E5 und mehr - Von Bregenz nach Bozen: 17 Tage, 299 Kilometer, 18300 Höhenmeter


Publiziert von Nik Brückner , 8. Februar 2016 um 18:54.

Region: Welt » Terra Incognita
Tour Datum: 7 August 2009
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: L
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K1 (L)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   D   I   Sarntaler Alpen   Parseiergruppe   Bregenzerwald 
Zeitbedarf: 17 Tage
Aufstieg: 18300 m
Abstieg: 18450 m
Strecke:298km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem Auto nach Bregenz, mit dem Zug zurück
Unterkunftmöglichkeiten:Siehe Bericht
Kartennummer:Kompasskarte Europäischer Fernwanderweg E5, Teil Nord/Teil Süd

Meine erste Alpenüberschreitung! Der Plan war, nicht ganz uninspiriert von Ötzi und der AlpenÜS zweier Zeitgenossen in Steinzeitausrüstung, vom Bodensee nach Bozen zu gehen, teils auf dem E5, aber komplett zu Fuß und by fair means. Die meisten E5ler sollen ja ständig Bus, Taxi oder Seilbahn fahren. Ein böses Gerücht besagt, dass man bei der üblicherweise begangenen Route von Oberstdorf zum Vernagt-Stausee (und eben nicht Meran) mehr Strecke fährt als läuft, und das wollten wir schon gar nicht.

Ich habe es überprüft. Und konnte in Erfahrung bringen, dass bei der üblichen Route 81 Kilometern Fußmarsch (bei 5800 Höhenmetern) tatsächlich 93 Kilometer Fahrt (bei 4700 Höhenmetern) gegenüberstehen. Das Gerücht stimmt also: Bei der üblichen (also insbesondere einer kommerziellen) Tour von Oberstdorf nach "Meran" fährt man mehr als man läuft.


Uns einer geführten Gruppe anzuschließen, kam also schon allein deshalb nicht in Frage. Außerdem ist das einzige, was einem da abgenommen wird, das Reservieren von Unterkünften (also etwa 20 Minuten an Telefongesprächen), das Kaufen von Fahrkarten (also das Kaufen von ein paar Fahrkarten) und das Kartenlesen (also das gelegentliche Schauen in genau zwei Wanderkarten - auf einer perfekt ausgeschilderten Route). Dafür (damals) 700 Euro bezahlen? Kommt gar nicht in Frage.

Wir haben dagegen 700 Euro nicht für nur fünf Tage Oberstdorf - Vernagt, sondern für volle 17 Tage benötigt. Wenn das kein Unterschied ist! 700 Euro pro Person, meine damalige Freundin und mich, versteht sich. Dafür muss man aber auch 299 Kilometer laufen und dabei 18300 Höhenmeter im Auf- und Abstieg überwinden. Geht schon.

Das geht auch nicht alles auf dem E5. Wir haben ihn teils genutzt, teils sind wir aber auch individuelle Routen gegangen, wenn der E5 nicht auf einer schönen Trasse verläuft. Bestes Beispiel ist der Kaunergrat, an dem man drei anspruchsvolle, aber atemberaubende Tage verbringt, wenn man nicht (mit dem Bus) auf dem E5 durchs Pitztal will. Solche Alternativrouten sind aber oft gerade besonders reizvoll und seien jedem ans Herz gelegt, der für seine Alpenüberschreitung mehr als nur die übliche Woche investieren kann und will. Infos zu solchen Alternativen finden sich im Text zu den Etappen, genaue Daten weiter unten in der Tabelle. Oder fragt einfach mich.

A propos Infos: Wir sind mit dem Rother-Wanderführer E5 von Stephan Baur und Dirk Steuerwald gegangen. Unbedingt zweite Auflage (oder jünger) benutzen (bes. in Bezug auf den Kaunergrat)! Das Pendant von Bruckmann ist okay, aber dem Rother-Band letztlich unterlegen.



Tag 1: Bregenz - Halden

Von Bregenz (398m) aus führt der E5/Nordalpenweg nach Wolfurt und von dort hinauf in den Wald Richtung Bildstein. Das dortige Wallfahrtskircherl hatte ich oft schon aus dem Rheintal gesehen, und ich wollte dort schon lange mal hin.

Im Wald warnte uns ein Schild: "Achtung Mücken" - und zu Recht. Während der niedrigen Etappen am Anfang hatten wir ziemlich mit Bremsen zu kämpfen...

Wir stiegen also von Wolfurt (434m) aus auf dem Rheintal-Höhenweg nach Bildstein (658m) hinauf, wo wir kurz die Kirche besichtigten. Dann ging es auf dem Höhenweg weiter nach Oberbildstein. Es wurde warm... An einem Ferienheim hingen ein paar Kids rum: "Bei dem Wetter würd ich nicht wandern".

Damn.

Dann ging's endlich ein Weilchen durch den Wald, hinunter nach Fischbach und Burgen. Und wieder in den Wald hinunter. Endlich! Die Hitze war groß. An einer Quelle hatte ein netter Mensch zwei Gläser zum Trinken aufgehängt, das kam uns gerade recht. Hier, in der Nähe eines Wasserfalls, legten wir ein dringend benötigtes Päuschen ein. Ebenso dann unten an der Bregenzerach, zu der wir an einem E-Werk vorbei hinunterstiegen. Dann ging es eine Weile im Tal entlang, bis wir in brütender Hitze nach Langenegg (688m) aufstiegen. Dann machten wir den Fehler, mit Hunger einzukaufen... Der Anstieg über Oberkirchdorf zu unserer Unterkunft in Halden am Rotenberg war kein Spaß...

Spaß machten uns dagegen die vielen Kuhten-Tag-Kühe, die hier in der Gegend vor den Häusern stehen! Seit 2009 steht auch eine bei mir vor der Tür...


