Grandes Jorasses, 4208m
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Da hatten sich die Bergfreunde Reinhard, Frank und Zeilenschreiberling mal wieder ein feines Toür`chen ausgesucht; nichts geringeres als Monsieur Jorasses sollte es werden! Als wackerer 4000er Sammler darf nicht immer nur gekleckert, sondern muß auch mal geklotzt werden. Meinten wir. Und steuerten nach mal wieder nur einer Einlauftour selbstbewußt das Val Ferret bzw das Fleckchen Planpansier an. Wer genau das Gerücht in die Welt gesetzt hatte, es hätten auch schon Leute vor lauter Einlaufen das Urlaubsende und einen 4000er Gipfelerfolg verpaßt, weiß ich nicht mehr. Aber die einhellige Meinung war: wenn nicht jetzt, wann dann?
Gut, das man vorher nicht weiß, was genau alles auf einen zukommen kann, auf solch einer Tour. Herausgekommen ist hierbei nämlich eine 2 Tagesgipfeltour mit ungeplanten und unfreiwilligen Freiluftbiwak. Aber gehen wir diese Tour besser chronologisch an, denn allen Anfang macht wie so oft der (mein) ungeliebte Hüttenaufstieg.
4 Std und gerade mal schlappe 1200 Höhenmeter benötigt man bis zum Rifugio Grands Jorasses (auch Rif. Boccalatte genannt), so stand`s im Tourenführer geschrieben. Ok, an den 1200 Höhenmetern ist nicht zu rütteln. Aber die Stundenzahl ist locker zu toppen!
Ehm, nach oben hin :-)
Klassischer Münsterländer Schönschwatz wäre, diese 5 Stunden jetzt mit Genießen der alpinen Pracht und Entfliehen aus dem Alltagsstress zu erklären.
Aber ich bin jetzt mal ganz ehrlich und schreibe euch Hikern: ich konnt nicht schneller!!
Dieses verfluchte Säckchen da hinten auf meinem Rücken drückte, was es nur zu drücken gab und meine im Laufe der Jahre hart erarbeitete HITPARADE DER UNANNEHMLICHKEITEN kam in diesen 5 Stunden voll zum tragen.
Des öfteren schon hier und da ein wenig beschrieben, erläutere ich es hier und jetzt ein wenig ausführlicher. Wie da wären auf Platz 5:
erst zu warm und dann zu kalt angezogen, das heißt Rucksack ab, auf, ab, auf,und so weiter. Nerv!
Platz 4:
Schnürsenkel zu locker zugezogen. Beim nochmaligen Nachziehen reißt der Schnürsenkel, und natürlich ist kein Ersatzschnürer zur Hand (was wiederum heißt: Rucksack ab, alle Sachen auspacken, weil Reepschnüre liegen gaaanz unten drin). Doppelnerv!
Kommen wir schon zu den Podiumsplätzen, auf Platz 3,
immer wieder gerne genommen (wem ist es noch nicht passiert?): Getränkeflaschen sind u.a. dazu da, sie fest zu verschließen. Sehr verdächtig ist dann, wenn beim ersten Hüttenanstiegsschluck die Flasche schon zu einem Drittel geleert ist... (hier käme jetzt ein kleiner Tusch!)
Platz 2 aus Wopo`s persönlicher Nervparade:
beim stumpf vor sich hin sinnieren, fällt dem Protagonisten plötzlich und unerwartet ein, das ein wichtiges Untensil...... (der geneigte Hikr-Leser darf hier nun selbstständig einsetzen, ob es sich um Steigeisen oder Pickel, Helm oder weiß-der-Henker-was handelt)
(ist mir auf jeden Fall alles schon mal passiert!)
fehlt, aber die nun mittlerweile 700 nach oben gegangegen Höhenmeter nicht noch mal wieder abgestiegen werden möchten!
Und nun meine verehrten Hikr-Damen und Hikr-Herren kommen wir zu meinem persönlichen Platz 1 (lang anhaltender Trommelwirbel):
man stelle sich in den Untiefen des rechten Schuhs irgendwo eine Stelle, zwischen WoPosocke und WoPoferse vor, wo dann im Laufe dieser 5 Stunden sämtlichen Stufen zwischen leicht unangenehm und aua, W I E verflucht Schweineschmerz ist DAS hier, durchlaufen.
