Tag 74: Paradise is here: Der Gran Paradiso


Publiziert von Nik Brückner , 17. September 2015 um 19:43. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Italien » Piemont
Tour Datum:22 Juli 2015
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 8:30
Aufstieg: 1630 m
Abstieg: 1630 m
Strecke:15,5km
Unterkunftmöglichkeiten:Rif. Vittorio Emanuele II, Rif. Chabod

Im schönen Sommer 2015 unternahmen Judith7 und ich eine Alpendurchquerung von Wien nach Monaco. 1832 Kilometer zu Fuß, 102.000 Höhenmeter. Unser höchster Punkt sollte der Gran Paradiso sein: 4061 Meter! Gleichzeitig war er der Punkt, an dem wir von der südwestlichen Richtung nach Süden schwenken wollten. Also eine für unsere Tour nicht unbedeutende Wegmarke!

Die Planung ging schon ein paar Tage vorher los: Auf der Etappe 62, von Borgosesia zur Cascina il Faggio am Santuario della Brughiera, versuchten wir zum ersten Mal, das Bergführerbüro in Cogne zu erreichen. Nachdem das ein paar Tage lang misslang, weil dort einfach niemand ans Telefon ging, haben wir an Tag 65 in Trovinasse Hilfe bekommen: Ein Italiener, der in Cornwall lebt, und auf Besuch zuhause war, hat uns erst sprachlich unterstützt, und dann auch noch einen Bergführer organisiert, der Freund der Familie ist! Besser konnte es gar nicht gehen!

Beruhigt sind wir dann in drei Tagen von Trovinasse nach Piamprato gelaufen - wo Nik dann prompt von einem Virus flachgelegt wurde! Was für ein Glück, dass die Verschiebung für unseren Bergführer kein Problem war! Aber würde das Wetter mitspielen? Immerhin brauchten wir mehr als einen guten Gipfeltag: wir mussten in drei Tagen von Piamprato übers Rifugio Sogno di Berdzé und das Rifugio Sella zum Rifugio Chabod kommen, schon ohne Virus keine leichten Touren.

Aber es ist alles gutgegangen. Nicht nur hat Nik in zwei Tagen, die er praktisch durchschlief, seinen Virus besiegt, wir haben auch die drei - nebenbei bemerkt: wundervollen - Hammeretappen gut hinter uns gebracht. Am 21. 7. gingen wir in siebeneinhalb Stunden vom Rifugio Sella über den Col Gran Neyron zum Rifugio Chabod, eine grandiose Tour über schotterige Ü-3000-Jöcher, einen Gletscher und einen Klettersteig, die offiziell irgendwo zwischen sechs und zehn Stunden angegeben ist.

Es konnte also losgehen!

Wir sind nach einem frühen Frühstück gemütlich gegen 5 Uhr mit unserem Führer Andrea am Rifugio Chabod losgezogen. Vielleicht ein Fehler, denn wir waren schneller als die meisten anderen Gruppen und mussten so schon vor dem Gletscher die ersten Gruppen überholen. Nicht ganz einfach, denn gleich nach dem Rifugio zieht sich der schmale Weg an einem Hang entlang, um danach eine Schuttrippe emporzuziehen - nicht gerade gut zum Überholen geeignet. Kurz vor dem Laveciau-Gletscher konnten wir dann aber problemlos passieren.

Auf dem Gletscher, den wir nach etwa einer Stunde erreichten, haben wir dann die Eisen angelegt und sind gleich losgelaufen. Zunächst geht es flach hinauf, der Gletscher ist mit Schutt übersät, und Spalten gibt es noch keine. Bald werden die Steine weniger und der Gletscher kommt zum Vorschein.

Wegen des Klimawandels und der seit Wochen anhaltenden Hitze in ganz Europa war der Gletscher aper, wir gingen über Blankeis, und bald zeigten sich erste, schmale Spalten, über die wir einfach hinüberlaufen konnten. Andrea führte ganz hervorragend, wir umgingen einige Spalten, und mieden schlechte Schneebrücken, über die andere Gruppen gruseligerweise hinübergingen. Schneebrücken, die nicht einmal ich trotz meiner nicht allzu großen Erfahrung gemieden hätte. Naja.

Viele Spalten hatte es! Wer immer noch glaubt, der Klimawandel sei eine Erfindung der - aufgepasst - "Windkraftlobby", der sollte mal hier heraufgehen. Weiter oben, knapp unter 4000 Metern, flossen morgens um acht Bäche... Das Wetter war entsprechend das große Thema am Berg. Einige Tage vorher hatte man die Normalroute am Mont Blanc gesperrt, dort hatte es Unfälle durch Steinschlag gegeben.

Meine geliehenen (und etwas zu kleinen) Eisen bewährten sich, und wir kamen sehr gut voran. Dann gelangten wir an eine verdammt große Spalte, ein gruselig klaffender Schlund von 40, 45 Metern Tiefe.

Hops!

Unter dem Gipfel querten wir nach links hinüber, um dann steileres Gelände anzusteuern. Noch liefen wir im Schatten, und sahen die Sonne nur beim Blick zurück. Dort im Nordwesten zeigte sich der Höchste der Alpen schon im Morgenlicht: Der Mont Blanc.

