Rotwandsteig - Via Ferrata Zandonella - Strada degli Alpini


Publiziert von Nik Brückner , 4. Februar 2020 um 16:21. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:14 August 1992
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K4 (S)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 3 Tage
Aufstieg: 2800 m
Abstieg: 3400 m
Strecke:26km
Unterkunftmöglichkeiten:Moos, Rotwandwiesenhütte, Bertihütte, Zsigmondy-Comici-Hütte

Drei Tage durch die Sextener Dolomiten, auf drei teils berühmten Eisenwegen - das war unsere Tourenplan im Jahr 1992 - huh! - lang ist's her! Mein Vater und ich wollten auf die Sextner Rotwand (auch bekannt als der Zehner der Sextner Sonnenuhr), weiter zur Bertihütte, und den berühmten Alpinisteig gehen. Oder genauer:

Tag 1: Rotwandwiesenhütte - Rotwandsteig - Sextner Rotwand - Via Ferrata Zandonella -  Rifugio A. Berti al Popera

Tag 2: Rifugio A. Berti al Popera - Sentinellascharte - Strada degli Alpini - Rifugio Zsigmondy-Comici

Tag 3: Rifugio Zsigmondy-Comici - Moos

Diese Runde schließt drei Klettersteige ein: Den Sextner Rotwandsteig, die schwierige Via Ferrata Zandonella und die einfache Strada degli Alpini. Voller Vorfreude, und mit Isildurs Banes "The Voyage - A Trip To Elsewhere" im Player, machten wir uns auf nach Sexten.

Am Vortag baumelten wir mit der Rotwandbahn von Moos aus hinauf zur Rotwandwiesenhütte (1924m), wo wir es uns gutgehen ließen, und eine ruhige Nacht verbrachten. Am nächsten Tag dann machten wir uns auf den Weg.



Tag 1, Klettersteig 1: Rotwandsteig

Der Sextener Rotwandsteig führt auf alten Frontsteigen aus dem Ersten Weltkrieg durch die oft unübersichtliche Nordflanke der Rotwand, des  „Zehners“ der berühmten Sextener Sonnenuhr. Entsprechend viele Relikte aus dieser furchtbaren Zeit bekommt der Bergsteiger zu Gesicht.


Los ging's an einem frühen Morgen an der Rotwandwiesenhütte (1924m). Von dort aus wanderten wir in südlicher Richtung über die Rotwandwiesen hinauf bis zur Abzweigung oberhalb des Rotwandwiesen-/Porzen-Schlepplifts in etwa 1970 Metern Höhe. Hier wandten wir uns nach rechts in den Wald, wo man zu einem kurzen versicherten Abschnitt (Stufen, A) gelangt. Weiter geht's zu einem Wegweiser in etwa 2150 Metern Höhe. Hier geht es halbrechts Richtung Alpinisteig und Sentinellascharte, halblinks ist der Klettersteig zu Rotwandspitze angeschrieben

Wir hielten uns also links, und stiegen an den Rotwandköpfen vorbei weiter hinauf. Der Weg hält sich bald links der Rotwandköpfe, und man gelangt zu einer Scharte auf etwa 2300 Metern. Dort steigt man ein paar Meter ab, zu der Stelle, an der von links der Weg vom Burgstall heraufkommt. Hier wandten wir uns nach rechts, und wanderten im Geröll hinauf zum Einstieg in den Klettersteig, der durch einen roten Punkt am Fels markiert ist.

Eine klassische Dolomiten-Ferrata! Es gibt Leitern... Gleich zu Beginn warten die ersten drei davon, mit insgesamt etwa einhundert Sprossen (A). Sie führen hinauf zu einem Kamin, in dem man weiter hinaufklettert. (A/B). Der Ausstieg führt hinaus in Gehgelände, es geht durch einen Kessel weiter zu einer Rinne, in der man weiter hinaufsteigt (A/B). Darüber wartet erneut Gehgelände, teils schrofig (A), bis man zu einer verfallenen Stellung aus dem Ersten Weltkrieg gelangt. Es ist die Wurzbachstellung (2675m).

