Augsburger Höhenweg und Parseierspitze


Publiziert von Nik Brückner , 31. Juli 2013 um 18:59.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Lechtaler Alpen
Tour Datum: 9 Juli 2010
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K2- (WS-)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 1600 m
Abstieg: 1700 m
Strecke:11,5km

Augsburger Höhenweg! Der schwerste Höhenweg der Alpen! So wird er jedenfalls angepriesen. Ich hatte mir den AHW schon mehrfach vorgenommen und war immer wieder von der Witterung angehalten worden. Nun wollte ich es endgültig wissen. Stabiles Wetter war angesagt, so stabil, dass ich mir überlegte, wenn alles gutging, auch die Parseierspitze noch mitzunehmen. Die ist zwar nicht besonders schön, aber als höchster Berg der nördlichen Kalkalpen (und einziger Dreitausender dort) doch zumindest sehr prominent.


Um sechs Uhr in der Früh ging's los. Immerhin steht auf Schildern und in Führern etwas von 8, 10 oder gar 11 Stunden Gehzeit. Also zeitiger Aufbruch an der Ansbacher Hütte (2376m).

Die erste Stunde ist wundervoll, aber ereignisarm. Man geht durch einfaches Gelände über die Kopfscharte (2484m) und genießt die Ausblicke, vor dem Winterjöchl, westlich und nördlich des Stierkopfes, in die Lechtaler hinein, danach dann nach Süden. Das Winterjöchl selbst (2528m) lädt zum Pausen ein, dahinter geht es schrofig und über Gras hinunter ins Untere Grießl am Ende des Grießltales.

Unten angekommen wendet man sich nach Südosten und quert bald die Hänge des Stierlochkopfes und des Schwarzlochkopfes. Die erste Schlüsselstelle ist eine steile Rinne, die auf rutschigem Schutt und einigen festeren und dahe besser zu begehenden Felsstufen zu durchsteigen ist.

Wer hier Probleme bekommt, sollte tunlichst umkehren und besser die Alternativroute vom Winterjöchl zur Memminger Hütte in Betracht ziehen.

Bald quert man die Hänge des Grießmuttekopfes und das Gelände wird wieder einfacher. Man wandert in klassischen Höhenwegmanier hin zu einer Kanzel über dem Flirscher Parseier (bis hierher etwa 2 Stunden). Dort habe ich erneut gepaust und bin dann taleinwärts gewandert, zunächst hinunter, hinten wieder ansteigend, hinauf zur Parseierscharte, in der das Roland-Ritter-Biwak steht (2604m).

Von hier, aus dem Flirscher Parseier, gibt es einen ersten Notabstieg: Rechts des Baches über steiles Gras hinunter bis zu einer Jagdhütte (1715m) knapp oberhalb der Latschengrenze. Dort über den Bach nach Süden über zwei weitere Steilrinnen über den Bösen Tritt (1677m) und die Brandhütte (1643m) bis zum Wanderweg, der von Flirsch heraufkommt. Hier rechts in den Ort hinunter.

Nach der Scharte mit der Biwakschachtel geht es hinein in die unangenehm steilen, schieferigen Nordhänge von Eisenkopf und Feuerköpfen. Die sind bei Schnee sicherlich unangenehm zu queren (35°, 40°), waren aber scheefrei, als ich sie beging. Ein Seil hilft an einer besonders steilen Stelle, wird aber nicht unbedingt gebraucht, wenn es dort aper ist.

Der Aufstieg in die Gelbe Scharte ist dann wieder erfreulich einfach. Raus aus dem Schiefer, und mit ein paar beherzten Handgriffen am Seil ist man über festen Fels schnell oben. Die Turnerei macht Spaß und ist auch nicht besonders anspruchsvoll. Oben geht es dann wieder auf ein schmales Weglein, das nur leicht ansteigend in die Dawinscharte (2650m) hinaufführt.

In der Scharte besteht dann die Möglichkeit, über zunächst steiles, später einfacheres Gelände über die lange Pleis zur Dawinalpe (1819m) abzusteigen (zweiter Notabstieg).

Ich blieb aber auf dem Rücken, der in Richtung Dawinkopf zusehends schmaler wird. Mit Hilfe von Drahtseilen geht es hinein in ein Schartl zwischen dem südlichen Schwarzen Kopf und dem Dawinkopf, nicht sehr hoch über dem Parseier Ferner, und aus diesem Schartl heraus die letzten 50 Meter steil hinauf zum Dawinkopf, wo ich vier Stunden nach dem Verlassen der Ansbacher Hütte ankam. Höchster Punkt der Tour (2968m)! Dachte ich...

Hier gibt es nochmal einen Notabstieg: Direkt von Dawinkopf den Grat hinunter auf den Stertekopf zu, davor aber rechts hinunter in die lange Pleis, wohin auch der Notabstieg von der Dawinscharte hineinzweigt.

