Tag 55: Vom Rifugio F. A. L. C. über den Kamm zum Monte Legnone, Teil 2: Zum Comer See


Publiziert von Nik Brückner , 19. Januar 2016 um 07:44. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Italien » Lombardei
Tour Datum: 3 Juli 2015
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 8:30
Aufstieg: 810 m
Strecke:22km
Unterkunftmöglichkeiten:Rifugio Roccoli Lorla, Sueglio

Im Sommer 2015 kamen Judith7 und ich auf einer Alpendurchquerung von Wien nach Monaco auch durch die Bergamasker Alpen (Alpi Orobie). Die zwölf Tage, die wir dort verbrachten, gehörten zu den faszinierendsten unserer Tour. Eine derart wilde, rauhe Schönheit hatte von den Landschaften, die wir in den 103 Tagen durchquerten, keine andere zu bieten. Deshalb wollen wir diese Tage hier ausführlich dokumentieren, weil die Gegend es wert ist, ein wenig bekannter zu sein.

Die Durchquerung der Bergamasker Alpen von Ost nach West, die elf Tage zuvor in Edolo begonnen hatte, wird am Ende durch eine doppelte Königsetappe gekrönt: In zwei Tagen geht es von der westlichsten Hütte im zentralen Teil des Gebirges fast immer auf dem Grat entlang bis zum Westpfeiler der Bergamasker, dem wuchtigen Monte Legnone, und von ihm dann 2500 Meter hinunter zum Comer See. Übernachtet wird auf halber Strecke im Zelt, am einzigen See in Gratnähe.

Am Tag zuvor waren wir in die Königsetappe eingestiegen: Vom Rifugio F. A. L. C., dem letzten Rifugio im zentralen Teil der Bergamasker Alpen, ging es, immer entlang einer grandiosen Kante, Richtung Monte Legnone. Übernachtet hatten wir am oberen Lago di Deleguaccio, einem einsamen Seelein hoch oben am Grat.

Wir krochen eine Stunde später aus unserem Zelt am herrlichen Lago di Deleguaccio superiore (2313m oder 2250m), als wir wollten - der Vortag war lang gewesen. Doch es war Freitag, und wir wollten eigentlich nach Dervio zur Post, um Schuhe abzuholen, die mir von zuhause zugeschickt worden waren. Wir kamen also erst um 7 Uhr los - und verstiegen uns prompt: Die Route führt, entgegen einigen Markierungen, nicht hinauf zum Grat, jedenfalls nicht, wenn man 17 Kilo auf dem Rücken hat, denn dort ist's stellenweise T6. Stattdessen muss man erstmal hinunter zum Lago di Deleguaccio inferiore. Der Abstieg ist nicht ohne, und vor dem Hintergrund der Erlebnisse vom Vortag gingen wir vorsichtig und langsam.

Unten am Lago di Deleguaccio inferiore (2096m oder 2090m) steht ein kleines Häuschen, das Baitello al Lago Deleguaggio (2090m). Wir waren neugierig, und spitzten durch's Fenster - und alle erschraken: wir und die gerade erwachte Besitzerin drin... Wir entschuldigten uns und stiegen nun - auffällig schnell - hinauf zum Grat. Am Weg steht gleich ein Schild, eines von wenigen zwischen Rifugio F. A. L. C. und Monte Legnone, und das allererste seit dem Rifugio, auf dem der Legnone angeschrieben steht. Seltsam.

Die Gehzeit ist hier mit zwei Stunden angegeben. Angeschichts der Erfahrungen mit den italienisch-testosteronigen Zeitangaben genossenen wir das allerdings mit Vorsicht. Am Ende brauchten wir für die Strecke vom Lago inferiore zum Legnone drei Stunden.

Es ging also nun auf gutem Weg hinauf zum Grat, und oben auf der Kante Richtung Monte Legnone: wieder mal durch Psychogelände, immer oben rüber!

Im Weg steht die Cima di Moncale (2306m). Die Cima ist der markanteste Gipfel auf diesem Grat vor dem Monte Legnone. Der Gipfel ist allerdings weder sehr dominant noch prominent, und so läuft man im Grunde einfach drüber.

Es lohnt sich aber, hier auf der Cima di Moncale kurz innezuhalten, und sich den Gratverlauf bis zum Monte Legnone näher anzusehen: Es geht über alles rüber, nur für ein paar Minuten verlässt man den Grat, nach dem Joch direkt vor dem Gipfelaufbau.

Die Route am Grat ist ein Traum! Über T4 geht es nicht hinaus, genau richtig für unsere Ausrüstung und unser Gewicht. Dabei hat man immer das typische Gratgefühl: Ein Spaziergang am Rande des Himmels. Eine Stelle, an der man über eine Felsplatte ein paar Meter steil hinauf muss, ist mit einer Kette gesichert, an der man sich nach oben hangeln kann. Danach wird das Gelände wieder leichter.