Falls jetzt die Frage aufkommt, warum um alles in der Welt ich diese Stelle nicht verpflastert habe: liebe Freunde, siehe Platz 4, das Pflaster lag auch gaaaaanz unten.
Da diese Tour mittlerweile 12 Jahre her ist, verzichte ich lieber auf eine genaue Tourenbeschreibung. Viel zu viel kann sich seit dem verändert haben. Da der Hüttenweg im oberen Bereich einige Leitern und Ketten aufweist, würde ich ihn insgesamt mit T3-T4 einstufen.
Der Nachteil, wenn man mit 2 gleichzeitig gestarteten Freunden als Letzter zur Hütte kommt, es wird milde und etwas mitleidig belächelnd auf deine Schultern geklopft, dein Rucksack wird dir abgenommen und du fühlst dich wie die letzte Graupe der Ost- und Westalpen.
DER Vorteil (es gibt leider nur Einen ) bei dieser Angelegenheit: dir wird gleichzeitig ein kühles Bier gereicht! (ja,ja, die Freunde hatten keine Kosten gescheut :-)
Trotz des Bieres, ich war not amused. Die Blase (am Fuß :-) hatte Ausmaße eines erloschenen Vulkankraters, tat höllisch weh und guter Rat war nicht nur teuer, sondern adhoc auch ziemlich wichtig.
Doch ausnahmsweise kamen mir meine Freunde der Wetterfraktion zur Hilfe, denn in der Nacht schlug das Wetter um und morgens gegen 03.30 Uhr verließ kein Mensch die Hütte Richtung Gipfel. Ausschlafen und ein ruhiges Frühstück waren angesagt.... und für mich zusätzlich intensivste Blasenbehandlung. Nein, nicht vom Urologen, sondern vom zum Sanitäter ausgebildeten Frank
Hast du Blasen, bist du krank
nicht verzagen, hilft dir Frank :-))
Gefühlte 2 kg Pflaster befanden sich danach am Fuß und weil sich mittlerweile ein kleines schüchternes Hoch versuchte, durchzusetzen, wollten wir diesen Ruhetag noch nutzen, ein wenig den weiteren Weg zu erkunden. Frei nach meinem Motto: gib Blasen keine Chancen, denn Schmerzen werden total überbewertet, zogen wir irgendwann am Vormittag los. Die Hütte liegt auf einer Felsinsel, am westlichen Ufer auf dieser über Schutt hinauf zum Felsgrat. Dieser trennt die beiden Gletscher Glacier Jorasses und Glacier Planpansier. Linksseitig (also östlicher Rand des Gl. Planpansier) aufsteigen bis zum oberen Ende des eben genannten Felsgrates. Über den nun (damals schon!) spaltenreichen Gletscher ca 300 m zum unteren Ende der Reposoirfelsen. Die letzten 200m bis zu den Felsen hatten wir uns damals großzügig geschenkt, denn der Weg war klar zu erkennen.
Zurück in der Hütte bekam meine wieder zickende Blase ne Menge frischer Luft an die Wunde, in der Hoffnung das dies heilende Wirkung zeigte.
Der folgende Tag war noch recht jungfräulich, als Reinhards Zeiteisen anfing zu piepsen. Recht schweigend wurde ein frühes Frühstück eingenommen und gegen ca 4 Uhr zogen 3 wackere Gesellen, immer noch schweigend, los, um geschmeidige 1400 Höhenmeter hinter sich zu bringen. 6-7 Stunden Aufstieg und ca 5 Stunden Abstieg werden normalerweise veranschlagt d.h. normale Rückkehr zur Hütte wäre gegen 15/16 Uhr gewesen. Knapp um schlappe 18 Stunden die Rückkehrzeit verpasst, wie sich später noch herausstellen sollte.
Der Casus knacktus für unsere kleine Verspätung war schlicht und ergreifend; wir waren zu langsam!
