Zwölfer, Elfer, Liechelkopf - und als Bonus der Angererkopf


Publiziert von Nik Brückner , 27. Juni 2016 um 15:42.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:23 Juni 2016
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   A 
Zeitbedarf: 6:30
Aufstieg: 1740 m
Abstieg: 1740 m
Strecke:14km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem Auto oder dem Bus zum Parkplatz Gemsteltal
Unterkunftmöglichkeiten:Viele im schönen Kleinwalsertal.

Die Überschreitung von Zwölfer, Elfer und Liechelkopf gehört zu den Geheimtipp-Touren in den Allgäuer Alpen: Es geht zunächst einen fast 1000 Meter hohen, bis zu 50° steilen Grashang hinauf, dann folgt eine Gratüberschreitung im T6-Bereich mit einigen IIer-Stellen. Am Ende folgt ein fast schon hochalpiner Abstieg über viel Schotter. Eine grandiose Tour, über deren genauen Routenverlauf allerdings einiges an Unklarheit herrscht. Vielleicht kann meine Beschreibung einiges zur Aufklärung beitragen.

Am Tag zuvor hatte ich mich mit der Überschreitung der Kanisfluh warmgelaufen. Auch da folgt auf einen riesigen Grashang eine Gratüberschreitung.



Ab in's Auto und "Meta" von Car Bomb eingelegt. Los ging's um halb acht am Parkplatz Gemsteltal (1170m) im Kleinwalsertal. Vom Parkplatz aus folgt man den Schildern ins Gemsteltal, auf einem Fahrweg geht es hinein ins Tal und hinauf zur Tonisgemstelalpe (1238 m).

Kurz vor der Unteren Schönesbodenalpe (1309m), von der man erst nur die Fahne sieht, überquert der Fahrweg einen Bach. Hier vom Fahrweg ab und weglos auf der im Anstiegssinn rechten Begrenzungsrippe des Bachlaufs hinauf zum höchsten Punkt am Waldrand. Hier stößt man auf den guten Weg, der aufwärts zur Schönesbodenalpe (1680m) führt.

Parkplatz Gemsteltal - Schönesbodenalpe: 1:15, T3 und leichter


In den Karten sind nun zwei Möglichkeiten eingezeichnet: Ein Weg, der in etwa auf der Höhe der Alphütte in die Hänge des Elfers quert, und einer, der hinter der Hütte den Berg weiter hinaufführt, um sich dann erst weit oben in die Hänge zu wenden. Der untere Weg ist der Weg der Wahl, schlicht weil es den oberen nicht gibt. Es führt zwar tatsächlich ein Weg hinter der Schönesbodenalpe hinauf, aber nicht in die Elferhänge, sondern direkt in die Liechelkopfscharte. Dazu aber später mehr.

An der Schönesbodenalpe nun also nicht weiter den Berg hinauf, sondern (halb)links hinüber zu einem Jägerstand, den man leider von der Hütte aus nicht sieht, weil er kurz unterhalb einer Geländerippe steht. Hier beginnt ein derzeit gut sichtbarer, im Latschenbereich sogar freigeschnittener Weg, der die Hänge der Elfers quert, und sich erst kurz vor der von einzelnen Bäumen bestandenen Westrippe des Elfers im Gras verliert. Diesem Weg folgt man nun durch Gras, Latschen und Erlen über vier Bachläufe, bevor man beim vierten bei einigen plattigen Felsen endgültig ins Grasgelände hinaustritt.

Die mit einzelnen Bäumen bestandene Rippe direkt voraus ist die Westrippe des Elfers. Auf die gilt es nun zuzusteuern. Man kann sich damit aber Zeit lassen, denn nichts verpflichtet einen dazu, genau auf dieser Rippe aufzusteigen. Man sucht sich einfach den besten Weg durch den riesigen Grashang. Der ist über seine gesamte Höhe immer zwischen 30° (gleich unten), 40° (in der Mitte) und 20° (ganz oben) steil, einmal nur muss man durch 50°-Gelände. Darum kommt man nicht rum, es hängt aber von der individuellen Routenführung ab, an welcher Stelle man die 30, 40 steilsten Höhenmeter einbaut. Steiler als 50° wird es hier aber nicht.

Als ich weiter oben auf der Westrippe angelangt war, suchte ich mir eine markante Stelle über mir aus, einen Höcker auf der Rippe, von dem aus ich nach links in den Sattel zwischen Zwölfer und Elfer hinaufqueren wollte. Aber schon darunter eröffnet sich eine gute Möglichkeit zur Querung, die ich dann genutzt habe. Keinen Meter zu viel gehen!

