Grand Combin


Publiziert von WoPo1961 , 23. März 2015 um 09:44.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Unterwallis
Tour Datum:20 Juli 1993
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS-
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 5 Tage

Herrlich, wenn nach Monaten des immer wiederkehrenden Ich-schreib-nix-mehr-Virus endlich die Genesung einsetzt und der Schweizhutträger plötzlich Lust auf einen selbst verfassten Tourenbericht bekommt. Blöd nur, dass ER aktuell gar nix zu berichten weiß; der letzte Schweizurlaub sooo lange her,der näxte Aufenthalt noch sooo lange hin. Also muss sich der geneigte Hikr-Leser  wieder einmal mit einer Geschichte aus der Rubrik "WoPo`s olle Kamellen" be- oder vielleicht auch vergnügen.
 Denn eigentlich wollte ich euch nicht mehr eben diese "ollen Kamellen" auftischen aus der Zeit, als man noch als langhaariger Zausel Bergtouren unter der magischen 4000er Grenze als lästige Einlauftour ansah, die Rucksäcke groß und dementsprechend auch RICHTIG schwer waren (weil so wichtige Dinge wie Walkman, mindestens 2 Kameraobjektive oder mindestens 20 verschiedene Schokoriegel dringendst mit auf Tour mußten ;-) und der persönliche Hygienezustand nach 7 Hüttenübernachtungen etwas zu wünschen übrig ließ (dafür hatte man in Bussen und Bahnen recht zügig jede Menge Platz bekommen, denn niemand, wirklich niemand hielt es länger als 60 Sekunden in unserer Nähe aus!!!:-))
Manchmal schaue ich mir alte Bilder an. Dank der heutigen Technik muss dafür ja nicht erst Diaprojektor und Leinwand in den Untiefen des WoPokellers gesucht, der ganze Schlamassel aufgebaut und hinterher wieder abgebaut werden. Nein, selbst in die Diaspora von Flachlandhausen ist die Technik des Diascanners vorgedrungen und so schauen wir uns heutzutage einfach die Scans am Bildschirm an. Ok, den Charme einer abendfüllenden Diashow samt der etwas ausufernden Erklärungen, welcher "Pömpel" denn jetzt gerade auf dem jeweiligen Dia zu sehen ist, hat diese technischen Neuerung nicht - aber manchmal ist halt einfacher auch angenehmer.
Lange Rede, kurzer Sinn: was ich eigentlich erzählen möchte, ist der Rückblick auf eine außergewöhnliche Tourenwoche im Unterwallis. Weil ich euch einen traumhaften alten Sonnenuntergang und eine Variante des beliebten Kinderliedes "10 kleine Wanderlein..." nicht vorenthalten möchte. Nicht jede Einzelheit ist mehr präsent, aber das "Gerüst" hab ich auch nach mittlerweile 22 Jahren recht gut vor Augen.

Tag 1:
Aufstieg zur Cabane des Vignettes
Gestartet sind wir damals in Arolla. 5 wackere Gestalten, ein Haufen Erwartungen im Gepäck und ca. 1150 m Aufstieg zur Cabane des Vignettes vor uns. Tatsächlich erreichten wir ohne besondere Vorkommnisse die Hütte... es war sogar noch hell, WoPo hatte unterwegs keine Ausrüstungsgegenstände verloren und die 2 kleinen Bläschen, die sich an seiner Hacke gebildet hatten, waren kaum der Rede wert (damals war Er noch stolzer Träger von Plastik-"Botten" der Marke Asolo.. obwohl bis dahin schon mehrere Jahre getragen, bildeten sich immer wieder aufs Neue diese unsäglich Mistblasen. Die zarten Füsslein sahen oft total verpflastert aus, wirklich geholfen hatte die Pflasterei aber nie. Pfiffigerweise wurde die Idee von neuen Bergschuhen aber Jahr für Jahr weiter hinaus geschoben. "Wer die Blase nicht ehrt, ist des Gipfels nicht wert", war wohl eines der damaligen Flachlandhausener Grundsätze.  )