Trotz Wegerkundung am Vortag brauchten wir schon bis zum Gletscher mehr als der normale Zeitrahmen erlaubte. Im Dunklem und mit Nebel hier und da, sieht alles halt etwas anders aus. In den Reposoirfelsen wird man als Dreierseilschaft auch nicht gerade schneller, dazu kommt noch der übliche Verhauer mit anschließender Diskussion und schon fluppen die Stunden nur so dahin. Wie feinster Pudersand, der durch die Hände zerrinnt, so wurde unser Stundendepot immer kleiner. Auch gesicherte Seillängen im Eis trugen ihren Teil zur Münsterländer Langsamkeit bei und als einzigste Seilschaft unterwegs zu sein ist grundsätzlich zwar stressfreier und hat seinen Charme, hat aber auch den Nachteil einer genaueren Wegsuche und schwupp: wieder ein Stündchen Zeit ins Land gegangen!
Unser einziges Plus war ein stabiler Schönwettertag, strahlend blauer Himmel, kein Wölkchen weit und breit und für Montblanc Verhältnisse außergewöhnlich!
Ich glaube, gegen 13.30 standen wir am Gipfel der Pointe Whymper, gegen 14.00 Uhr war der Pointe Walker erreicht. Trotz des immens großen Zeitbedarfs, welchen wir bis zum Gipfel benötigten, waren wir von der Aussicht begeistert, standen alleine auf dem Gipfel und fühlten uns wie Könige, die stolz auf ihr Königreich hinab blickten. Leider standen die für Könige üblichen Sänften grad mal nicht parat und wir mußten uns mit dem Gedanken anfreunden, aus eigener Kraft den Rückweg anzutreten.
Unser Hüttenwirt hatte uns den Tip gegeben, von der Pointe Walker direkt abzusteigen, was wir dann auch taten. Von einem Zeitgewinn konnte hierbei aber nicht gesprochen werden, die Wegführung war uns nicht immer klar.
Und solche elementaren Dinge werden dann sehr gerne auch mal ausdiskutiert!
So dauerte es um einiges länger, bis wir aus den oberen Felsen heraus wieder den Gletscher betraten. Mittlerweile waren wir, auch wegen der fehlenden Akklimatisation, ziemlich platt und gar gekocht wie Wirsingkohl und immer öfter mußten nun Pausen eingelegt werden.
Was mir aber auch nach mittlerweile 12 Jahren immer noch am gravierensten in Erinnerung geblieben ist, war der unglaubliche Durst, der mich damals quälte. Meine 2 Liter Wasserflasche hatte ich irgendwann in den Nachmittagsstunden schon leer gezoschelt und es gab leider keine Möglichkeit mehr, noch einmal neu "aufzutanken". Was hätte ich ein Vermögen für eine Flasche Bier, ach was schreib ich, für eine Flasche Wasser ausgegeben (und ich bin wirklich nicht der geborene Wassertrinker!!!!)
Bis zum oberen Beginn der Reposoirfelsen sind wir noch gekommen, dann war Schluß mit lustig bzw das folgende Abseilmanöver im Dunklen wäre ein viel zu großes Risiko gewesen. Nach 14 Hochtourenjahren stand das erste unfreiwillige Freiluftbiwak unmittelbar bevor.
Luftmatratzen, Federbetten und Federkissen wurden ausgepackt, der Grill angefeuert und die Zapfanlage in Betrieb genommen. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, der Realität leider wohl.
Anstatt der Luftmatratze saßen wir auf unseren Rucksäcken, anstatt Federbetten und Kissen wurde alles, was der Rucksack hergab, angezogen und anstatt Grillgut und Zapfanlage, wurden Kekse, Müsliriegel und für jeden von uns 3 Schluck aus Franks Getränkepulle zusammen geklaubt.
Wie 3 Blödmannsgehilfen saßen wir dann da oben auf unseren Rucksäcken und blickten zur fernen Gewitterwolke (die Gott sei Dank in der Ferne an uns vorüber zog) und auf die 700 m tiefer liegende Grandes Jorasses Hütte nieder. Ich glaube, jeder von uns hat beim Hüttenblick recht häufig an ein kühles, frisches, leckeres, prickelndes "Getränk" gedacht, und wie es sich anfühlt, die Flasche/Dose in die Hand zu nehmen, noch einen kurzen Moment innehalten, dann die Flasche/Dose zu öffnen und..... (hier käme jetzt normalerweise wie in einer bekannten Bierwerbung nach dem ersten Schluck das langanhaltende...aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahhhhh, aber wo keine Flasche,da auch kein aaaaa..).