Oben unter dem Sattel legt sich der Hang zurück, das ist die 20°-Passage, und nach anstrengenden 550 Höhenmetern im steilen Gras war ich am Sattel (Pt. 2168) endlich zum Grat hinaufgelangt.

Zum Zwölfer (2224m) sind es dann nur ein paar Meter hinauf. Gegen halb elf war ich oben.

Schönesbodenalpe - Zwölfer: T4/T5, 1:30


Der Zwölfer schiebt eine schöne Aussichtskanzel nach Norden hinaus, von der aus man wunderbar ins Tal blicken kann. Die bietet sich ebenso als Rastplatz an wieder der (recht unscheinbare) Gipfel. Ich habe hier eine halbe Stunde verbracht, dann bin ich weitergezogen. Ab hier beginnt die eigentliche Gratüberschreitung.

Vom Zwölfer aus geht es zurück in den Sattel (Pt. 2168) und von dort dem Grat folgend hinauf Richtung Elfergipfel. Wenn man denkt, dass man eigentlich gleich oben sein müsste, stellt sich einem noch ein Wandl entgegen, das aber kurz rechts der Gratkante in einer sanften Rinne leicht zu ersteigen ist (I). Oben geht es dann einfach zum Gipfel des Elferkopfs (2387m).

Zwölfer - Elfer 35 Minuten, T3/I


Von hier (und eigentlich der ganzen Tour) aus hat man fantastische Blicke in die Umgegend. Die habe ich ausgiebig genossen, bevor es dann weiterging. Der Blick fällt zunächst auf den nahen Widderstein und seinen Kleinen Begleiter. Dahinter, am Hori, zeigt sich der der Glärnisch. Davor die Hohe Künzel, Niedere Künzel, Zitterklapfen und die Gräshörner.

Den Westen markiert der
Alpstein, mit Moor, Altmann und Säntis. Davor der Walserkamm, die Damülser Mittagspitze, Gungern und Klippern und die Kanisfluh. Davor: Die Üntschenspitze. Davor: Die Güntlespitze. Davor: Derraköpfle und Unspitze.

Rechts davon ist das Grünhorn zu sehen, dahinter der Kamm zum Diedamskopf. Dieser Kamm setzt sich zur anderen Seite fort bis zum
Walmendinger Horn und dem Heuberg. Dahinter erhebt sich der mächtige Ifen, genau im Nordwesten.

Im Norden schließt die Nagelfluhkette die Alpen nach Norden ab, davor zeigen sich
die Hörner. Der Grünten ist ebenfalls zu sehen, mit dem hübschen Burgberger Hörnle. Näher sind Fellhorn, Kanzelwand und die Hammerspitzen. Dahinter zeigen sich Rubihorn, Nebelhorn und Daumen, davor der Schattenberggrat, Geißhorn und Rauhhorn, Rotköpfe, Schneck und Höfats. Dahinter die Wilden und der Hochvogel.

Weiter geht's mit Rauheck, Kreuzeck und dem Fürschießer, der Höchste in dieser Richtung ist aber der Krottenkopf. Dann folgen Trettachspitze, Mädelegabel, Hochfrottspitze und Hohes Licht, davor die Gipfel rund um die Rappenseehütte: Linkerskopf, Rotgundspitze, Hochgundspitze, Rappenseekopf und Hochrappenkopf. Zu guter Letzt: der Biberkopf.

...und der Blick auf die Lechtaler öffnet sich:
Freispitze, Parseierspitze, Wetterspitze, Vorderseespitze. Es folgen
der Hohe Riffler im Verwall, Valluga, Kuchenspitze und Patteriol.

Dann, markant im Süden und Südwesten, Kaltenberg, Pflunspitze und Wildgrubenspitze. Spullerschafberg und Mehlsack, daneben die Mohnenfluh und die Braunarlspitze. Der Hochberg zeigt sich noch, dann schließt sich die Runde am Widderstein.



