Tschenglser Hochwand: Überschreitung über Stiereckkamm & Westgrat


Publiziert von Nik Brückner , 20. Juli 2014 um 19:48.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:19 Juli 2014
Wandern Schwierigkeit: T5- - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: L
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1850 m
Abstieg: 1850 m
Strecke:20km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Nach Sulden auf der SS 622
Unterkunftmöglichkeiten:In Sulden und in der Düsseldorfer Hütte
Kartennummer: Kompass Ortler/Ortles, Cevedale

Die Tschenglser Hochwand ist sicher einer der am meisten bestiegenen Berge in der Gegend von Sulden, umso mehr, als ein Klettersteig dort hinaufführt. Den war ich - huh! 24 Jahre zuvor auch mal hinaufgestiegen. Aber geht in dieser vielbesuchten Urlaubsregion, an diesem vielbesuchten Berg, auch eine individuellere, möglichst einsame Tour?

Die Idee: Eine Überschreitung. Über das Stiereck, den Pederfick und den Westgrat auf den Gipfel, und dann über den Normalweg wieder hinunter.



Gesagt, getan. Um 6 Uhr in der früh bin ich in Sulden aufgebrochen. Ein heißer Tag war angesagt, und ich wollte den Anstieg so weit wie möglich im Schatten bewältigen. Hat auch ganz gut geklappt. Zunächst auf der Straße, die am Messner Mountain Museum vorbeiführt, in Richtung Ortsausgang, dann, einer unscheinbaren 6 folgend, rechts den Berg hinauf. Oben im Wald stößt man dann auf den Weg 18, dem man nun bis zur Kälberalm folgt. Anfangs geht es in steilen Serpentinen im schönen Bergwald hinauf, dann stößt man auf eine Schotterstraße, die von Sulden heraufkommt. Dieser folgt man, bis man an der Kälberalm anlangt. Von dort führt die Straße noch ein Weilchen aussichtsreich weiter nach Norden, bis sie dann in einen schmalen Weg mündet. Dieser bringt uns hinunter zur Stieralm (2242m).

Sulden - Stieralm: 1 Stunde (Steige: T2, Waldwege: T1)


Schon beim Abstieg ins herrliche Razoital kann man die Hänge des gegenüberliegenden Stierkamms in Augenschein nehmen. Es gibt dort eine ganze Reihe von kleinen Steiglein, man kann sich den schönsten aussuchen. Markiert ist allerdings keiner. Ich bin von der Hütte aus dem Weg gefolgt, der links hinaufführt und sich langsam ansteigend der Westseite des Rückens nähert. Kurz vor einem Geröllfeld zweigt ein Steiglein nach rechts und nun in mäßig steilem Zickzack hinauf auf den Rücken.

Bis zum Stiereck ist es noch ein Stück. Bis dort hinauf geht man einfach den Kamm entlang. Findige Geher entdecken immer wieder Steigspuren, die vermutlich auf Hirten zurückgehen. Je mehr man sich an diese hält, umso einfacher ist das Gehen.

Anfangs führen die Wegspuren noch durch grünes Gras, weiter oben wird es naturgemäß felsiger. Am Stiereck (2839m) stößt dann der Wanderweg von Stilfs/Prad auf unsere Aufstiegsroute.

Stieralm - Stiereck: 1,5 Stunden (T2, T3)


Der Weg führt auf den Pederfick, ist markiert, aber ein richtiger Weg ist es eigentlich nirgends. Vom Stiereck an muss man sich nun einige Stunden lang durch Blockwerk schlagen.

Vom Stiereck geht es nun über einige Aufschwünge über Blöcke hinauf bis zum Pederfick (3114m). Der Name ist weniger anrüchig als es klingt, ich vermute, er geht auf "petra ficta", '(be)fest(igt)er Fels' zurück. Der Gipfel ist kurios: Auf etwa 150 Metern verdoppelt sich der Grat, dazwischen ist eine Rinne, die bei meiner Besteigung noch mit Schnee gefüllt war. Der Kreuzgipfel befindet sich jenseits der Rinne und wird entweder direkt in steiler Kletterei, oder von Osten, leichter, gewonnen.

Stiereck - Pederfick: 1 Stunde, T4


Danach beginnt der weglose Teil: Vom Pederfick nach Osten, immer am Grat entlang. Der Grat ist meist relativ breit, und man hat die Wahl, oben herüber zu gehen, und sich dabei immer wieder auf den Ostabbrüchen von Grattürmen wiederzufinden, oder diese zu umgehen, dann meist südseitig. Nur an einer Stelle bin ich nordseitig ein paar Meter abgestiegen. Quert man im Hang, muss man ständig aufpassen, denn auch die größten Blöcke können leicht talwärts ins Rutschen kommen. Ich bin daher gern oben rüber gegangen, da gibt's dann aber halt IIer-Stellen abzuklettern. Ist aber nicht so wild.

