Kraxeln an der Gartnerwand: Nordgrat, Westgipfel, Hauptgipfel, Ostgipfel


Publiziert von Nik Brückner , 14. August 2024 um 14:35.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Lechtaler Alpen
Tour Datum:10 August 2024
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K2 (WS)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 1000 m
Abstieg: 1000 m
Strecke:8,5 Kilometer
Unterkunftmöglichkeiten:Wolfratshauser Hütte

Derzeit bin ich marienkäferchenbedingt gegroundet und kann allenfalls in meiner alpenfernen Heimat tränieren. Steht schließlich noch was Großes an, später im Jahr. Also ganz viel HimmelsleiterFelsenmeerHohensteinSchriesheimer Steinbruch. Netterweise ist mein Schwager Luis immer dabei. Und dem macht die Kraxelei in den hiesigen Klettersteigen so viel Spaß, dass er neulich Lust bekam, mal "was richtiges" zu machen, ordentliche Klettersteige an ordentlichen Bergen. Die Waldelfe und der kleine Quentin haben das grüngelichtet, und so düsten wir eines frühen morgens Richtung Zugspitzarena. Wo wir nach der obligatorischen Höllentalklamm am Anreisetag unseren ersten richtigen Klettersteig in Angriff nahmen: Den Stopselzieher. Danach war lockeres Auslaufen am Eibsee angesagt, bevor wir am letzten Tage noch was anspruchsvolleres unter die Vibrams nehmen wollten: Den Nordgrat der Gartnerwand. Ich bin vor Jahren da mal rüber, von Ost nach West, im Zuge einer Mehrtagestour von Garmisch nach Vaduz, aber den Nordgrat kannte ich noch nicht. Soll eine Kraxelei sein, eventuell sogar ein Klettersteig. Na, mal sehen.


Los ging's an der Bergstation der Grubigsteinbahn (Grubig II) (2028 m) zu der wir von Lermoos aus heraufgebaumelt waren. Von hier aus ging's in wenigen Minuten auf dem markierten Wanderweg hinunter zur Wolfratshauser Hütte (1743 m), die wir allerdings rechts stehen ließen, weil wir links ins Gartnertal abbogen.

Bergstation - Woäfrozaser Hitt'n: markierter Wanderweg, T2, 20 Minuten


Oben im Hang quert man schieferiges Gelände, dann geht's ein altes Geröllfeld hinunter ins Tal. Hier links, und hinauf ins Sommerbergjöchle (2001 m).

Wolfratshauser Hütte - Sommerbergjöchle: markierte Wanderwege, T2, 1,5h


...wo wir es uns erstmal gutgehen ließen. Luis hatte den Stopselzieher noch in den Beinen, und ich schob ein Wurstbrot ein. Und schaute hinüber zum Roten Stein. Und zum benachbarten Nordgrat des Alpschrofens. Sieht begehbar aus. Ist er auch. Teilweise. 


Dann machten wir uns an die Kraxelei am Nordgrat der Gartnerwand.

Im weltweiten Netz liest man immer wieder "kein Klettersteig", gern auch mit Ausrufezeichen. Aber mal ganz ehrlich: wenn es klingt wie ein Klettersteig, wenn es riecht wie ein Klettersteig und wenn es schmeckt wie ein Klettersteig, dann ist es auch ein Klettersteig. Dieser hier klingt, riecht, schmeckt und ist. A/B bzw. T4/I.


Über einen gemächlichen Grasrücken geht es, an ein paar Latschen vorbei, an den Fels heran. Zunächst ist der Grat mäßig steil, die Route zieht schrofig hinauf, dann geht's hinauf in felsigen Bruch, in dem allerdings kaum die Hand an den Fels muss (I). Es folgt steileres Gehgelände, hinauf zu einem Zacken, den wir knapp rechts davon in einer kleinen Rinne passierten (es geht aber auch anders).