Tag 2:
Aufstieg zum Pigne d`Arolla und Abstieg zur Cabane des Dix
Erster Gipfel des Jahres und... ohne Probleme und Komplikationen! Wer jetzt die Augen reibt und ein 2. Mal den Satz liest, den kann ich verstehen. Gab es doch schon ganz andere Berichte von mir... aaaber wir wollen diesen Bericht mal nicht vor seinem Ende loben... denn die Komplikationen und ich sind gaaanz dicke Kumpels!!
Auch der Abstieg zur Dixhütte war tip und auch top. Hab später öfter mal gelesen, das die Steilstufe unterhalb des Col de la Sepentine hinab auf den Glacier de Cheilon problematisch sein kann, wenn sie blank ist. Wir kamen ohne Eisschräubchen-setzen hinunter.

Tag 3:
Überscheitung Mont Blanc de Cheilon und wiederum Abstieg zur Cabane des Dix
Leider nur zur viert geht es heute hinauf zum Col de Cheilon. Ein Mitglied unserer Truppe hatte Triefnase und Hustelinchensyndrom und bevorzugte die Wärme des Hüttenlagers.
Heute wird es etwas anspruchsvoller. Nicht nur wegen der Tour, sondern weil meine innere Festplatte etwas hakt. Soweit ich mich erinnere, kamen wir eigentlich erstaunlich problemfrei hinauf zum Gipfel. (es könnte auch so gewesen sein, dass ich mir mit den Steigeisen ein Loch in die Hose gerissen habe, der Verschluß der Getränkeflasche nicht richtig geschlossen war und 5-537 Tropfen sich im Rucksack verteilten uund die Batterien meiner Stirnlampe nach 17, 35 Minuten den Geist aufgaben während die Ersatzbatterien leider gerade in der Dixhütte verweilten... aber wie schon geschrieben, die Festplatte hakt und ich kann mich an keinerlei Probleme erinnern :-)
Erwartungsgemäß zog sich zwar die weitere Überschreitung in die Länge, aber wir waren ja nicht auf der Flucht und genossen den Tag, das schöne Wetter und die Aussicht. Man klettert ja nicht jeden Tag in solch herrlichem Gelände, warum also hetzen?! (aber selbst wenn es Gründe zum Hetzen gegeben hätte, wären wir nicht schneller unterwegs gewesen :-)
Etwas oberhalb vom Pt 3819m kam unsere Fortbewegung dann doch alsbald zum Erliegen. Bei einem Abseilmanöver verklemmte sich das Seil und alle Bemühungen, es zu lösen, schlugen fehl. Weder gutes Zureden noch weniger gutes Zureden halfen, das blöde Tau abzuziehen. Besonders mein Freund Reinhard zog sämtliche Register des weniger guten Zuredens und fluchte im besten Flachhausener Slang.
Dies machte bei einem anderen Tourenfreund solch einen Eindruck, dass der freiwillig die letzte Abseillänge wieder hinauf kletterte, um das Seil zu lösen. (Noch heute kann er sich an diese Situation bestens erinnern.... ich im Übrigen auch. Und in der Tat, man wollte eiligst aus der Reichweite des zornigen R. kommen!!.. leider traten bei mir schon leichte Müdigkeitserscheinungen auf, ich konnte nicht flüchten und durfte mir das Gesamtpaket des weniger guten Zuredens anhören... dagegen ist Dieter Bohlen ein Waisenknabe!)
Approppo Komplikationen, in der letzten halbe Stunde auf dem Weg zur Dixhütte begann sich die Sohle des Bergschuhs eines Tourenmitgliedes zu lösen. Was zunäxt erst kaum merklich begann, war dann auf der Hütte die halbe Sohle. Ene mene Mohle, ab ist die Sohle.. oder um es deutlich zu machen: Für ihn war die Tour zu Ende.
5 kleine (Berg)Steigerlein, die gingen auf guten Sohlen,
bei einer Sohle fehlte der Schmier
da warens nur noch vier
(ok, nicht wirklich schön gereimt, aber zumindest einigermaßen passend)

