Tag 47: Steinbocktag - Vom Rifugio Tagliaferri übers Rifugio Curó zum Rifugio Coca


Publiziert von Nik Brückner , 15. Dezember 2015 um 19:52. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Italien » Lombardei
Tour Datum:25 Juni 2015
Wandern Schwierigkeit: T4- - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1190 m
Strecke:12,5km

Im Sommer 2015 kamen Judith7 und ich auf einer Alpendurchquerung von Wien nach Monaco auch durch die Bergamasker Alpen (Alpi Orobie). Die zwölf Tage, die wir dort verbrachten, gehörten zu den faszinierendsten unserer Tour. Eine derart wilde, rauhe Schönheit hatte von den Landschaften, die wir in den 103 Tagen durchquerten, keine andere zu bieten. Deshalb wollen wir diese Tage hier ausführlich dokumentieren, weil die Gegend es wert ist, ein wenig bekannter zu sein.

Am Tag zuvor waren wir vom Bivacco Davide über den Passo del Sellerino zum Rifugio Tagliaferri gekommen, und dort fürstlich empfangen worden - mit nicht weniger als 90 Grappasorten! Nun ging es am nächsten Morgen weiter - ganz ohne Kopfweh!

Die Tour vom Rifugio Tagliaferri übers Rifugio Curó zum Rifugio Coca war eine lange Etappe
, aber auch eine ganz wunderbare Tieretappe, das kommt zu der grandiosen Landschaft hinzu.

Im Rifugio Tagliaferri (2328m) gab es ein echt italienisches Frühstück: Superkarg und superdürftig. Währenddessen unterhielten wir uns mit einem netten jungen Kerl aus der Gegend über unsere Route. Zu unserer Überraschung war er skeptisch: Eventuell wären für den Weg über den Passo Belviso Steigeisen nötig? Wir wunderten uns: Der Pass hat doch nur etwas über 2500m! Na gut, es hat noch viel Schnee hier in den Bergamaskern. Aber wir wollten's probieren. Schließlich war unser Plan, die Bergamasker Alpen auf der höchstmöglichen Route zu durchqueren!

Weg von der Hütte geht es südlich einer Rippe, die sich zum Passo di Venano herunterzieht, in dem die Hütte steht. Hier sahen wir schon ein erstes Murmeli, und unsere Stimmung stieg! Sie stieg nochmal, als wir aus den Wolken stiegen, etwas unterhalb der Stelle, an der der Weg zu besagter Rippe hinaufkommt. Und hier sahen wir dann auch den Schnee: Es war noch ordentlich da, aber zum Glück war es kalt, so dass die Querung des Schneefelds hinüber zum Passo di Belviso kein Problem war. Der Schnee war gut, hart, aber es ist schon steil. Als es dann mal ging, haben wir die letzten Fotos nach Osten gemacht: Hinüber zu Adamello und Presanella, die wir von hier aus zum letzten Mal sahen.

Der Passo di Belviso (2518m) dürfte kein Problem sein, wenn er schneefrei ist. Für uns war er nicht ohne, auch im südwestlichen Abstieg nicht, denn da wartete das nächste harte Schneefeld. Wir haben uns recht vorsichtig hinuntergetastet.

Nun werden die Südhänge des Monte Gleno gequert. Dabei waren wir uns nicht sicher, ob wir uns über den Schnee freuen sollten, oder ob uns eine schneefreie Route lieber gewesen wäre. Der Weg ist nicht ganz ohne, es gibt kraxelige Stellen in ungutem Fels (I), bröselige Rinnen, der Schnee auf der anderen Seite war hart und steil.

Irgendwann ist man dann raus aus dem Zeug und es geht einen grünen schönen Schrofenhang hinauf in die nächste Scharte, den Passo Bondione, in der Südrippe des Pizzo dei Tre Confini. Der Aufstieg ist allerdings ordentlich steil!

Dafür wurden wir im Passo Bondione (2680m) dann von Steinböcken erwartet. Die Bergamasker Alpen sind ein einziges großes Steinbockrevier - es verging kaum ein Tag, an dem wir keine beobachten konnten!

Wir hatten ja keine Ahnung, was uns diesbezüglich noch erwarten würde...

