Baader Runde klein und böse: Überschreitung von Derraköpfle und Unspitze


Publiziert von Nik Brückner , 27. Juni 2018 um 17:17. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:24 Juni 2018
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 6:15
Aufstieg: 800 m
Abstieg: 800 m
Strecke:8,5km
Unterkunftmöglichkeiten:Zahlreiche im schönen Kleinwalsertal

Vor zwei Jahren hatten der unglaubliche Löwensteiner und ich dem Absurden ins Auge geblickt - und obsiegt: Der Überschreitung des Derraköpfles von West nach Ost. Beim Ostabstieg wählten wir schließlich im Angesicht der Krässe des Ostgrats einen Grashang rechts davon, um ins Tal zu gelangen. Seither fragte ich mich, ob man nicht auch direkt über den steilen Grat gehen könnte. Verbände man so eine Überschreitung des Derraköpfles mit einer Überschreitung der Unspitze, ergäbe sich eine kurze, aber logische und vor allem extrem giftige Runde im hintersten Kleinwalsertal, sozusagen eine kleine, böse Variante der Baader Runde, umrahmt von der großen, berühmten und weitaus gemächlicheren eigentlichen Baader Runde.

Diese Idee präsentierte ich auf dem Großen Daumen der entspanntesten aller Steilwaldgeherinnen, und ich hatte noch nicht einmal ausgesprochen, da sagte yuki "ja!".

Damit war alles gesagt, und wir dübelten eines schönen Frühlingsmorgens nach Baad im Kleinwalsertal. Im Player: "Impala" von el tubo elástico.

 

Wir starteten am Parkplatz in Baad (1222m) und wanderten an der Unteren Derrahütte (1304m) vorbei hinauf zur Mittleren Spitalalpe (1550m). Ein kurzes Stück oberhalb der Alpe verließen wir dann den Wanderweg.

Baad - Mittlere Spitalalpe: Wanderweg, T2, 1:15


An einem markanten Felsbrocken kann man endlich den Bach queren. Drüben folgten wir dem Weidezaun, der uns bald in die Nähe des Derraköpfle-Ostgrats brachte.

Mittlere Spitalalpe - Beginn des Anstiegs: Tierwege, T3, 15 Minuten


Dann ging's los....

Immer im Kraut steigt man den zunehmend steilen Hang etwas rechts des Grats hinauf. Etwas rechts, weil der Grat selbst wild bewachsen ist, und man weiter oben ohnehin einen Erlengürtel rechts umgehen muss.

Der Hang wird zunehmend steiler, richtig fies wird's aber durch den überall einlagerten Schotter, der von unten (und von oben) nicht zu sehen ist. Jenseits der Erlen gelangt man an eine Erosionsfläche, die wir obenherum umgingen, hier endgültig hinüber zum Grat querend. Die erodierten Flächen waren gut zu begehen, weil der Boden nicht ganz trocken und deshalb weich war.  Wenn das hartgetrocknet ist, ist's kein Spaß mehr.

Drüben am Grat ging es dann im steilen Gras gnadenlos aufwärts. Auch hier ist das fast durchgängig unangenehm, weil der Untergrund schlecht gestuft und immer wieder felsig ist, weshalb das Gras spärlicher wächst, als man es sich wünschen würde. An dünnen Hälmlein zieht man sich hinauf. Unser erstes Ziel war ein Laubbaum weiter oben am Grat. Ich stieg schnell hinauf, getrieben von dem Motto: Schnelligkeit ist Sicherheit. Yuki hatte ein anderes Motto: Sicherheit ist Sicherheit, und stieg deutlich langsamer hinan. Glücklicherweise bot der Laubbaum einen großen Absatz, auf dem wir gut stehen konnten.

Danach ging es weiter, zunächst über recht gutes, dann gleich wieder schütteres Gras. Nach dem Absatz mit dem Laubbaum ist's kurz ein wenig flacher, dann beißt der Grat richtig zu: Wenn man denkt, es geht nicht mehr - wird der Grat immer noch steiler. Dann bleibt das ohnehin dürftige Gras ganz zurück, und man steht auf haarsträubend steilem Waldboden. Hier geht es dann die letzten 30 Meter hinauf, auf Nadeln, suspektem Fels und mit Hilfe von Wurzeln, die als Handgriffe dienen. Einen abgestorbenen Baum oben auf einer senkrechten Erd- und Wurzelstufe kann man rechts über unzuverlässigen Fels und dürftiges Gras, oder links über feste Wurzeln umgehen, dann steht man auf dem Absatz mit der Baumleiche, und hat es geschafft: Von hier aus geht es in deutlich einfacherem Gelände (damit ist T4 gemeint) hinaus auf den Grasrücken.