Tag 2: Halden - Staufner Haus

Der Hahn kräht! Um Viertel nach 6... Aber wir stehen auf und ziehen los. Hinterm Haus hoch in den Wald und nördlich um den Rotenberg herum geht es nach Hittisau (790m). Wir passieren die historische Kommabrücke, dann folgt ein knallharter, weil sausteiler Anstieg über Gfäll und die Gschwendalpe hinauf zum Hochhäderich (in gewissen Kreisen auch bekannt als: Kwisatz Häderich, 1566m). Zum Glück begleitet uns eine Kuh ein Stück, das hilft der Moral. Dann - endlich - sind wir am Hochädrichhaus. Aber erst am Gipfel legen wir eine Pause ein - und machen uns an die Nagelfluhkette, die wir von einer Träningstour im Mai schon kennen. Das Wetter ist prima und wir genießen die Tour auf der Kante, über den Falken (1564m) und die anderen Gipfel bis zum Seelekopf (1663m), über schmale Kanten und breite Rücken. Kraxelei gleich am zweiten Tag - das ist genau die richtige Einstimmung für eine Alpenüberschreitung. Das Wetter hält genau bis zum Staufner Haus (1634m) - dann donnert es.


Tag 3: Staufner Haus - Gunzesrieder Säge

Nach einer fantastischen Nacht im Staufner Haus (1634m) stehen wir gemütlich um halb acht auf. Die heutige Tour wird ja nicht so lang -  wir wollen über Hochgrat, Rindalphorn und Buralpkopf bis vor zum Stuiben, und dann zur Gunzesrieder Säge (931m) absteigen, wo wir Quartier nehmen wollen. Nach einem Genussfrühstück (Bircher Müsli!) brechen wir auf. Beim Hinausgehen fragt uns ein Typ: "Hey, was gibt's denn eigentlich in Bozen?" Na, einen Eisbecher natürlich.

Am Hochgrat (1834m) sitzen Dohlen, wie hingesetzt, und wir sehen ein paar Gämsen. Weiter vorn zieht sich der Grat dann zusammen - und wird von ein paar Haflingern blockiert. Nun, so sehr ich Haflinger mag -  die Biester können stur sein! Und sie ließen uns nicht vorbei. Reden half nicht, Schieben ebensowenig. Aber Bestechung half - ein Apfel, und die Pferde gingen zur Seite! Was sagt uns das...

Trotzdem mussten wir durch Matsch ausweichen. Dazu kam Nebel. Der Abstieg vom Rindalphorn (1822m) war kein Spaß. Wer da jemals im Matsch runtergerutscht ist, weiß, wovon ich rede. In der Gündlesscharte (1555m) haben wir pausiert und diskutiert und wir entscheiden uns, ins Tal abzusteigen. 

Prompt wurde unten das Wetter besser! Obendrein hatten wir nun einen langen Talhatscher zur Gunzesrieder Säge (931m) vor uns. Aber das war nicht so schlimm - die Gratüberschreitung kannten wir ja schon vom Mai. Außerdem sahen wir dort unten eine Frau mit Riesenrucksack...


Tag 4: Gunzesrieder Säge - Spielmannsau

Das war eine typische Pflichtetappe. Was dadurch bedingt war, dass wir des Wetters wegen eine Überschreitung der Hörner aufgaben, und stattdessen den schnellsten Weg nach Oberstdorf einschlugen. Oben rüber wäre es sicher schöner gewesen - bei gutem Wetter und klarer Sicht.

So machten wir uns um halb neun an der Gunzesrieder Säge (931m) im Trüben auf, über die Geißrückenalpe (1102m) hinauf zum Allgäuer Berghof (1163m). An der Geißrückenalpe sah ich, dass jemand Blumen in Bergschuhe gepflanzt hatte. Und so wachsen in den Schuhen, mit denen ich damals diese Tour gegangen bin, heute Edelweiß!

Am Allgäuer Berghof wunderten wir uns über den Frisbee-Golfplatz, dann ging es hinunter Richtung Ofterschwang (855m). Das Wetter blieb trübe, aber der versprochene Regen noch aus. Was den Hatsch über den Asphalt nicht besser machte. Weiter unten werden die Wege aber schöner und auf einem Golfplatz sahen wir lustige Leute - wir begafften einander gegenseitig.

Wir kamen dann nach Fischen (760m), wo wir Brotzeit einkauften, und machten uns an den langen Weg Richtung Oberstdorf. Frustrierend.... Denn an der Iller entlang stehen immer wieder Schilder, nach denen es immer eine Stunde nach Oberstdorf ist! Und so ist es schön, aber auch eintöning, hier im Auwald. Unter der Brücke am McD machen wir Pause, dann geht es nach Oberstdorf hinein.

In Oberstdorf (813m) taten uns endgültig die Füße weh. Zu viel Asphalt! Aber wir machten eine nette Bekanntschaft: Die Frau mit dem Riesenrucksack, die wie wir am Bahnhof Postkarten schrieb. Susanne war in Konstanz losgelaufen und hatte vor, auf dem E5 über Bozen, durch die Brenta über Brescia bis Verona zu gehen - und über den E5 wieder nach Norden, durch den Latemar und weiter nach Rosenheim! Egal, was Du machst, es gibt immer einen größeren Spinner.... Wir beschlossen, zusammenzubleiben, kauften gemeinsam ein (ich gab eine Ananas aus) und wir gingen zusammen in die Spielmannsau - wo uns die einzige Schüttung der gesamten Tour erwischte! 10 Minuten lang.

In der Spielmannsau (992m) erwartete uns dann ein bestialischer Gestank. Das Haus, in dem wir nächtigen, war dringen renovierungsbedürftig. Später, beim Essen, bekamen wir dann unerwartet noch Nachwuchs: pudelnass kam Stanzi herein. Unglaublich: Sie heißt wie ich (Stanzi, hr hr...) - und wohnt auch noch in der gleichen Stadt! Ab sofort sind wir vier!