Tag 4:
Übergang Cabane des Dix zur Cabane de Chanrion
Burkhard stieg mit schlapper Sohle von der Cabane des Dix hinab in Richtung Lac de Dix  und wir zu viert wie am Vortag hinauf zum Col de Cheilon. Das Wetter wurde schlechter. Anfangs verschwand die Sonne hinter Wolken, später die Wolken im Nebel und noch später der Nebel im Regen... zumindest gefühlt.
Irgendwann erreichten wir die Cabane de Chanrion und verkrochen uns sofort ins Innere der Hütte. Ich glaube mich zu erinnern, das noch nicht mal das Bier schmeckte an diesem Abend!! Die Wetteraussichten  für den näxten Tag waren nicht verheißungsvoll... man kann auch sagen: echt besch.....eiden!!

Tag 5:
Übergang Cabane de Chanrion zur Cabane de Valsorey....theoretisch!!
Der Blick aus dem Hüttenfenster am näxten Morgen hätte schlechter ausfallen können. Ok, einen Sonnenbrand würden wir uns nicht holen. Aber der angekündigte Regen war doch ausgeblieben. Also, hurtig aus den Federn, der Tag sollte genutzt werden.
So viel sei verraten, der Tag wurde auch genutzt, doch etwas anderes, als wir geplant hatten.
Unser hurtiger Aufbruch brachte nicht den erhofften Erfolg, denn kaum waren wir an der frischen Luft, wollte die Sonne unser munteres Treiben nicht mehr mit ansehen und verschwand hinter Wolken. Die Wolken fanden unser Treiben anscheinend viel interessanter und blieben... und holten ihre Nachbarn, Freunde, Verwandten und Bekannten. Alles Wolken, die unser Treiben beobachten wollten. War ja mit Sicherheit auch interessant mit anzuschauen, wie wir uns im mittlerweile dichten Nebel herzerfrischend verstiegen. Dem Wolkenauflauf war zum heulen zumute und er tat dies auch und wir bekamen erst Regentropfen, später auch prächtigen Flockenfall zu sehen...und zu fühlen.... wenigstens etwas, wenn wir schon nicht auf der richtigen Route unterwegs waren. Dass wir uns nicht wirklich auf dem passenden Weg befanden, war uns spätestens an dem Punkt klar, als jeder mit dem Pickel in der Hand und den Steigeisen am Schuh sich langsam aber sicher noch ein 2. Eisgerät herbei wünschte. Hab tatsächlich noch das Bild vor Augen, wie mein Freund Reinhard fluchend die Karte in der nicht behandschuhten Hand hielt und wiederholt etwas vom falschen Weg erzählte... wobei "erzählen" hier ein doch recht abgeschwächtes Wort für seine Artikulation darstellt!! Zumindest kamen keine Mißverständnisse auf, wie der aktuelle Zustand von Reinhards Innenleben ausschaute. Spontan war mir der Nebel fast sympathisch, hatte ich doch das Gefühl, nicht in seiner Reichweite zu sein.
.. und wenn du meinst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein "Lichtlein" her... unser Lichtlein kam mehr in Form einer Lichtung bzw.  gelichteter Wolken. So konnten wir für ein paar lichte Momente unseren eigentlichen Weg erkennen.
Bis zum Plateau du Couloir ging es dann mehr oder weniger schleppend weiter und eigentlich war es von dort aus nur noch ein Katzensprung bis zur Cabane de Valsorey. Aber mit Katzensprüngen ist es so eine Sache, die klingen im ersten Moment gut, sind danach aber oft eine Enttäuschung (wie dieser dicke, dösige Kater, der im Hause WoPo1961/webeBe herum schawenzelt und noch nicht einmal weiß, was ein Katzensprung ist, geschweige denn, einen ordentlichen ebensolchen zu vollbringen..aber ich merke, ich schweife mal wieder ab) .Dieser eben genannte Katzensprung von 1km Luftlinie zur Valsoreyhütte hatte leider den winzig kleinen Haken, dass dichter Nebel den für uns unbekannten Weg durch steiles und firniges Gelände verschleierte. Selbst für flachlandhausener Gemüter war der mangelnde Sinn, da abzusteigen  nur unschwer zu erkennen.... approppo Sinn. In den selbigen kam uns in diesem Moment das Bivouac du Plateau du Coloir, welches sich "zufällig" in unmittelbarer Nähe auf dem Felszacken  Epaule Isler befindet. Diese 0 Sterne deluxe Biwakschachtel bietet "Komfort" für bis zu 9 Personen (steht zumindest genauso im neuen Gebietsführer.. nun ja, DAS sollten dann aber kleine, höchst magere Menschlein sein; nicht größer als 1,60m und am besten nur jeder 3. einen Rucksack mit sich führen.. denn so richtig "geräumig ist dieses Schächtelchen nicht!!))
Meine Begeisterung hielt sich damals in Grenzen, anstatt in einer warmen Hütte nun in einer lausig kalten, weil ausgekühlten Biwakschachtel die kommenden Stunden zu verbringen. Leider fehlten mir aber spontan alternative Lösungsvorschläge und während ich die quietschende Schachteltür öffnete, verschwand das erhoffte Valsoreyhütten-Feierabend-Bierchen aus WoPos Traumwelt in den Untiefen des Biwakraumes.
Merke: Hast du nur "Kappes" im Kopp,
ist eine Biwakschachtel top
Kuschelig war definitiv nicht das erste Adjektiv was mir beim biwakschachteln damals so in den Sinn kam und auch gemütlich trifft nicht wirklich den wahren Kern dieser Stunden. Dafür kämpfte sich aber zum Abend hin plötzlich und unerwartet die Sonne durch`s Wolkengebräu und bescherrte uns einen Sonnenuntergang, den ich mein Leben lang nicht mehr vergessen werde. Was für Farben, welch ein Licht. Was intressiert mich da noch mein Gezeter 5 Minuten zuvor, nicht den Comfort einer gemütlichen SAC-Hütte zu haben.



