Strahlhorn, 4190 m


Publiziert von Nik Brückner , 5. September 2023 um 17:52. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:11 August 2023
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 10:15
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 1500 m
Strecke:16,5 Kilometer
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit der Felskinnbahn von Saas-Fee zur Station Morenia, und dann in knapp zwei Stunden zu Fuß zur Britanniahütte.
Unterkunftmöglichkeiten:Britanniahütte

"Was habt Ihr morgen vor?"
 
"Strahlhorn."
 
"Dann ist Frühstück um drei."

So unser Dialog mit der Concierge bei der Ankunft an der Britanniahütte am Vortag.

Na dann gut Nacht!



Mit WoPo1961 und Steven war ich da von der Zwischenstation Morenia heraufgekommen (der Weg vom Felskinn ist wegen eines Felssturzes gesperrt), um am nächsten Tag auf's Strahlhorn zu gehen. Eine lange Tour, daher das frühe Stück. Viertel vor drei klingelte der Wecker, um drei saßen wir beim Frühstück, 3:38 marschierten wir an der Britanniahütte (3027 m) los. In südwestlicher Richtung folgten wir zunächst ein kleines Stück einem Weg, den wir bald gegen ein blau markiertes Blockfeld eintauschten. Blockfelder sollten uns nun die nächsten Stunden zu einem wahren Genuss machen...

Wir stiegen hinunter zum Hohlaubgletscher, der zwar flach, aber zu dieser Nachtzeit hart gefroren und rutschig war.

WoPo schimpfte, zu Recht, hier wären Steigeisen, angebracht, angebracht gewesen. Denn auf der gegenüberliegenden Seite des Gletschers bricht dieser senkrecht ab, ausrutschen verboten.

Dann waren wir erneut im Blockfeld. Schön! Weiter ging's nun über den Gletscherbach und danach von Steinmann zu Steinmann Richtung Allalingletscher. Ohne das richtig zu sehen, hielten wir auf die Lücke zwischen Gletscher und dem Felskopf Pt. 3149 zu. Vor und hinter uns weitere Seilschaften, die Ähnliches auf anderen Wegen taten. Irgendwie (und irgendwo) kamen wir dann aber alle am Allalingletscher an.

Britanniahütte - Allalingletscher: weglos, aber markiert durch Blockwerk, T4/I, 2h


Endlich! Das Blockfeld war erst einmal überwunden. Nun ging es darum, auf den Gletscher zu gelangen. Nicht unbedingt leicht, weil Querspalten und ein steiler Gletscherrand das an vielen Stellen schwierig bis unmöglich machten. Eine Dreiergruppe suchte sich auch prompt einen unnötig schwierigen Zugang. Die hatten eben keinen WoPo!

Der nahm Steven und mich nun ans Seil und führte uns dann vergleichsweise bequem auf den Gletscher. Wir durchquerten den großen schwarzen Streifen und gelangten bald auf sauberes Eis. Dort wandten wir uns dann nach rechts und folgten dem Gletscher Richtung Allalinpass/Adlerpass.

Die Dreiergruppe ließen wir bald hinter uns, wo sie noch ein paar Recherchen in verschiedenen Richtungen machte, bevor sie einsah, dass WoPo1961 wusste, was er tat und uns folgte. Die anderen Seilschaften waren inzwischen vor uns bzw. mühten sich irgendwo unter dem Hohlaubgrat am Rand des Gletschers entlang.

In der Folge erwies sich WoPo1961 als ebenso unbeirrbarer wie unverzichtbarer Fährtensucher: Mit schlafwandlerischer Sicherheit suchte und fand er eine nahezu ideale Route durch ein schier endloses Labyrinth an Rippen und Spalten. Die meisten davon waren nur wenige Zentimeter breit, andere übersprangen wir, zu Stevens großer Begeisterung ("nobody told me there would be jumping!"). Irgendwann landeten wir in der Mitte des Allalingletschers, wo uns das Gehen deutlich leicht fiel und wir endlich schneller vorankamen. Nun brach auch der Tag an und nicht nur der Himmel hellte sich auf.