Derraköpfle Ostgrat: Wegloser Steilkraut-, -gras- und Wurzelanstieg in schwierigem, oben haarsträubendem Gelände, T6/I, 1:45 für 200Hm


Hier pausten wir erstmal ab und ließen die Psyche baumeln. Herrje! Das war haarig. Durchwegs heikles Gelände, nicht ungefährlich, und nur - na, eigentlich niemandem zu empfehlen. Dann machten wir uns an den Gipfelanstieg.

Das Derraköpfle ist von hier bis hinüber zur Derra-Alpe eine etwa 700 Meter lange, schmale Schneide, bei deren Begehung nochmal etwa 150 Höhenmeter fällig werden. Die meiste Zeit über ist der Grat gut zu begehen, es gibt allerdings einige recht schmale Passagen, eine felsige Stufe (I, links umgehbar) und kurze ausgesetzte Auf- und Abstiege zu überwinden. Wir überschritten den Gipfel des Derraköpfles (1841m) und gelangten an der Derra-Alpe (1814m) auf den Wanderweg.

Überschreitung der Gipfelschneide: Weglose Gratüberschreitung, ab dem Gipfel Trittspuren, T4, eine Stelle I, 20 Minuten


Man könnte von hier aus den Hochstarzel (1974m) noch mitnehmen, den Übergang von dort zur Unspitze habe ich vor einigen Jahren mal mit Judith7 gemacht, der würde diese kurze und böse Variante der Baader Runde aber länger und weniger böse machen...

Auf dem Wanderweg ging's also schnell hinüber zur Oberen Spitalalpe (1770m), wo wir den Weg verließen. Nächstes Ziel: Die Unspitze.

Derra-Alpe - Obere Spitalalpe: Wanderweg, T2, 10 Minuten


Wir stiegen den Hang hinter der Hütte hinauf zum Westgrat der Unspitze. Von hier aus ist es vielleicht eine Viertelstunde bis zum Gipfel, die hat es aber in sich: Anfangs geht man etwas rechts der Gratschneide, bis der Grashang zu steil wird. Dann gibt es keine andere Möglichkeit mehr: immer unerbittlich direkt am Grat, der bisweilen äußerst schmal wird, geht es hinauf. Drei Einserstellen verlangen etwas Kletterfähigkeit, mehr aber noch Konzentration. Bald steht man unter dem Gipfel an einer Stelle, wo der Grat etwas nach rechts versetzt ist und tiefe Furchen darauf schließen lassen, dass er irgendwann auseinanderbricht. Hier geht es über eine letzte Felsstufe hinauf, und noch ein paar Meter ausgesetzt auf Gras zum Gipfelkreuz der Unspitze (1926m).

Obere Spitalalpe - Unspitze: Wegspuren im Hang und auf dem Grat, T4/I, 25 Minuten


Die nächste Gipfelrast! Die Unspitze ist eine hübscher Aussichtskanzel. Der Blick fällt zunächst nach vorn, also nach Osten. Man sieht die Kette bis zum Walmendinger Horn, dahinter erheben sich Großer Daumen und Nebelhorn, Fellhorn, Rotköpfe, Schneck und Höfats. Dahinter die Wilden und der Hochvogel, Schneck, Höfats, Großer Wilder und Hochvogel. Dann folgt der Allgäuer Hauptkamm, mit dem Krottenkopf, der Trettachspitze, der Mädelegabel, der Hochfrottspitze, dem Hohen Licht und dem Biberkopf. Davor die Kette mit Elfer und den Liechelkopf, und davor der Bärenkopf und der Kleine Widderstein. Mit seinem großen Nachbarn schließt sich die Runde. Dann schieben sich die Hammerspitzen ins Blickfeld, dann Zwölfer, Elfer und Liechelkopf. Dann Bärenkopf und Kleiner Widderstein. Im Südosten dominiert dann der Widderstein den Horizont.

Im Süden lugen Karhorn und Mohnenfluh herüber, Heiterberg und Braunarlspitze. Den Südwesten markiert die
Güntlespitze, die sich zur Üntschenspitze hin fortsetzt. Dann verstellt der Grat von der Güntlespitze zum Grünhorn den Fernblick, lediglich der Diedamskopf und der Falzerkopf lugen noch herüber. Sowie der Ifen, fast im Norden.

