Schmale Gegend: Über die scharfen Zacken im Osten der Alviergruppe


Publiziert von Nik Brückner , 21. Juli 2017 um 15:52.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:17 Juli 2017
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Alvier Gruppe   CH-SG 
Zeitbedarf: 6:45
Aufstieg: 1300 m
Abstieg: 1300 m
Strecke:10km

Alviergruppe! Seit etwa einem Jahr habe ich meinen Blick auf diese wunderbaren Steilgrasberge gerichtet. Als ich mich im Juli 2017 spontan dazu entschloss, in die Berge zu fahren, rutschten sie endlich ganz konkret auf die Tourenliste. Und ich fing systematisch an: Von Osten nach Westen.


Los ging's mit Bent Knees "Land Animal" gegen halb neun am Berghaus Palfris (1686m) von dort aus wanderte ich einfach die Wiesen hinauf zum Chamm und auf diesem Richtung Norden. Mein Aufstiegsweg: Die Chammeggroute, ein Steilgrasaufstieg, bei dem etwa 450 Höhenmeter überwunden werden. Es geht auf dem Kamm (Chamm) an den stetig steiler werdenden Grashang heran, auf dem man dann bis unterhalb eines Felsriegels steigt. Hier quert man nach links in eine schwach ausgeprägte Rinne, aus der es dann schräg rechtswärts wieder hinausgeht. Das letzte, steilste Stück führt über eine schmale Grasrampe, direkt an einem senkrechten Abbruch entlang. Hier, grad wenn man den Pickel bräuchte, trifft man auf ein Seil, das einem/r die steilsten Meter erleichtert. Danach ist es nicht mehr wild, über einen nur mehr mäßig geneigten Hang geht es hinauf zum Chammegg (2188m).

Tja, isses nun T5 oder T6? Das wurde/wird heiß diskutiert. Die entsprechende Disku findet sich hier. Meine Meinung: Nun, die Route wird eigentlich nur kurz vor dem Ausstieg zu einem echten T6-Kandidaten. Erst da ist sie steil genug. Aber hier hängt eben auch das Seil. Und bei allem wenn und falls: Das Seil hängt nun einmal da, und deshalb muss man es in die Bewertung einbeziehen. Und da es die (sehr steile) Stufe doch erheblich entschärft, tendiere ich eher zu T5. Aber kommt's darauf an, was ich denke? Ach was. Viel wichtiger ist: Die Route ist sehr sehr schön!

Aufstieg Chammeggroute: Unten Weglein, dann wegloser Grashang mit Trittspuren, oben Seil, T5 oder T6, 1,5h


Oben hab ich erst einmal ordentlich abgepaust, bevor ich mich wieder auf den Weg machte. Nächstes Ziel: Der Girenspitz! Nein, nicht der, da war ich letztes Jahr schon, und ich bin mir nicht sicher, ob ich da nochmal hin will. Der Girenspitz in der Alviergruppe ist ein mandelförmiges Horn östlich der Gauschla. Leider kann man nicht direkt am Grat zu dem Spitz absteigen. Ich stieg also von meinem Rastplatz direkt am Ausstieg der Chammeggroute weg noch eine Felsstufe am Grat hinauf, und querte dann nach rechts hinunter. Leider fand ich den schmalen Durchlass nicht, von dem ich wusste, dass es ihn gibt, und gelangte zu weit nach Norden. Nicht schlimm eigentlich, denn dort drüben ist es weniger steil, ich musste allerdings über große schräge Platten absteigen, die von einer dünnen Schicht trockener Erde bedeckt und deshalb rutschig waren. Zu Glück hatten sie Löcher, in denen konnte ich auf ein Kanzele absteigen. Von dort aus war es dann kein Problem mehr: Einen Grashang hinunter und über Geröll wieder zurück auf die Kante. Direkt vor mir: der Girenspitz.

Der atemberaubende Spitz ist schnell erstiegen - und zwar von der anderen Seite. Man quert dazu ausgesetzt auf einem Grasband in der Nordseite, dann geht es guttrittig hinauf auf eine steinmanngekrönte Kanzel östlich davon. Von hier sind's nur noch ein paar Schritte. Die obersten vier sind allerdings gruselig: Hier wackelt so ziemlich alles, und nur zwei Grasbüschel schienen mir vertrauenserweckend zu sein. Sie hielten, und so stand ich schnell auf dem spitzigen Girenspitz (2099m).

