Rotkopf, Hoachritar und ein Schreckgespenst am Schneck


Publiziert von Nik Brückner , 17. Oktober 2018 um 15:33.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:30 September 2018
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 6:30
Aufstieg: 1000 m
Abstieg: 1000 m
Strecke:15km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit der Nebelhornbahn
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Mit der Nebelhornbahn
Unterkunftmöglichkeiten:Im Ede-Probst-Haus, oder in Oberstdorf.

Selbst in einem vermeintlich abgegrasten Gebiet ist man nicht zu Wiederholungstouren verdammt. Mit etwas Neugier und Fantasie kann man immer wieder neue Ideen entwickeln, neue Routen entdecken. Am Vortag war mir das auch überraschend gut gelungen, hatte ich doch einen veritablen Schnürliweg am Ifen entdeckt. Einen Tag drauf, am Schneck, sollte das dagegen gründlich schiefgehen...

Meine Idee: Von der Station Höfatsblick der Nebelhornbahn aus auf dem Laufbacher-Eck-Weg zum, nun ja, zum Laufbacher Eck, dann auf dem Hoachritar über den Rotkopf und seine Mitköpfe (das kannte ich bereits) in den Schnecksattel, direkt vor der Nordkante des Schnecks und dann - jetzt kommt's - Querung vor dem Schneck, auf den grünen Simsen, die seine Westwand auf einer Höhe von etwa 2150 Metern durchziehen, hinüber zum Himmelhorn, und von dort aus hinauf auf den Schneck.

Das ist möglich, das weiß ich, ich kenne einen, der das schon gemacht hat.



Also ausgecheckt! Zur Einstimmung: "Of Things and Beings" von der Lost World Band. Mit der ersten Nebelhornbahn baumelte ich hoch zum Höfatsblick (1932m) und von dort aus auf dem grandiosen Aussichtssteig hinum zum Laufbacher Eck. Herrliche Blicke taten sich auf, zum Schattenberggrat, zum Rauhenhalsgrat, zur Höfats natürlich, auch zur Kleinen, und dann zum Himmelhorn und zum Schneck. Es war wenig los, eine Gruppe junger Leute war unterwegs, die sich neugierig umdrehten, als ich hinter einem Felsen verschwand, ganz so, als wäre ihnen völlig schleierhaft, was ich dort wohl vorhätte, und eine Dreiergruppe mit einem lauten Allgäuer, den man drüben an der Höfats noch hören konnte. Das war's.

Bald hatte ich alle hinter mir gelassen und näherte mich dem Laufbacher Eck. Ich kam um eine Kante herum, da lag plötzlich eine kleine, junge Gams vor mir am Weg. Und rührte sich nicht. Offenbar verletzt, oder krank. Kaum hatte ich sie angesprochen, kamen die jungen Leute um die Ecke. Mit Hund. Den sie natürlich nicht festhielten. Das arme Gamserl stürzte sich waghalsig den extrem steilen Grashang hinunter, und ich sah es schon fallen, aber es fing sich, und konnte weit unten zum Stehen kommen. Vollkommen fertig.

Einer der Burschen machte eine kalte Bemerkung, wohl um von seinen weiblichen Begleiterinnen für tough gehalten zu werden, und die Gruppe ging weiter. Ich sah noch ein Weilchen nach dem Gamserl, und hielt Ausschau nach eventuellen Erziehungsberechtigten. Aber weit und breit war niemand zu sehen. Der Bursche würde wohl Recht behalten: Die Gams wird es vermutlich nicht über den Winter schaffen. Hoffen darf man trotzdem.

Dann stieg ich hinauf zum Laufbacher Eck (2178m).

Station Höfatsblick - Laufbacher Eck: Markierter Wanderweg, T3, 1:45


Erstmal die Rundsicht genießen! Das Laufbacher Eck ist schließlich nicht umsonst so ein beliebter Wandergipfel. Den Norden dominieren Großer und Kleiner Daumen, davor die schöne Laufbichlkirche. Im Nordosten sind Geißhorn, Rauhhorn und Kugelhorn zu sehen, davor der herrliche Giebelgrat. Dann erheben sich am Horizont die Tannheimer Berge: Große Schlicke, Gimpel, Köllenspitze, Gehrenspitze. Es folgt die Leilachspitze, dann verstellen nähergelegene Gipfel den Blick nach Osten: Glasfelderkopf, Kesselspitz, Fuchskarspitze und natürlich der Hochvogel.
 
Den Südosten dominieren gleich zwei Bergketten: der nahe Wildengrat und dahinter die Hornbachkette.
 
