Überschreitung von Kugelwand und Hochstein: Lange Grate in den Villgratener Bergen


Publiziert von Nik Brückner , 4. Oktober 2018 um 11:53.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Villgratner Berge
Tour Datum:17 September 2018
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 7:45
Aufstieg: 1350 m
Abstieg: 1350 m
Strecke:18km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Zur Oberstalleralm mit dem Auto
Unterkunftmöglichkeiten:Viele im Villgratental

Damals

Im Sommer 2015 kamen Judith7 und ich auf einer Alpendurchquerung von Wien nach Monaco auch durch die Villgratner Berge. Es sollte von der Volkzeiner Hütte aus über die 2951 Meter hohe Hochgrabe nach Innervillgraten gehen. Früh im Jahr eine sehr schneeige Unternehmung.

Und wir hatten ausschlafen wollen - und waren deshalb viel zu spät von der Volkzeiner Hütte aufgebrochen. Auf der Hochfläche lag einfach noch zu viel Schnee, und um diese Tageszeit war er bereits zu weich, so dass wir oben hüfttief in hüfthohem Schnee versanken. Also entschieden wir uns für eine zweite Möglichkeit: die Einatlenke. Das ist ein 2700 Meter hohes Joch nordwestlich der Hochgrabe, über das zwar kein Weg führt, das aber dennoch leicht zu begehen ist. Doch auch auf dem Weg dorthin lag zu viel Schnee.

Und so stiegen in die Arntaler Lenke, in der Absicht, über das Arntal, von dem wir gehört hatten, dass es wunderschön sein soll, nach Innervillgraten zu gehen. Dort fiel uns auf, dass der Grat Richtung Süden, also über die Kugelwand Richtung Einatlenke, aper war. Und so kam es, dass die weglose Überschreitung der Kugelwand Bestandteil unserer Weitwanderung wurde.

Damals schrieb ich: "Die Route ist wild, ausgesetzt, aber alles in allem gut gangbar. T4-T5/I würde ich sagen." Diese Bewertung ist zu scharf, sie war dadurch bedingt, dass links der Grathöhe noch Schneebretter hingen, und auch die Kante selbst nicht vollkommen schneefrei war. Damit hängt auch zusammen, dass wir damals 50 Minuten bis zum Gipfel der Kugelwand brauchten - bei den idealen Bedingungen, die ich dieses Mal hatte, brauchte ich kaum eine halbe Stunde.



Heute

Yep, ich bin die Tour nochmal gegangen. Na, nicht genauso natürlich. Damals stellte sich uns nämlich die Frage, ob wir direkt in die Einatlenke absteigen, oder auf dem Grat weiter Richtung Westen gehen sollten, wo sich eventuell eine bessere Abstiegsmöglichkeit hätte bieten können. Wir hatten uns für den Abstieg zur Einatlenke entschieden - ausgesetzt, steil und nicht ganz ungefährlich. Wäre es weiter im Westen besser gewesen?

Diese Frage trieb mich zunächst an. Deshalb wählte ich dieses Mal als Ausgangspunkt auch nicht die Volkzeiner Hütte, wie am Vortag, als ich den Rappler über seinen Nordwestgrat erstiegen hatte, sondern die Oberstalleralm im Arntal, jenem Tal, dass uns damals als besonders schön ans Herz gelegt worden war, das wir aber nicht durchwandert hatten. Doch diese Motivation trat während der Tour nach und nach zurück. In den Vordergrund rückte die Gratüberschreitung selbst, aus der Arntaler Lenke über Kugelwand, Hochstein und Kaschaswand Südostgipfel in die Tschoppaslenke, eine lange, landschaftlich eindrucksvolle und sehr einsame Tour, die weit mehr wurde, als die Erkundungstour, als die ich sie startete.

Ich informierte mich vorher in Manfred Poleschinskis in verdienstvoller Eigenarbeit erstelltem Gebietsführer - von den Villgratener Bergen gibt es keinen AVF. Die Route, wie ich sie ins Auge gefasst hatte, war machbar.



Und so startete ich früh morgens um halb neun, mit Monobodys "Raytracing", an der wunderschönen, und wunderschön gelegenen Oberstalleralm (1883m) - 4 Euro Parkgebühr, Münzen mitnehmen! - und wanderte hinein ins Arntal. Und auch das ist wunderschön - wer auch immer uns damals davon erzählte, hat Recht gehabt: Man wandert an schönen Weiden entlang, die Kühe muhten, der Bach glitzerte in der Morgensonne, die Lärchen - nun ja, die standen einfach nur herum. Aber das machten sie auch ganz wunderschön. Dann lässt man den grünen Teil der Natur hinter sich und steigt hinauf in die hoch gelegenen Böden, die zwischen Hochstein, Kugelwand und den Degenhörnern eingelagert sind. Und auch von dort ist es noch ein weiter Weg hinauf in die Arntaler Lenke (2655m), wo ich um elf ankam.