Dort besprachen wir kurz zwei Möglichkeiten: entweder noch geradeaus, durch ein Tälchen auf einen markanten Felssporn zu und kurz davor rechts hinauf, ober bereits vorher rechts haltend durch eine weitere Spaltenzone hinauf und näher am Rimpfischhorn in den AdlerpassWoPo1961 favorisierte letzteres, behielt erneut recht, und nach kurzer Labyrinthquerung (mit noch ein paar jumps) befanden wir uns endgültig in leichtem Gelände. Von der Dreiergruppe war hier allerdings keine Spur mehr zu sehen - die hatten aufgegeben. Es ist ein Kampf mittlerweile, das Strahlhorn. Aber nicht mehr ab hier. Nur leicht ansteigend geht es hinauf Richtung Adlerpass.

Trotzdem hatte ich in dieser Passage meinen ersten Durchhänger. Ich musste ziemlich kämpfen, um mich nicht von Steven ziehen zu lassen. Zu allem Übel zog WoPo1961 das Tempo an, er wollte verhindern, dass wir auf dem Rückweg das nun folgende Steilstück im warmen Mittagssulz hinuntermussten. 
 
Unterhalb des Adlerpasses (3789 m) schwenkte die Route also nach links, dann folgte das einzige Steilstück der Tour. Ich hatte mich wieder gefangen, und kam gut hinauf. Oberhalb legten wir eine kleine Pause ein - das Matterhorn ist zu sehen. Dann scheint das Gelände flacher zu werden, was uns die ersten, die vom Gipfel herunterkamen, auch bestätigten. So richtig erholt habe ich mich trotzdem nicht mehr, kurz vor dem Gipfel hatte ich erneut ordentlich zu kämpfen. Das Strahlhorn besitzt eine überraschend schmale Gipfelschneide, an der wir kurz ein bissl kraxeln mussten (I). Dann war der höchste Punkt des Strahlhorns (4190 m) erreicht!

Auf dem Allalingletscher zum Strahlhorn: Hochtour, T4/WS, 3:45


Und auch mein höchster Punkt bis dato! Zuvor war das der Gran Paradiso gewesen, mit 4061 Metern. Auch Steven war an seinem höchsten Punkt angekommen - er hatte das Weissmies übertroffen, das wir 2019 ebenfalls zu dritt bestiegen hatten. Nur WoPo1961 war noch höher oben gewesen, 1998 auf dem Mont BlancAber während die beiden den Gipfelerfolg feiern konnten, saß ich nur herum, völlig platt, und starrte in die Landschaft. Was für eine Rundsicht!

Los geht's mit dem unmittelbaren Nachbarn, dem Rimpfischhorn. Dahinter zeigen sich Alphubel, Täschhorn, Dom, Lenzspitze und Nadelhorn. Im Norden dann das Bietschhorn, J, M und - Aletschhorn. Schreckhorn und Finsteraarhorn sind zu sehen. Weiter Richtung Nordosten folgen wieder näher gelegene Gipfel: Fletschhorn und Lagginhorn, auf dem wir nur wenige Tage zuvor gewesen waren. Schon weiter im Nordosten: Das Weissmies

Weiter Richtung Osten folgen Almagell(er)horn, Piz d'Andolla und das nahegelegene Stellihorn. Dahinter so viele Gipfel, dass man auch die prominentesten nur erahnen kann: Piz Morteratsch, Piz Bernina, Monte Disgrazia - wart! Den Monte Legnone kenn' ich!

Italien! Dann die Monte-Rosa-Gruppe, Signalkuppe, Nordend, Dufourpitze, Liskamm, Castor & Pollux und Breithorn.

Weiter Richtung Westen dann der Chef im Ring: das Matterhorn. Links dahinter der Mont Blanc, rechts dahinter der Grand Combin de Grafeneire, gleich mehrere Aiguillen, die Dent Blanche, das Zinalrothorn und schließlich das Weisshorn. Damit schließt sich eine fantastische Runde, die ihresgleichen.... - na, in dieser Gegend nicht wirklich suchen muss.