Den Süden beherrscht der eigenwillige
Schneck, davor die scharfe Kante der Rotköpfe, meine eigentlichen Tagesziele. Dann folgen weitere Wolkenkratzer: die Marchspitze, der Krottenkopf, Öfnerspitze und die Krottenspitzen. Davor sind das Rauheck und das Kreuzeck zu erkennen. Weiter Richtung Südwesten folgen Mädelegabel, Hohes Licht und Trettachspitze, davor staffeln sich der Fürschießer, die Höfats, die Kleine Höfats und der giftige Seilhenker.
 
Der Grat der Höfats setzt sich Richtung Westen mit der Gieseler Wand und dem Hüttenkopf fort. Dahinter erstreckt sich der Himmelschrofenzug. Am Horizont sind die Mohnenfluh, die Braunarlspitze, der Elfer, der Widderstein, die Hochkünzelspitze und der Zitterklapfen zu sehen. Davor: die Güntlespitze und die Üntschenspitze. Es folgen der Ifen und, genau im Westen, die Winterstaude. Davor erstreckt sich der lange Grat zum Laufbacher Eck, mit dem Lachenkopf, dem Schochen und den beiden Seeköpfen. In dieser Richtung ist auch der Schattenberggrat zu erkennen.
 
Im Nordwesten sieht man schließlich die lange Nagelfluhkette, dann folgen das Nebelhorn und seine Nachbargipfel, bis sich die Reihe am
Großen Daumen wieder schließt.


Der Anmarsch lag nun also hinter mir, nun ging's los! Gleich am Sattel zwischen Laufbacher Eck und erstem (Nördlichem) Rotkopf geht es schon ordentlich zur Sache: Ins steile Gras hinein und eine rote Rinne rechter Hand hinauf (II). Am Ende der Rinne sofort links hinauf zum Grat. Nun ein paar Meter auf Fels und überwiegend Gras zum Gipfel (2194m). Das ist schon hart an T6, wer hier bereits auspsycht, kehrt besser sofort um, denn es wird noch deutlich schwieriger....

Vom Gipfel des Nördlichen Rotkopfs geht's kurz noch einige Meter auf dem Grat weiter. Wenn dieser an einer senkrechten Kante jäh abbricht und man sich schon fragt, wie es hier weitergehen soll, nach rechts über eine steile, aber gut gestufte Grasflanke hinunter, wo sich der begehbare Teil des Grates nach links (südwärts) fortsetzt. Von hier aus steigt man in einfacherem, grasigem Gehgelände, aber recht ausgesetzt, hinauf zum Mittleren Rotkopf (2190m).

Vom höchsten Punkt aus geht es nun auf gutem Gras halblinks hinab. Dann schlägt der Grat einen Rechtsbogen, und wird dabei unerbittlich schmaler und schmaler, bis er sich zu dem berühmten Reitgrat zusammengezogen hat, der den knorrigen Namen "Hoachritar" trägt. Zunächst geht es ein paar felsige Meter hinunter, dann geht man immer mehr in die Knie, um seinen Gluteus auf den Grat zu kuscheln.

Rider on the Redhead...: Schön vorsichtig, mal mit Tritten links und rechts, mal ganz ohne Steigbügel. Seitlich der nur ein paar Zentimeter breiten - schmalen - Schneide pfeift es stellenweise ohne Tritte senkrecht hinunter. Je nachdem, wann man sich hinsetzt bzw. wieder aufsteht, können das schon bis zu 10, 15 Meter sein, die man hinüberreiten muss.

Bald robbt man hinaus aufs Gras, und damit ist das Schlimmste auch schon überstanden, auch wenn der Grat weiterhin teils stark ausgetzt bleibt. Aber nach dem, was man nun hinter sich hat, nimmt man solches Extremgelände (T4, +-) eher als Erholung wahr. Ein paar Meter hinauf zum eher unscheinbaren Südlichen Rotkopf (2183m), und gleich wieder hinunter, immer dem Grat folgend, zu drei Knubbeln, die im Abstieg keinerlei Probleme bieten.

Am tiefsten Punkt, dem Schnecksattel (2107m), aus dem man ostwärts absteigen könnte, wanderte ich drüben wieder hinauf und ran an den Schneck, dessen Nord- und Ostwand hier besonders eindrucksvoll sind. Hier pauste ich erstmal ab. Der Hoachritar ist nichts für schwache Nerven!

Überschreitung der Rotköpfe (Hoachritar): weglose Gratüberschreitung, T6/II, 45 Minuten


Dann ging der mir bis dato, und leider auch bis heute unbekannte Teil der Tour los. Ich wagte mich hinaus auf das Grassims, das die Westseite des Schnecks durchzieht.