Aber erstmal drüben bergab. Man klettert an einem drahtseilversicherten Grat hinunter, der wild aussieht, aber nicht schwer zu gehen ist. Weiter unten wird das Gelände dann schnell einfacher und man wandert hinüber zur Bocksgartenspitze.

Hier konnte ich dann zum ersten Mal in die Südwand der Parseierspitze sehen, durch die der Normalweg führt - und bin angesichts ihrer Steilheit doch ein wenig mutlos geworden. Das schien mir für mich zu anspruchsvoll. Je näher ich kam, umso deutlicher sah ich aber Leute in der Wand, und ich sah sie gehen! Das Gelände war also offenbar weniger steil und ausgesetzt als es den Anschein hatte. Na, ich konnte ja noch eine Weile grübeln, bis ich im Kar des Grinner Ferners war.

Am Grinner Ferner (ca. 2740m) habe ich mich dann doch entschlossen, die knapp 300Hm zur Parseierspitze wenigstens mal anzutesten. Ich konnte ja immer umkehren. Also schnell ein Rucksackdepot angelegt und hinauf zum Gletscher. Der Einstieg aus der Randspalte in den Fels war so markiert, dass man gleich am Anfang eine Schlüsselstelle vor sich hat. Sehr vernünftig. Ich selbst bin ein paar Meter weiter links eingestiegen, wo es sehr viel einfacher geht. Ebenfalls sehr vernünftig.

Die Wand ist vom Fuß bis zum Gipfel durchgehend steil. Ausgesetztheit sollte für den Gipfelaspiranten also besser kein Problem darstellen. Ist nicht gut, wenn man hier auspsycht. Andererseits ist sie auch durchweg sehr gut gestuft und daher leicht zu erklettern (I, I+). Und tatsächlich gibt es zwischendurch auch immer wieder Gehgelände, das einen durchatmen lässt. Nur diese eine Stelle mitten in der Wand, die hat es in sich. Eine sehr steile Stufe, trittarm (II), umgeben von ziemlich rutschigem, schuttübersätem Gelände. Ich bin im Aufstieg durch die Schlüsselstelle und habe sie im Abstieg umgangen und kann sagen: Auch wenn man sie umgehen kann, die Stelle selbst ist immer noch einfacher als jeder Umweg. Spätestens hier sollte man sich fragen, ob man da auch wieder runterkäme.

Meine Antwort war: ja. Und so kletterte und kraxelte ich weiter, bis ich plötzlich an dem farbigen Band und dem 3000-Meter-Smiley unterhalb des Gipfels angekommen war. Jetzt konnte es nicht mehr weit sein. Und tatsächlich stand ich ein paar Minuten später auf dem Gipfel (3036m).

Der Rundblick von der Parseierspitze ist umwerfend und wird in dieser Gegend nur noch von dem am Gipfel des Hohen Rifflers übertroffen. Kein Wunder, ist doch dieser mit 3165 Metern höchste Berg des Verwalls der einzige weit und breit, der noch höher ist als die Parseierspitze. Dahinter sind Kuchenspitze und Patteriol zu sehen. Irgendwo weiter rechts lugen doch tatsächlich Bietschhorn und Finsteraarhorn hervor. Dann die Sulzfluh, Schesaplana und Zimba, Alvier, Hinterrugg, und der Alpstein mit dem berühmten Säntis und den gruseligen Girenspitz. Davor in den Lechtalern Valluga, Roggspitze und Vorderseespitze. Im Bregenzerwald fallen der Zitterklapfen und die Hochkünzelspitze ins Auge. Dahinter ist sogar der Belchen im Schwarzwald zu erkennen! Als nächstes fällt die markante Holzgauer Wetterspitze ins Auge, dahinter der Widderstein mit seinem kleinen Nachbarn. Der mächtige Elfer verschwindet daneben fast. Weiter Richtung Nordwesten rücken der Hohe Ifen, die Freispitze, Hohes Licht und Mädelegabel ins Blickfeld, dahinter die Nagelfluhkette. Dann der markante Krottenkopf, der von hier aus überraschend mickrig wirkt. Gleiches gilt für das Nebelhorn, den Großen Daumen und die Wilden. Allein der Hochvogel wirkt auch von Ü3000 aus recht mächtig. Geißhorn und Rauhhorn verschwinden ebenfalls fast, von hier oben aus, ebenso die Leilach. Dafür macht die nähergelegene Oberlahmsspitze eine gute Figur. Dann sind die Tannheimer zu sehen, mit Roter Flüh, Gimpel und Köllenspitze und die Berge um Reutte herum: Gehrenspitze, Säuling und Thaneller. Davor die Pfeilspitze und ein paar Kreuzspitzen. Richtung Nordosten über der Großbergspitze dann die Grate vom Friederspitz zur Schellschlicht, der Danielgrat mit dem Daniel. Die Zugspitze natürlich, davor Sonnenspitze und Wannig, und die Mieminger Kette bis zur Hohen Munde. Dahinter die Karwendelgipfel, den Tiefblick zur Silberspitze nicht vergessen, im dann Osten die Simonyspitzen, der Olperer, der Schrankogel, dann Richtung Süden Hohe Geige, Verpeilspitze und Watzespitze. Im Südosten die Wildspitze, der Glockturm und die Weißkugel, im Süden Hoher Angelus, und Tschenglser Hochwand, Cevedale, Königspitze und, ganz markant, der Ortler. Ebenso markant der Muttler in der Samnaungruppe, dann weiter über Piz Palü, Bernina und Fluchthorn Richtung Südwesten, wo Piz Linard und Groß Litzner ins Auge fallen. Dann ist man einmal rum!