Tag 5: Spielmannsau - Muttlerkopf - Kemptener Hütte

Eine schöner Weg ist's von der Spielmannsau (992m) zur Kemptener Hütte! Mittlerweile bin ich ihn wirklich oft gegangen... Damals war er gerade freigeräumt worden, offenbar hatte der Regen eine Mure ausgelöst. Und es war auch wirklich nass, bester Beleg dafür war ein Alpensalamander. Auch im Sperrbachtobel war noch ordentlich Schnee - und viel Wasser. Und auch der Himmel hat uns nicht verschont: Vor der Kemptener Hütte nieselte es ein wenig. Wir waren unentschlossen: Sollten wir, wie geplant, noch auf den Krottenkopf steigen? Der Regen, dazu zog es sich zu... Sicht würden wir wohl keine haben.

In der Kemptner Hütte (1844m) pausierten wir, bis das Wetter etwas besser wurde. Dann verabschiedeten wir uns von Susanne und Stanzi: Sie gingen nach Holzgau, wir Richtung Krottenkopf. Mal sehen, was möglich war.

Unterwegs gab es viele Murmelis, Gämsen und Steinböcke zu sehen! Aber es blieb trüb, deshalb entschieden wir, statt auf den Krottenkopf auf den Muttlerkopf (2368m) zu steigen. Am Gipfelkreuz riss es dann kurz auf, und wir hatten eine tolle Aussicht zur Hütte und in den Sperrbachtobel. Wilde Wolken über uns...

Von der Kemptner Hütte (1844m) sind es lange 15 Minuten zum Handyplatz, wir reservierten von dort aus durch bis Zams. Danach hatten wir es nur noch mit Ofenschlupfern zu tun.

Ach so! Und mit Desinfektion. Auf der Rappenseehütte war der Norovirus unterwegs...


Tag 6: Kemptener Hütte - Memminger Hütte

Halb sechs raus.... Wir hatten eine lange Etappe vor uns: Durchlaufen zur Memminger Hütte - und zwar ohne E5-Taxi. Ja, das geht. Um sieben Uhr brachen wir an der Kemptner Hütte (1844m) auf - im Nebel. Am Unteren Mädelejoch (1973m) verließen wir Deutschland - und machten uns an die Durchquerung Österreichs.

Es ist ein schöner, langer Abstieg nach Holzgau. An einem ersten Wasserfall versuchte ich zu duschen, dann ging's weiter runter in die Schlucht mit dem Simmswasserfall. In einem schicken Hotel in Holzgau (1114m) haben wir uns dann erst einmal frisch gemacht, dann gingen wir einkaufen und reservierten Hütten - und erschraken: Leider war die Verpeilhütte voll, ausgerechnet dieser wichtige Stützpunkt am hüttenarmen Kaunergrat! Wir mussten umplanen...

Es ging weiter im Tal, Richtung Stockach (1070m). Eine Abkürzung misslang uns, und wir mussten über einen wackeligen Zaun und an sehr grummeligen Kühen vorbei.... Sollte man besser lassen.

Am Aufstieg ins Madautal (1160m) trafen wir dann erste E5ler von der Kemptener Hütte wieder, die mit E5-Taxis herumfuhren. Ansonsten war es erst einmal fad - das Madautal ist lang! Es zieht sich. Jahre später bin ich mal mit dem Bike hier unterwegs gewesen, das war viel besser!

An der Materialseilbahn (1440m) machten wir Pause, dann ging's an den Anstieg. Wir entschieden, die Rucksäcke hinaufzutragen. By fair means war gesagt! Und verflucht haben wir's auch: Es war sausteil und bullenheiß! In der Memminger Hütte (2242m) kriegten wir dann Lagerplätze - aber leider keine heiße Dusche. Mädels, Ihr macht Euch keine Vorstellung davon, wie Männer quieken können...


Tag 7: Memminger Hütte - Zams

Die Memminger Hütte (2242m) war voll, und so machten wir uns schnell auf den Weg. Leider alle andern auch... Vorbei am schönen Unteren Seewisee (2224m), in dem sich die fantastische Freispitze fantastisch spiegelte, dann staute es sich hinauf zur Seescharte (2540m). Ich vermute ja, wenn nicht überall stünde, dass das die schwierigste Stelle am E5 sei, würde das keiner merken, und die Leute würden einfach drübergehen.

Der berühmte Abstieg führt von hier in 4 Stunden fast 2000 Meter hinunter nach Zams. Er gehört zu den großartigsten Routen in den gesamten Nördlichen Kalkalpen. Merke: Wenn jemand über diesen Abstieg flucht, flucht er eigentlich nur über seine Knie. Die Tour ist ein Traum, sogar bei wiederholtem Begehen.

Hinter der Seescharte erwarteten uns Steinböcke. An der Oberen Lochalpe (1800m) haben wir dann trotzdem bei herrlichem Blick hinter zur Parseierspitze eine Pause eingelegt - und auch der Blick zur Silberspitze ließ uns immer wieder staunen. Danach ging es hoch über der Schlucht des Lochbachs nach Zams (767m).

Der Nachmittag war dann für Logistik reserviert: Wir kauften im lustigsten Supermarkt der Tour ein (selber rausfinden! Tipp: Östliche Ortsausfahrt), informierten uns über den nirgends beschriebenen Aufstieg zum Venet, recherchierten im Gasthof Schmid im Internet das Wetter, wuschen - und hatten sogar noch Zeit, mit anderen E5lern zu essen und zu schwatzen! Ein voller Tag!