Über Gras geht es nun leicht in die Einsattelung zwischen Elfer und den Runden Köpfen hinunter. Aus dieser Scharte schien mir ein Notabstieg zur Schönesbodenalpe (oder der Aufstieg) möglich. Vom Sattel aus zieht sich der Grat dann ordentlich zusammen: Je weiter es hinaufgeht, umso schmaler wird es. An ein paar alten Eisenstangen vorbei, die wohl einst zur Verankerung einer Seilsicherung gedient haben (Vorsicht! Nicht jede ist gut zu sehen!), geht es über den Grat der Runden Köpfe. Dann steht man plötzlich vor einem Einschnitt zwischen zweien der Köpfe. Hier kann man entweder gerade zwischen die Köpfe hinunter und unten links hinaus (T6, II), oder man steigt vor dem Einschnitt vorsichtig ein paar Meter über Gras nach links hinunter und klettert dann eine steile Felsrinne ab (ebenfalls T6, II). Auf dem darunter liegenden Absatz kommen beide Möglichkeiten zusammen. Von hier aus eine letzte Steilstufe hinunter (wieder II), dann hat man die schwierigste Stelle der Tour hinter sich. 

Nun geht es über einige schmale Zacken hinunter in die Scharte zwischen den Runden Köpfen und dem Liechelkopf. Das nächste Hindernis ist dann ein großer Felsklotz, den man aber leicht von rechts nach links erklettern kann (kurze Stelle in festem Fels II). Danach ist das Gelände etwas unübersichtlich, man bleibt aber einfach auf dem Grat bzw. geht etwas rechts davon im Gras an den Liechelkopf heran. Dabei ist eine Stelle unangenehm: Ein brüchig-bröseliges Felsköpfl, an dem man mehrere Möglichkeiten hat - die aber alle gleich schlecht sind. Am Gipfelausfbau angekommen, wechselt man in den Fels und sucht sich einfach eine gute Möglichkeit, über die erste Rippe, oder die ersten beiden zu kommen. Auf einer dieser Rippe, in einer Rinne dazwischen, oder über schotteriges Gehgelände dahinter geht es dann nochmal steil und anstrengend über Fels und Geröll zum höchsten Punkt des Liechelkopfs (2384m).

Elfer - Liechelkopf 50 Minuten, T6/II


Am Liechelkopf hatte ich noch Lust auf mehr. Man könnte noch auf's Geißhorn steigen, daber dazu hätte ich bis runter auf den Wanderweg gemusst: Eine Querung weiter oben war wegen des steilen Schnees zu heikel. Aber der Weg hinüber zum Angererkopf war frei, also versuchte ich den.

Der ost-/südostseitige Abstieg vom Liechelkopf ist einfach, wenn auch teilweise steil. Es geht über eine grasige Rampe hinunter in eine Scharte.

Schon von weit oben erkennt man rechts der Scharte eine steinige Rinne, die zu einem grünen Dach hinaufführt. Diese ermöglicht die Ersteigung dieses ersten, namenlosen Kopfs vor dem eigentlichen Angerer: Direkt aus der Scharte über Gras ein paar Meter hinab, dann waagrecht in die Rinne, und in ihr hinauf. Bald zweigt sie halblinks ab. Dort wird es schotteriger, weshalb man am Besten etwas rechts von ihr in leichter Kletterei (I) hinaufsteigt. Oben gelangt man auf eine grasige Abdachung. Hier keinen Meter weiter hinauf, sondern leicht absteigend auf die Südseite des Vorgipfels, dann steil hinunter in die Scharte zwischen Vorgipfel und Angerer. Eine grasige Rampe in der Südseite sieht begehbar aus, leichter ist es jedoch, direkt aus der Scharte eine kleine Stufe (II) zu erklettern und in die gemächlich schräge Nordflanke des Angererkopfes hinaufzuqueren. Gelangt man an eine Kante, folgt man dieser zum Gipfelgrat. Dort in leichter Kletterei (kaum I) und Gehgelände zum Gipfel des Angererkopfs (2266m).

Liechelkopf - Angererkopf: 30 Minuten, T6/II


Vom Angererkopf bin ich dann auf dem gleichen Weg wieder zurück in die Scharte zwischen Vorgipfel und Liechelkopf gegangen. Hier hatte ich die Wahl: Hinunter zum Wanderweg und umständlich ums Geißhorn herum ins Gemsteltal? Dazu hatte ich keine Lust, zumal der Weg noch tief verschneit war. Ich entschied mich dazu, die Hänge des Liechelkopfs zu queren, und aus der Liechelkopfscharte ins Gemsteltal abzusteigen. Das hatte von der anderen Seite aus machbar ausgesehen.

