Hoachritar - Allgäuer Reitgrate: Über die Rotköpfe und zum Schneck


Publiziert von Nik Brückner , 10. Juni 2014 um 23:55. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum: 7 Juni 2014
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 7:30
Aufstieg: 830 m
Abstieg: 1350 m
Strecke:13km von der Nebelhornbahn bis zur Käseralpe
Unterkunftmöglichkeiten:In Oberstdorf, im Edmund-Probst-Haus. Keine ÜN im Oytal!
Kartennummer:AV-Karte 2/1, Allgäuer-Lechtaler Alpen West

Reitgrate! Reitgrate! Die mussten's dieses Jahr unbedingt sein! Gleich mal gekuckt, wo es welche gibt.... Natürlich in den schönen Allgäuern! Also gleich eine Woche nach unseren Grattouren ganz hinten im Walsertal die Judith7 und den Nik wieder zusammengepackt, Ian Andersons "Thick As A Brick. Live in Iceland" aufgelegt, runter nach Oberstdorf, und rauf auf die Rotköpfe und den Schneck!


Zum Laufbacher Eck

Mit der zweiten Nebelhornbahn ging es hoch zum Höfatsblick und von dort aus auf dem an Pfingsten noch menschenleeren Aussichtssteig hinum zum Laufbacher Eck (1 3/4 Stunden, T3). Dort ist der Nik erstmal ein paar Meter den Nordgrat hinuntergestiegen, bis zur Scharte, um einen Blick auf die Überschreitung des Giebelgiebels zu werfen. Die Judith hat derweil gemütlich zweitgefrühstückt.


Überschreitung der Rotköpfe

Nun ging's los zum Aufgezpunkt. Der ist gleich am Sattel zwischen Laufbacher Eck und erstem (Nördlichem) Rotkopf. Denn schon hier geht es ordentlich zur Sache: Ins steile Gras hinein und eine rote Rinne rechter Hand hinauf (II). Die Rinne nach rechts verlassen und sofort links hinüber zum Grat. Nun ein paar Meter auf Fels und überwiegend Gras zum Gipfel, 2194m (vom Sattel insg. T6). Hierher gelangt man schnell, in nur wenigen Minuten vom Sattel - das hatte ich im vorigen Herbst bereits ausgetscheggt. Wer hier bereits auspsycht, kehrt besser sofort um, denn es wird noch deutlich schwieriger. Wer sich in solchem Gelände einigermaßen fühlt, aber vor dem Reitgrat Manschetten hat, kann noch bis zum Mittleren Rotkopf weitergehen (T5 und leichter), sollte dort dann aber umkehren.

Vom Gipfel des Nördlichen Rotkopfs einige Meter auf dem Grat weiter. Wenn dieser an einer senkrechten Kante jäh abbricht und man sich schon fragt, wie es hier weitergehen soll, nach rechts über eine steile, aber gut gestufte Grasflanke hinunter, wo sich der begehbare Teil des Grates nach links (südwärts) fortsetzt. Von hier in einfachem, grasigem Gehgelände, aber recht ausgesetzt, hinüber und hinauf zum Mittleren Rotkopf, 2190m (Übergang vom Nördlichen Rotkopf wie gesagt bis T5).

Von hier aus geht es nun nach links hinab. Hier schlägt der Grat einen Rechtsbogen, und wird dabei unerbittlich schmaler und schmaler, bis er sich zu dem berühmten Reitgrat zusammengezogen hat, der den knorrigen Namen "Hoachritar" trägt. Zunächst geht es ein paar Meter hinab, dann geht man immer mehr in die Knie, um seinen Körperschwerpunkt in kuschelige Nähe zum Grat zu bringen. Dort, wo der Grat am schmalsten wird, verlocken deutliche Trittspuren dazu, in seine linke Flanke hinabzusteigen und dort die schmale Stelle zu umgehen. Davon sollte man um Himmels Willen die Finger lassen, schon nach wenigen Schritten gerät man in äußerst krokantiges Gelände, das einem nur die Wahl zwischen brüchigen und noch brüchigeren Griffen lässt, und zu allem Übel unter einem senkrecht abbricht.