Tag 8: Zams - Galflunalpe

Der Aufstieg von Zams (767m) auf den Venet, bzw. den Krahberg, ist nirgends beschrieben. E5lern wird empfohlen, mit der Seilbahn zu fahren (logisch - Wanderer wollen ja so gern fahren) - und weil das tatsächlich alle machen, gibt es so gut wie keine Infos zu dem Aufstieg. Im Verkehrsbüro haben sie uns prompt keine genaue Auskunft geben können. Ich hatte drei Stunden geschätzt, weitere zwei zur Galflunalm - damit wäre das ein kurzer Erholungstag geworden. Die Auskunft war aber: ca. fünf Stunden allein bis zum Krahberg! Wir richteten uns also auf einen langen Tag ein. Nicht gerade ideal vor dem Kaunergrat.

Wir liefen nach Anreith hinauf, und am Ortsausgang einen steilen, aber abwechslungsreichen Wiesenweg hinauf. Der führt in der Folge immer abwechselnd durch den Wald und über Wiesen, ist aber, weil selten begangen, nicht immer ganz leicht zu finden. Es geht hinauf zur Zammer Alm, dann beginnt der unschöne Abschnitt: Es geht über sausteile Skihänge hinauf. Ein kleines Seelein markiert dann den letzten Abschnitt, und nach exakt drei Stunden standen wir auf dem Krahberg (2208m) an der Gipfelstation der Seilbahn.

Hier pausten wir und entschieden uns gegen den Venetgipfel. Stattdessen schlugen wir den wunderschönen Panoramaweg zur Goglesalm (2017m) ein, wo wir noch eine Pause einlegten. Dann ging es weiter zur schönsten Hütte der Tour: Der winzigen, urigen Galflunalm (1965m). Fünf Stunden hatten wir gebraucht, also wohl doch eine Art Erholungstag.

In der Galflunalm lernten wir Katja kennen, die wir in den nächsten Tagen nochmal wiedertrafen. Leider auch eine Männergruppe...


Tag 9: Galflunalm - Wiesenhof

Da wir auf der Verpeilhütte keine Unterkunft mehr bekommen konnten, mussten wir die beiden Etappen am Kaunergrat umplanen: Anstatt am ersten Tag einen langen Marsch einzulegen, zur Verpeilhütte, und am zweiten über den Grat zur Kaunergrathütte zu gehen, entschlossen wir uns, von der Galflunalm (1965m) zur Pension Wiesenhof zu gehen, und am nächsten Tag die Monstertour vom Wiesenhof zur Kaunergrathütte zu gehen.

Der Abstieg war nur im oberen Teil schön, dazu auch noch matschig, aber wir waren schnell unten in Piller (1350m), einem kleinen Örtchen am gleichnamigen Pass zwischen Venetmassiv und Kaunergrat. Dort hat uns dann eine Ziege empfangen.

Ziel war der nagelneue Dr.-Angerer-Höhenweg hoch über dem Kaunertal, den es erst zwei Jahre lang gab. Dieser Höhenweg wurde damals, 2009, noch wenig begangen, gerade mal 10, 15 Wanderer pro Tag (und damit weitaus weniger Menschen als den E5 in dieser Gegend mit dem Bus befahren) - er zählt jedoch zu den schönsten Abschnitten unserer Route.

Von Piller aus ging es über eine Teerstraße und später etwas kompliziert über verschiedene Wege hinauf zur Lachwies (1430m) und danach auf einem Pfad weiter Richtung Aifneralm. Im Wald hinauf bis zu dem verlandenden Harbeweiher (auch "Harben", 1663m) von wo aus die Beschilderung sicher zur Jausenstation Aifneralm (1972m) führt. Hier beginnt nun der eigentliche Höhenweg. Der wunderschöne Weg führt durch die Hänge von Aifen, Hochschaltergrat und Ölgrubenkopf, die den Beginn des berühmten Kaunergrates bilden. Er quert dabei riesige Wiesenhänge, ist anfangs noch einfach und nur stellenweise ein wenig ausgesetzt. "Panoramaweg" ist eine treffende Bezeichnung: Man hat das grandiose Panorama des Kaunergrats mit der Watzespitze ebenso im Blick wie die Eisriesen hinten im Tal am Alpenhauptkamm.

Etwa zwei Stunden nach der Aifneralm kamen wir an der Falkaunsalm (1963m) an, wo wir erst einmal ein Päuschen einlegten. Danach ging es von der Falkaunsalm direkt über die Wiese hinunter, wo wir auf einen Fahrweg stießen. Diesem folgten wir kurz nach links (talwärts) und stiegen dann über Wiesen und Weiden direkt zur Pension Wiesenhof (1590m) hinunter.


Tag 10 - Wiesenhof - Kaunergrathütte

Im Wiesenhof (1590m) hatten wir einen Geheimtipp bekommen: Anstatt wieder ganz zur Falkaunsalm aufzusteigen, könnten wir auch durch einen nicht mehr genutzen Bewässerungsstollen direkt zur Gallruttalm aufsteigen. Das wollten wir uns nicht entgehen lassen! Außerdem würde es unsere Strecke deutlich verkürzen.

Wir sind also direkt an der Pension rechts (nicht links!) über die Wiese direkt zum Wald aufgestiegen. Wir folgten dem Fahrweg hinauf zur Falkaunsalm durch ein paar Kurven bis zu einer Stelle, an der ein (abgedeckter) Bewässerungskanal in den Wald hinaufführt. Auf dessen Abdeckplatten sind wir direkt zum Stolleneingang (1888m) hinaufgelaufen.

Mit Stirnlampen auf der - ähem - Stirn gingen wir durch den etwa einen Kilometer langen Stollen. Immer leicht ansteigend geht man durch den Bauch des Kaunerbergs hinauf zu den Wiesen unterhalb der Gallruttalm (1980m), zu der man auf einem kleinen, guten Pfad gelangt. Hier ist man wieder am Dr.-Angerer-Höhenweg.

