Tag 31: Piz Boè im tiefen Schnee - und eine kalte, einsame Nacht in der Sellagruppe


Publiziert von Nik Brückner , 7. September 2015 um 11:38. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum: 9 Juni 2015
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 1715 m
Abstieg: 500 m
Strecke:14km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Alles super mit dem Auto erreichbar.
Unterkunftmöglichkeiten:Im Tal ganz viele, dazu die Boèhütte und die Capanna Fassa auf dem Boègipfel.

Im Sommer 2015 kamen Judith7 und ich auf einer Alpendurchquerung von Wien nach Monaco auch durch die Dolomiten. Am Tag zuvor waren wir im Gewitter aus der Fanesgruppe gerannt, nun sollte es von Stern hinauf auf den Piz Boè gehen. Früh im Jahr der nach dem Großglockner zweite Dreitausender der Tour! Mit einer Gipfelübernachtung, wenn möglich.

Morgens um sieben ging es in Stern los. Es ging gemütlich durch ein wunderschönes Tal, immer an einem Bach entlang. Gegen acht waren wir in Corvara, rechtzeitig zur Öffnung von Supermarkt und Touri-Info. Wie überall in den Touri-Infen der Gegend waren die Damen dort schön, gelangweilt, und wussten nicht viel. Welche Hütten in der Sellagruppe waren geöffnet? Welche Hütten haben Winterräume? Kein Plan. Und so sind wir nur halb informiert aus Corvara losgezogen. Am Sass Songher vorbei ging es bis zum Abzeig ins Val Mezdì, wo wir gegen halb 10 ankamen. Da wir über die Verhältnisse keine Auskunft bekommen hatten, sind wir einfach mal eingestiegen, damit rechnend, dass wir hinten drin ordentlich Altschnee zu erwarten hatten.

Und so war's dann auch. Aber erstmal galt es, die Steilstufe zu überwinden, um überhaupt mal in das Hochtal zu gelangen. Hier ist der Weg durch Zement befestigt, was zwar unschön ist, den Wegebauern aber die alljährliche Arbeit erleichtert. Eine Stunde später standen wir dann schon mitten im Tal - einem der eindrucksvollsten in den Dolos. Links und rechts lotrechte Wände und steile Türme, die sich hunderte Meter in den Himmel strecken. Ein letzter Blick ins grüne Tal und auf den Sass Songher, und wir waren aufs Neue der Zivilisation entflohen.

Es ging das steinige Tal hinauf, auf einfachem Wanderweg, dank Schneeschmelze mit ausreichend Wasser.

Dann wurde der Blick frei auf den Talschluss.

Ordentlich Schnee, eine steile Rampe, aber alles im Schatten. Wenn wir Glück hätten, würden die Verhältnisse für den Aufstieg perfekt sein.

Aber erstmal hinkommen! Im Talgrund lag mit zunehmender Höhe immer mehr Schnee, der wurde aber mit zunehmendem Tag auch immer weicher... Auch wenn wir uns so weit wie möglich über festeren Altschnee bewegten, nicht immer konnten wir den weichen, weißen Stellen ausweichen. Einmal, schon weit hinten, sind wir dann über Blockwerk um ein Schneefeld herumgegangen, das war aber auch nicht lustiger.

Währenddessen konnten wir uns eine Route über die schätzungsweise 40° steile Rampe überlegen: Unten so weit wie möglich über Geröll, dann in möglichst großer Höhe in den Schnee - und dann rauf, rauf, rauf!

So haben wir's gemacht. Da wir für eine Tour von Wien nach Monaco keinen Pickel und keine Steigeisen mitnehmen, vorsichtig. Ich voraus, Stufen tretend, Judith hinter mir her, die Stufen benutzend. Und wir hatten Glück: Der Schnee war perfekt! Weich genug zum Stufentreten, hart genug, um sichere Stufen zu treten. Auch als es steiler wurde, ging es richtig gut.