Der Aufschwung zur Tschenglser Hochwand sieht zunächst aus wie eine 150 Meter hohe, senkrechte, schwarze Mauer. Kommt man näher, sieht man, dass er im Grunde harmlos ist: Es gibt mehr Blockwerk, allerdings bedeutend steiler als vorher.

Pederfick - Aufschwung des Westgrats zur Tschenglser Hochwand: 1 Stunde, T5, I


Nun geht es hinauf bis zu einer Stelle, an der ein markanter Steinmann steht, der schon von weitem sichtbar war. Ich bin etwas oberhalb dieses Steinmanns auf den Grat gekommen. Von nun an geht es leicht über Schnee zu Gipfel, immer etwas rechts des Grates, da man ja nie weiß, ob man wirklich noch Fels unter den Füßen hat. Steigeisen helfen, besonders, wenn es (z. B. morgens) noch harschig ist.

Um 11.30 kam ich am Gipfel an - und war allein. Ungewöhnlich an diesem Berg.

Aufschwung des Westgrats - Gipfel Tschenglser Hochwand: 1 Stunde, T5, I, L


Also genoss ich erstmal ausgiebig die herrliche Aussicht hier oben! Der Blick schwiff hinüber zum Hohen Angelus, den ich tags zuvor mit dem Exträjmjürgen bestiegen hatte. Dann weiter zur Vertainspitze, und natürlich zu Cevedale, Königspitze, Zebrù und Ortler - dazwischen der Pizzo Tresero. Im Westen dann Piz Palü, Bernina, ganz hinten das Finsteraarhorn, Galenstock, Glärnisch, Piz Linard, Piz Buin, Fluchthorn, im Verwall Patteriol, Kuchenspitze und Hoher Riffler, dahinter die Vorderseespitze, die  Freispitze und die Parseierspitzein den Lechtalern, dann der Glockturm, die Weißkugel, die Wildspitze, der Olperer, Großvenediger und Großglockner, Hochgall, davor Hirzer und Ifinger, in den Villgratener Bergen Kugelwand und Hochgrabe,, in den Dolos die Fanesgruppe, die Drei Zinnen, der Monte Cristallo, die Tofanen, Langkofel und Plattkofel, dahinter der Piz Boe, davor der Schlern, dann Rosengarten und Latemar, dahinter die Marmolada. Fantastisch!

Aber die ersten Kletterer und Normalwegbesteiger kamen bereits in Sichtweite. Bevor die den Gipfel bestürmten, war ich bereits im Abstieg. Eine Einheimische wunderte sich wohl noch über meine Frage, ob ich auf dem richtigen Weg sei (ich wollte schließlich nicht über den vielbegangenen Klettersteig absteigen). Na, das Gipfelbuch dürfte die Frage, die ihr auf der Zunge lag, wohl beantwortet haben.


Der Abstieg über den Normalweg war letztlich der schwierigste Teil. Es geht drahtseilgesichert über einige unangenehme Platten, dann über Felsstufen hinunter in eine Steilrinne. Nun über unangenehm rutschiges, feines Geröll die Rinne hinunter, bis der Weg nach links hinüberzieht, damit weiter unten Gehende nicht von oben losgetretenen Steinen getroffen werden.

Unten im Zaytal ging es dann zur Düsseldorfer Hütte (2721m) - die man schon einen halben Kilometer vorher hörte und 200 Meter vorher roch. Kennt ihr die sonnencremegeschwängerte Luft in den Bergen?

Gipfel - Düsseldorfer Hütte: 1,5 Stunden, T4, vor der Steilrinne Stellen T5/II


Da ich immer gern by fair means gehe, bin ich von der Düsseldorfer Hütte zu Fuß nach Sulden abgestiegen. Die meisten gehen hinüber zum Kanzellift und fahren runter - und berauben sich damit eines der schönsten Wege im Suldener Hochtal: 800 Meter geht es noch hinunter, an einem wunderschönen Bach entlang, durch Wiesen, Bergwald und über schöne Felsen. Und immer hat man dabei das Suldener Dreigestirn vor Augen: Königspitze, Zebrù und Ortler. Und weil hier kaum jemand hinunterläuft, war es letztlich noch ein ruhiger Abschluss einer langen und weitgehend einsamen Tour.

Düsseldorfer Hütte - Sulden: 1 Stunde, T2


Fazit

Die Tour ist über weite Strecken sehr einsam. Nur zum Pederfick hinauf ist mir ein anderer Bergsteiger begegnet. Der ist dort oben aber wieder umgekehrt. Danach gab es bis zur Hochwand keinerlei Begehungsspuren (ein zerplatzter Luftballon kann auch von selbst dort hinaufgeflogen sein). Man sollte also unbedingt jemandem Bescheid geben, was man da vorhat.

Tourengänger: Nik Brückner


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