Wannenkopf - Gungern - Klipperen: Wilder, als es klingt!


Publiziert von Nik Brückner , 20. Juli 2017 um 20:55.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Bregenzerwald-Gebirge
Tour Datum:19 Juli 2017
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 4:30
Aufstieg: 850 m
Abstieg: 850 m
Strecke:12km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit der Seilbahn Mellau
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Mit der Seilbahn Mellau
Unterkunftmöglichkeiten:Zahlreiche im Tal

Eine scharfe Schneide verbindet die ziemlich unsexy Wannenkopf, Gungern und Klipperen benannten Gipfel im Bregenzerwald. Über die wollte ich gehen, nachdem mich Gewitter und Hagel von einem spannenden Versuch an der Hochkünzelspitze vertrieben hatten.


Oh Mann! Ein Tag nachdem ich mich auf dem Gamsberg beeilen musste, weil für den Nachmittag Gewitter angesagt waren... Ich war schon eine Stunde aufgestiegen, in einer Bullenhitze früh um acht, da fiel die Temperatur plötzlich um zehn Grad, und gleich darauf nochmal. Ich hoffte, das Gewitter würde im Nachbartal bleiben, und wollte schon meine Jacke anziehen, da donnerte es plötzlich. Also Abbruch, umdrehen. Im Abstieg, zum Glück auf einem geschotterten Fahrweg, überraschte mich dann Hagel, Körner von bis zu zwei Zentimetern Durchmesser. Wie sagte Kurgan noch gleich? "Das tut weh!".

Schade, wäre ne coole Tour gewesen. Was nun? Erstmal ins Auto, Sons of Apollos "Psychotic Symphony" angemacht, und raus aus dem Tal. Bei Schoppernau war's dann schon wieder schön. Blauer Himmel, keine Wolken, die Straße trocken. Also schnell eine Ersatztour ausgedacht. Ich hatte mal auf Hikr was gelesen von einem Grat über Mellau, da war einer unserer Kollegen hingelaufen, dann aber doch umgekehrt, weil's ihm zu heikel war. Den wollte ich versuchen. Also raus aus dem Auto, rein in die Mellaubahn, und hochgebaumelt. In der Gondel habe ich dann schnell meine Tourenplanung gemacht, sprich, in die Karte geschaut. Wannenkopf - Gungern - Klipperen? Klingt ja nicht so geil... Na, wie dem auch sei, eine Runde, in die ich den Grat einbauen konnte, sollte bis zur letzten Talfahrt machbar sein. Und wenn der Grat wirklich zu gruselig wäre, könnte ich immer noch auf die Mittagsspitze steigen.

Von der Bergstation der Seilbahn (1399m) aus ging es dann in einer guten Stunde auf dem steilen Weg vorbei an der Wannenalpe hinauf zur Wannenhöhe (1915m), das ist das Joch zwischen Mittagsspitze und Wannenkopf.

Bergstation Mellaubahn - Wannenhöhe: steiler Fahrweg, T1, 1h


Hier wandte ich mich ab vom Weg und wanderte an der Gipfelstation vorbei hinauf auf den Wannenkopf (2006m). Das ist zwar weg-, aber auch problemlos, es geht einfach über Wiesen hinauf. Wer's ein bisschen kribbeliger haben will, geht einfach weiter links, dort geht's senkrecht hinunter.

Auch der Weiterweg zu den Gungern ist ähnlich, es geht allerdings am Ende ziemlich steil hinauf. 40°/45° sowas. Auch der Ostgipfel (2053m) ist leicht erstiegen, es geht in eine grasige Scharte hinunter, alles noch kein Problem.

Wannenhöhe - Gungern: weglos, steiles Gras, bis T4, 30 Minuten


Aber dann! Der Abstieg von den Gungern lässt es schon mal krachen. Es geht über drei einander recht ähnliche Gras/schrofen-Stufen hinunter, alle so im Ier-IIer-Bereich. Man kann sie links in der Flanke umgehen, ich nahm die ersten beiden direkt auf der Kante, die dritte dann in der Flanke, nimmt sich aber nichts.