Tag 6:
Abstieg zur Cabane de Valsorey
Die Nacht hatte Spuren hinterlassen..nicht sichtbar, aber wir waren doch alle angeschlagen. Müde, hungrig und schlapp sind nicht die besten Vorraussetzungen, um vom Biwak aus den Aufstieg Richtung Grand Combin zu wagen. So war denn auch schnell klar, dass wir erstmal zur Cabane de Valsorey absteigen würden, um dort neue Kräfte zu sammeln. Dafür mußten wir ein recht steiles Firnfeld hinabsteigen (ich tippe so auf ca 38-40 Grad), was am Ende immer flacher zur Hütte hin ausläuft. Nicht mehr weit von der Hütte entfernt, passierte dann einem Tourenmitglied ein Mißgeschick in der Form, das er mit einem Bein durch die Firndecke einbrach und sich hierbei das Knie verdrehte. Nur mit Schmerzen schaffte er es bis zur Hütte und schon bald war klar, für ihn war die morgige Gipfeltour gestorben.
Merke: haste Schmerzen im Knie
schaffste den Gipfel nie... oder
4 kleine Steigerlein,
die gingen über Schnee,
der Schnee, der machte Schweinerei,
da warens nur noch drei

Tag 7:
Grand Combin
Ursprünglich hatten wir mal mit dem Meitin-Grat lieb geäugelt. Der viele Schnee, der etwas unnütz auf den Felsen lag, hatte uns einen Plan B hervor kramen lassen. Für den konnte der viele Schnee der überall unnütz herumlag von uns in der Flanke oberhalb des Bivouc du Plateau du Couloir sogar sehr gut genutzt werden. Nach einer recht kühlen, weil klaren Nacht ging es zunäxt den schon bekannten Weg wieder hinauf zum Plateau du Couloir. Ab hier betraten wir dann endlich Neuland und stiegen in die Südwestflanke des Combin de Valsorey ein. Hierbei müssen ca 530 Meter Höhendifferenz überwunden werden. Steigeisen und Pickel waren nun unsere besten Kumpels, denn bei den damals gegebenen Verhältnissen griffen die Eisen  perfekt und wir kamen für unsere Verhältnisse sogar ZÜGIG die Flanke hinauf. Lese ich heute im aktuellen Gebietsführer etwas von einem Geröllhang und nicht geringer Steinschlaggefahr, so weiß ich die damaligen Verhältnisse umso mehr zu schätzen.

Mit 2 Freunden auf dem Gipfel des Grand Combin de Valsorey stehen, dazu Sonnenschein und absolute Traumsicht und mit einem nahezu perfekt hingelegten Aufstieg.... da konnte schon mal "Augenpipi" beim Schweizhutträger in spe`entstehen. 
Wer es bis zu diesem Gipfel schafft, der will mehr! Mehr Gipfel, mehr 4000er, mehr Meer???
Naja, zumindest dank ausufernden Glücksgefühls dachten wir bis fast zum Mittelmeer schauen zu können.... wenn nicht all die lästigen Berge davor stehen würden. Dafür gab es nach einer guten Stunde den näxten 4000erGipfel zu feiern, denn auch der Grand Combin de Grafeneire ragt so einige Meterchen über der magischen Grenze heraus..nicht ganz unwichtig für den damals noch leidenschaftlichen Sammler.