Immer wieder kurz einnickend, immer wieder schnell wach werdendend, so schneckten die Stunden gaaaanz laaaangsaaaam daaaaahiiiiiiiiiiiiiiiiin. Den Kollegen rechts und links neben mir erging es auch nicht viel besser. Irgendwann mag ich keinen Biwaksack mehr, kann nicht mehr sitzen, hier kratzt was, dort juckt es, ein Kribbeln in den Beinen und ich muß wieder mal aufstehen und mich strecken. Meine Freunde waren bald ziemlich genervt ob meiner Unruhe und wenn nicht dann doch auch diese Nacht vorüber gegangen wär, ich glaube ich hätte mich wie Troubadix, gefesselt an meinem Rucksack wieder gefunden... obwohl ich wirklich nicht singen wollte.
Kaum das es einigermaßen akzeptabel hell war, sah man uns schon abseilend durch die Repoisorfelsen hinunterhuschen. Huschen ist eigentlich etwas übertrieben, denn zumindest 1 x konnte das Seil erst abgezogen werden, nachdem Frank zum letzten Stand wieder hinauf geklettert war. Es gab Momente in meinem Leben, da war ich schon ausgeglichener und ruhiger,als dort am Repoirsorfelsen mit verklemmten Seil nach einer unfreiwilligen Biwaknacht! Aber selbst dieses Hindernis überwand Deutschlands langsamste Dreierseilschaft irgendwann. Nur noch der Gletscher und alles wird gut, dachten wir.
Normal für diese Chaosgeschichte wäre nun ein Schluß mit komplizierten Ende, eine Panne oder Stau oder Umleitung (was anderes ist mir grad nicht eingefallen, weil, alle sonstigen Komplikationen hatten uns während der letzten 30 Stunden eh schon ereilt :-)).
Aber, oh Wunder, wir kamen tatsächlich ohne weitere Probleme bis zur Hütte.
Den Rest des Tages verbrachten wir in dem Rhythmus - trinken, essen, schlafen - und mit dem wohltuenden Gedanken, das uns so etwas so schnell nicht wieder passieren wird.......
Natürlich kommt in meiner Geschichte jetzt ein Nachsatz!
..... exat 3 Tage später (leider wirklich nicht gelogen) saßen wir in einem fetten Schneesturm unweit der Vallot Schachtel fest und erlebten unser näxtes unfreiwilliges Biwak draußen.... aber das ist nun wieder eine andere Geschichte (irgendwann auf hikr.org)
Gut, das man vorher nicht weiß, was genau alles auf einen zukommen kann, auf solch einer Tour. Herausgekommen ist hierbei nämlich eine 2 Tagesgipfeltour mit ungeplanten und unfreiwilligen Freiluftbiwak. Aber gehen wir diese Tour besser chronologisch an, denn allen Anfang macht wie so oft der (mein) ungeliebte Hüttenaufstieg.
4 Std und gerade mal schlappe 1200 Höhenmeter benötigt man bis zum Rifugio Grands Jorasses (auch Rif. Boccalatte genannt), so stand`s im Tourenführer geschrieben. Ok, an den 1200 Höhenmetern ist nicht zu rütteln. Aber die Stundenzahl ist locker zu toppen!
Ehm, nach oben hin :-)
Klassischer Münsterländer Schönschwatz wäre, diese 5 Stunden jetzt mit Genießen der alpinen Pracht und Entfliehen aus dem Alltagsstress zu erklären.
Aber ich bin jetzt mal ganz ehrlich und schreibe euch Hikern: ich konnt nicht schneller!!
Dieses verfluchte Säckchen da hinten auf meinem Rücken drückte, was es nur zu drücken gab und meine im Laufe der Jahre hart erarbeitete HITPARADE DER UNANNEHMLICHKEITEN kam in diesen 5 Stunden voll zum tragen.
Des öfteren schon hier und da ein wenig beschrieben, erläutere ich es hier und jetzt ein wenig ausführlicher. Wie da wären auf Platz 5:
erst zu warm und dann zu kalt angezogen, das heißt Rucksack ab, auf, ab, auf,und so weiter. Nerv!