Dieser Aufschwung wird von flachem, ebenem Gehgelände abgelöst. Ein Pfaderl führt durchs Gras an den nächsten Felsaufschwung heran. Dieser ist fast komplett seilversichert und wird stets nahe der Gratkante erstiegen. Der Einstieg ist links eine erste Tafel, eine zweite wird rechts passiert. Durch gut gestuften, aber brüchigen Fels geht's hinauf.

Kurz darauf zieht die Route nach rechts, dann geht's weiter hinauf. Eine weitere flachere Passage ist seilversichert, dann geht's unter einer senkrechten Wand auf großen Blöcken erneut rechts hinaus.

Ein Schotterpfad führt zur nächsten, niedrigen Stufe, hinter der der nächste Steilaufschwung wartet. Auch hier quert die Route wieder rechts hinaus, der Aufschwung wird auf seiner rechten Seite in einer rampenartigen schotterigen Rinne genommen.

Erneut auf der Gratkante, ist das Kreuz auf dem Hauptgipfel schon in greifbarer Nähe. Aber auch zum Nordgipfel und damit zum Ende des Klettersteigs ist es nicht mehr weit: Über blockiges und schotteriges Gelände dreht die Route hinauf zu dem ebenfalls bekreuzten Nordgipfelchen (2362 m), wo der Anstieg über den Nordgrat endet.

Wie gesagt: ein Klettersteig. Man muss ihn nicht gesichert gehen, angesichts der schlechten Felsqualität ist das aber anzuraten. Aus dem gleichen Grund ist ein Helm unverzichtbar. Vor allem Vorausgehende und Entgegenkommende können Steinschlag auslösen.

Sommerbergjöchle - Gartnerwand-Nordgipfel: Klettersteig (Stellen B, meist leichter)/T4/I, 1:10h


Erstmal die Aussicht genießen, die ist hier wirklich herrlich. Das geht im Osten mit den Miemingern los: Sonnenspitze, Wamperter Schrofen, Grünstein, Wannig. Es folgen entferntere Gipfel: Acherkogel, Fundusfeiler, im Süden Wildspitze, Rofelewand, Watzespitze, Weißkugel, Weißseespitze und Glockturm.

Im Südwesten, näher, zeigen sich die Gipfel der Heiterwand, davor der 
Loreakopf, dahinter Parseierspitze, RifflerFreispitzeVorderseespitzeFeuerspitze, Holzgauer Wetterspitze und Valluga. Und die Namloser Wetterspitze natürlich auch.

Nächer und schon fast im Westen die nahen Galtbergspitze, 
Steinmandlspitze und Roter Stein, dahinter die Grasschneiden der Kreuzspitzen, die Wilden und der Hochvogel, genau im Westen. Rechts davon Nebelhorn und DaumenLeilachspitze, Rauhhorn und Geißhorn.

Weiter Richtung Nordwesten folgt der 
Thaneller, dahinter die Tannheimer Berge, mit der Roten Flüh, dem Gimpel, Köllenspitz und Gehrenspitze.

Diesseits des Lechs zeigen sich dann 
Säuling, StraußbergGeierköpfe und Kreuzspitze, davor erstreckt sich der gesamte Danielgrat mit dem Daniel. Den Osten dominiert schließlich der Wetterstein mit der eben am Vortag bestiegenen Zugspitze.


Luis reichte es hier mit dem Bruch, ich dagegen wollte dem Westgipfel noch einen Besuch abstatten. Damals hatten wir Nebel gehabt, jetzt würde ich die Route in all ihrem Glanz nicht nur begehen, sondern sogar sehen können. Und das wollte ich mir nicht entgehen lassen.

Und was soll ich sagen: Luis tat gut daran, nicht mitzukommen. Der Übergang zum Westgipfel wartet mit noch mehr von dem auf, was auf dem Nordgrat schon stressen kann: Bruch und Schotter in ausgesetztem Gelände. Der Weg wird (auch deshalb) kaum begangen, und ist passagenweise nur anhand roter Punkte und meist guter Seilversicherungen zu finden.