Die Querung war überraschend einfach, meist ging es über mäßig steilen Altschnee und über Geröll. Lediglich in die Scharte hinauf musste ich kurz ein wenig klettern (I), weil ich, faul wie ich bin, keinen Meter zu viel gehen wollte. Man könnte die Kletterstelle aber auch mit ein bisschen Höhenverlust umgehen. Eine halbe Stunde habe ich vom Angererkopf in die Liechelkopfscharte (2180m) gebraucht.

Angererkopf - Liechelkopfscharte: T5/I, 30 Minuten


Nun klärte sich das letzte Rätsel dieser Tour: Denn tatsächlich gibt es einen Weg, der hinter der Schönesbodenalpe weiter bergauf führt. Nur wendet sich der nicht in die Hänge von Liechelkopf und Elfer, sondern in die Liechelkopfscharte. Eine Wegruine zwar, aber gut erhalten und ohne Weiteres begehbar.

Der Einstieg ist schnell gefunden, allerdings muss man darauf achten, dann gleich nach rechts zu queren, wo auf einer Rippe deutliche Serpentinen zu erkennen sind. Auf diesen geht es weiter hinunter, dann quert man links in ein großes Geröllfeld hinaus. Im Geröll ist die Spur dann meist gut erkennbar. Man steigt ab, bis unten rechts wieder Gras zu sehen ist. Dort kann man die Wegspur eine ganze Weile lang noch gut verfolgen, dann verliert sie sich kurzzeitig. Weiter unten, zwischen den Latschen, ist sie dann aber wieder deutlicher zu sehen (im Zweifelsfall vor den Latschen links halten, dann findet man sie leicht wieder). Auf diesem Weg gelangt man schließlich zurück zur Schönesbodenalpe (1670m).

Liechelkopfscharte - Schönesbodenalpe: 30 Minuten, T4


Hinunter ins Tal ging es dann auf dem schon vom Aufstieg bekannten Weg, vorbei an der Tonisgemstelalpe (1238m) und über den Gemstelboden (1156m). Eine Dreiviertelstunde nach der Schönesbodenalpe war ich wieder am Auto.

Schönesbodenalpe - Parkplatz Gemsteltal: 45 Minuten, T3 und leichter


Fazit:


Eine wunderbare, recht abenteuerliche Tour in einem einsamen Teil der Kleinwalsertaler Berge. Gefordert sind Erfahrung im Steilgras, Balance auf schmalen Graten, Kletterfertigkeit im Fels, dazu Orientierungssinn und Fähigkeiten in der Routenfindung. Einen Pickel braucht es nicht, ich bin mit Stöcken zurechtgekommen. Schuhe mit beinharter Sohle sind eine Selbstverständlichkeit. Ein aufschlussreiches Foto gibt's hier.

...und am nächsten Tag brauchte ich dann was Schneidiges...


Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (4)


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Andy84 hat gesagt:
Gesendet am 28. Juni 2016 um 09:29
Tolle Runde. Hättest ja was sagen können ;-)
Auch die Runde steht bei mir dieses Jahr hoch im Kurs, muss ja mein kleines Projekt vorantreiben...

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 28. Juni 2016 um 09:36
Hi Andy!

Hätte schon was gesagt, aber ich war mit Freunden verabredet, Hochzeitsgeschenk, lange Geschichte. Jedenfalls habe ich nur sehr spontan noch drei Tage vorschalten können und praktisch immer am Vorabend entschieden, was ich mache, darum wäre es schwer gewesen, mich mit jemandem zu koordinieren. Außerdem tat es mir gut, mal allein zu sein. Zu viel um die Ohren gerade.

Die Tour selbst ist schön, hat mir gut gefallen - aber anderes fand ich spektakulärer. Heiterberg zum Beispiel, Giebelgrat, diese Touren haben von allem noch ein bissl mehr, sind noch intensiver. Aber für Dein "kleines" Projekt ist diese Tour auf jeden Fall super, immerhin schlägst Du gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe.

Herzlichen! Oh, und Gratu zum Apostelgrat!

Nik

Andy84 hat gesagt: RE:
Gesendet am 28. Juni 2016 um 09:59
Kein Ding...
muss in die Ecke eh noch paar Mal, alles auf einmal wird etwas schwierig ;-)
Den Apostelgrat kann ich dir nur empfehlen, macht Spass und ist auch net sonderlich schwer.
VG Andy

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 28. Juni 2016 um 10:56
Danke für den Tipp!

Ja, ins KWT muss ich auch nochmal, da gibt es so einen schönen Kleinen Widderstein. Aber da warste ja schon...

Gruß,

Nik


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