Platz 4:
Schnürsenkel zu locker zugezogen. Beim nochmaligen Nachziehen reißt der Schnürsenkel, und natürlich ist kein Ersatzschnürer zur Hand (was wiederum heißt: Rucksack ab, alle Sachen auspacken, weil Reepschnüre liegen gaaanz unten drin). Doppelnerv!
Kommen wir schon zu den Podiumsplätzen, auf Platz 3,
immer wieder gerne genommen (wem ist es noch nicht passiert?): Getränkeflaschen sind u.a. dazu da, sie fest zu verschließen. Sehr verdächtig ist dann, wenn beim ersten Hüttenanstiegsschluck die Flasche schon zu einem Drittel geleert ist... (hier käme jetzt ein kleiner Tusch!)
Platz 2 aus Wopo`s persönlicher Nervparade:
beim stumpf vor sich hin sinnieren, fällt dem Protagonisten plötzlich und unerwartet ein, das ein wichtiges Untensil...... (der geneigte Hikr-Leser darf hier nun selbstständig einsetzen, ob es sich um Steigeisen oder Pickel, Helm oder weiß-der-Henker-was handelt)
(ist mir auf jeden Fall alles schon mal passiert!)
fehlt, aber die nun mittlerweile 700 nach oben gegangegen Höhenmeter nicht noch mal wieder abgestiegen werden möchten!
Und nun meine verehrten Hikr-Damen und Hikr-Herren kommen wir zu meinem persönlichen Platz 1 (lang anhaltender Trommelwirbel):
man stelle sich in den Untiefen des rechten Schuhs irgendwo eine Stelle, zwischen WoPosocke und WoPoferse vor, wo dann im Laufe dieser 5 Stunden sämtlichen Stufen zwischen leicht unangenehm und aua, W I E verflucht Schweineschmerz ist DAS hier, durchlaufen.
Falls jetzt die Frage aufkommt, warum um alles in der Welt ich diese Stelle nicht verpflastert habe: liebe Freunde, siehe Platz 4, das Pflaster lag auch gaaaaanz unten.
Da diese Tour mittlerweile 12 Jahre her ist, verzichte ich lieber auf eine genaue Tourenbeschreibung. Viel zu viel kann sich seit dem verändert haben. Da der Hüttenweg im oberen Bereich einige Leitern und Ketten aufweist, würde ich ihn insgesamt mit T3-T4 einstufen.
Der Nachteil, wenn man mit 2 gleichzeitig gestarteten Freunden als Letzter zur Hütte kommt, es wird milde und etwas mitleidig belächelnd auf deine Schultern geklopft, dein Rucksack wird dir abgenommen und du fühlst dich wie die letzte Graupe der Ost- und Westalpen.
DER Vorteil (es gibt leider nur Einen ) bei dieser Angelegenheit: dir wird gleichzeitig ein kühles Bier gereicht! (ja,ja, die Freunde hatten keine Kosten gescheut :-)
Trotz des Bieres, ich war not amused. Die Blase (am Fuß :-) hatte Ausmaße eines erloschenen Vulkankraters, tat höllisch weh und guter Rat war nicht nur teuer, sondern adhoc auch ziemlich wichtig.
Doch ausnahmsweise kamen mir meine Freunde der Wetterfraktion zur Hilfe, denn in der Nacht schlug das Wetter um und morgens gegen 03.30 Uhr verließ kein Mensch die Hütte Richtung Gipfel. Ausschlafen und ein ruhiges Frühstück waren angesagt.... und für mich zusätzlich intensivste Blasenbehandlung. Nein, nicht vom Urologen, sondern vom zum Sanitäter ausgebildeten Frank
Hast du Blasen, bist du krank
nicht verzagen, hilft dir Frank :-))
Gefühlte 2 kg Pflaster befanden sich danach am Fuß und weil sich mittlerweile ein kleines schüchternes Hoch versuchte, durchzusetzen, wollten wir diesen Ruhetag noch nutzen, ein wenig den weiteren Weg zu erkunden. Frei nach meinem Motto: gib Blasen keine Chancen, denn Schmerzen werden total überbewertet, zogen wir irgendwann am Vormittag los. Die Hütte liegt auf einer Felsinsel, am westlichen Ufer auf dieser über Schutt hinauf zum Felsgrat. Dieser trennt die beiden Gletscher Glacier Jorasses und Glacier Planpansier. Linksseitig (also östlicher Rand des Gl. Planpansier) aufsteigen bis zum oberen Ende des eben genannten Felsgrates. Über den nun (damals schon!) spaltenreichen Gletscher ca 300 m zum unteren Ende der Reposoirfelsen. Die letzten 200m bis zu den Felsen hatten wir uns damals großzügig geschenkt, denn der Weg war klar zu erkennen.