Unter einer Felsmauer, über der ein großer Serac hängt, geht es den Laveciau-Gletscher weiter hinauf, bis man unter dem markanten Südsattel nach rechts schwenkt und recht steil eine diesem Sattel vorgelagerte Stufe ersteigt.

Hier mussten wir um ein eingebrochenes Loch herumgehen, bissl schmal war's. Auf der anderen Seite ging es weiter hinauf zum Südsattel mit seinen markanten Felszähnen. Hier kamen wir endlich hinaus in die Sonne.

Auf dem Sattel angekommen gönnten wir uns ein paar Minuten Pause. Andrea kündigte an, dass wir von hier aus noch etwa eine Stunde bis zum Gipfel brauchen würden. Na, es war dann eine Dreiviertelstunde, einschließlich Warten an einer Leiter und am felsigen, ausgesetzten Gipfelgrat.

Leiter?

Nach einem letzten Steilstück gelangten wir tatsächlich an eine Leiter, die über eine Spalte auf knapp 4000 Metern gelegt worden war. Eine Spalte, die laut Andrea normalerweise überhaupt nicht da ist. Wieder war die anhaltende Hitze Thema, während wir darauf warteten, auf der Leiter über die Spalte hinaufsteigen zu können.

Ein letzter Hang und wir waren am Gipfelgrat angekommen. Der war weitgehend aper und uns stand noch ein wenig Felskletterei bevor. Auch hier ist um diese Jahreszeit normalerweise noch viel Schnee.

Da wir die meisten Gruppen schon im Aufstieg überholt hatten, mussten wir nur direkt vor dem Gipfel ein wenig warten. Hier gab's kurz Gegenverkehr - natürlich g'scherte Bayern, was denn sonst...

Das Überklettern des vor allem nach Nordosten ausgesetzten Blockgrates mit Steigeisen war kurz ein bisschen gruselig, dann standen wir an der Madonnina. Der höchste Punkt unserer Alpendurchquerung von Ost nach West war erreicht!

Rif. Chabod - Gran Paradiso Gipfel: WS/I, 4 Stunden

Ein überwältigendes Gefühl! Nicht nur hatten wir es von Wien hierher geschafft, dank bester Bedingungen schienen sich auch noch unsere ganzen Bonusideen verwirklichen zu lassen: Nach der Besteigung des Großglockners, der Durchquerung der nördlichen Brenta und der Durchschreitung der Bergamasker Alpen auf der höchstmöglichen Route standen wir nun tatsächlich auf dem Gran Paradiso, in 4061 Metern Höhe!

Eine lange Pause gönnten wir uns nicht. Die Verfolger waren uns auf den Fersen.

Im Abstieg diskutierten wir kurz. Ursprünglich hatten wir vorgehabt, den Gran Paradiso mit vollem Gepäck (je 17 Kilo) vom Rifugio Chabod zum Rifugio Vittorio Emanuele II zu überschreiten und von dort aus nach Süden weiterzugehen. Wir hatten allerdings unser Gepäck im Rifugio Chabod gelassen, und zudem gehört, dass der ursprünglich ins Auge gefasste Übergang vom VEII direkt nach Ceresole Reale ohne Geländekenntnis nicht begehbar, weil unmarkiert ist. Um unsere Idee einer Überschreitung dennoch halbwegs zu verwirklichen, und zudem beim Abstieg eine andere Route auszuprobieren, entschieden wir, zum VEII abzusteigen.

Es geht bis zu der Schulter unterhalb des Sattels, dann geradeaus bergab, anstatt nach rechts hinunter zum Rifugio Chabod. Leider stellte sich der Abstieg zum VEII als unspannend heraus. Kein Wunder, ist diese Route doch die leichteste auf den Gran Paradiso. Nach etwas mehr als zwei Stunden konnten wir die Eisen ablegen, und über große abgeschliffene Blöcke ging es schnell weiter hinunter zum Rifugio VEII.

Gran Paradiso Gipfel - Rifugio Vittorio Emanuele II: WS-, 2:45

Mittagszeit! Doch auch am VEII blieben wir nur kurz, denn ein Gewitter zog auf. Der Weg zurück zum Rifugio Chabod wurde dann ein bissl feucht, ist aber im Vergleich zum Gipfelaufstieg nur eine leichte Wanderung. Allerdings dauerte die Querung zum Chabod länger und hat mehr Höhenmeter als gedacht. Außerdem spürten wir den langen Vortag. Und so liefen wir erst nach Eindreiviertelstunden am Ausgangspunkt ein.

Rifugio Vittorio Emanuele II - Rifugio Chabod: T3, 1:45

Fazit:


Eine ganz wunderbare, wenn auch (unnötig) lange Tour zum höchsten Punkt unserer Alpendurchquerung. Der Weg über den Gletscher war leicht, aber durch die vielen Spalten spannend. Die Gipfelsicht ist umwerfend, der Abstieg weniger. Die Strecke zwischen VEII und Chabod muss man nicht gegangen sein.

Für uns war es ein großartiger Tag: Fit durch die langen Wanderwochen war der Berg körperlich keine Herausforderung. Wir konnten den Gang auf den höchsten Punkt unserer Route in vollen Zügen genießen!

Tourengänger: Nik Brückner, Judith7


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