Oberstalleralm  - Arntaler Lenke: Markierter Fahr- und Wanderweg, T1, 3h


Hier pauste ich erstmal eine Runde ab und genoss den Blick ins Arntal und auf den Schrentebachboden auf der anderen Seite, über den ich zwei Tage zuvor gewandert war. Dann machte ich mich auf den Weg Richtung Kugelwand.

Hier geht es zwar richtig weit hinauf - die Kugelwand ist immerhin 2803 Meter hoch - Schnee hatte ich dieses Mal jedoch keinen. Und so entpuppten sich viele Kraxelstellen am Grat als umgehbar. Von T4-T5/I war's dieses Mal weit entfernt.

Die Kante ist nur stellenweise schmal, und auch dann jederzeit gut begehbar. Meist ist sie recht breit, teilweise kann man auch links unterhalb der Höhe auf einer grasigen Stufe gehen, und so wird das Ganze nie schwieriger als T3. Es gibt eh Steigspuren. Bleibt man dagegen konsequent auf der Kante, ist es schwieriger, meine Bewertung von damals ist also nicht falsch, sondern war einfach den Bedingungen geschuldet.

Wandert man anfangs noch über Gras, wird es zum Gipfel hin zunehmend felsig. Hier muss dann ab und zu auch die Hand an den Fels. Dennoch war ich schnell am Gipfel: Eine halbe Stunde, nachdem ich die Arntaler Lenke verlassen hatte, stand ich wieder auf der Kugelwand (2803m).

Arntaler Lenke - Kugelwand: Weglose Gratüberschreitung, T3/I, 30 Minuten


Damals hatten wir 50 Minuten gebraucht, die Verhältnisse mussten also deutlich schwieriger gewesen sein. Na, umso besser.

Die Kugelwand ist ein schmaler, wenig besuchter Felsgipfel, der nach Südosten etwa 100m hoch senkrecht abbricht, zur anderen Seite hin aber in weiten, nur wenig geneigten Schutthängen gegen das Arntal abfällt. Von hier aus zieht sich ein langer Grat hinüber zum Hochstein, der mal ein breiter, gemächlicher Schotterrücken ist, mal eine äußerst scharfe Felsschneide. Wandergelände wechselt sich mit Kletterstellen im I. und II. Grad ab. Abwechslung ist also angesagt, wenn man diese Überschreitung machen will.


Der Südwestgrat der Kugelwand weist nun keine Begehungsspuren mehr auf, ist aber leicht zu begehen. Man hält sich auf dem Grat, oder etwas rechts davon, um tiefere felsige Einschnitte zu umgehen. Wird der Hang rechts auch mal steiler, ist das trotzdem kein Problem.

Ein tieferer Einschnitt vor Pt. 2751m kann leicht im Fels abgekraxelt (I) oder rechts in Blockwerk umgangen werden. Drüben geht es dann zwischen zwei grasigen Rücken wieder aufwärts.

Um Pt. 2751m herum befindet man sich dann in wüstenartigem Gelände auf einem breiten Sattel.

Hier wäre drei Jahre zuvor unsere Abstiegsmöglichkeit zu den Sieben Seen gewesen. Ein bisschen in Erinnerungen schwelgend, saß ich hier erstmal eine Weile herum, telefonierte, wie jeden Mittag, mit der Waldelfe, und machte mich dann auf den Weiterweg.

Es geht nun in leichter Kletterei, (I-, höchstens) über Gras und Schrofen auf eine Schulter und dahinter in ähnlichem Gelände weiter hinauf auf den mit einem Steinmann gekrönten Vorgipfel des Hochsteins. Dann folgt die Schlüsselpassage des Gratübergangs:

Vom Vorgipfel wandert man zuerst etwas bergab, den nächsten felsigen Abschnitt kann man umgehen, ich hatte aber Lust, ihn abzuklettern. Plattig, aber nicht schwer. Dann geht's hinunter, zuletzt einen kleinen Zacken rechts umgehend, in ein Schartl. Den folgenden Steilaufschwung kann man wieder rechts umgehen, dann geht's durch einen gut gestuften Riss (II) hinauf auf die hier schmale Grasschneide, und an den nächsten Felskopf heran, der schnell erstiegen ist (I). Oben auf Gras heran an den nächsten kleinen Felsaufschwung, der überklettert werden muss (immer wieder I, I+). Dahinter folgt eine äußerst schmale Passage, über die man balanciert (II), bevor man sich mit einem beherzten Sprung auf den nun wieder (etwas) breiteren Grasgrat befördert. Danach wandert man in nun ganz einfachem Gelände hinauf auf den Gipfel des Hochsteins (2827m).