Zurück in der Hütte bekam meine wieder zickende Blase ne Menge frischer Luft an die Wunde, in der Hoffnung das dies heilende Wirkung zeigte.
Der folgende Tag war noch recht jungfräulich, als Reinhards Zeiteisen anfing zu piepsen. Recht schweigend wurde ein frühes Frühstück eingenommen und gegen ca 4 Uhr zogen 3 wackere Gesellen, immer noch schweigend, los, um geschmeidige 1400 Höhenmeter hinter sich zu bringen. 6-7 Stunden Aufstieg und ca 5 Stunden Abstieg werden normalerweise veranschlagt d.h. normale Rückkehr zur Hütte wäre gegen 15/16 Uhr gewesen. Knapp um schlappe 18 Stunden die Rückkehrzeit verpasst, wie sich später noch herausstellen sollte.
Der Casus knacktus für unsere kleine Verspätung war schlicht und ergreifend; wir waren zu langsam!
Trotz Wegerkundung am Vortag brauchten wir schon bis zum Gletscher mehr als der normale Zeitrahmen erlaubte. Im Dunklem und mit Nebel hier und da, sieht alles halt etwas anders aus. In den Reposoirfelsen wird man als Dreierseilschaft auch nicht gerade schneller, dazu kommt noch der übliche Verhauer mit anschließender Diskussion und schon fluppen die Stunden nur so dahin. Wie feinster Pudersand, der durch die Hände zerrinnt, so wurde unser Stundendepot immer kleiner. Auch gesicherte Seillängen im Eis trugen ihren Teil zur Münsterländer Langsamkeit bei und als einzigste Seilschaft unterwegs zu sein ist grundsätzlich zwar stressfreier und hat seinen Charme, hat aber auch den Nachteil einer genaueren Wegsuche und schwupp: wieder ein Stündchen Zeit ins Land gegangen!
Unser einziges Plus war ein stabiler Schönwettertag, strahlend blauer Himmel, kein Wölkchen weit und breit und für Montblanc Verhältnisse außergewöhnlich!
Ich glaube, gegen 13.30 standen wir am Gipfel der Pointe Whymper, gegen 14.00 Uhr war der Pointe Walker erreicht. Trotz des immens großen Zeitbedarfs, welchen wir bis zum Gipfel benötigten, waren wir von der Aussicht begeistert, standen alleine auf dem Gipfel und fühlten uns wie Könige, die stolz auf ihr Königreich hinab blickten. Leider standen die für Könige üblichen Sänften grad mal nicht parat und wir mußten uns mit dem Gedanken anfreunden, aus eigener Kraft den Rückweg anzutreten.
Unser Hüttenwirt hatte uns den Tip gegeben, von der Pointe Walker direkt abzusteigen, was wir dann auch taten. Von einem Zeitgewinn konnte hierbei aber nicht gesprochen werden, die Wegführung war uns nicht immer klar.
Und solche elementaren Dinge werden dann sehr gerne auch mal ausdiskutiert!
So dauerte es um einiges länger, bis wir aus den oberen Felsen heraus wieder den Gletscher betraten. Mittlerweile waren wir, auch wegen der fehlenden Akklimatisation, ziemlich platt und gar gekocht wie Wirsingkohl und immer öfter mußten nun Pausen eingelegt werden.
Was mir aber auch nach mittlerweile 12 Jahren immer noch am gravierensten in Erinnerung geblieben ist, war der unglaubliche Durst, der mich damals quälte. Meine 2 Liter Wasserflasche hatte ich irgendwann in den Nachmittagsstunden schon leer gezoschelt und es gab leider keine Möglichkeit mehr, noch einmal neu "aufzutanken". Was hätte ich ein Vermögen für eine Flasche Bier, ach was schreib ich, für eine Flasche Wasser ausgegeben (und ich bin wirklich nicht der geborene Wassertrinker!!!!)
