noch viel Schnee, und eine Spur war nicht zu erkennen.


Und so zogen wir über den tausendfach begangenen Normalweg zu Tal, erst hinunter in die Judenscharte (1970m), dann weiter ins Gimpelkar (1867m). Das Schöne dabei: Die winterlichen Verhältnisse. In der geländerversicherten Passage unterm Gipfel der Roten Flüh wurden wir erstmal ganzkörpergeduscht, weiter unten konnten wir dann auf dem Schnee abfahren, das war abgefahren. Und wir hatten einen Erste-Klasse-Blick auf unseren Südostgrat, und konnten so auch von dieser Seite aus nochmal erkennen, dass der nordseitige Anstieg in den Sattel am Beginn des Grats deutlich besser ist als der Südanstieg.

Am Gimpelhaus (1659m) kehrten wir kurz noch ein, dann ging's zügig hinunter nach Nesselwängle, und hinüber zum Parkplatz (1130m).

Rote Flüh - Parkplatz: Markierter Wanderweg, T3/I, 1,5h


Fazit:

Eine überraschend großartige Tour! Selbst für Kenner der Gegend gibt es offenbar immer noch Überraschungen. Der Grat ist kurz aber schon im Frühjahr begehbar, schnell zu erreichen, und es gibt eine Einkehrmöglichkeit - was will man mehr!


Ausrüstung:

Helm, wichtig, C-Schuhe, ansonsten sind wir mit Stecken ausgekommen.


Übrigens:

Einen tollen Blick auf den gesamten Grat hat man hier (von der Kellenspitze), einen ebenso tollen auf den obersten Teil hier (vom Gimpel).

Tourengänger: Nik Brückner, Löwensteiner


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Kommentare (2)


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SEalpin hat gesagt: Informativer Bericht
Gesendet am 18. Juni 2019 um 11:43
Hallo Daniel,

vielen Dank für den sehr informativen und interessanten Bericht, zusammen mit den Fotos und dem Track lässt sich die Route wirklich gut nachvollziehen. Die Tour werde ich sicher auch einmal begehen, sieht spannend aus.

Den nordseitigen Anstieg in den Sattel am Beginn des Grats schätze ich bei im Frühjahr bei noch vorhandenem Schnee als etwas heikel ein. Ich bin am 11. Mai über den Normalweg auf die Rote Flüh und hatte noch überlegt, über diesen Anstieg den Hochwiesler mitzunehmen. Die dünne Schneeauflage auf dem steileren Grashang sah mir aber doch recht abrutschgefährlich aus.

Viele Grüße
Stefan

Löwensteiner hat gesagt: RE:Informativer Bericht
Gesendet am 18. Juni 2019 um 13:53
Hi Stefan,
vielen Dank für deinen Kommentar.
Freut uns wenn dir der Bericht gefällt.

Ja, die Überschreitung ist echt lohnend.
Einzig der „Bröselsaufstieg“ in die Einsattelung war nicht ganz so prickelnd.

Ich stimme dir zu, durch die aktuellen Schneeverhältnisse
ergeben sich zusätzliche Schwierigkeiten, die man keinesfalls unterschätzen sollte.

Viele Grüße, Daniel


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