Steilgras, Wolkenspiele und Blumen


Publiziert von Nyn , 1. August 2021 um 20:42.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:29 Juli 2021
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   D 
Zeitbedarf: 12:30
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 1500 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Oberstdorf-Kleinwalsertal-Mittelberg
Zufahrt zum Ankunftspunkt:P am Ortsende von Mittelberg Richtung Baad - bezeichnet, gebührenpflichtig. Das Tagesticket (24h) kostet 6€ (Stand 2021)

Der 29. Juli wird mir lange in Erinnerung bleiben. Als interwöchentlicher Zwischenhochtag, den ich (vor einer längeren arbeitsintensiven Phase) unter gehörigem Einsatz, aber eben doch! zum intensiven, wie erfüllenden Bergsteigen nutzen darf. Als Tag einer großartigen, bis dato mir unbekannten Steilgraswand und wolkenumhüllten 4-Gipfel-Gratüberschreitung, als Tag von grasiger und felsiger Kraxelei par exellence und großartigem Schauen.
Im Geist spüre ich immer noch das feuchte Gras an den Waden und Händen, den Wind auf meiner schweißnassen Haut, ich horche auf die entrückte Stille, dann wieder meinen heftigen Atem und bin weiterhin beseelt und glückselig ob soviel reiner gottgegebener Natur, die ich mir ersteigen und in die ich eintauchen durfte.

Angesichts bereits erfolgreich von mir begangener ähnlicher Kaliber (wie an der Höfats, am Feuerstein oder der Diedamskopf-Westwand darf ich mir eine Solobegehung der Elfer-Westwand ohne große Vorkenntnisse zutrauen. Zwölfer, Elfergipfel, Runde Köpfe und Liechelkopf runden diese großartige Überschreitung abwechslungsreich ab.

Etwas unwägbar und schon zusätzlich fordernd ist der doch beträchtliche Nässegrad, der sich dann vor Ort in der Elfer Westwand zeigt. Zeitplanerisch jedoch für mich kaum anders machbar. Die Westwand bekommt eben erst spät Sonne und war nach Regenschauern tags zuvor eben zusätzlich befeuchtet.
Wo andere harte, steife Sohlen, sowie Helm und Pickel empfehlen, was beileibe nicht verkehrt ist, vertraue ich mehr auf etwas sensibleres Schuhwerk (~Kategorie B-C), durch das ich den Untergrund recht gut erspüren kann. Wegen des zur herrlichen Blütezeit ziemlich hohen, zuweilen fast halbwadenhohen Bewuchses sehe ich eh nicht, was "drunter" ist und setze deshalb bewusst anstatt auf "Schuhspitzen einrammen" betont auf mein Gleichgewichtsgefühl.
Für die Art der Begehung ist Nässe nicht ganz ideal, andererseits habe ich am Diedamskopf ähnliche, zwar etwas weniger feuchte Verhältnisse gehabt, aber sie haben mich kaum gestört. Über Stöcke bin ich unbedingt froh, auch beim späteren Abstieg, - einen Pickel halte ich bei meiner Variante (max 50Grad) trotz Nässe für entbehrlich.

Diese meine Rechnung geht überwiegend auf. (Zum Glück!)
Anstrengend bleibt es allemal und meine Konzentration muss ebenso dauerhaft hoch bleiben, gibt es doch in der Weite der Flanke auf fast 500hm nur wenige flache Stellen zum Ausruhen. Waden und Fußgelenke werden heftig strapaziert! Damit ist es aber noch lange nicht getan! Die ganze Überschreitung liegt noch vor mir.

Alles Weitere und den ganzen Rest erzählen Euch die Bilder!
Viel Spaß mein Mitkraxeln wünscht euch der Nyn

..........


Fazit:
Ein Traum schlechthin, den man sich allerdings verdienen muss.
Mehrfach und anhaltend steiles, mitunter sehr steiles Gras, bei der anschließenden Überschreitung etliche felsige und Mix-Kletterstellen im Bereich II.
Die Einzelstelle links des Drahtseils am Liechelkopf-Nordgrat würde ich mit III bewerten.

Hinweise:
- Der vermutlich beste und einfachste Zugang (~T4, kurz I) zur Wand ist eine ungefähr waagrechte Querung ab der oberen Schönesbodenalpe. (Gut kenntlich auf dem Reiter Satellitenbild von Bergfex.at - ZOOMEN).
(Orientierungspunkt: Jägerstand an der Geländekante auf Höhe der Alpe, dann zunächst am Weidezaun entlang. Die Pfadspur ist später relativ gut ausgeprägt, mittels der man 4 Tobel quert.
Ab der leichten Verflachung auf ca. 1720m Höhe geht es dann komplett weglos ans eingemachte Grasvergnügen!
- ACHTUNG! Die auf manchen anderen BergsportSeiten oder dem Reiter bergfex OEK eingezeichnete oder lt. quaccas neuerem AVF(?) beschriebene Wegspur auf einer Höhe von 1900 bis 2100m, die weit oberhalb der Alpe beginnen soll, existiert ziemlich sicher überhaupt nicht!
- Zum Abstieg vom Liechelkopf zur Liechelkopfscharte und weiter ins Gemsteltal ab Liechelkopfscharte:
Der in vielen Karten eingezeichnete Pfad existiert nicht durchgehend, bestenfalls sind hier und da Pfadspuren zu erkennen. Erst ab der Oberen Schönesbodenalpe abwärts gut bepfadet.
- Ich verweise für die allfällig nützlichen Informationen, Varianten und besonderen Gegebenheiten der Wand und dieser klassischen Überschreitung sehr gerne auf die unbedingt lesenswerten Berichte anderer Steilgrasfetischisten (z.B. hier , hier oder hier.)
Sie haben mich allesamt hervorragend auf das vorbereitet, was mich dann dort erwartete.


Tourengänger: Nyn


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Kommentare (5)


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Goschi hat gesagt:
Gesendet am 1. August 2021 um 22:27
Hallo Markus!

Glückwunsch zu dieser grandiosen Runde. Die Bilder sind wie immer sehr gelungen und zeigen schön das Wolkenspiel am diesen Tage. Ich bin auf deine nächsten Touren gespannt und hoffe selbst nochmal Anfang Oktober es runter zu schaffen. Hab noch schöne Momente im den Bergen.

Nyn hat gesagt: RE:
Gesendet am 1. August 2021 um 23:01
Danke, Gregor
Ich hoffe, wir schaffen es bald zusammen auf ein zünftiges Türle.

Goschi hat gesagt: RE:
Gesendet am 2. August 2021 um 00:10
Auf jeden Fall Markus! Das packen wir an .

Ben77 hat gesagt:
Gesendet am 3. August 2021 um 14:58
Hi Nyn, eine schöne Tour hast du da gemacht, für mich eine der schönsten und spannendsten im Allgäu, und mit stimmungsvollen Bildern unterlegt.
Beste Grüße
Ben

Nyn hat gesagt: RE:
Gesendet am 3. August 2021 um 15:14
Danke dir, Ben
Die Runde stand schon länger auf meiner Liste. Jedesmal, als ich auf dem Widderstein war (und da war ich einige Male) sah ich diese geniale Grasflanke gegenüber...
ich freue mich sehr, dass es nun und so toll geklappt hat.


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