Bis zum oberen Beginn der Reposoirfelsen sind wir noch gekommen, dann war Schluß mit lustig bzw das folgende Abseilmanöver im Dunklen wäre ein viel zu großes Risiko gewesen. Nach 14 Hochtourenjahren stand das erste unfreiwillige Freiluftbiwak unmittelbar bevor.
Luftmatratzen, Federbetten und Federkissen wurden ausgepackt, der Grill angefeuert und die Zapfanlage in Betrieb genommen. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, der Realität leider wohl.
Anstatt der Luftmatratze saßen wir auf unseren Rucksäcken, anstatt Federbetten und Kissen wurde alles, was der Rucksack hergab, angezogen und anstatt Grillgut und Zapfanlage, wurden Kekse, Müsliriegel und für jeden von uns 3 Schluck aus Franks Getränkepulle zusammen geklaubt.
Wie 3 Blödmannsgehilfen saßen wir dann da oben auf unseren Rucksäcken und blickten zur fernen Gewitterwolke (die Gott sei Dank in der Ferne an uns vorüber zog) und auf die 700 m tiefer liegende Grandes Jorasses Hütte nieder. Ich glaube, jeder von uns hat beim Hüttenblick recht häufig an ein kühles, frisches, leckeres, prickelndes "Getränk" gedacht, und wie es sich anfühlt, die Flasche/Dose in die Hand zu nehmen, noch einen kurzen Moment innehalten, dann die Flasche/Dose zu öffnen und..... (hier käme jetzt normalerweise wie in einer bekannten Bierwerbung nach dem ersten Schluck das langanhaltende...aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahhhhh, aber wo keine Flasche,da auch kein aaaaa..).
Immer wieder kurz einnickend, immer wieder schnell wach werdendend, so schneckten die Stunden gaaaanz laaaangsaaaam daaaaahiiiiiiiiiiiiiiiiin. Den Kollegen rechts und links neben mir erging es auch nicht viel besser. Irgendwann mag ich keinen Biwaksack mehr, kann nicht mehr sitzen, hier kratzt was, dort juckt es, ein Kribbeln in den Beinen und ich muß wieder mal aufstehen und mich strecken. Meine Freunde waren bald ziemlich genervt ob meiner Unruhe und wenn nicht dann doch auch diese Nacht vorüber gegangen wär, ich glaube ich hätte mich wie Troubadix, gefesselt an meinem Rucksack wieder gefunden... obwohl ich wirklich nicht singen wollte.
Kaum das es einigermaßen akzeptabel hell war, sah man uns schon abseilend durch die Repoisorfelsen hinunterhuschen. Huschen ist eigentlich etwas übertrieben, denn zumindest 1 x konnte das Seil erst abgezogen werden, nachdem Frank zum letzten Stand wieder hinauf geklettert war. Es gab Momente in meinem Leben, da war ich schon ausgeglichener und ruhiger,als dort am Repoirsorfelsen mit verklemmten Seil nach einer unfreiwilligen Biwaknacht! Aber selbst dieses Hindernis überwand Deutschlands langsamste Dreierseilschaft irgendwann. Nur noch der Gletscher und alles wird gut, dachten wir.
Normal für diese Chaosgeschichte wäre nun ein Schluß mit komplizierten Ende, eine Panne oder Stau oder Umleitung (was anderes ist mir grad nicht eingefallen, weil, alle sonstigen Komplikationen hatten uns während der letzten 30 Stunden eh schon ereilt :-)).
Aber, oh Wunder, wir kamen tatsächlich ohne weitere Probleme bis zur Hütte.
Den Rest des Tages verbrachten wir in dem Rhythmus - trinken, essen, schlafen - und mit dem wohltuenden Gedanken, das uns so etwas so schnell nicht wieder passieren wird.......
Natürlich kommt in meiner Geschichte jetzt ein Nachsatz!
..... exat 3 Tage später (leider wirklich nicht gelogen) saßen wir in einem fetten Schneesturm unweit der Vallot Schachtel fest und erlebten unser näxtes unfreiwilliges Biwak draußen.... aber das ist nun wieder eine andere Geschichte (irgendwann auf hikr.org)
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