Iseler, Salewa-Klettersteig: Die Auswüchse des Klettersteigbooms


Publiziert von Nik Brückner , 9. Mai 2014 um 13:21.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum: 3 Juni 2011
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Klettersteig Schwierigkeit: K2 (WS)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   A 
Zeitbedarf: 4:00
Aufstieg: 850 m
Abstieg: 850 m
Strecke:9,5km

Der Salewa-Klettersteig auf (?) den Iseler genießt netzweit einen guten Ruf, ja er gilt vielen gar als anfänger- oder doch familientauglich. Dabei ist der Steig vor einiger Zeit vom DAV im Panorama-Heftl heftig kritisiert worden. Auch wenn diese Kritik anonymisiert vorgebracht worden war, so war der Salewa-Klettersteig doch nur allzu deutlich zu erkennen. Und ich kann mich dieser Kritik nur anschließen: Ein Klettersteig an dieser Stelle ist zum einen vollkommen sinnlos, weil er nur einige Meter unter einem einfachen Wanderweg eine gezwungen wirkende Wegführung in eine Wand legt. Er führt zudem nirgends hin: Der Iselergipfel ist zwar ein möglicher Ausstieg nach einem ersten Abschnitt, aber er ist weder Ziel des Steigs, noch liegt er überhaupt am Weg. Hinzu kommt, und das ist gravierend, dass der Klettersteig durch eine sehr brüchige Flanke gelegt wurde, was ein unnötiges Risiko bedeutet. Und ich weiß, wovon ich rede - siehe unten.

Also ab ins Auto, Shinings "Blackjazz" aufgelegt, und ab Richtung Oberjoch. Dann geht's los...

Oder auch nicht. Schon am Einstieg: Wartezeit. Man könnte Zeitschriften auslegen, finde ich. Und dazu den neuen Salewa-Katalog.

Der erste Teil des Steiges ist leicht, man quert, meist nur mäßig ansteigend, in die Iselerwand. Vom Einstieg führt eine Rampe (B) hinunter zur "Biwakhöhle". Sus dieser geht es steil hinauf (B/C) auf die nächsten Bänder, und auf ihnen (A) nach links zur nächsten Rampe (B/C) oberhalb leichter (B), weil gut gestuft, hinauf zur nächsten Linksquerung (A). Dann eine steile Wand (B/C) weiter hinauf zu einer Rampe (A), und von dort aus auf Bändern (A) länger nach links. Dann kommt die die steile Bergführerplatte, die Schlüsselstelle des Klettersteigs. Ein kleiner Überhang, der nur wenig mit Stiften entschärft wurde. Das Ganze sieht wild aus, ist aber mit ein bissl Kraft ganz gut lösbar (C).

Dahinter wird es dann wieder einfacher: Eine Rampe (B) führt nach rechts hinauf zu einer kurzen Querung (A/B), die an einem Abzweig endet. Hier kann man entweder gerade zum Iseler Gipfel hinaufsteigen (A/B), oder die Tour links fortsetzen.

Dort ginge es über eine plattige Rampe (B, unten kurz schwieriger auf ein Bandsystem hinunter, auf dem man bis zum Kühgundkopf queren könnte (A, kurz B).

Wir entschlossen uns zum Ausstieg auf den Iselergipfel. Hier geht es ein paar Meter senkrecht hinauf. Und da brach mir beim Klettern ein faustgroßer Stein aus dem Blätterkrokant der Iselerwand. Nicht dass ich unvorsichtig gewesen wäre - ich hatte einfach Pech. Der Kletterer unter mir dagegen großes Glück: Der Stein hat ihn nur um Zentimeter verfehlt. Kein Einzelfall, wie ich mittlerweile erfahren habe. Es hat schon einen guten Grund, warum der Klettersteig eigentlich eine Querung ist. An senkrechten Stellen sollte man daher besser mit äußerster Vorsicht zu Werke gehen. So viel zum Thema Anfängereignung.

Am Gipfel (1876m) angekommen, haben wir uns dann erstmal ein gemütliches Päuschen gegönnt.

Hier war zwar zwecks Seilbahnanbindung viel los, aber das war immer noch angenehmer, als sich mit hundert Leuten durch die brüchige Wand unter uns zu wühlen. Den Rest des Klettersteigs haben wir dann drangegeben. Es schien uns nicht viel Sinn zu machen, 10 Meter unter einem wunderschönen Wanderweg so zu tun, als würde man an diesem Berg Kletterfähigkeiten brauchen und sich dabei auch noch der Hälfte der Aussicht zu berauben.

Stattdessen sind wir auf dem Kamm weitergewandert, zunächst hinüber zum Kühgundkopf (1907m).

