Steil, steil, steil: Künzelturm und niedere Künzel


Publiziert von Nik Brückner , 9. August 2020 um 16:42.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Lechquellengebirge
Tour Datum: 1 August 2020
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 6:30
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 1500 m
Strecke:15km
Unterkunftmöglichkeiten:Zahlreiche im Tal, und die Biberacher Hütte

Der Künzelturm mit seinem nadelspitzen kleinen Begleiter ist eines der besonderen Fotomotive im nordseitigen Aufstieg auf die Hochkünzelspitze: ein fast 400 Meter hoher Grasturm, der nach drei Seiten hin senkrecht abfällt, und nur über die Westflanke in äußerst steilem Gras erreichbar ist. Hier findet Ihr ein fantastisches Bild der ganzen Künzelfamilie mit dem faszinierenden Künzelturm von Alpstein.

Dieser Grasturm hatte es mir angetan. Zusätzlich wollte ich noch die Niedere Künzel besteigen, das bietet sich an, ist sie doch direkt benachbart, und deutlich einfacher als der Künzelturm. Auf der Hohen Künzel war ich schon gewesen.



In aller Früh' ging's los, denn für diesen Abend waren Gewitter angesagt. Und man weiß ja nie, ob die sich an die WeVoHeSa halten.... Also fuhr ich früh um sechs, begleitet vom einzigen Studioalbum der Band Babylon, zum Parkplatz (910 m) an der Bregenzerwaldstraße (L200), dort, wo der Abzweig zum Schalzbach-Vorsäß hinaufführt. Dort machte ich mich auf den Weg, hinauf zu den Steilgrasschmankerln im Nordgrat der Künzel.

Man folgt zunächst der Straße hinauf zum Schalzbach Vorsäß, passiert die Kapelle der Hl. Maria (1091 m), und wandert weiter, in den Wald hinein, bis zur Oberschalzbach-Alpe (1296 m). Hier werden Getränke und guter Kuchen angepriesen, das hab' ich mir gleich mal für den Abstieg gemerkt!

Parkplatz - Oberschalzbach-Alpe: Fahrstraßen, markiert, T1, 45 Minuten


Der Weg führt sodann, ein gutes Stück noch als Schotterstraße, hinter in den Talschluss. Hier endet der befahrbare Abschnitt, und der Wanderweg beginnt. Es geht zunächst nach rechts über den Bach, und hinauf zu dem bescheidenen Hüttl der Unteren Gautalpe (1614 m).

Oberschalzbach-Alpe - Untere Gautalpe: markierter Wanderweg, T1, 45 Minuten


Kurz darauf zweigt der Anstieg zum Toblermann rechts ab. Ich hielt mich links, und querte bald über einer Felswand hinauf auf den untersten Boden der Oberen Gautalpe.

Hier standen früher Schafe. Die sind zwar längst nicht mehr da, sie haben aber ein teilweise mannshohes Krautfeld hinterlassen. Der Wanderweg umgeht das links, ich musste da allerdings durch, denn ab jetzt ist die Tour weglos.

Untere Gautalpe - Obere Gautalpe: markierter Wanderweg, T2, 20 Minuten


Unterm Kraut lauern ja oft unsichtbare Felsbrocken. Beim Begehen solchen Geländes muss man deshalb sehr aufpassen. Die Obere Gautalpe bildet da eine wohltuende Ausnahme: Ohne dass man viel stolpern würde, kann man das hohe Kraut durchqueren.

Ich hielt zunächst auf die Niedere Künzel zu, und drehte dann am Ende des Krautfelds nach rechts, Richtung Künzelturm.

Dummerweise hatte ich jetzt, und während des gesamten Aufstiegs auf den Künzelturm, die Sonne direkt im Gesicht, so dass es schwierig war, die ideale Aufstiegsroute auf den Grasturm auszumachen. So habe ich vermutlich nicht ganz die einfachste Variante erwischt.

Ich hielt mich am Fuß des Turms in einer mäßig steilen Rinne, die mit rötlichem Schotter gefüllt war. Hier richtete ich das erste von zwei Rucksackdepots ein.

Wanderweg - Erstes Rucksackdepot: weglos durch Kraut, T2, 20 Minuten


Dann stieg ich in der Rinne noch ein Stückl weiter hinauf, und verließ diese bald nach rechts. In der Folge steilt der Hang, der auf meinen Fotos trügerisch flach aussieht, immer weiter auf. Im mittleren Teil erreicht er ohne Weiteres 60 Grad.

Und es genügt nicht, hier hinaufklettern zu können - man muss den Hang auch wieder runter.