Eine längere Wanderpassage führt nun an den Ruinen der Wurzbachstellung vorbei, hinauf in eine Scharte. Drüben geht es einige Meter hinunter, und weiter zu einer nächsten Leiter (A). Hier zweigt erneut rechts ein Weg rechts Richtung Alpinisteig und Sentinellascharte ab.

Wir wandten uns erneut nach links und stiegen einen Geröllhang hinauf zu einer letzten Wandstufe. Die Versicherungen führen einen Aufschwung hinauf (A/B) bis zum Ende des Klettersteigs. Von dort aus geht es nach links, es sind noch etwa 60 Höhenmeter bis zum Kreuz auf dem Ostgipfel der Sextener Rotwand (2936m).

Am Gipfelkreuz hat man eine herrliche Aussicht Richtung Alpenhauptkamm und Karnische Alpen. Zu sehen sind so viele Gipfel! Darunter Marchinkele, Steingrubenkogel, Lasörling, Großvenediger, Kugelwand, Hochgrabe, Stanzling, Kugelspitze und Regenstein, Rappler, Großglockner, Triglav, Cima Bagni, natürlich Cima Popera, Hochbrunner Schneid, Zsigmondykopf, Elfer, Monte Cristallo,  die Drei Zinnen, die Tofanen, die Fanesgruppe, Piz Boe, der Einser, Cevedale, Königspitze und Ortler, Ifinger, Hirzer, Dreischusterspitze, und der Olperer. Wahnsinn!


Schwierigkeiten: mäßig schwierig (K2/WS/B). Ein Topo findet sich hier.



Tag 1, Klettersteig 2: Via Ferrata Zandonella

Um drüben wieder von der Rotwand hinunterzukommen, wählten wir die wesentlich anspruchsvollere Via Ferrata Zandonella. Auf unserer Karte waren zwei Varianten eingezeichnet, die auch heute noch existieren: eine westliche, direkte, und eine östliche, die einen etwas weiteren Weg beschrieb. Welche sollten wir nehmen? In den Zeiten vor dem Internet keine leichte Entscheidung. Angesichts der Wetterlage entschieden wir uns für die direkte Variante, in der Hoffnung, dort schneller zu sein. Nicht ahnend, dass wir damit eine der damals  anspruchvollsten Überschreitungen in den Dolomiten wählten - in der Gegenrichtung. Die östliche Variante, vom Gipfelkreuz weiter Richtung Nordosten, wäre die Abstiegsvariante gewesen.

Wir wanderten
also zurück zum Ausstieg des Rotwand-Klettersteigs, und wandten uns hier nach links. Es geht kurz aufwärts in eine schmale Scharte (ca. 2910 m) unter dem sogenannten "Trapez". Dann folgen die ersten Kletterstellen: Drahtseile leiten, anfangs noch nicht so schwierig, durch eine steile Rinne hinunter auf ein natürliches Band (Cengia). Auf dem komfortabel breiten Band wandert man nun horizontal hinüber zu einigen alten Stellungen auf ca. 2840 Metern Höhe. Wenn das Band nach unten verlassen werden muss, beginnen die Schwierigkeiten...

Die nächsten 200 Höhenmeter sind zwar schwer, aber im Grunde gut zu klettern. Die Route führt meist direkt in die Tiefe, und folgt dabei immer wieder natürlichen Gegebenheiten, wie Verschneidungen und steilen Schluchten. Luftig wird es, wenn über senkrechte Felsstufen abgeklettert werden muss. Aber der Steig ist durchwegs mit Drahtseilen und zwei kurzen Leitern gut gesichert. Trotzdem: Die Via Ferrata Zandonella ist im Abstieg ziemlich anspruchsvoll, und gerade in den senkrechten Passagen, mit den teils nur kleinen, von oben oft nur schlecht zu erkennenden Tritten, hörte man mich laut fluchen, und meinen Vater mit großer Gelassenheit und Geduld Tritte ansagen. Im Aufstieg macht die Kletterei in dem steilen, aber griffig-festen Fels sicherlich mehr Spaß.