Hier, am höchsten Punkt der Tour, lohnt sich eine Rundsicht. Die startet im Norden mit dem Sorgschrofen, dann geht's weiter mit den Gipfeln unmittelbar nördlich des Tannheimer Tals: Aggenstein, Einstein, Brentenjoch, Sebenspitze, Rote Flüh, Gimpel, Köllenspitze und Schneidspitze.

Dahinter zeigen sich ein paar Ammergauer Berge: die
Klammspitze, der Branderschrofen, Geiselstein, Gumpenkarspitze und Gabelschrofen, die Hochplatte, der Säuling, Kreuzspitze, Geierköpfe, Schellschlicht und die Gipfel des Danielgrats. Dahinter erhebt sich Wetterstein-Prominenz: Waxenstein, Alpspitze, Zugspitze, Schneefernerkopf.

Auf der Südseite des Tannheimer Tals zeigen sich das Vogelhörnle, die Lochgehrenspitze, Rohnenspitze, Schochen,
Lailach, Gaishorn, Rauhhorn, Ponten und Bschiesser, dahinter ragen die Hohe Munde und der Thaneller auf.

Dann erstreckt sich die lange Hornbachkette. Den Süden markiert der markante
Hochvogel. Sodann bilden Marchspitze, Krottenkopf, und Mädelegabel den Horizont, davor zeigen sich die Wilden mit dem Wildengrat, der Schneck, das Laufbacher Eck und der Giebelgrat.

Auf der anderen Talseite beherrschen ebenfalls vielbesuchte Gipfel das Blickfeld: der Große Daumen und das Nebelhorn. Danach wird der Horizont von Elfer, Braunarlspitze, Widderstein, Schesaplana, Hochkünzelspitze, Zitterklapfen und Ifen dominiert. Mit der Nagelfluhkette. und dem Grünten schließt sich dann der Kreis.



Nach diesem Rundblick ging's weiter zum Kühgundspitz (1852m). Das ist T3 und damit nicht sehr anspruchsvoll, aber sehr vergnüglich, gespickt mit tollen Blicken und vor allem: in weitgehender Ruhe. Der Klettersteig zieht von diesem schönen Grat ziemlich viel Aufmerksamkeit ab. Und so bleibt er uns (fast) allein überlassen: Eine Genusstour in nur teils und dann mäßig ausgesetztem Gelände. Am Schluss geht es dann hinüber zur Wiedhagalpe und über Skihänge, aber überraschend hübsch wieder hinunter zum Auto.


Fazit:

Schöne Tour, aber ärgerlicher Klettersteig (wen's interessiert: Topo hier). Der Iseler, an sich ein schöner Aussichtsgipfel, wird zum Notausstieg degradiert, der Klettersteig führt an ihm vorbei - ins Nirgendwo. Ziel des Steiges ist irgendein willkürlich gewählter Punkt am Grat. Zudem führt der Steig schwer verantwortbar durch brüchiges Gelände. Schön - oder auch nur vernünftig - ist etwas anderes. Es drängt sich der Verdacht auf, dass hier jemand ein Opfer der Klettersteigmanie wurde und der Klettersteig vor allem wegen eines großen Parkplatzes und einer bereits vorhandenen Aufstiegshilfe dort angelegt wurde. Beides sind keine guten Gründe für einen Klettersteig. Salewa macht eine Menge guter Dinge, aber dieser gewollt und erzwungen wirkende Klettersteig durch ungutes Gelände gehört nun wirklich nicht dazu (ähnlich wie die Tatsache, dass die Schuhe, ein, zwei Nummern größer sein könnten). Man sollte ihn am Besten einstampfen. Manchmal ist weniger mehr.

Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (6)


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sven86 hat gesagt:
Gesendet am 9. Mai 2014 um 20:51
Von mir aus könnte man alle Klettersteige wieder einstampfen. Als kompromissbereiter Realist würde ich mich aber auch mit dem Stopp weiterer Erschliessungen zufrieden geben.

Interessant fand ich in dem Zusammenhang auch die in einem Bergsportforum geäußerte Frage, ob man den Salewa-Klettersteig nur mit einem Salewa-Klettersteigset begehen könne oder ob auch die Sets anderer Hersteller kompatibel seien.

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 9. Mai 2014 um 23:40
Ich finde sie schon okay, wenn sie einen Sinn haben, also eine Route zu einem Gipfel gesichert wird oder eine besonders schöne Route erschlossen wird. Schwer erträglich wird's, wenn die Klettersteige Orte oder Hütten aufwerten, oder einem Liftbetreiber über den Sommer helfen sollen. Konkurrenz und Kommerz haben in den Bergen nichts verloren. Wenn Firmen Klettersteige bauen oder Berge kaufen, ist die Grenze zum Perversen jedenfalls deutlich überschritten. Derlei Auswüchse unseres Wirtschaftssystems finde ich schlicht und einfach widerlich.
Aber das alles sind läppische Gründe dagegen, dass man diese Route in eine Wand gelegt hat, die aufgrund ihrer Brüchigkeit für einen Klettersteig einfach nicht geeignet ist. Da hat der DAV ganz Recht.

quacamozza hat gesagt: Tolle Werbung für diese Firma...
Gesendet am 10. Mai 2014 um 23:26
...wenn die so dauernd Erwähnung findet.