Tja, und dann ging es wieder hinunterWoPo1961 hatte mit seiner Tempoverschärfung das Richtige getan, wir kamen die Steilstufe noch gut hinunter. Auf dem Allalingletscher blieben wir dann gleich weiter links, beim Rimpfischhorn. Doch wir sollten bald herausfinden, dass es am Ende gleichgültig war, welche Route man einschlug: man hat nur die Wahl zwischen Mist und anderem Mist. Spalten und Schutt oder andere Spalten und anderer Schutt. Steven war es dann schließlich, der eine geeignete Route vom Gletscher herunter fand. Hosenböden waren involviert, aber es war machbar und vor allem sicher

Runter vom Strahlhorn und über den Allalingletscher: Hochtour, T4/WS, 2:30


Und dann wieder: Blockwerk. Hier fluchten wir alle mal. Aber -

WoPo1961 hatte am meisten Grund dazu, war er doch vor Jahren schon einmal am Strahlhorn gewesen und wusste daher, wie es einst hier aussah. Damals muss man von der Britanniahütte aus auf den Gletscher abgestiegen und dann vergleichsweise geruhsam bis zum Gipfel gekommen sein. Heute erkauft man sich den schönen Teil der Tour mit einem unschönen, mühseligen und wenig vergnüglichen Ein- bzw. Ausstieg. Aber der Klimawandel ist ein Hoax der Windkraftlobby.

Bevor es gleich mit dem Nik`schen Bericht weiter geht, grätscht der WoPo für einmal in diesen Bericht und muss etwas los werden. Weil...schon 1992 weilte der damals noch junge und auch noch schweizhutlose Mann am Fuße des Strahlhorns und hatte großen Spaß beim Besteigen eben jenes Hörnchens. Schöne Gletscher waren DAS damals. Vor allen Dingen gingen diese bis fast zur Britanniahütte... nur die letzten ca 150 Höhenmeter Aufstieg waren auch 1992 am Ende der Tour ziemlich mühsam. Aber eben BIS zum Fuße der Hütte. Auch 2001 war es ein Vergnügen, das Strahlhorn zu besteigen. Und sogar 2013 kam man noch passabel vom Gipfel (nach Besteigung über den Südgrat) zur Hütte. Mittlerweile aber benötigt man morgens in der Frühe ca 2-3 Stunden Gewühle im teilweise beweglichen Blockgelände, bis man jenen Teil des Gletschers erreicht, der relativ spaltenarm daher kommt. Wer DABEI seine gute Laune behält und Spaß entwickelt, sich mühsam einen einigermaßen passablen Weg zu suchen... der/die muss ein ziemlich sonniges Gemüt haben. Damit MEIN Spaß nicht endgültig flöten geht, werde ich mich wohl zunehmend den Gegenden widmen, die zwar keine Gletscher haben, dafür festen Fels, mit Gras drumrum, angenehme Zustiege bzw Abstiege und überhaupt, wo das Auge keine sterbende Gletscher sehen muss und keine schwarze Sch...

Wie sagte einst der gute Trappatoni: "Ich habe fertig..." und damit gehts nun auch endlich in den finalen Nik-Bericht:

Um solche Themen drehten sich unsere Gespräche, als wir nun ohne Druck unseren Weg von Steinmann zu Steinmann suchten. Das letzte Problem dieser Tour war dann nicht mehr der Hohlaubgletscher, der anders als in der Nacht gut zu begehen war, sondern sein Gletscherbach, der zu dieser Tageszeit ordentlich angeschwollen war, und uns Schwierigkeiten machte, einen Weg hinüber zu finden. Das klappte dann aber schließlich auch, und so mussten wir uns nur noch die letzten 130 Höhenmeter zur Britanniahütte (3027 m) hinaufkämpfen. Was uns am Ende aber auch noch gelang.

Strahlhorn - Britanniahütte: Hochtour, T4/WS/I, ...

Allalingletscher - Britanniahütte: weglos, aber markiert durch Blockwerk, T4/I, 2h


Niks Fazit:

Schwierig. Nicht die Tour, das Fazit. Denn in ihrem mittleren Teil war das eine der großartigsten Touren meines Lebens: Ein Gletscher, wie man ihn sich vorstellt, gute Bedingungen unter blauem Himmel, mit einer phantastischen Sicht vom Gipfel. Die nieder gelegenen Abschnitte dagegen waren ein ziemlicher Kampf, ebenfalls nicht wirklich schwierig, aber nervig und alles andere als schön. Außer man steht auf schmutzige Gletscher und endlose Blockfelder.