Chammegg - Girenspitz: T5, die letzten vier Schritte am Girenspitz T6/I, 45 Minuten


...wo ich einen Adler sah. Falscher Vogel am falschen Berg, würde ich meinen!

Ich nahm dann meine Route an der Gauschla nochmal gründlich in Augenschein, stieg vom Girenspitz ab und drüben auf die Gauschla hinauf - diesmal über die richtigen Rampen. An der entscheidenden Stelle errichtete ich mit den wenigen Steinen, die ich dort vorfand, einen kleinen Steinmann, damit der/die nächste den Abstieg findet. Um Vergrößerung des Steinmanns wird gebeten.

Allerdings wählte ich nicht den direkten Weg zum Gipfel, ich wollte gern am Grat bleiben. Also ging ich zurück zu der Stelle, an der ich ihn verlassen hatte, und ging von dort aus auf der Kante hinauf. Da gibt's ein paar recht ausgesetzte Passagen, je nach Routenwahl in der Südwestflanke oder auf der Kante, aber die Kraxelschwierigkeiten halten sich in Grenzen, I bis II würde ich sagen. Kurz vor dem schönen Grasgipfel ist es dann leichtes Gehgelände. Einen gute Stunde nach dem Verlassen des Girenspitz trug ich mich ins Gipfelbuch der Gauschla (2310m) ein - und sandte eine SMS an die Betreuer - es war nur noch eine einzige Seite frei.

Girenspitz - Gauschla: kurz T6/i, dann T5/I-II, 1:10


So! Nächstes Ziel: Die Abgelöste Gauschla. Herrje! Das sieht ja gruselig aus.... da zieht ein dünnes Wegschnürl durch die bis zu 70° steile Südwestflanke der Gauschla in ein Schartl. Da muss man rüber.... So gruselig! Aber dann... ist's am Ende gar nicht so schlimm. T4 liest man, das stimmt, wenn man sich den Abgrund wegdenkt. Nur nicht auspsychen. Im Schartl muss man dann ein paar Meter absteigen, eine IIer-Stufe, hinunter zu einem Klemmblock. Auf der drüberen Seite geht es dann wieder hinauf, weniger hoch, weniger schwer (I), zu einem deutlich erkennbaren Weglein in der Nordostflanke der Abgelösten Gauschla. Auf dem ein paar Meter weiter, dann kann man weg- und problemlos in T4-Gelände zum Gipfel steigen. Wird nach oben hin flacher und leichter.

Die Abgelöste Gauschla (2299m)! Ein sehr schöner Gipfel. Ich hatte in Erinnerung, dass man den überschreiten kann, und sah auch die Begehungsspuren in der Westseite. Aber da ich von einem Abstieg auf dieser Route noch nie gelesen (und meinen Rucksack im Schartl gelassen hatte), habe ich davon lieber die Finger gelassen, auch wenn's nicht unmöglich aussah. Gute Entscheidung: Der Vater der Alvierwirtin erzählte mir später, dass diese Route seines Wissens nur im Aufstieg begangen wird. Trotzdem: Bissl schad ist's schon.

Gauschla - Abgelöste Gauschla T6/II: 30 Minuten


Ich ging also zurück in die Scharte und stieg nordseitig durch eine Steilrinne ab. Immer in der Rinne bleiben, auch wenn Spuren nach rechts hinauslocken, ist das Einfachste.

Unten gelangt man dann in ein Schuttfeld, das ich nach links gequert habe. Ich hatte gehoftt, zum Grat zurückzukommen, aber das schien mir über die schrägen Platten dort oben nicht ratsam. Also hielt ich auf die tiefste Stelle im Grat zwischen Abgelöster und Alvier zu. Dort fand ich dann Wegspuren, die mich hinauf zum Wanderweg führten.

Abgelöste Gauschla - Wanderweg: T6/II, im Geröll T3-T4: 45 Minuten


Auf dem Wanderweg ging es dann, teils seilversichert, hinauf auf den Alvier (2341m).

Wanderweg zum Alvier: T2/I, 25 Minuten


Eine Gipfelhütte! So schön! Hier oben pauste ich ein Weilchen, und besah mir erst einmal die Aussicht.

Mein Blick fiel zunächst auf den herrlichen Walensee, und die Kette der Churfirsten, die sich im
Sichelchamm, dem Gamsberg und den restlichen Gipfeln der Alviergruppe fortsetzt. Im Norden dominiert dann der Alpstein mit dem Grenzchopf, dem Säntis und dem Altmann den Horizont, und auch der gruselige Girenspitz ist zu sehen. Die Gruppe des Alpsteins endet mit den Gipfeln rund um den Hohen Kasten.