Ich habe mich allerdings nicht allzu lange oben aufgehalten, weil mir die Schlüsselstelle in der Wandmitte zu sehr im Kopf herumgegangen ist. Ich habe sie, wie gesagt, dann umgangen, was möglich, aber nicht sehr ratsam ist. Das Gelände ist schon arg rutschig.  Der Rest geht dann aber leicht, und man ist sehr viel schneller wieder unten am Grinner Ferner, als man von oben denkt.

Der Abstieg ins Gasilltal ist dann nochmal eine Herausforderung. Die mit Seil und Klammern klettersteigartig versicherte Steilstufe unterhalb des Gletscherchens ist allerdings weniger anspruchsvoll als vielmehr ausgesetzt und kraftraubend. Nervig wird es dann weiter unten, im Geröll. Die Augsburger Hütte (2289m), die man schon gut sehen kann, will einfach nicht näherkommen.

Da ist es eine gute Alternative, vom Grinner Ferner (ca. 2740m) die zweihundert Meter über die Patrolscharte (2850m) zum Gatschkopf (2945m) hinaufzulaufen, das ist ganz einfaches Wandergelände, oben den mächtigen Klotz der Parseierspitze zu fotografieren, und dann auf dem steilen Weglein zur Hütte abzusteigen. Das wäre jedenfalls meine Wahl, wenn ich die Tour nochmal gehen müsste. Wegen der unangenehmen Geröllfahrt. Vorausgesetzt der Weg zwischen Gatschkopf und Augsburger Hütte ist in einem besseren Zustand als im August 2012.


Fazit:

Der AHW ist tatsächlich ein schwerer Weg. Ob er wirklich der schwerste Höhenweg der Alpen ist, mag derjenige entscheiden, der sie alle kennt und das objektiv beurteilen kann... Mein Eindruck war, dass der Weg auch einfach deshalb schwierig ist, weil er an einigen Stellen nicht so gut ausgebaut ist, wie er sein könnte. Ich meine das nicht als Kritik, es muss nicht jeder überall gehen können. Ich stelle es aber/nur fest. Ich hatte Glück: beste Verhältnisse, praktisch keinen Schnee, und konnte den Weg einfach durchlaufen. Ohne die Parseierspitze hätte ich fünfeinhalb Stunden gebraucht (reine Gehzeit), und das, ohne zu rennen. Das darf man nicht verallgemeinern: ich habe einfach zufällig einen perfekten Tag erwischt.


Ausrüstung:

- Bergschuhe
- Stöcke (sind vor allem an den Graten und in den steilen Hängen nützlich)
- Helm (unbedingt!)
- Bei Schnee: Steigeisen, Pickel


Die Klettersteigfrage:

Man liest immer wieder einmal, der AHW sei nahe am Klettersteig. Das stimmt, allerdings nur für einzelne Passagen. Das Gehgelände überwiegt bei weitem. Klettersteigartig ausgebaut sind: Gelbe Scharte, Gipfelbereich Dawinkopf, Abstieg ins Gasilltal. Dort finden wir in erster Linie fixe Drahtseile und auch einige Klammern, v. a. am Abstieg ins Gasilltal. Seile helfen außerdem über die Rinnen unterhalb von Stierlochkopf und Schwarzlochkopf und in Passagen zwischen Parseierscharte und Gelber Scharte, was besonders bei Schnee eine deutliche Erleichterung sein dürfte.

Bei Bedingungen, wie ich sie vorfand, ist eine Klettersteigausrüstung ist nicht unbedingt notwendig. Die Passagen, die klettersteigartig ausgebaut sind, sind wenig schwierig und kurz. Allerdings geht es ins Gasilltal doch sehr steil und ausgesetzt hinunter (s. Foto), da ist ein Klettersteigset sicher kein Fehler, umso weniger, als man dann ja schon eine ganze Weile unterwegs ist. Auch in den steilen, schieferigen Nordhängen von Eisenkopf und Feuerköpfen ist bei widrigen Bedingungen das Anseilen zweifellos die richtige Wahl.

Wer in schwierigerem Gelände grundsätzlich unsicher ist, sollte auf jeden Fall Klettersteigausrüstung dabeihaben - besser man hat sie und braucht sie nicht als umgekehrt.


Tourengänger: Nik Brückner


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