Bald stieß noch ein Mädel zu uns, das einen Nachmittagsspaziergang machte - ach, wie beneide ich die Einheimischen! Wir trugen uns ins Gipfelbuch ein, dann machten wir uns an den Abstieg.


Der Ostgrat der Unspitze ist zunächst deutlich einfacher als der Westgrat. Man wandert einfach einen gemütlichen Grasrücken hinunter. Eine Steilstufe wird rechts umgangen (kurz I), dann geht es auf dem Rücken weiter. Hier befinden sich auch Trittspuren, die sich aber bald verlieren, weil die meisten Leute irgendwann den Südhang zur Mittleren Spitalalpe hinuntersteigen (z. B. hier). Bleibt man am Gratrücken oben, gelangt man etwa 600 Meter östlich des Gipfels an eine Steilstufe, unterhalb derer sich der Grat ein Stück weiter links (nördlich) fortsetzt. Hier geht's nicht runter. Wir wandten uns nach rechts, wo eine flache Grasrinne beginnt, die sich erst weiter unten deutlicher ausprägt. Ganz unten quert der Wanderweg, der von hier aus bereits zu sehen ist. Auf den steuerten wir zu.

Auf der rechten, bewaldeten Begrenzungsrippe der Grasrinne stiegen wir ab, bis Tierspuren links in die Rinne führten. Diese nutzen wir, um von der Waldrippe in die Rinne zu gelangen. Doch wir stiegen nicht in der Rinne ab, sondern drüben auf ihrer linken Begrenzungsrippe. Hier ist es flacher, und es hat weniger Steine (in der Rinne selbst legen Lawinen immer wieder den felsigen Untergrund frei). Nun ging's auf der Rippe ein ganzes Stück hinunter. Wenn das vegetationsbedingt nicht mehr geht, verlässt man die Rippe nach rechts, steigt kurz eine schmale Rinne in der Rinne hinunter, und verlässt diese so bald wie möglich auf deren rechte, flache Begrenzungsrippe, sozusagen die Mittelrippe in diesem Bereich der großen Rinne. Weiter unten sollte man sich dann von Tierspuren zu einem großen Zickzack verleiten lassen, bevor man dann auf die letzten Bäume rechts zusteuert. Von hier aus ist es im Kraut kein Problem mehr, zum Weg zu gelangen.

Der Steilgrasabstieg, auf dem man etwa 250 Höhenmeter überwindet (unterwindet? Immerhin geht's bergab), ist weitgehend gut begehbar und für Steilgrasfans recht vergnüglich, doch im Abstieg durchwegs ziemlich anstrengend.

Unspitze Ostgrat: Weglos Steilgrasabstieg, oben am Gratrücken eine Stelle T4/I, sonst leichter, in der Grasrinne dann T5, 1:20


Von hier aus ging's dann, vorbei an der Unteren Spitalalpe (1315m), in einer halben Stunde zurück zum Parkplatz (1222m)

Auf dem Wanderweg zurück zum Auto: T2, 30 Minuten  


Fazit


Sollmer sagen. Ironiefähigkeit hilft, immer, auch bei dieser Tour und dem Lesen dieses Berichts. Auf dem Papier (z. B. dem einer Wanderkarte) eine vollkommen logische Tour, die angesichts der schönen Kanten eine ganz eigene Folgerichtigkeit hat. Im Gelände ist das Ganze dann eine reichlich haarige Angelegenheit, insbesondere im nicht ungefährlichen Anstieg zum Derraköpfle und im Abstieg von der Unspitze. Die Folgerichtigkeit macht den Reiz der Tour aus - und brüchiger, bis zu 65 Grad steiler Waldboden - wenn man sowas mag.

Aber geil war's scho...

Das geilste war allerdings die grabenlose Bauweise im Horizontalspülbohrverfahren. Das ist so ein schönes Wort, dass wir es Euch nicht vorenthalten wollten. Die Böse Baader Runde hin oder her - unseren Tag gemacht hat die grabenlose Bauweise im Horizontalspülbohrverfahren.



Ausrüstung:

- Helm
- Pickel, unbedingt
- Stecken
- C-Schuhe, unbedingt
* nicht brauchen tut man einen Graben.

Tourengänger: Nik Brückner, yuki


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