Ich hielt mich im mittleren Teil des Anstiegs rechts einer flachen Rinne, immer in der Nähe des senkrechten Abbruchs zur Künzelspitze hin. Dort ist es zwar besonders steil, aber im Gegensatz zu der flachen Rinne sehr gut gestuft. Prüfende Blicke in die Tiefe sagten mir: Da komme ich auch wieder runter; und so stieg ich weiter dem Gipfel entgegen. Vorsichtig, denn der gesamte Hang lag noch im Schatten. Die Sonne hatte ich ausschließlich in Augenhöhe (grmbl), und dementsprechend war es zu meinen Füßen ziemlich nass.

Im oberen Teil wird der Hang etwas (etwas!) flacher, und so gelangte ich schließlich gutgelaunt hinauf auf den schmalen, kurzen Gipfelgrat. Ein atemberaubender Moment, wenn man oben anlangt, und drüben 400, 500 Meter senkrecht runterschaut.

Ich folgte dem Grat nun nach links, und stand schon nach wenigen Metern am höchsten Punkt des Künzelturms (2165 m).

Vom ersten Rucksackdepot zum Künzelturm:  wegloser Steilgrasanstieg, T6-, 45 Minuten


Die Rundsicht ist nur 'ne Halbrundsicht. Im Norden ragen Üntschenspitze und Güntlespitze auf. Dahinter der Hohe Ifen, der Große Daumen, das Nebelhorn, Geißhorn und Rauhhorn, der Schneck, der Hochvogel und die Wilden. Davor ragte die Hohe Graswand des Elfers auf. Daneben befinden sich Heiterberg und Widderstein, und ein Stückerl weiter der Hochberg über Schröcken, mit seinem wunderbaren Ostgrat. Den Blick nach Süden verstellt natürlich die Hohe Künzel, danach wird der Blick frei auf den Zitterklapfen mit den Gräshörnern und dem Annalper Stecken. Dahinter erhebt sich der Alpstein mit dem Säntis. Im Nordwesten sind Damülser Mittagspitze, Gungern und Klipperen und natürlich die Kanisfluh zu sehen. Der Rundblick endet genau im Norden, mit dem Diedamskopf.

Tja, und nun ging's wieder hinunter. Mittlerweile waren Bergsteiger auf der Hohen Künzel angekommen, die mich auch schon entdeckt hatten, und nun schauen wollten, was der Typ dort unten auf dieser Grasnadel treibt. Ich ging also möglichst elegant ein paar Meter den Grat zurück, und verließ ihn an genau der Stelle, an der ich heraufgekommen war. Dann gings weiter, zunächst in den flacheren oberen Teil, dann in den steilen Abschnitt hinein. Die Sonne hatte jetzt auch den Hang erwischt, das Gras war jetzt trockener, und so kam ich gut wieder hinunter.

Kurze Zwischenbemerkung für alle, die sich für den Nordgrat der Hohen Künzel interessieren: Der schaut schon begehbar aus, allerdings kam da buchstäblich ununterbrochen Steinschlag herunter, während ich am Künzelturm unterwegs war. Lieber nicht machen.

Vom Künzelturm zum ersten Rucksackdepot: wegloser Steilgrasabstieg, T6-, 30 Minuten


Am Rucksackdepot angekommen sattelte ich auf, und querte unter den letzten Ausläufern der Felsrippen, die vom Künzelturm herunterkommen, in wenigen Minuten hinüber zur Niederen Künzel. Man hält dabei am Besten auf etwas zu, das von Weitem wie ein Weg aussieht.

Es ist zwar keiner, aber wohl zumindest doch der dürftige Überrest eines alten Alpwegs, der einst hinauf zu dem Sattel zwischen Niederer Künzel und Künzelturm führte (dort könnte man auf die Ostseite wechseln und Richtung Schiedlenalpe und Landsteg absteigen). Weiter oben kann man eindeutig Serpentinen im Hang ausmachen, die stammen sicherlich nicht von Tieren.

An der Wegruine angekommen, richtete ich nun mein zweites Rucksackdepot ein.

Vom ersten Rucksackdepot zum zweiten Rucksackdepot: weglose Querung durch Gras und Schrofen, T4, 20 Minuten


Dann ging es hinauf, immer den Steigpuren folgend. Dort, wo die Serpentinen enden, und die Wegspuren endgültig nach rechts Richtung Scharte ziehen, steht man unterhalb einiger felsiger Rinnen, die vom Gipfel der Niedere Künzelspitze herunterziehen. Hier wendet man sich scharf nach links, wo ein Grassims zum Westgrat der Niederen Künzel hinauf- und hinüberführt.