Also schön brav reiten, zwischendurch auch ganz ohne Steigbügel, denn es geht links und rechts der nur ein paar Zentimeter breiten - schmalen - Schneide stellenweise ohne Tritte senkrecht hinunter. Je nachdem, wann man sich hinsetzt bzw. wieder aufsteht, können das schon bis zu 10, 15 Meter sein, die man hinüberreiten muss. Vielleicht auch nur 10? Je größer der Horror, desto länger der Grat... Voltigierer sind hier eindeutig im Vorteil. Und Leute mit dicken Windeln.

Zum Glück bäumt sich der Rücken des Grats nicht auf, und so robbt man bald hinaus aufs Gras (vom Mittleren Rotkopf hierher T6). Hier ist das Schlimmste überstanden (ab hier T4 und T5), auch wenn der Grat weiterhin teils stark ausgetzt bleibt. Aber nach dem, was man nun hinter sich hat, nimmt man solches Extremgelände eher als Erholung wahr. Ein paar Meter hinauf zum eher unscheinbaren Südlichen Rotkopf (2183m), und gleich wieder hinunter, immer dem Grat folgend, zu drei Knubbeln, die im Abstieg keinerlei Probleme bieten (vor allem der untere lässt einen nochmal den Atem anhalten, stellt sich dann aber als harmlos heraus).

Am tiefsten Punkt (2107m) wieder hinauf und so nah wie man mag ran an den Schneck, dessen Nord- und Ostwand hier besonders eindrucksvoll sind. Hier (2149m) haben wir eine erste ausgiebige Pause eingelegt. Die Aussicht auf den Hochvogel aus dieser Perspektive haben sicher nicht viele Bergtouristen. Überschreitung der Rotköpfe vom Laufbacher Eck aus: Eineinviertel Stunden.

Hier muss man nun östlich hinunter in ein Kar. Wir mussten eine Wächte umgehen, und landeten dann auf einem gerade erst freigetauten, sehr steilen Abhang, der wegen des beinharten Untergrunds sehr unangenehm zu begehen war (bei diesen Verhältnissen klar T5). Also vorsichtig hinunter, möglichst über das hier leider spärlich wachsende Gras, bis es flacher wird. Hier haben wir dann den noch tief verschneiten Hang hinüber zum Weg Richtung Himmelecksattel gequert (2007m, vom Pausenplatz am Schneck eine Stunde).


Schneck

Vom Himmelecksattel rechtswärts in dreißig Minuten auf Trittspuren übers Himmeleck (2152m) zum Südgipfel des Schnecks, 2259m (T3). Hier haben wir die Rucksäcke liegenlassen und uns auf dem Weg zum zweiten Reitgrat des Tages gemacht. Es geht ein paar Meter nordwärts hinunter, dann über eine Grasschneide hin zu einer ersten Stufe. Einfach (I), aber ausgesetzt hinauf und oben dem Grat folgend nach rechts. Kurz bevor der Grat wieder nach links knickt, muss man ein, zwei Meter reiten, weil die Schneide (zumindest für Nichtartisten) zu schmal wird. Auf- und Absitzen ist ein bisschen unangenehm, weil der Grat sich dem ein wenig sperrt. Danach wird es leichter, auch wenn man erst noch ein bisschen balancieren muss. Die letzten Meter zum Gipfelkreuz lassen uns dann wieder freier atmen (Übergang bis T6, die Reitstelle).

Wer wissen will, wie es sich dort oben wirklich anfühlt, kann dieses Video von Matthias Schön mal austscheggen.

Der Schneckgipfel (2268m)! Der letzte Eintrag, eine Woche vor uns, mit dem magischen Wort "Schneckgespenst".

Erstmal die Rundsicht genießen! Den Norden dominieren Großer und Kleiner Daumen, davor die schöne Laufbichlkirche. Dann folgt der herrliche Giebelgrat. Im Nordosten sind Geißhorn, Rauhhorn und Kugelhorn zu sehen. Dann erheben sich am Horizont die Tannheimer Berge: Große Schlicke, Gimpel, Köllenspitze, Gehrenspitze. Es folgt die Leilachspitze, dann verstellen nähergelegene Gipfel den Blick nach Osten: Glasfelderkopf, Kesselspitz, Fuchskarspitze und natürlich der Hochvogel.
 