Es begann der anspruchsvolle Teil der Etappe: in stetem Auf und Ab geht es im Hang oft schmal und ausgesetzt entlang. Mal steigt man in steile Tobel oder schöne Seitentäler wie das Gsalltal ab, mal geht es steil hinauf, zu den Felsen am Lückle oder in die Hänge des Schweikert. Oft quert man dabei steile Hänge, teils ist es recht exponiert (schwindelerregende Tiefblicke!), ab und zu helfen Seilversicherungen.

An der winzigen, urigen Gsallhütte (1942m, unbewirtschaftet) haben wir eine kurze Pause eingelegt. Dann ging es genauso weiter. Erst kurz vor dem Verpeiltal wird es dann leichter. Der Höhenweg endet bei der Verpeilalpe (1802m), von der aus wir in einer halben Stunde zu der wunderschön gelegenen Verpeilhütte (2025m) aufgestiegen sind.

Nach Apfelstrudel und Schokokuchen ging es dann weiter, hinauf zum Madatschjoch (3030m). Der Anstieg ist lang, aber landschaftlich absolut spektakulär. Im Joch gab es keinen Schnee mehr, aber der Übergang am fixen Seil ist schwierig und klettersteigartig. Auch drüben geht es über Klammern nochmal recht ausgesetzt eine senkrechte Stufe hinunter. Die Sicherungen sind aber top, Sorgen muss sich niemand machen. Und die wundervolle Kaunergrathütte (2817m) freut sich über Besuch.


Tag 11: Kaunergrathütte - Braunschweiger Hütte

Ou Män. Was für ein Tag. Wir hatten 2500Hm in den Beinen - und 1550Hm Anstieg vor uns. Kann man sich vorstellen...

Morgens um acht ging's an der Kaunergrathütte (2817m) los. Cottbuser Höhenweg! Auch nicht gerade ein Erholungsspaziergang... Also runter in die Senke, und über Blockwerk rechts raus aus dem Tal. Von einer Schulter des Steinkogels aus konnten wir die Braunschweiger Hütte sehen - ein weiter Weg! Dann ging's auf den schwierigen, klettersteigartigen Cottbuser Höhenweg. Schlüsselstelle: Über Klammern an einem Seil glatte Platten hinunter, steil und ausgesetzt - und, als wir kamen, auch noch nass. Unten geht es dann schmal weiter, immer 1000 Meter über dem Talboden. Da kamen uns dann auch noch welche entgegen...

Der Rest zum Rifflsee ist dann leichter bis unproblematisch. Am Rifflsee (2232m) haben wir dann erstmal eine Pause eingelegt, auch wenn's da recht hässlich ist: Die Skiindustrie hat das Pitztal fest im Griff: Hier fahren Bagger herum, Betonmischer und überdimensionale Tieflader. Dann, auf 2000 Metern: Ein Getreidefeld! Offenbar will man mit den Pflanzen den verdichteten Boden am Hang halten. Wer da am Werk ist, hat doch recht andere Vorstellungen vom Landschaftsschutz als die meisten. Im Tal haben wir uns dann über die vielen Tirolbanner in den Vorgärten gewundert: So weit kann's mit dem Stolz auf das Land nicht her sein, wenn man so mit ihm umgeht.

Ab Mittelberg (1736m) ging es dann der Pitze entlang, am Gletscherstübele (1891m) vorbei hinauf zum Wasserfall. Hier hat jemand eine mehrere dutzend Meter breite Schotterautobahn auf den Gletscher hinaufgebaut, die "Notabfahrt" heißt. Notabfahrt! Darauf fallen nicht mal wir Laien herein.

Diese grauenvolle Narbe muss man nun hinauf. Na Hauptsache, die kriegen ihre Baufahrzeuge auf den Gletscher, damit sie dort oben noch ein paar Lifte und Panoramacafés bauen können. Wie wär's denn mit 'nem McD?

Es ist grauenvoll. Baumaschinen, Aussichtsplattformen, Gletscherbahnen - hier kann man erleben, wie es ist, wenn sehenden Auges die falschen Entscheidungen getroffen werden. Weiter oben deckt man dann Gletscher mit weißen Folien ab - ob da vielleicht ein Zusammenhang mit der Bautätigkeit besteht? Ist doch echt komisch mit dem Klimawandel, unerklärlich, woher der kommt.

Und die Verwüstung der Tiroler Berge geht munter weiter. 2016 wurde der Zusammenschluss der Skigebiete Pitztaler Gletscher und Sölden beschlossen: Durch die skitouristische Erschließung des Linken Fernerkogels, vier neue Seilbahnen eingeschlossen.

Traurig - und völlig erledigt nach 4000 Höhenmetern in 2 Tagen kamen wir auf der Braunschweiger Hütte (2759m) an. Und dann die Überraschung! Wir trafen Susanne wieder, die wir seit der Kemptener Hütte nicht mehr gesehen hatten. Wie schön!


Tag 12: Braunschweiger Hütte - Gaislachalm - Zwieselstein

Wir waren froh, aus der damals recht planlos bewirtschafteten Braunschweiger Hütte (2759 m) rauszukommen und beeilten uns, zum Rettenbachjöchl aufzusteigen (das Pitztaler Jöchl war wegen Steinschlag gesperrt).

Hier oben ist es nicht weniger furchtbar als auf der Pitztaler Seite: Alles ist verbaut, Lifte, Parkplätze, sogar Tribünen stehen hier. Die machen hier auf dem Gletscher eine Inszenierung von Hannibals Alpenüberschreitung - mit als Elefanten verkleideten Pistenraupen. Klimgt das nicht toll. Und Firmen wie Fischer und Salomon machen hier oben auch noch Werbung - trüge nicht der Landschaftsschutz weitaus mehr zum positiven Image dieser Firmen bei?

Wir schworen uns, nicht ins Pitztal und ins Ötztal zurückzukehren. Bis heute haben wir uns daran gehalten.