Hallo Nik,

ich bin da Svens Meinung. Schau Dir den Kanzelwand- (auch nur eine lange Querung mit Burmi-Seilgeländern) oder den Kellespitz-Klettersteig an. Wo soll da der Sinn sein außer den eh schon immensen Tourismus zu fördern???

Hast einen schönen Bericht geschrieben. Genauso ist es...macht keinen Sinn. Der dritte Teil wurde ja auch ewig lange nicht eröffnet.

Kritik ist ja sonst hier eher nicht erwünscht.

Vor vier Jahren haben sich kurz nach Eröffnung Anfang Juni durch die Schneeschmelze Kubikmeter große Blöcke vom Fels gelöst und hätten meinen Vorsteiger fast aus der Wand gehauen. Ein irre Spektakel, sowas live mitzuerleben.

Geh mal in die Bergsportläden in Oberjoch und Hindelang und leih Dir was aus: Das Produkt wird mit großer Wahrscheinlichkeit von Salewa sein.

Und was ich Dich lange mal fragen wollte: der Steinbruch in "Schriese", seit wann hat der einen Klettersteig? Ich bin da vor langer Zeit mal rumgeturnt, da war alles noch ursprünglich...

Viele Grüße und n erfolgreichen Bergsommer
Ulf

Nik Brückner hat gesagt: RE:Tolle Werbung für diese Firma...
Gesendet am 12. Mai 2014 um 13:56
Hi Ulf!

Ehrlich gesagt war ich überrascht, fast ausschließlich wohlwollende Tourenberichte zu finden, als ich neulich mal im Netz nach dem S.-Klettersteig gegugelt habe. Das hat mich dann dazu gebracht, diesen Bericht hier einzustellen. Kritisches Denken ist so etwas Schönes und ich vermisse es oft sehr.

Euer Erlebnis von vor vier Jahren klingt wirklich heftig! Habt ihr das berichtet? Hatte das irgendwelche Folgen?

Zu Schriesheim: Na, als Kletterer nimmt man das nicht als Klettersteig wahr, aber er ist als solcher ausgeschildert, also ist er wohl einer. Einheimische und Kletterer gehen aber mit einer Ausrüstung, die eher an einen Wanderweg bzw. Zustiegsweg denken lässt (ähem). Er ist ja auch nur ein paar Minuten lang, in einem Steinbruch geht das wohl auch kaum anders. Um im Odenwald echtes Klettersteigfeeling zu erleben, muss man schon alle dortigen Klettersteige an einem Tag gehen... ;o}

Hab' übrigens gerade deine Schreckseeumrundung gelesen, gratuliere! Das ist wirklich ne schöne Tour!

Gruß,

Nik




quacamozza hat gesagt: RE:Tolle Werbung für diese Firma...
Gesendet am 13. Mai 2014 um 10:22
Hallo Nik,

ich habe damals weder was gepostet noch mich bei der Touristeninfo Oberjoch gemeldet. Wenn man, so wie ich, mittlerweile 32 Jahre in die Berge geht, dann kommen solche Geschichten mit Abstürzen, Fastabstürzen, Lawinenabgängen usw. immer mal wieder vor. Passiert ist damals glücklicherweise nichts...war aber wirklich reines Glück. Zwei Meter weiter, keine Chance...

Jetzt, als ich Deinen Bericht gelesen habe, kamen mir die ganzen Bilder von damals wieder in den Kopf. Ich stand auf einer Gratrippe und plötzlich kam das viele Zeug runter...habe selber auch ganz schön Angst bekommen.

Oben am Iseler fragte mich dann noch ein Student, ob es sich für den Klettersteig lohnen würde, Bergschuhe zu kaufen...kannst Dir ja vorstellen, dass ich da erstmal völlig sprachlos war nach dem Erlebnis.

Ja, die Schreckseerunde ist ne schöne Konditionstour. Kannst Du aber auch als Streckentour Iseler bis Luitpold-Haus mit beliebig einfachen und schwierigen Gipfeln durchziehen, dann wird's nochmal drei bis fünf Stunden länger.

Gruß von Ulf


Nik Brückner hat gesagt: RE:Tolle Werbung für diese Firma...
Gesendet am 15. Mai 2014 um 11:30
Ahoi Ulf!

Meinste nicht, dass es gut wäre, solche Erlebnisse weiterzugeben? Ich meine, im weglosen Gelände ist was anderes, aber in einem Klettersteig, noch dazu einem, der von Anfängern gegangen wird, da trägt so etwas vielleicht zur Sicherheit von nachfolgenden Begehern bei.

Gruß,

Nik


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