Und das wird in den kommenden Jahrzehnten sicher nicht besser. Die Frage in diesem Zusammenhang lautet: Möchte man das eine mit dem anderen erkaufen? Und wann wird das eine nicht mehr vom anderen aufgewogen? Dieser Kipppunkt ist sicher für jede*n ein anderer, geben tut es ihn aber sicherlich für alle von uns. Das Strahlhorn garantiert jedenfalls allen eine Antwort.

Das Vergnügen lag für mich oberhalb von 3300 Metern, und in dieser Seilschaft. WoPo1961, der uns mit seiner Erfahrung und einem untrüglichen Gespür für die richtige Route durch das Spaltenlabyrinth des Allalingletschers führte, und Steven, der uns am Ende vom Gletscher wieder hinunterbrachte. Und dabei seinen Humor niemals verlor. Herzlichen Dank euch beiden, dass Ihr mich mitgenommen habt!


WoPos Fazit:

Merci vielmal, Nik. Meine Freude an DIESER Tour bestand darin, eure Begeisterung den Gipfel geschafft zu haben, sehen zu dürfen. Das stellt all meinen Frust ob den gewaltigen Veränderungen wieder etwas in den Hintergrund.


Ausrüstung:

Stecken, Pickel, Steigeisen


P. S.

Ein aufschlussreiches YouTube-Video gibt's hier.


...und am nächsten Tag sind wir auf noch einen Viertausender. Weil er da ist. Dieser sogar recht buchstäblich.

Tourengänger: WoPo1961, Nik Brückner


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Kommentare (6)


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Nyn hat gesagt: Blockfelder
Gesendet am 6. September 2023 um 08:42
Ein wenig schmunzeln musste ich da jetzt schon,weil der Nik ja sonst ein ausgemachter Blockfeld-Freak ist....
Aber es gibt selbst da Grenzen.
und Gratz zu euren neuen Höchstpunkt-Leistungen!

VG, Markus

Nik Brückner hat gesagt: RE:Blockfelder
Gesendet am 8. September 2023 um 12:23
Also, ein Blockfeld-Freak bin ich nun wirklich nicht, ein ausgemachter erst recht nicht. Ich mach das mal für ein Weilchen, dann macht's auch Spaß, aber die 4000er sind schon speziell.

Merci für die Congrats aber! War - zur Hälfte - eine fantastische Tour.

Grüßle,

Nik

Schubi hat gesagt:
Gesendet am 6. September 2023 um 13:15
Krasse Gschicht.

Nik, du hattest mir die Tour ja schon am Telefon geschildert – und nu weiß ich inzwischen wirklich nicht mehr, ob ich Dank meiner Sommergripe mit diesem Tourenprojekt etwas verpasst hab, oder mir etwas erspart blieb?!? :-/

Interessant auf jeden Fall zu erfahren, wie schnell/viel sich in den letzten Jahren am Gletscher verändert hat.

Und jep, die Windkraftlobby steckt da bestimmt hinter! ;o)

Beste Grüße, Frank

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 8. September 2023 um 12:27
Verpasst oder erspart - beides natürlich! Diese Tour lehrt ihre Begänger die Bedeutung dieser beiden Wörter. Ich kann nur sagen: Mit Dir wär's noch schöner gewesen!

Herzlichen Gruß,

Nik

Peter23 hat gesagt: Was kommt nach den 4Tausendern?
Gesendet am 6. September 2023 um 17:12
Lieber Nik
Diese Walliserrunde ist wirklich beeindruckend. Und was für tolle Fotos! Du hast bei mir viele schöne Erinnerungen an die Saaser Gegend geweckt. Aber das ist bereits Jahrzehnte her.
Liebe Grüsse Peter

Nik Brückner hat gesagt: RE:Was kommt nach den 4Tausendern?
Gesendet am 8. September 2023 um 12:30
Servus Peter!

Ja, das waren tolle Tage. Prima Leute, prima Wetter, primia Berge, prima Touren. Besser geht's nicht. Freut mich, dass ich dir ein paar Erinnerungen wecken konnte!

Dir einen herzlichen Gruß,

Nik


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