Über den Gletscher ging es bergab zum Parkplatz Rettenbachferner (2800m), dann weiter hinunter in den Talgrund. Wir hatten gehofft, dass es hier schöner sein, doch auch hier gibt es wieder eine autobahnbreite Piste für Baumaschinen (oh nein, ich meine natürlich eine Notabfahrt. Ist das hier nicht ein Naturschutzgebiet? Wer hier zeltet, kriegt vermutlich eine echt fette Strafe....)

Als eine Kuhherde uns überholte, wurden wir von den bovinen Zeitgenossen auch noch rüde beiseite geschubst. Was ist hier eigentlich los... Ein paar Öko-Infotafeln am Höhenweg Richtung Gaislachalm kamen uns da wie Hohn vor. Aber dann wurde es endlich wieder richtig schön, vermutlich ist der Berg hier zu felsig und zu steil, um ihn zu vermarkten. Der Weg quert wunderbare, grasige Hänge, der winzige Weiler Gaislach liegt wunderbar am Hang, und auch danach geht es über einen schönen, felsigen Weg hinunter zur Venter Ache. An der entlang dann gemütlich bis Zwieselstein (1470m).

Am Nachmittag mussten wir einkaufen. Und weil das in Zwieselstein nicht ging, sind wir mit dem Bus nach Sölden gefahren. Dort hat uns der Zirkus dann wieder eingeholt: Ein Supermarkt zwischen verwahrlosten Apres-Ski- und Oben-ohne-Bars

Es spricht Bände, wenn man das Gefühl hat, dass das Gebäude, das am wenigsten in den Ort passt, die uralte Kirche mit dem typisch tirolerischen Spitzhelm ist.


Tag 13: Zwieselstein - Moos

Raus aus dem Ötztal! So schnell wie möglich! Na, aber eigentlich war's schön in Zwieselstein (1470m). Wir hatten eine tolle Pension, mit tollem Frühstückbuffet, hat also alles gebassd. Trotzdem: Wir wollten los, und wir wollten die nächste Pflichtetappe hinter uns bringen: Ein Hochalpenpass, das kann nun wirklich nicht schön sein!

Dachten wir...

Was für eine herrliche Tagestour! Es geht durch den Wald hinauf, dann kommt eine Schlucht, und bald steht man im grandiosen Timmelstal. Ein karges Hochtal mit einem rauschenden Bach, der die Geräusche der Passstraße übertönt. Und weil man ohnehin die meiste Zeit unterhalb der Straße läuft, sieht man sie noch nicht einmal.

Fast könnte man auf die Idee kommen, allein in einem einsamen Hochtal unterwegs zu sein, da trifft man oben am Timmelsjoch (2474m) auf Touristen. Und auf Kunstwerke: Man versucht hier, die alte Passstraße zu einer Art Kunstmeile umzumodeln. Auch ein Museum sollte gebaut werden. Gute Idee!

Unterwegs haben wir dann auch noch alte Bekannte getroffen - Leute von der Braunschweiger Hütte -, und neue - Leute, die wir in Moos kennenlernen würden. Dann ging's hinunter auf die Südtiroler Seite. Das Tal hier ist sogar noch schöner als das auf der Österrreichischen Seite!

Weiter unten entschieden wir uns dann für die schönere Variante über den Hochfirst. Die Alternative wäre gewesen, ein Stück auf der Passstraße zu gehen, und das wollten wir nicht. Unsere Route führte rechts aus dem Tal heraus, an einem Gasthof über die Straße und weiter hinunter. Dieser Abstieg ins Passeiertal ist dann ein wenig abenteuerlich, aber sehr schön.

Der Weg durch's Passeiertal ist lang! Schön geht's durch Rabenstein (1433m), andere Passagen auf teils geteerten, breiten Wegen sind langweilig und ermüdend. Und so war diese Etappe die einzige, für die wir länger brauchten, als im Buch angegeben war. Neun Stunden, statt acht. Als wir in Moos (1012m) ankamen, taten uns die Füße weh...


Tag 14: Moos - Pfandleralm

Zwei kurze Etappen! Die erste führte und von Moos in Passeier (1012m) zur Pfandler Alm - ein historischer Ort! Dort hatte man einst Andreas Hofer gefangengenommen.

Von Moos aus ging's zunächst die Straße entlang und durch einen kurzen Tunnel, dann weiter auf einem schönen Weg oberhalb der Timmelsjochstraße. Es ging hinauf nach Stuls (1317m) - wieso? Wurde uns nicht klar. Zudem über viel Asphalt...

Also wieder hinunter, nach Sankt Leonhard in Passeier (688m). Aber lange hielten wir uns hier nicht auf. Zu laut, zu nervig. Auf einem schönen, ruhigen Wiesenweg ging's am Hexenstein vorbei zum Sandwirt (640m). Heut war Andreas-Hofer-Tag, und da wollten wir sämtliche historische Stätten am Weg mitnehmen. Ungewöhnliche Museumsbesucher müssen wir gewesen sein...

Ein tolles Museum! Sehr differenziert, hat uns gut gefallen. Dann ging's weiter Richtung Pfandler Alm. Zunächst über einen Waalweg, dann einen der berühmten sausteilen Südtiroler Wege hinauf. Der Andreas-Hofer-Weg, mit Stelen am Wegesrand. Oben an der Pfandler Alm (1332m) angelangt, duschten wir und machten's uns gemütlich, da kamen weitere Bekannte aus den vorigen Tagen an. Ziemlich fertig, bei der Hitze, waren wir alle.

Am Nachmittag haben wir dann den Nachbau von Hofers Hütte besichtigt, und den historischen Tag angemessen mit einem Andreas-Hofer-Brettl beendet. Keine halben Sachen.


Tag 15: Pfandleralm - Hirzerhütte

Eine superkurze Erholungsetappe. Wir haben sie ein bissl aufgemotzt, indem wir die Riffelspitze eingebaut haben. Dauert dadurch aber auch nicht länger... Außerdem ist die Riffelspitze (2060m) gar keine Spitze. Aber ein schöner Pausenplatz!.