Es folgt ein Flachstück, dann ein erster längerer Abstieg, den man gut am Grat gehen kann. Dann ein markantes, niedriges Mäuerle, dann ein paar Meter leichter Anstieg, bevor man über die schmale Schneide zur nächsten grasigen Gehpassage hinunterkommt. Man gelangt in unangenehmes Schiefergebrösel, dann steht man plötzlich vor einem steilen, mürben Abbruch. Wer diesen an der Kante abklettern möchte, sei gewarnt, das ist wirklich ziemlich brüchig, und zudem ist der Grat hier nach Norden leicht überhängend. Wer diese Passage umgehen möchte, sollte das großzügig tun, d. h., wieder ein ganzes Stück zurückgehen, die Stelle weit unten in der Südflanke passieren, und in die nächste Scharte wieder aufsteigen. Ich versuchte einen Kompromiss und stieg in Kantennähe über große, aber abschüssige Stufen hinunter (I, in Kantennähe II).

Unten angekommen, sollte man sich unbedingt umdrehen, der eben überwundene Zacken ist herrlich schmal und sehr spektakulär.

Die größten Schwierigkeiten sind nun überwunden. Es wird zwar nochmal schmal, aber dann geht es bald hinauf auf den Graszacken, der das Ende der Gratüberschreitung markiert. Von hier aus bis zum Klipperengipfel ist's leichtes Gehgelände.

Gungern - Klipperen: weglose Gratüberschreitung, T6, I-II, 1h


Einen wunderbaren Rundblick hat man hier! Im Norden die Nagelfluhkette, dann Kanisfluh und Diedamskopf, die Üntschenspitze, der Heiterberg, der Ifen, dahinter der Hochvogel, Annalper Stecken, Hochkünzelspitze, Zitterklapfen, Zafernhorn, Glatthorn, und rechts davon der lange Walserkamm. Und ganz in der Nähe: Die prominente Damülser Mittagsspitze.

Vom Gipfel aus bin ich nun der Südostkante gefolgt. Hier befindet sich eine Pfadspur, die sich aber bald wieder verliert. Sie passiert allerdings eine Stelle, die einen steilen Durchstieg von der Ostseite her bietet (T6, nass).

Wenn die Latschen beginnen, findet sich schnell eine Gasse, eine Waserrinne, in der man ohne weiteres absteigen kann. Sie endet direkt oberhalb der Sackalpe. Um nicht unnötig Höhenmeter zu verlieren, querte ich aber nach links, bis zu der Stelle, wo der von der Mittelargenalpen kommende Wanderweg den Südostgrat der Klipperen überwindet. Hier wechselte ich auf den Wanderweg und kehrte, vorbei an der Oberen Alpe (1593m), der Wurzachalpe (1622m) und der Kanisalpe (1463m), zurück zur Bergstation der Mellaubahn (1399m).

Klipperen - Bergstation Mellaubahn: wegloser Abstieg, dann Wanderwege, T4 und leichter, 2h


Fazit:


Herrliche Tour und ein würdiger Ersatz für das, was ich an diesem Tag eigentlich hatte machen wollen. Der Grat zur Klipperen ist kurz (1,9 km von der Wannenhöhe, 700m von den Gungeren), aber nicht einfach. Wild, brüchig, einiges ist umgehbar, anderes nicht, und auch die Umgehungen sind nicht einfach. Es bestehen mehrere Abstiegsmöglichkeiten nach Süden über steiles Gras, und, wenn ich mich nicht irre (hab mich nicht recht runterschauen trauen), auch eine oder zwei nach Norden, dann aber über äußerst steiles T6-Gelände. Wer das kann, kann auch gleich am Grat bleiben.