 Über einen breiten Firngrat gelangten wir dorthin, manchmal kann einfach trotzdem auch schön sein. Zumindest war das dem zukünftigen Schweizhutträger an jenem Morgen ziemlich sympathisch: wenig Tun für viel Ertrag. Noch weniger Tun für noch mehr Ertrag geht kaum noch, dachte ER am Gipfel noch. Geht aber doch, wenn wir für einen kurzen Augenblick mal die Aiguille du Croissant als eigenständigen Gipfel anerkennen, wie dies wohl in der frühen Besteigungsgeschichte mal gemacht wurde. Denn gerade mal nur 350m müssen überwunden werden! Und noch nicht mal im Aufstieg. Kurzentschlossen wurde die "Frühstüx-Aiguille" wieder zum selbstständigen 4000er erhoben und  der Autor dieser Zeilen schwuppdiwuppste auf seinen 3. hohen Berg des Tages...tztztz, werden vielleicht nun einige Leser denken. Nicht unbedingt wegen des eventuell vorhandenen rostigen Nagel s irgendwo im Schopfe des jungen Sammlers. Nein, es gibt ja noch einen 4. Gipfel über der besagten Magiegrenze, der sich so ähnlich nennt wie tztztz: Combin de la TSESSETTE. Mit seinen 4135m liegt er auf einer vorgelagerten Schulter im NE des Grand Combin.
Der sich gerade in einem Sammelrausch befindliche Herr sah sich auch schon auf jenen Gipfel stehen, wäre da nicht ein kleiner, wenn auch nicht ganz unwichtiger Einwand von Seiten meiner Begleiter gekommen. Denn vor uns lag nicht nur dieser mögliche Gipfel, sondern auch der Abstieg durch den berühmt berüchtigten Corridor. Eine 1,5 km lange Gletscherrampe über der sich leider sehr unsympathische und mächtige Seracs befinden. Schon damals galt: Nur bei günstigen Schneeverhältnissen sollte man diesen Abstieg wagen. Vor allen Dingen: je wärmer, desto gefährlicher. Je später der Tag, desto wärmer, desto gefährlicher ist ne Formel die sogar der sich im Sammelrausch befindliche Herr verstand und so wurde seiner Argumentationskette "schneller Auftsieg, wenig Zeitverlust von vielleicht "schlappen" 1,5 Stunden, sowie dem Pauschalargument "et is noch imma gutgegangen" keine weitere Beachtung geschenkt und der Abstieg direkt begonnen.
Über den Col du Croissant (4083m) ging es nun zum Einstieg in den Corridor auf ca 3960m. Dort wurde noch einmal tief Luft geholt, galt es ja ZÜGIG durch den Corridor hinab zu steigen. In der Nase bohren, Fotosession einlegen oder sonstige Pausen sollten auf Später verschoben werden.
Heutzutage wird der Aufstieg durch diese Route vermieden. Wenn überhaupt, sollte lediglich der Abstieg in Betracht gezogen werden, und das auch nur bei guten Firnverhätnissen und wenn keine Eistrümmer die Route versperren. Doof, wenn so`n tonnenschwerer Klotz erstmal zur Seite geschoben werden muss. Dies kann einige Zeit in Anspruch nehmen... und was haben wir gelernt?
Zeit ist dort echt ziemlich knapp bemessen ;-)
Ohne nennenswerte Vorkommnisse hechelten wir hinab auf den Gletscher des Plateau des Maisons Blanches und mit einem entspannteren Tempo von dort wieder hinau zum Col du Meitin. Bisher lief dieser Tag perfekt, was mich eigentlich ja schon hätte stutzig machen müssen. Aber wer will an solch einem Traumtag auch schon stutzig werden?? Da jetzt keiner seinen Finger hebt und aufzeigt,
hier nun der Rest der Geschichte:

Vom Col du Meitin mußten nur noch schlappe 450 Höhenmeter zur Cabane de Valsorey bewältigt werden, dann konnten wir die Gipfel feiern. Vielleicht war man gedanklich schon beim öffnen eines "Hopfen-Schampus", vielleicht war es aber auch nur absolutes Pech, denn mein Freund Reinhard brach kurz unterhalb des Col du Meitin mit einem Bein in ein Schneeloch. Leider hatte der Rest seines Körpers dies nicht ganz so schnell mitbekommen und so wurde er schwungvoll  nach vorne bzw nach unten gerissen. Irgendwo in den Untiefen seines Beines nahmen die etwas gegensätzlichen Kräfte nun ihre Arbeit auf und ein nicht ganz geringer Schmerz nahm den langen Weg vom Bein in Reinhard`s Großhirn. Das dortige Eintreffen wurde unverzüglich mit einem nicht überhörbaren Schrei kund getan.
Nachdem wir ihn aus dem Schneeloch gezogen und gezerrt hatten, konnten wir "Fachärzte" keine äußerlichen Verletzungen feststellen. Die üblichen Kommandos: "dreh mal deinen Fuss hierhin und dorthin"... "belaste das Bein mal vorne und hinten" - und unsere einhellige Diagnose lautete: Kerl, sooo schlimm ist es doch garnicht, wird eine Zerrung oder Prellung sein.... alles gut...
20 Folgen Schwarzwaldklinik, da hatte man sich ein recht umfangreiches Fachwissen angeeignet.
Aufgemuntert durch diese fachärztliche Kompetenz "stöckelte" unser Freund dann die restlichen Höhenmeter hinab zur Hütte... richtig "rund" sah sein Hinabsteigen aber nicht aus.