Die Route führt zunächst auf dem Grat weiter, dann geht's links hinunter. Sie schwenkt dann im Hang nach rechts, und führt, teils seilversichert, teils nicht, durch den von kleinteiligen Splittern übersäten Hang. Darauf folgende Platten werden mit Hilfe der nächsten Seile überwunden, dazu folgt man zuerst einem kleinen, leicht abfallenden Riss, und glich darauf einem größeren, steiler abfallenden.

Durch üblen Kleinstschotter geht es weiter, ein weiteres Seil hilft bei der nächsten Querung. Leider ist an der entscheidenden Stelle die Befestigung ausgebrochen, hier ist große Vorsicht angesagt. Danach geht es erneut steil hinunter, durch eine sich hin und her windende Rinne. Unten rechts hinaus, und über schotterübersäte Platten hinauf in grasiges, besseres Gelände. Weiter oben wird der Weg wieder besser, und der letzte Steilaufschwung zum Westgipfel der Gartnerwand (2353 m) ist wieder leichter als er aussieht.

Nordgipfel - Westgipfel: gut markierte, wenig begangene Wegspur, T4+/I, 15 Minuten


Ob sich der Abstecher lohnt? Na, zum Auffrischen meiner Erinnerungen schon.

Nachdem ich hier ein paar Fotos geschossen hatte, ging es auf dem gleichen Weg wieder zurück zum Nordgipfel (2362 m).

Westgipfel - Nordgipfel: gut markierte, wenig begangene Wegspur, T4+/I, 15 Minuten


Wir nahmen nun den Rückweg in Angriff, der uns über den gesamten östlichen Teil der Gartnerwand führen sollte. Der Hauptgipfel (2377 m) ist schnell erstiegen, hier trugen wir uns noch ins Gipfelbuch ein. Luis' erstes!

Dann wanderten wir, den Blick immer auf die imposanten Gipfel von Wetterstein und Mieminger Kette sowie auf die herrlichen Seen am Fernpass gerichtet, über die Gartnerwand nach Osten. Zunächst eine weitere Schotterpassage hinunter, dann zieht sich der Weg durch die gutmütigen Grashänge.

Erst nach dem Ostgipfel (2273 m) folgen noch einmal kurze, meist seilversicherte Felspassagen, meist Querungen in der rechten Flanke, die im Vergleich zu dem Gelände an Nord- und Westgipfel jedoch unproblematisch sind, weil der Fels hier besser ist. Spektakulär, aber nicht unbedingt schwierig (I) ist ein seilversicherter Abstieg vom Grat, kurz vor dem Grubigstein (2233 m), an dessen Kreuz wir auf Franziska und ihre Freunde trafen.

Von da an ging es dann durch die Lawinenverbauungen hinunter zum Grubigsteinhaus (2028 m), wo wir den Tag mit Spätzle und Germknödel ausklingen ließen.

Gartnerwand-Nordgipfel - Grubigsteinhaus: markierter Wanderweg, T3, Stellen I, 1,5h


Fazit:


Kleines Klettersteigabenteuer in brüchigem, dafür allerdings gut gesicherten Gelände. Der Übergang zum Westgipfel ist trotz Sicherungen wild, und wird es auch bleiben. Das Gelände gibt einfach nichts besseres her. Die Wanderung zurück zur Bergstation ist dafür ein wahrer Genuss, allein schon wegen der grandiosen Aussicht.

Tja, und dann ging's leider schon wieder nach Haus. Mit Focus' 12tem Album im Player. Yep, die gibt's tatsächlich noch!

Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (2)


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Peter23 hat gesagt: Klettersteig
Gesendet am 17. August 2024 um 12:11
Lieber Nik Dein Bericht zur Gartnerwand hat mir besonders gut gefallen. Betreffend Einstufung als Klettersteig bin ich absolut Deiner Meinung. Um die Meckerer zufrieden zu stellen, kannst Du ja das naechste Mal ein kurzes Huehnerleiterchen anbringen. Herzliche Gruesse vom Appenzeller Peter

Nik Brückner hat gesagt: RE:Klettersteig
Gesendet am 20. August 2024 um 10:28
:oDDD

Herzlichen Dank, Peter! Viele Grüße - nein, Grüsse ins Appenzell,

Nik


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