Über einen Grat ging's zurück zum E5, der darauf die Hänge des Prantachkogels quert. Es geht an zwei schönen Almen vorbei, Mahdalm (1991m) und Hintereggalm (1970m), dann führt ein breiter Weg zur Hirzerhütte (1986m). Hier haben wir's uns gutgehen lassen, gequatscht, mit Hasen gespielt - und unsere Unterkunft in Bozen reserviert! Es ging dem Ende zu... Krönung des Tages war allerdings das Kegeln mit antiken Kegeln im Gang der Hirzerhütte, zur Akkordeonmusik von Patrick. Ein unvergesslicher Abend.


Tag 16: Hirzerhütte - Hirzer - Meraner Hütte

Früh um acht brachen wir von der Hirzerhütte (1986m) auf. Die Flaschen am Brunnen aufzufüllen trauten wir uns nicht, weil wir beobachteten, wie eine Kuh einen Mann, der ebendies versuchte, immer wieder vom Brunnen wegschubste. Erstmal war sie dran!

Zwischen Hasen ging es hinauf zum Hirzer, ein überraschend leichter Aufstieg auf einen der höchsten Gipfel der Tour. Es geht hinauf zu einem Grat, und drüben auf dessen anderer Seite weiter zum Gipfel. Nach zwei Stunden standen wir am Hirzer (2781m).

Drüben geht es hinunter zu ein paar kleinen, wunderschön gelegenen Lachen, an denen es sich gut pausen lässt. Dann beginnt eine nette Wanderung durch den Hang hinüber zum Kratzberger See (2119m), wo einige unerschrockene Boys am Baden waren. Es muss eiskalt gewesen sein!

Hinterm Missensteiner Joch (2128m) hatte ich die grauenvolle Skiindustrie vermutet, die mir von vor 20 Jahren in Erinnerung war. Damals hatte die rücksichtslose Wirtschaft die Landschaft hier oben praktisch völlig zerstört: Die Hänge waren verdichtet, rutschten immer wieder ab, und wurden daraufhin betoniert. Wie überrascht war ich, als sich herausgestellt hat, dass die Menschen dazugelernt hatten, und sich um eine Vereinbarkeit von Skivergnügen und Landschaftspflege bemühten!

Und so ging es durch ein renaturiertes Skigebiet zur Meraner Hütte (1960m).


Tag 17: Meraner Hütte - Bozen

Der letzte Tag einer solchen Tour ist immer mit Wehmut verbunden. Doch bei herrlichem Wetter in der fantastischen Landschaft Südtirols macht die ganz schnell dem Genuss Platz. Das Beste:  Man kann ja wiederkommen!  Und genau das habe ich Jahre später auch gemacht.

Kurz vor acht ging's an der Meraner Hütte (1960m) los, hinüber ins Kreuzjöchl (1981m) und hinauf aufs  Kreuzjoch (2086m). Der Blick in die Dolos, zum  Roen  und zum Penegal, und weiter Richtung Ortler und Königspitze ist atemberaubend!

Im Grunde ist das erstmal eine typische Höhenrückenwanderung: Blick nach allen Seiten, genau das Richtige als Ausklang. Es geht an Hafling vorbei und an Haflingern. Dann kommt man zu den berühmten Stoanernen Mandln (2001m), einer Stelle, an der buchstäblich hunderte Steinmänner stehen. Wir haben unseren dazugestellt.

Weiter geht's zum Möltner Kaser (1766m) und durch herrliche Lärchenbestände zum Kircherl von Langfenn (1527m). Dort haben wir uns erst einmal ein Eis gegönnt. Wir wollten den letzten Tag richtig genießen.

Am Gasthof Locher (1258m) sind wir dann wieder von der Hauptroute abgewichen, um die hiesigen Erdpyramiden zu bewundern. Es ging weiter, über einen kaum noch zu erkennenden Wiesenweg zum Eggenhof. Am Steifler (1222m) ging's dann endgültig in den Wald. Ein langer Weg führt vor an die Bergkante, hoch über Bozen.

Bozen! Von hier oben aus haben wir unser Ziel zum ersten Mal gesehen! Was für ein großartiges Gefühl. Wir hatten es geschafft - fast 300 Kilometer, vom Bodensee hierher.

Der steile Abstieg über uralte Wege, durch Wald und Wein, lief sich dann fast von selbst. Am Gscheibten Turm errichten wir schließlich den nördlichen Stadtrand von Bozen (262m). Wir hatten es tatsächlich geschafft!

Jetzt aber schnell! Wir wollten Ötzi besuchen, immerhin so eine Art Patron unserer Tour. Also ab in die Unterkunft, geduscht und umgezogen, und gleich wieder los, zum Ötzimuseum! Letzter Einlass: 17 Uhr!

Auch das haben wir geschafft. Dann aber war die Rennerei vorbei. Der Rest war Eis...


Fazit

Eine grandiose Tour! Die Alpenüberschreitung auf dieser Route ist wirklich großartig, trotz einiger unschöner Passagen. Für mich war es eine Lernkurve: Was als Urlaub begonnen hatte, wandelte sich über die Tage, durch viele Gespräche, viele Erlebnisse und Erkenntnisse, zu einer Bildungsreise. Ich habe gelernt, die Alpen mit anderen Augen zu betrachten: Nicht nur  als Erholungsraum , sondern auch als Naturraum, Lebensraum, Spielplatz, Wirtschaftsraum - und nicht zuletzt als Indu striegebiet. Das war kein reiner Erholungsurlaub.

Und so wurde klar: Ich würde wiederkommen. Anders. Es gibt andere Ideen, andere Weitwanderrouten, die mindestens genauso schön sind. Mindestens genauso interessant. Oder einfach weiter.