Jenseits des Rheintals fallen die Nagelfluhkette, die Gipfel des Walserkamms und die Berge Liechtensteins ins Auge. Dahinter erheben sich die Gipfel der Allgäuer Alpen, des Bregenzerwalds und des Lechquellengebirges. Darunter die Kanisfluh, der Diedamskopf und der Hohe Ifen, die Damülser Mittagspitze, der Große Daumen und das Nebelhorn. Es folgen Hochvogel und Rauhhorn, dahinter die Zugspitze. Es folgen KrottenkopfMädelegabel, Zitterklapfen, Widderstein und Hohes Licht. Weiter Richtung Osten: Rote Wand, sowie Parseierspitze, Freispitze und Valluga in den Lechtalern.

Direkt im Osten erhebt sich dann der
Hohe Riffler, gefolgt von Kuchenspitze und Patteriol. Daneben dominiert die Schesaplana alles.

Wieder diesseits des Rheins, im Süden, dominieren Haldensteiner Calanda, Ringelspitz, das Trinserhorn, Piz Sardona und Piz Segnas. Den Südwesten markiert der Tödi, etwas weiter westlich fällt der mächtige Glärnisch ins Auge. Schließlich schweift der Blick über den Mürtschenstock zurück zum Walensee hinunter.


Nach dieser Rundsicht bestellte ich mir was und kam mit dem Vater der Hüttenwirtin ins Gespräch. Er hatte ein paar interessante Informationen für mich, über die Abgelöste Gauschla, den Gamsberg und die Gegend überhaupt. Dann beschloss ich, dem Chli Alvier noch einen Besuch abzustatten. Er auch.

Zunächst geht es auf einem Weg westlich hinunter, dann quert man einfach über den Grashang auf dem Gipfel des Chli Alvier (2282m). Kein großes Problem, diese Route.

Alvier - Chli Alvier: T2, 15 Minuten


Wir besahen uns von hier aus nochmal den Gamsberg, und die eindrucksvollen Gipfel des Chrummensteins. Dann beschlossen wir, auf der Kante zum Alvier zurückzukehren. Das ist nochmal leichte Kletterei durch einige Grasschrofenrinnen, weiter oben steigt man dann über Grashänge zur Südkante des Gipfels hinauf. Wir entdeckten dabei Edelweiß, Männertreu - und einen ganzen Schwarm Schneehühner, die wir leider aufscheuchten. War nicht unsere Absicht!

Chli Alvier - Alvier: T5/I-II, je nach Routenwahl, 30 Minuten


An der Gipfelhütte verabschiedete ich mich, dann stieg ich auf dem Wanderweg zurück zum Auto. Eine herrliche Route nochmal! Die Holzleitern am Chemmi sind eine Schau...

Alvier - Berghaus Palfris: T3/I, 50 Minuten
    

Fazit:

Grandiose Tour über alle wichtigen Gipfel der östlichen Alviergruppe. Wer sich gern in steilem, schmalem und ausgesetzten Gelände bewegt, dürfte hier voll auf seine Kosten kommen. Ich fand's großartig! Und weil's so schön war, und weil mich die Gespräche über dem Gamsberg inspiriert hatten, beschloss ich am Abend, am nächsten Tag genau diesen schönen Gipfel in Angriff zu nehmen.


Ausrüstung:

C-Schuhe, Stecken, Helm.


Bonusmaterial:

Material von einem Drohnenüberflug. Schön der Vorbeiflug am schmalen Girenspitz ab 0:32 und der Grataufstieg zur Gauschla ab 1:01.

Ein weiterer Überflug. Ab 2:26 geht's direkt über den Girenspitz-Gipfel.

Und in diesem Video von Heini Hefti ist ab 4:20 der Weg auf die Abgelöste Gauschla zu sehen.

Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (2)


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pboehi hat gesagt: Top
Gesendet am 22. Juli 2017 um 11:52
Diese Tour habe ich schon lange im Visier, dank Deiner detaillierten Beschreibung sollte das ein Klacks (aber kein Spaziergang) werden :-) Vielen Dank! Peter

Nik Brückner hat gesagt: RE:Top
Gesendet am 22. Juli 2017 um 20:40
Servus Peter!

Danke, das freut mich! Ja dann, viel Spaß bei Deiner Tour! Hoffentlich schneit's da in der nächsten Woche jetzt nicht auch... Für's nebelhorn sind 30cm Neuschnee angekündigt!

Gruß,

Nik


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