Wer sich in steiles Gras wagt, der weiß: Die Untergrundfeuchte sollte sich in dem Spektrum bewegen, dass man mit dem Attribut "knochen-" spezifiziert. Die Untergrundfeuchte an diesem Tag, obwohl bereits Tag fünf nach der letzten Regnung, bewegte sich aber eher im Bereich "pitsch-". Oder wie die Wikipedia in ihrer unendlichen Schwarmweisheit sagt: "Starke Feuchtigkeit wird auch als Nässe bezeichnet.".

So is des!

Von Gras kann allerdings keine Rede sein. Weiches Moos begeht man hier, eine Steilmoostour in humidem Habitat, mit senkrechten Abbrüchen unterhalb in unangenehm naher Nähe. Ich wagte mich trotzdem hinaus an die erste Kante.

...und es ging sogar ganz gut, trotz Moos, trotz starker Feuchtigkeit/Nässe. Und dann kam das, was mir den Rest gab: Der Schneck, oder einer seiner Besucher, warf mit Steinen nach mir. Steinschlag! Zusammen mit Moos und Nässe ein Grund zuviel, das Experiment sein zu lassen. Ich drehte mich seeeehr vorsichtig um, und lief zurück zu meinem Pausenplatz. Etwas frustriert - und ein kleines Bisschen froh darüber, dass ich das jetzt nicht machen musste...

Durchschnaufen. Was für ein Schreck am Schneck. Gruseliger Moment. Herrje, was da passieren kann! Nein, wirklich nicht.

Auf dem Schnecksims: 15 Minuten hin und wieder zurück in gruselig nassen Steilmoos, T4-T5


Also runter vom Schneck. Aus dem Schnecksattel abzusteigen, wäre sinnvoller (weil kürzer) gewesen, aber ich hatte die Rucksäcke von Kletterern gesehen, und wollte noch ein bisschen schauen. Also wanderte ich auf der anderen Seite des Schnecks an der Wand entlang und schaute noch ein Weilchen zu, wie zwei Seilschaften am Seil den Schneck schafften.

Dann stieg ich hinunter zum Wanderweg.

Abstieg vom Schneck: T4, ca. 30 Minuten


Dort angekommen, pauste dabei nochmal ein bisschen herum, und wanderte dann zurück über den Sattel zwischen Laufbacher Eck und Rotkopf, auf dem schönen Weg zurück zum Zeigersattel (1900m) und zur Station Höfatsblick (1932m).

Rückweg auf markierten Wanderwegen, T3, viel rumgebummelt, nett gequatscht, net auf die Uhr geschaut.


... und die übliche Schlange an der Nebelhornbahn. Eineinhalb Stunden braucht man zu Fuß nach Oberstdorf, ich hab mich hinten angestellt, und glücklicherweise weniger lang warten müssen. Und schöne Leute kennengelernt. Und lustige Menschen gesehen, die mippm Pickel vom Klettersteig kamen. Jetzt wollen sie die Nebelhornbahn komplett ersetzen und mit doppelter Kapa wieder eröffnen. Dabei würz ja vielleicht schon reichen, so wie andere Bahnen in den Alpen einfach mal von 8 bis 18 Uhr zu öffnen. Verteilt sich's vielleicht besser. Ich mein ja bloß....


Fazit:

Tja, sommersang. Nix war's. Aber der Hoachritar ist immer wieder schön - auch wenn den außer einer Handvoll Leuten hier niemand zu gehen scheint. Meine Idee bleibt bestehen - ob ich das aber selber mache, weiß ich nicht. Der Schreck am Schneck fuhr mir ziemlich in die Knochen - die wenigstens blieben trocken. Und eine neue Idee hab ich: Vom Zeigersattel auf dem Grat zum L' Eck, dann den Hoachritar bis zum Schnecksattel, zurück zum L' Eck, und über den Giebelgrat vor bis zum Giebel. Das wär doch auch mal was!


Ausrüstung:

Das volle Programm: C-Schuhe, Stecken, Pickel, Helm. Und nen Fön, zum Trockenfönen starker Feuchtigkeit (auch als Nässe bezeichnet). Pitsch!

Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (2)


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JonnyDodd hat gesagt: Probier doch die Ostflanke am Schneck
Gesendet am 14. März 2021 um 22:28
Hey, ich hab die Tour über die Rotköpfe auch gemacht, Bericht stell ich noch ein. Anstatt der Westflanke ist es möglich, auf der Ostflanke nach dem Fels über steiles Gras und Erde aufzusteigen. Die Jungs von Festivaltour habens gemacht und ich habs auch geschafft, aber ob ich das nochmal möchte weiß ich nicht, war ohne Pickel schon nicht so der Knaller, aber es erspart einem den Umweg übern Himmelecksattel.
Beste Grüße

Nik Brückner hat gesagt: RE:Probier doch die Ostflanke am Schneck
Gesendet am 15. März 2021 um 10:45
Hi Jonny,

danke für den Tipp!

Gruß,

Nik


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