Als ich auf dieser Höhe ankam, war ein anderer Bergsteiger gerade dabei, eine dieser Rinnen hinunterzusteigen. Er hielt netterweise inne, bis ich aus seiner Gefahrenzone war, denn ohne Steinschlag auszulösen ist ein Abstieg in diesen Rinnen offenbar kaum möglich.

Ich zweigte also nach links, und wanderte auf dem Grassims hinüber zu dem insgesamt wenig ausgeprägten Westgrat der Niederen Künzel. Hier folgte der heikelste Abschnitt: Man muss um den Grat herum, und dahinter weiter hinauf. Die Querung ist brüchig, schotterig, und ungut zu gehen. Am Besten, man hält direkt auf den nächsten grünen Abschnitt zu. Der ist nämlich gut begehbar, und  so steigt man nun einen Grashang hinauf bis in den Gipfelbereich. Dort wird's zwar kurz nochmal unangenehm sandig, und am Gipfel selbst gibt's brüchigen Fels, aber dann hat man's geschafft: die Niedere Künzelspitze (2156 m) ist erreicht.

Vom zweiten Rucksackdepot zur Niederen Künzelspitze: weglos, T4+/I, 30 Minuten


Noch einmal hat man den gleichen Rundblick wie auf dem etwas höheren Künzelturm - ergänzt lediglich um ebendiesen: den Künzelturm. Ich genoss die Aussicht, warf noch einen Blick auf den Ostgrat der Niederen Künzel, den Berglurch (Jungs! "When we get up, we're gonna kick! Your! Ass!") einst heraufgekommen war (hier nachzulesen) - sehr schön! Wird gemerkt! - und...

...stieg dann auf meiner Aufstiegsroute wieder hinunter.

Von der Niederen Künzelspitze zum zweiten Rucksackdepot: weglos, T4+/I, 30 Minuten


Am Rucksackdepot angekommen, machte ich mich schnell auf den Rückweg. Hinter der Spitze der Künzelspitze türmte sich bereits der Cumulonimbus, und kündete vom bevorstehenden Gewitter. Für 20 Uhr war es angesagt gewesen, das hatte ich von Anfang an nicht geglaubt, und so tat ich gut daran, mich zu sputen. Ich durchquerte also erneut das Kraut der Oberen Gautalpe, und erreichte bald den Wanderweg.

Vom zweiten Rucksackdepot zum Wanderweg: weglos durch Kraut, T2, 20 Minuten


Auf diesem ging's nun wieder hinunter zur Unteren Gautalpe (1614 m), und auf dem Fahrweg zur Oberschalzbach-Alpe (1296 m).

Auf dem Wanderweg zur Oberschalzbach-Alpe: markierter Wanderweg, T2, 1h


Hier nieselte es zwar schon ein wenig, der Himmel war aber noch blau, und so genoss ich ein Stück Kuchen (Lambadakuchen! Unbedingt probieren!) und zwei Wälderlimos. Ich kam mit der Wirtin ins Gespräch, und wir unterhielten uns über die Gegend, den Klimawandel, und das unvermeidliche Thema. Ist schon heftig, die dieses Virus uns alle beeinträchtigt, auf die eine oder die andere Weise.

Schließlich machte ich mich an den Rest des Abstiegs. Auf der Fahrstraße ist man schnell wieder am Schalzbach-Vorsäß, und eine Dreiviertelstunde, nachdem ich die Oberschalzbach-Alpe verlassen hatte, langte ich am Parkplatz an der Bregenzerwaldstraße (910 m) an.

Oberschalzbach-Alpe - Parkplatz: Fahrstraßen, markiert, T1, 45 Minuten



Fazit:

Grandiose Kurztour für Steilgrasspezialisten. Der Künzelturm ist das unbestreitbare Highlight dieser Tour, die Niedere Künzel eine schöne Dreingabe. Besonders faszinierend ist auch der kuriose Felsfinger zwischen den beiden Gipfeln, den ich zeitbedingt ausgelassen habe. Macht nix, man sieht ihn eh von überall, und raufgekommen wäre ich eh nicht. Und als das Geräusch des Wassers mit dem Zudrehen der Dusche nicht aufhörte, wusste ich: Ich hatte alles richtiggemacht.


Ausrüstung:

- C-Schuhe (im Gras muss sicher gekantet werden)
- Stecken
- Helm
- Pickel



Widmung:

Diese Tour widme ich der lieben Nicole!


Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (2)


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Nyn hat gesagt:
Gesendet am 9. August 2020 um 18:32
Tolle Berggestalten auf spannenden Wegen.
Gratulation!

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 9. August 2020 um 18:36
Sind wirklich besondere Gestalten dort oben. Danke Dir.


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