Kurz vor dem Gipfel gelangten wir in ein Joch. Von hier aus geht es erst einmal rechts, in der Ostseite, auf einem alten Militärweg im Zickzack hinauf, bis man, wieder am Grat, an einem Kriegsstollen vorbeikommt, der heute von Ziegen bewohnt wird. Kurz danach verlässt die Route den Militärweg wieder, und es geht wieder am Südostgrat entlang hinauf zum Gipfel. Diesmal ist's weniger ausgesetzt und leichter, dafür felsiger.

Dann war es geschafft! Wir hatten den Gipfel des Monte Legnone (2609m) erreicht, und damit den langen Grat vollständig hinter uns gebracht. Und wir hatten den letzten Gipfel unserer Ost-West-Überschreitung der Bergamasker Alpen erreicht!

Die Aussicht ist herrlich. Im Westen, tief unten, der Comer See. Darüber, weit hinten am Horizont, der Monviso, in fast 250 Kilometern Distanz. Der Gran Paradiso, die Grivola, und die Walliser Prominenz: Matterhorn, Dufourspitze, Dom, Weissmies, Bietschhorn, Aletschhorn, Jungfrau, Finsteraarhorn. Wahnsinn! Im Nordwesten dann der Tödi, im Nordosten die Bernina, Zebru und Königspitze - und, hinter uns, die Bergamasker Alpen mit dem Piz Tri, an dem wir unsere Ost-West-Überschreitung der Bergamasker Alpen begonnen hatten. Wir hatten es geschafft!

Von hier aus war nur noch der lange Abstieg zum Comer See zu meistern. Nach einem netten Gespräch mit Italienern aus Susa, einem Ort, durch den wir (26 Tage später) auch noch kommen würden, machten wir uns an den Abstieg.

Der ist steil und felsig, aber unproblematisch. Zunächst geht es am Grat entlang, seilversichert, bis zu einer Felsskanzel westlich des Gipfels. Von hier aus geht es dann links hinunter, weiterhin steil und felsig, teils über Serpentinen, teils wieder versichert. Schwierig ist nur eine große, senkrechte Stufe im unteren Teil.

Bald ist man am Ca' de' Legn (2180m) angelangt, einem Schutzhüttl auf einem Grasrücken, das allerdings geschlossen war, als wir dort vorbeikamen. Von dort aus geht es ein paar Meter auf dem Rücken weiter und später in Serpentinen einen schönen Grashang hinunter. Hier recherchierte ich im Netz, dass italienische Posten an Samstagvormittagen geöffnet haben und ich meine Schuhe auch am nächsten Tag würde abholen können. Wir entspannten uns und beschlossen, noch oberhalb von Dervio eine Unterkunft zu suchen und erst am nächsten Tag ganz zum See abzusteigen.

Kurz nach der Alpe Agrogno (1644m) geht es endgültig in den Wald hinein. Der weitere Abstieg ist leicht, aber es wurde heiß. Der Sommer 2015 war geprägt von Bullenhitze und Trockenheit. Und so tranken wir das Rifugio Roccoli Lorla (1463m) leer und aßen dort die Eisvorräte auf. Dort trafen wir auch die Italienier vom Gipfel wieder. Wir redeten eine Weile und bekamen heraus, dass es in Sueglio, einem kleinen Ort hoch über Dervio und dem Comer See, eine Unterkunft gab. Die Wirtin vom Roccoli Lorla reservierte uns ein Zimmer und wir machten uns auf den Weg. Beim Abstieg besichtigten wir noch mehr Befestigungsanlagen. Dann ging es vorbei am ehemaligen Rifugio Bellano (1309m) und am Roccolo di Artesso (1210 m), einer nicht mehr genutzten Anlage zum Vogelfang. Bald darauf stießen wir auf eine Fahrstraße hinunter nach Sueglio, die wir immer wieder abkürzen konnten - trotzdem kamen wir erst nach achteinhalb Stunden in Sueglio an. Wir hatten es geschafft: Die Ost-West-Überschreitung der Bergamasker Alpen lag hinter uns!

In Sueglio (761m) bezogen wir eins der schönsten Zimmer unserer Tour: Bei einem Ehepaar in ihrem zum Gästehaus umgebauten Häuschen. Wir waren die allerersten Gäste! Und es war herrlich: Alles neu, äußerst geschmackvoll eingerichtet - und sogar mit einer Sauna. Leider noch nicht benutzbar...

Zum Abendessen gab es dann endlich das Mojito-Eis, das wir seit Wochen probieren wollten - und ein Gewitter. Schätze, alle waren dankbar für den Regen - wir auch, weil wir bereits indoor waren. Wir stießen an auf eins der absoluten Highlights unserer Alpendurchquerung: Die Bergamasker Alpen!

Tourengänger: Nik Brückner, Judith7


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