Kugelwand - Hochstein: Weglose Gratüberschreitung, T6-/Stellen I und II, 2h


Der Hochstein ist ein breiter Felsgipfel, ebenfalls überzogen von wüstenartigem Gelände. Als eigenständiges Gipfelziel lohnt er kaum, aber er ist eine schöne Station im Zuge der Überschreitung. Man hat eine herrliche Sicht auf die umliegenden Gipfel, sowie auf die Remasseen, die in einem kleinen Hochkar im Südosten liegen. Der Blick reicht einmal ganz im Kreis herum - von Steingrubenkogel und Lasörling im Norden über den Großvenediger, die Sajatkrone, den Eicham, Säulkopf und Säulspitze, im Nordsten der Großglockner. Davor der lange Grat vom Kreuzberg bis zum Roten Kögele. Dann die Schobergruppe, in den Dolos die Sextener Sonnenuhr mit Zehner, Elfer, Zwölfer und Einser, Antelao und Sorapiss, Monte Cristallo, die Tofanen, die Fanesgruppe, Piz Boe, in 150 Kilometern Entfernung Königspitze, Zebru und Ortler, der Hohe Angelus und die Tschenglser Hochwand Ifinger und Hirzer sind zu sehen. Im Westen dann der Hochgall. Und natürlich die Villgratener Berge! Kugelspitze und Regenstein, Rappler, Hochgrabe, alle ganz nah. Großartig!


Erneut pauste ich ordentlich ab, dann machte ich mich auf den Weiterweg. Eine Gratüberschreitung lohnt in diesem Abschnitt nicht, deshalb wanderte ich einfach durch die Stein- und Geröllwüste zwischen zwei flachen Rücken westwärts. Den Südostgipfel der Kaschaswand wollte ich jedoch noch mitnehmen, im Hinterkopf die leise Idee, noch die gesamte Kaschaswand zu überschreiten. Also hielt ich mich am Ende der wüstenhaften Hochfläche rechts, stieg in eine Scharte zwischen Hochstein und Kaschaswand hinauf, und von dort aus auf den Südostgipfel der Kaschaswand (2753m).

Kugelwand - Kaschaswand Südostgipfel: Weglos über Geröll, T2, 15 Minuten

 
Die Überschreitung der Kaschaswand schien mir von hier aus gut machbar, Poleschinski bewertet sie mit einer I, landschaftlich schien sie mir aber nichts Neues zu bieten, und so machte ich mich, auch angesichts der fortgeschrittenen Tageszeit, an den Abstieg.


Ich begab mich in die dem Gipfel südlich vorgelagerte Tschoppaslenke (Runsentörl, 2725m), und querte von dort aus den weiten Geröllhang hinunter zum Wanderweg, der, vom Roten Kinkele kommend, hinunter zur Kamelisenalm führt. Auf diesem Weg wanderte ich nun talwärts.

Der Wanderweg dreht noch eine große Schleife, bis man an einer Geländekante endlich die Kamelisenalm erblickt - noch weit unten. Eine Stunde lang war ich unterwegs, bis ich an der wunderschön gelegenen Kamelisenalm (1973m) mit ihren alten, eindrucksvollen Häusern angekommen war. 

Kaschaswand Südostgipfel - Kamelisenalm: zunächst weglos über Geröll, dann dürftig markierter Wanderweg, T2, 1h


Und natürlich ließ ich mir die Gelegenheit nicht entgehen, die schöne Kapelle zu besichtigen. Ein wunderbarer, kleiner Raum, mit viel Mühe und noch mehr Liebe gestaltet.

Die Oberstalleralm (1883m) ist dann ausgeschildert. Auf einfachen Wegen, zuletzt einen sehr steilen Waldhang querend, gelangte ich in einer Stunde dorthin.
    
Kamelisenalm - Oberstalleralm: markierter Wanderweg, T2, 1h



Fazit:


Was als Erkundungstour startete, entwickelt sich zu einer eigenständigen, ganz wunderbaren, langen Gratüberschreitung, über eine Strecke von fast viereinhalb Kilometern, aus der Arntaler Lenke über Kugelwand, Hochstein und Kaschaswand Südostgipfel bis in die Tschoppaslenke. Und auch der Aufstieg durchs Arntal und der Abstieg über die Kamelisenalm waren wunderschön. Eine lange, sehr einsame und landschaftlich eindrucksvolle Tour. Und so wollte ich auch am nächsten Tag eine Grattour machen: Die Überschreitung von Regenstein, Kugelspitze, Spitz beim Kreuz und Marcheggenspitze.


Ausrüstung:

Helm, und meine Stecken haben ausgereicht.

Tourengänger: Nik Brückner


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