Aber die technischen Schwierigkeiten waren nicht unser einziges Problem. In diesem Abschnitt besteht nämlich ganz erhebliche Steinschlaggefahr, vor allem durch oberhalb Kletternde. Aufgrund der konsequent direkten Routenführung, dem reichlichen Schotter und den vielen Verschneidungen, die bei Steinschlag schnell zu veritablen Kanonenrohren werden können, ist Via Ferrata Zandonella äußerst steinschlaggefährdet. Dazu kam, dass sich der Himmel immer mehr zuzog, und das Heraufziehen eines Gewitter nur noch eine Frage der Zeit war.

Wir waren froh, als wir aus dem Gröbsten heraus waren. Unten verlässt man eine Schlucht, und quert hinüber zu einem kurzen Überhang, der abgeklettert werden muss. Bei ehemaligen Stellungen in einer großen natürlichen Höhle, auf ca. 2680 Metern Höhe, enden die Sicherungen schließlich.

Mittlerweile hatte es sich zimelich zugezogen, das spätnachmittägliche Gewitter zog heran. Wir hielten uns nicht lange auf, und machten uns an den Abstieg zur Bertihütte.

Von rechts kommt der Weg aus der Sentinellascharte herunter. Wir folgten diesem Weg über eine riesige Schutthalde bergab. Er führt hinunter ins Vallon Popera, am Lago di Popera (2153m) vorbei, und weiter zum Rifugio Berti (1942m), das etwa 650 Höhenmeter unterhalb des Zandonella-Ausstiegs auf einem kleinen Plateau steht. Wir erreichten die Hütte knapp vor dem Beginn des Gewitters.

Schwierigkeiten: Klettertechnisch recht anspruchsvoll (K4–5/S/D)

Tag 1: 1200m/1200m, 8km



Tag 2: Alpinisteig/Strada degli Alpini

Am nächsten Tag stiegen wir gerade wieder hinauf zur Sentinellascharte. Unser heutiges Vorhaben: Die legendäre Strada degli Alpini.

Etwa eineinhalb Stunden braucht man für die knapp 800 Höhenmeter vom Rifugio Berti (1942m) hinauf in die Sentinellascharte (2717m). Drüben auf deren Westseite geht es hinunter zu einer Wegkreuzung auf etwa 2675 Metern Höhe.

Hier könnte kann man, anfangs versichert, in ein Geröllkar hinuntersteigen, und dort weiter zu den Rotwandwiesen oder ins Fischleintal gelangen. Bisweilen hat man gar keine andere Wahl: Die Querung zur Elferscharte kann nämlich – je nach den aktuellen Verhältnissen  – heikel oder sogar gefährlich sein: hier droht Steinschlag, und bis in den Spätsommer hinein muss man mit Altschnee und vereisten Passagen rechnen. Die Traverse der Elfernordwand ist damit der eigentliche Knackpunkt der Tour.

Der Alpinisteig wendet sich nun also in die Nordabstürze des Elfers. Es geht nach links zu zwei Brücken, mit deren Hilfe steile Schluchten gequert werden. Danach führt die Route (manchmal über eine steinschlagbedingte Umleitung, B) zu einem Block, der mit Hilfe einer Leiter überwunden wird (B). Dahinter folgt man einem ziemlich ausgesetzten Band weiter Richtung Elferscharte. Diese Passage ist ziemlich geröllig und kann durch Schneereste erschwert sein. Sie ist stellenweise versichert (A). Dann gelangt man zu einer Weggabelung (2695 m) oberhalb der Elferscharte (ca. 2650 m).

Auch hier ist nochmal ein Direktabstieg zu den Rotwandwiesen und ins Fischleintal möglich.

Hier steigt man nicht ganz hinunter in die Scharte, sondern wendet sich nach links, Richtung Carducci-/Zsigmondyhütte. Anfangs absteigend gelangt man auf die riesige Geröllrampe unter der Westwand des Elfers. Dann geht es auf Bändern weiter zu den Westabstürzen des markanten Elferturms. Hier, schon etwas südwestlich des Elfergipfels, beginnen die ersten Versicherungen nach der Elferscharte.