8. und letzter Tourentag (des Sommers 1993!!)
Wider erwarten hatten 20 Folgen Schwarzwaldklinik dann doch nicht für die passende Diagnose gereicht und WoPos angehende Arztkarriere war auch schon gleich wieder beendet. Ein zufällig anwesender "echter" Arzt aus Grenoble (oder Chamonix... Hauptsache Frankreich..:-)) stellte eine neuerliche Diagnose. Und die lautete entweder Kreuzband- oder Innenbandriss.. auf jeden Fall wäre ein Abstieg für Reinhard unmöglich. Ca. eine halbe Stunde später konnten wir dann die Rotorengeräusche des heran nahenden Hubschraubers hören. Damit sich der Flug auch richtig lohnte, stieg auch der Kollege, der sich beim Abstieg vom Biwak zur Vallsoreyhütte das Knie verdrehte, mit in den Heli.
3 kleine Steigerlein, die sahn ein Aua-Knie,
drum kam ganz schnell der Heli herbei
und sie war`n nur noch zwei.

Schon seltsam nach Tagen in Gesellschaft der Freunde nun nur noch als 2er-Team abzusteigen.  So ging dieser Abstieg auch recht schweigsam vorüber, waren wir beide in Gedanken doch bei unseren Freunden. Im Ort Bourg-Saint-Pierre  angekommen, ging es dann auch schnell per Bus hinunter über Martigny weiter nach Sion.
Die Jugendherberge in Sion war der ausgemachte Treffpunkt und tatsächlich trafen wir dort unsere Freunde wieder. Der eine mit einer fetten Bandage am Knie, der andere mit einem komplett eingegipsten Bein. Somit war der Bergurlaub 1993 schon nach einer Woche für beendet erklärt. Über den letzten Abend... legen wir nun den Mantel des Schweigens. Nur soviel: was hab ich Tränen gelacht bei Reinhards Versuch mit Gipsbein und Krücken noch rechtzeitig die Jugendherberge vor der Sperrzeit zu erreichen. Schon nüchtern wäre es eine Bravourleistung aus der Altstadt zur Jugendherberge hinter dem Bahnhof zu kommen. Nach unserer feucht fröhlichen Abschlußfeier war der Schwierigkeitsfaktor des "Zurückstöckelns" gleich um einige Punkte erhöht worden:-)) geschafft hat er es so gerade eben!


Geblieben sind die Erinnerungen von einer tollen Tourenwoche mit guten Freunden, ein Sonnenuntergang für die Ewigkeit, der Traumtag am bzw. auf dem Grand Combin und die nicht ganz neue Erkenntnis, dass eine Bergtour erst beendet ist, wenn der Schiri abpfeift... äh, wenn auch alle gesund an der Berghütte ankommen.





 


Tourengänger: WoPo1961


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Kommentare (17)


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MaeNi hat gesagt: Zum Glück..
Gesendet am 23. März 2015 um 10:55
...verschwinden einige Viren ab und an und haben erfrischendes Schreibwerk zur Folge! Herrlich!
Danke und herzliche Grüsse nach FLH!
Nicole und Marcel

WoPo1961 hat gesagt: RE:Zum Glück..
Gesendet am 23. März 2015 um 20:18
Mein Herz geht auf, lese ich mal wieder etwas von den "MaeNi`s". Wenn es dann auch noch ein Kommentar in eigener Sache ist, ist auch der schlechteste Tag in nullkommanix ein guter!! Merci vielmal für`s kommentieren. Hoffe, man(n) sieht sich irgendwann mal wieder, ist schon soooo lange her.
Et grüßt das Rothütchen WoPo

MaeNi hat gesagt: RE:Zum Glück..
Gesendet am 24. März 2015 um 13:06
Auch wenn wir nicht da sind, sind wir da....(hach war das jetzt wieder spirituell...)

Und ja - hoffentlich sieht man sich mal wieder...vielleicht klappt es ja dieses Jahr mit einem hikr-Treff...