Vom Passo Bondione in der Südrippe des Pizzo dei Tre Confini ging es dann hinüber zum Imbocco Val Cerviera (2680m) in seiner der Südwestrippe. Der nächste schöne Grat! In den Bergamasker Alpen sollte man mal ein paar weglose Grattouren gehen!

Im Abstieg gab's viel viel Schnee. Wiederholt mussten wir unsere eigene Route wählen, weichen Schnee umgehen, Markierungen suchen, uns zum Weg zurück durchschlagen. Und wir hatten eine der seltenen Begegnungen mit einem anderem Bergsteiger: Ein Italiener, natürlich, kaum jemand sonst ist in dieser Gegend unterwegs. Leider! Denn schön ist's hier! Und wieder kriegen wir hilfreiche Infos - die Italiener sind ein sehr freundliches und hilfsbereites Volk.

Wir trennten uns und stiegen weiter ab. Im Talgrund des Val Cerviera angekommen hatten wir dann eine der unglaublichsten Tierbegegnungen unserer Tour: Nicht weit von uns kämpften zwei Steinböcke um die Herrschaft im Tal - und um die Mädels in der Gruppe...

Nachdem wir umfangreiche Fotoserien geschossen hatten, ging es nun endgültig hinunter zum Lago del Barbellino (1862m). Ein Stausee zwar, aber sehr schön. In 5 Minuten gelangten wir an seinem Südufer zum Rifugio Curò (1895m).

Das Rifugio Curò ist ein sehr professionelles Rifugio, fast ein Berghotel. Entsprechend viel ist hier los, Bergsteiger, Familien, Ausflügler. Wir bestellen Pasta und das unvermeidliche Lemonsoda, da treffen wir den jungen Bergsteiger aus dem Tagliaferri wieder! Er ist eine andere Route gegangen, leichter, mit weniger Schnee. Wir reden über die Touren und über die Verhältnisse, über Sprachen und Berufschancen, dann trennen wir uns und jeder geht seiner Wege. Eine von vielen schönen Begegnungen in den 103 Tagen.

Es ging weiter, hinunter zum See, ein kurzes Stück an diesem entlang, und dann an der Staumauer hinunter. Dort wartete die nächste Überraschung: In der Mauer war ein Dutzend Steinböcke auf der Suche nach Salz. Ein paar Junge lagen oder hopsten auf einem Felsen daneben herum, die meisten aber stiegen in der Mauer soweit hoch wir nur irgend möglich. Ein fantastischer Anblick: Meisterkletterer in einer scheinbar glatten Betonwand!

Nach Absolvierung einer weiteren Fotoserie passierten wir nun den unteren See, querten im Talgrund, und stiegen daraufhin steil auf der gegenüberliegenden Seite Richtung Passo del Corno (2239m) hinauf. Steil! Und wieder so ein typisch orobisches Weglein. Auf halber Höhe erwarteten uns zwei zutrauliche Gämsen, die uns für ein Paar-Foto Modell standen, und weiter oben noch mehr Steinböcke. Einer direkt auf dem Weg - fast ließ er sich von uns streicheln. Aber nur fast.

Der Weg über den Passo del Corno ist ein wilder, schmaler Pfad in steiler Graswand. Leider war uns kaum ein Talblick vergönnt - nur einige wenige Male riss es auf, und dann konnten wir in eine gähnende Schlucht blicken!

Nach langem Auf und Ab in Schafsteig-Manier ging es dann endlich hinunter zum Rifugio Coca. Leider mit nochmaliger weiter Schleife mit ca. 40 zusätzlichen Höhenmetern, weil eine kürzere Variante weiter oben nicht beschildert ist. Bei acht Stunden reiner Gehzeit ein bisschen nervig.

Dafür war das Rifugio Coca (1882m) umso schöner: Eine tolle Hütte, teils nagelneu, betrieben von einer jungen, engagierten Wirtsfamilie. Hier treffen wir auch auf zwei Südtiroler, die auf die Coca wollen. Sehr nette Burschen - wir kriegen einen Wein ausgegeben. Wie kann ein Tag schöner enden!

Wer hätte an diesem Abend gedacht, dass uns am nächsten Tag mit der Route vom Rifugio Coca zum Rifugio Baroni eine noch wildere und anspruchsvollere Tour bevorstand!

Tourengänger: Nik Brückner, Judith7


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