Man umrundet den Turm westlich (A), und gelangt dahinter ins Äußere Loch, einen wilden, oft schneegefüllten Kessel. Von dort aus geht es auf dem Salvezza-Band weiter, das durch die vertikale Felswand der Mitria Richtung Inneres Loch führt. Auf schmalen Bändern (A) geht es zu einem tiefen Spalt - der spektakulärsten (und berühmtesten) Stelle des Alpinisteigs. Hier heißt es Kopf einziehen. Die Alpini haben den Steig an dieser Stelle in die Felswand hineingesprengt, dabei entstand eine niedrige, künstliche Überdachung. Man biegt scharf links in den Spalt hinein, und geht auf dem künstlichen Band etwa 50 Meter in die tief eingeschnittene, schmale Schlucht hinein. Hinten quert man ein Altschneefeld (Steigeisen oder Grödeln mitnehmen!), das vermutlich immer da ist, dann geht's auf der gegenüberliegenden Seite wieder hinaus. Eine spektakuläre Szenerie!

Weiter geht's um die Mitria herum. Unterhalb der Spada enden die Seilversicherungen, dann führt die Route hinüber zur Mündung des Inneren Lochs (Busa di Dentro), wo der Normalweg zur Hochbrunner Schneid beginnt. Von hier aus steigt man hinauf Richtung Forcella Giralba. Das Giralbajoch bleibt jedoch unberührt. Wir lassen es links oberhalb liegen. Wenige Höhenmeter davor, am Ansatzpunkt des langgestreckten Hochleist-Rückens, wo sich der Weg an dem winzigen Eissee gabelt, hielten wir uns rechts. Unter der Nordwand des Zwölferkofels querten wir einen Geröllhang, und stiegen dann weiter hinunter zum Rifugio Zsigmondy-Comici (2224m).

Schwierigkeiten: Mittelschwer (K2–3/WS+ - ZS-/B)

Tag 2: 1600Hm/1300Hm, 10km



Tag 3: Talabstieg

Der dritte und letzte Tag unserer Tour war noch einmal schön, aber unspektakulär: Wir stiegen vom Rifugio Zsigmondy-Comici (2224m) hinunter zur Talschlusshütte (Rifugio Fondovalle, 1548 m), und wanderten von dort aus das Fischleintal hinaus. An der Fischleinbodenhütte (Rifugio Piano Fiscalino, (1454 m) vorbei ging es weiter nach Moos (1339 m), zur Talstation der Rotwandbahn, wo unsere Klettersteigrunde begonnen hatte.

Schön, der Abstieg von der Zsigmondi-Comici-Hütte... schöner Regen... Wir waren ganz schön nass, als wir unten ankamen. ...

Tag 3: 900Hm Abstieg, 8km



Fazit:

Was soll man sagen. Eine der klassischen Dolomitenrunden! Diese Tour gehört auf die Liste jedes Dolomiten-Klettersteig-Liebhabers. Allein des klassischen Fotos wegen, aber auch wegen des schönen Gipfels, der Aussicht, der faszinierenden Bänder, und der Geschichte. Grandios!


Tourengänger: Nik Brückner, H. Brückner


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Kommentare (4)


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georgb hat gesagt:
Gesendet am 11. August 2021 um 19:05
Servus Nik,
heute entdeckt: Super Tour, super Bericht! Am besten hat mir aber der Satz "Steinschlaggefahr, vor allem durch oderhalb Kletternde" gefallen. Wäre ja auch frech, wenn ein unterhalb Kletternder mit Steinen nach dir schlägt ;-)
Grüße Georg

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 12. August 2021 um 10:27
Hi Georg!

Danke Dir! Ja, Steinschlag von unten wäre mimr auch neu - aber hey, ich schließe im Gebirge nichts mehr aus. Da kann man alles erleben.

Herzlichen Gruß,

Nik

georgb hat gesagt:
Gesendet am 12. August 2021 um 10:36
Tatsächlich ist einen Freund von mir mal ein Stein von unten angesprungen. Auf einen Felsen geprallt und wieder hoch gehüpft. Leichtes Schädel-Hirn-Trauma!
"Es isch olm auzipassn", sagt der Pustertaler ;-)

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 12. August 2021 um 10:37
Ja, genau solche Sachen meine ich. Es gibt alles...


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