Tipp:

So herum, wie ich die Tour gegangen bin, ist sie defi schwieriger. Sämtliche anspruchsvolle Passagen musste ich im Abstieg bewältigen. Ich empfehle deshalb, sie andersherum zu machen. Tourenbericht siehe hier.


Idee:

Eine schöne Runde wäre zum Beispiel die folgende: Von der Kanisalpe aus über steiles Gras auf den markanten nördlichen Vorgipfel der Klipperen. Dann auf dem Nordgrat an die Gipfelmauer heran, Abstieg bis zu dem steilen Durchlass und über diesen hinauf zum Gipfel. Dann die Gratüberschreitung von Ost nach West bis zur Wannenhöhe. Das geht, ich hab's im Herbst 2019 ausprobiert.


Ausrüstung:

C-Schuhe, Stecken, Helm. Und ne Schnellschusskamera, für die Hirsche...

Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (8)


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boerscht hat gesagt:
Gesendet am 20. Juli 2017 um 23:20
Hi Nik,
Der hikr Kollege der umgedreht ist war wohl ich. Der wie du bestens beschrieben hast ziemlich brüchige, leicht überhängende Gratzacken war mir dann doch etwas zu krass.
Den Durchstieg in der Ostflanke bin ich ebenfalls kurz angegangen, dann aber doch in die Latschen, keine gute Idee !
Cool dass du die Tour so gemacht hast wie ich sie versucht habe, zeigt dass sie auf jeden Fall möglich ist.

Gruß Adrian

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 21. Juli 2017 um 08:48
Hi Adrian!

Nein, ich glaub, dein Bericht war das nicht. Das, was ich in Erinnerung hatte, als ich mich entschied, da hinaufzufahren, hatte ich vor einem Jahr mal gelesen. Dein Bericht ist ja erst kurz online, muss also der Bericht von Jackthepot oder der von Grimbart gewesen sein. Na, wie auch immer, dank unserer Berichte ist die schöne Gegend mittlerweile ganz gut dokumentiert, vielleicht lockt's ja ein paar Besucher an.

Gruß,

Nik

alpstein hat gesagt:
Gesendet am 21. Juli 2017 um 19:23
Tolle Tour, Nik!

Dein Projekt an der Hochkünzelspitze kannst Du später noch machen. Ich könnte mir vorstellen, dass Dich der Nordostgrat von der Wasserkluppe her gereizt haben könnte, für den es noch keinen Bericht gibt, der aber lt. altem Führer machbar ist.

Gruß
Hanspeter

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 21. Juli 2017 um 23:21
Hallo - und vielen Dank!

Hahaha! Richtig geraten, Hanspeter. Genau dieses Geheimnis wollte ich lösen. Hat leider nicht geklappt, wird nachgeholt. Aber das Wetter ist zur Zeit ja wirklich unberechenbar. Ich bin eben schon wieder knapp einem Gewitter entronnen - in Ludwigshafen.... Hoffen wir auf bessere Tage.

Herzlichen Gruß,

Nik

Gesendet am 7. Juli 2020 um 08:57
Servus Nik,

Gratulation zur Begehung des extremen Grates! Für mich war sie zu heftig!

Grüße,
Kai

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 7. Juli 2020 um 10:01
Servus Kai! Danke Dir!

Gruß,

Nik

Nyn hat gesagt:
Gesendet am 6. September 2020 um 11:21
Gratz, Nik!
Wie in deinem Tipp habe ich diese herrliche - aber auch anspruchsvolle Tour- am Grat umgekehrt und direkt gemacht (T6, II/II+), mit noch ein paar Variationen, da ich die Argenwaldalpe zwischen Au und Damüls als Ausgangspunkt nahm.

Ausführlicher Bericht folgt in Kürze

Markus

Nik Brückner hat gesagt:
Gesendet am 8. September 2020 um 09:02
Prima! Gratuliere!


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