Dann sah ich links von mir Drahtseilsicherungen. Nichts wie rüber! Eine etwas heikle Querung, eine Info für Judith, die weiter unten schon queren konnte, und wir stiegen gegen 14 Uhr gemütlich am Seil aus dem Val Mezdì. Was für ein vergnügliches Abenteuer!

Leider hatte Judith Probleme, Schmerzen, und wir waren nicht sicher, ob wir an diesem Tag noch weitergehen sollten. Zum Glück steht direkt am Ausstieg die Boèhütte, in deren Winterraum wir uns erst einmal einrichteten. Eiskalt war's....

An der Hütte waren zwei Leute beim Arbeiten. Leider wussten die beiden nicht, ob die Capanna Fassa auf dem Boègipfel einen Winterraum hat. Sie meinten nein, waren sich aber nicht sicher. Immerhin konnte ich ein paar geile Fotos schießen, als der Heli sie abholen kam...

Judith und ich haben uns dann erstmal zurückgezogen, und das tägliche Gewitter vorbeiziehen lassen. Im Winterraum war es eiskalt, und wir haben uns dick in unsere Schlafsäcke eingemummelt. Irgendwann hatte Judith dann doch Lust auf den Gipfel, und so sind wir gegen sechs dann die letzten 300 Höhenmeter hinaufgestiegen. Leicht war's nicht für sie, aber Judith ist eine Kämpferin, ein Viech, wie ich immer sage, und auch wenn's ne Stunde gedauert hat, sie stand neben mir auf dem Gipfel!

Der Rundblick war irre! Unter anderem zu sehen: Hochgall, Großvenediger und – zwischen Zehner und Neuner - der Großglockner, davor Steingrubenkogel, Kreuzspitze, Säulkopf und Lasörling, näher die Fanesgruppe mit dem Heiligkreuzkofel, in den Villgratener Bergen Kugelwand, Hochgrabe, Regenstein, Rappler, dann der Ankogel, in den Dolos die Hohe Gaisl, die Sextener Rotwand, Elfer und Zwölfer, Paternkofel und die Drei Zinnen, die Tofanen, Sorapiss und Antelao, Civetta, Marmolada, dahinter das Mittelmeer - fast 300 Kilometer weit kann man von hier aus sehen! Weiter geht's im Westen mit Latemar, Rosengarten, nördliche und zentrale Brenta, Königspitze, Zebru und Ortler, Ganz nah der Langkofel, Weißkugel, Wildspitze, Watzespitze, Zugspitze, Olperer - einfach fantastisch!

Über uns war der Himmel wieder blau, aber über Fanesgruppe und Marmolata hingen wilde Gewitterwolken! Genau die richtige Stimmung, um die Daheimgebliebenen anzurufen! "Ratet mal, wo wir gerade sind!"...

Für alle, die es auch interessiert, und die in Corvara auch keine Auskunft gekriegt haben: Die Capanna Fassa hat keinen Winterraum. Dafür ist die Hütte einfach zu klein. Aber das passt schon, die beiden Hütten stehen ja nicht weit auseinander.


Eine Stunde lang sind wir am Gipfel geblieben. Nach diesem hier unser zweiter Dreitausender auf dem Weg nach Monaco! Dann wurde es kalt, und es ging wieder hinunter. An einem Rinnsal hab ich Wasser abgefüllt, das Dank der Schneeschmelze hier oben noch floss, während Judith unseren Kocher angeschmissen hat. In voller Montur haben wir dann gekocht, und bei noch mehr Minusgraden die Nacht verbracht.

Knapp unter 3000 Metern, vollkommen allein in der Sellagruppe. Kann es etwas Schöneres geben?


...und am darauffolgenden Tag ging es dann weiter zur Plattkofelhütte - und hinauf auf den Plattkofel!

Tourengänger: Nik Brückner, Judith7


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