Den Südosten dominieren gleich zwei Bergketten: der nahe Wildengrat und dahinter die Hornbachkette.
Dann folgen weitere Wolkenkratzer: die Marchspitze, der Krottenkopf, Öfnerspitze und die Krottenspitzen. Davor sind das Rauheck und das Kreuzeck zu erkennen. Weiter Richtung Südwesten folgen Mädelegabel, Hohes Licht und Trettachspitze, davor staffeln sich der Himmelschrofenzug, der Fürschießer, die Höfats, die Kleine Höfats und der giftige Seilhenker.
 
Der Grat der Höfats setzt sich Richtung Westen mit der Gieseler Wand und dem Hüttenkopf fort. Am Horizont sind die Mohnenfluh, die Braunarlspitze, der Elfer, der Widderstein, die Hochkünzelspitze und der Zitterklapfen zu sehen. Davor: die Güntlespitze und die Üntschenspitze. Es folgen der Ifen und, genau im Westen, die Winterstaude. Davor erstreckt sich
der Schattenberggrat sowie der lange Grat zum Laufbacher Eck, mit dem Lachenkopf, dem Schochen und den beiden Seeköpfen.
 
Im Nordwesten sieht man schließlich die lange Nagelfluhkette, dann folgen das Nebelhorn und seine Nachbargipfel, bis sich die Reihe am
Großen Daumen wieder schließt.

Ein letzter, langer Blick hinunter zu den Rotköpfen, dann ging es wieder zurück. Ein letzter Ritt, der Abstieg über die untere der beiden Gratstufen, übers Gras hinauf zum Südgipfel, und für heute waren wir raus aus dem Schwebebalkengelände. Hin und zurück eine halbe Stunde, mit Pause. Nun zurück zum Himmelecksattel und einfach auf Wanderwegen hinunter zur Käseralpe (1410m) und zurück nach Obrrschdorf.

Tourengänger: Nik Brückner, Judith7


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Kommentare (6)


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Jiri hat gesagt:
Gesendet am 10. Juli 2014 um 11:37
Erstklassiger Bericht über eine ausgefallene, aber doch logisch zusammengestellte Tour. Glückwunsch.
Erleichtert stell ich überdies fest, dass ihr den Weg vom Sattel zum Mittleren Rotkopf auch mit T6 seht. Ich folgte einst der Beschreibung des AV-Führers von Dieter Siebert, der nur "etwas" Trittsicherheit verlangte, und fand das doch deutlich heftiger.
Kleine Randnotiz: der mittlere Rotkopf müsste der Hauptgipfel und mit 2194m der höchste sein

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. Juli 2014 um 12:13
Grüß Dich, Jiri!

Danke, es war ne fantastische Tour!

Was die Bewertung angeht, da muss man ein bisschen vom persönlichen Eindruck abstrahieren. Wir fanden's bis zum Mittleren Rotkopf gar nicht so schwer. Ausgesetzt ist es halt. Aber wenn ich das so schreibe, wollen das alle machen, die am Laufbacher Eck Salamibrötchenpause machen. Also lieber vorsichtig schreiben.

Der Mittlere Rotkopf ist übrigens nach meiner Erinnerung niedriger als der Nördliche.

Grüßle,

Nik


stefanl78 hat gesagt: Gigantische Runde ...
Gesendet am 16. Juni 2022 um 23:28
... und tolle Wegbeschreibung. War sehr hilfreich, vielen Dank! Ich habe anschließend noch zum krönenden Abschluß die Höfats drangehängt, besser geht's nimmer. Impressionen gibt's hier: /www.youtube.com/watch?v=NQcnhso9Tu4

Nik Brückner hat gesagt: RE:Gigantische Runde ...
Gesendet am 27. Juni 2022 um 11:19
Klasse Tour hast Du da gemacht! Und mit der Höfats noch - Gratulation!

Herzlichen Gruß,

Nik

F3ttmull hat gesagt:
Gesendet am 2. November 2022 um 09:38
Wir haben gestern die Reiterpassagen gemeistert, ist doch recht bröseliger Sch*** Muss man fast jeden Stoi abklopfen, sonst bricht doch irgendwann etwas aus. Aber sonst tolle Überschreitung der Rotköpfe zum Nichtauspsychen^^

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 3. November 2022 um 08:47
Gratulation! Jaja, das ist ein wilder Ritt...

Herzlichen Gruß,

Nik


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