Tag Datum Etappe Strecke Höhenmeter Zeit
(einschl. Pausen)
Beschreibung
1 7.8. Bregenz - Halden 25km +1200
-800
8h Zum Wallfahrtsort Bildstein und durch den schönen Bregenzerwald
2 8.8. Halden - Staufner Haus 14km +1400
-600
5h Steil hinauf auf die Nagelfluhkette
3 9.8. Staufner Haus - Gunzesrieder Säge 15,5km +500
-1200
4h Über die Nagelfluhkette und Abstieg im Nebel
4 10.8. Gunzesrieder Säge - Spielmannsau 27km +550
-500
6h Asphalthatscher nach Oberstdorf
5 11.8. Spielmannsau - Muttlerkopf - Kemptener Hütte 11km +1400
-500
5h Zur Kemptener Hütte - mit Bonusgipfel
6 12.8. Kemptener Hütte - Memminger Hütte 26km +1650
-1250
8h Lange Etappe hinaus aus Deutschland und hinein in die Lechtaler
7 13.8. Memminger Hütte - Zams 14,5km +550
-2000
5h Eine der großartigsten Routen in den nördlichen Kalkalpen
8 14.8. Zams - Galflunalpe 14km +1600
-400
5h Die unbekannte Etappe
9 15.8. Galflunalpe - Wiesenhof 18,5km +950
-1300
7h Abenteuer Kaunergrat, erster Teil - auf dem Dr.-Angerer-Höhenweg
10 16.8. Wiesenhof - Kaunergrathütte 15,5km +2500
-1250
10h Abenteuer Kaunergrat, zweiter Teil - schwierigster Teil und höchster Punkt der Tour!
11 17.8. Kaunergrathütte - Braunschweiger Hütte 16km +1550
-1650
8h Über den wilden Cottbuser Höhenweg
12 18.8. Braunschweiger Hütte - Gaislachalm - Zwieselstein 16km +300
-1600
5h Ausbeutung der Tiroler Natur im Pitz- und im Ötztal
13 19.8. Zwieselstein - Moos 22km +1050
-1500
9h Überraschend herrlicher Passübergang nach Italien
14 20.8. Moos - Pfandleralm 14,5km +900
-650
4h Wanderung durch die Tiroler Geschichte
15 21.8. Pfandleralm - Hirzerhütte 8km +900
-250
2h Erholungsetappe
16 22.8. Hirzerhütte - Hirzer - Meraner Hütte 11km +950
-950
4h Kurzer Übergang, und großartiger Gipfel
17 23.8. Meraner Hütte - Bozen 30km +350
-2050
8h Fantastisches Schaulaufen hoch über Südtirol

Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (2)


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MANAL hat gesagt:
Gesendet am 10. Februar 2016 um 20:23
Danke für diesen großartigen Tourbericht!!! Und auch für die ehrlichen Worte zu den touristischen Schandtaten in den Gletscherskigebieten.

Gratulation dazu dass ihr den E5 ehrlich gemacht habt. Mir ist auch schon aufgefallen dass die Standard-E5-Tour eine einzige Mogelpackung ist und die Leute sich schämen sollten.

Schon eure 103-tägige Tour ist eine Inspiration, dieser Tourbericht eine weitere. Wenn ihr so weiter fleißig so tolle Berichte postet packe ich meinen Rucksack und lauf auch nach dem Lesen los ;-)

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 11. Februar 2016 um 11:58
Hi Manal!

Nicht ohne mich losgehen, hörst Du! Und lass' uns nen Fön mitnehmen, derzeit liegt viel Schnee, wie man hört... ;o}

Tja, das mit der Ausbeutung der Alpen ist so eine Sache. Ich bin nicht deshalb so deutlich, um die Leute von dieser Route abzuschrecken (auch wenn die Verantwortlichen vermutlich erst dann ins Nachdenken kommen, wenn angesichts Ihrer landschaftsgestalterischen Großtaten die Gäste wegbleiben), sondern weil manche Leute gar nicht wissen, was da passiert, sei es, weil sie die Gegend nur im Winter zu sehen kriegen, oder weil sie zu wenig über die Berge wissen, um ein Getreidefeld auf 2000m Höhe seltsam zu finden, oder fehlenden Baumbestand grundsätzlich für natürlich karge Gebirgslandschaft halten. Abgesehen davon ist angesichts des Klimawandels absehbar, dass man bald dieselben Summen nochmal wird aufbringen müssen, um den ganzen Mist wieder abzubauen...

Was das Schämen angeht - da wäre ich nicht so hart. Viele haben einfach zu wenig Zeit und können sich eine vollständige Alpenüberschreitung schlicht zeitlich nicht leisten. Oder stehen vor der Wahl, entweder die (ihnen womöglich zu) anspruchsvolle Route am Kaunergrat zu gehen, oder mit dem Bus von Wenns durchs Pitztal nach Mittelberg zu fahren (da würde ich auch nicht zu Fuß gehen). Oder, was ich durchaus auch legitim finde, ist, sich einfach die schönen Etappen herauszupicken und die unschönen wegzulassen. Mein Punkt: In all diesen Fällen ist es ein toller Wanderurlaub - aber halt keine Alpenüberschreitung. Schlicht und einfach weil man die Alpen nicht überschritten hat. Aber darauf kommt's doch auch gar nicht an: Ein toller Wanderurlaub ist ein toller Wanderurlaub!

Ob man dann dafür zahlen will, und wenn ja, wieviel, das hängt davon ab, wieviel Zeit und Erfahrung man in die Planung eines Mehrtagers stecken kann und will. Und für welche Leistung man wieviel Geld auszugeben bereit ist. Mir macht Planen ja Spaß (und bei dieser Tour ist's auch nciht so wild, Infos dazu gibt's en masse) - aber man kann's auch jemand anderem überlassen.

Gruß,

Nik


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