Beste Grüsse aus dem Muotithal

WoPo1961 hat gesagt: RE:Zum Glück..
Gesendet am 25. März 2015 um 07:59
.. und ich wunderte mich immer wieder mal, dass ich mich selten alleine fühle, wenn ich an Hikr denke. Nu weiß ich es endlich: "Big MaeNi`s" are watching me....fein, da kann dann auch nix mehr schief gehen!!!
Mal wieder ein Hikr-Treffen wäre toll, allein mir fehlt etwas der Glaube daran... aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt..oder so ähnlich ;-)

Grüße aus dem Flachlandtal ins Muotithal
WoPo

MaeNi hat gesagt: RE:Zum Glück..
Gesendet am 25. März 2015 um 09:46
> fein, da kann dann auch nix mehr schief gehen!!!

Aber die Ausrüstung auf Tour musst Du immer schön selber festhalten ;-)

roger_h hat gesagt: RE:Zum Glück..
Gesendet am 25. März 2015 um 13:20
Ihr könntet mich mitnehmen, ich kann mittlerweile damit umgehen! :-)

WoPo1961 hat gesagt: RE:Zum Glück..
Gesendet am 25. März 2015 um 17:20
ICH hatte doch quasi nix an Ausrüstung verloren. Die "Gehhilfen" hatte ich sozusagen freiwillig entsorgt und ansonsten war hinterher alles noch im Rucksack, was vorher auch schon drin lag... ok, bis auf Tina`s Kamera ;-(

roger_h hat gesagt: RE:Zum Glück..
Gesendet am 26. März 2015 um 13:02
Mir fällt gerade ein, dass ICH es war, der am einen Abseilstand am Lagginhorn Südgrat zwei Schraubkarabiner hängen liess! :-(

WoPo1961 hat gesagt: RE:Zum Glück..
Gesendet am 26. März 2015 um 21:54
Ach, das waren bestimmt die uralt Schrauben, die du sowieso letzten Herbst entsorgen wolltest. Warscheinlich hängen die Schräubchen auch noch in 10 Jahren...wenn wir unsere Jubiläumstour dort gehen!!

MaeNi hat gesagt: RE:Zum Glück..
Gesendet am 20. April 2015 um 14:39
Das ist sehr gut. Dann braucht nur noch einer psychologische Unterstützung, sollte es zu irgendwelchen Verlusten kommen.. :-)

WoPo1961 hat gesagt: RE:Zum Glück..
Gesendet am 25. März 2015 um 17:17
Ausrüstung war beim letzten Mal garnicht das Problem!! Wäre nur schön, wenn ihr dafür die verlorenen Kameras wieder einsammeln könntet, da wäre mir schon sehr bei geholfen!! :-))

Clariden hat gesagt:
Gesendet am 23. März 2015 um 23:09
Wenn ich mies drauf bin, habe ich ein gutes Rezept: Ich suche mir einen Bericht von dir, lach mich schief und bin gleich besser drauf.
Also vielen Dank
Clariden

WoPo1961 hat gesagt: RE:
Gesendet am 24. März 2015 um 10:58
Wow!!! Jetzt kann ich mir ein weißes Schweizkreuz auf die Stirn zimmern, denn ich bin durch deinen Kommentar vor Freude ziemlich rot geworden. Vielen Dank, dass ich es schaffe, dich wieder besser drauf werden zu lassen, wenn du dir meine Schreibereien heraussuchst! Für mich nun ein zusätzlicher Ansporn die blöden Schreibfaul-Viren zu bekämpfen.
Einen fetten Gruß aus Flh, hoffe, diese Woche benötigst du keinen weiteren Bericht von mir :-)
WoPo

TeamMoomin hat gesagt: Einfach
Gesendet am 25. März 2015 um 12:42
herrlich, wieder mal was vom WoPo zu hören bzw. zu lesen und sehen, also ich muss schon sagen Ihr hattet ja früher ganz schön fesche Klamotten ;-)
Grüsse aus der Welt Oli und Moomin

WoPo1961 hat gesagt: RE:Einfach
Gesendet am 25. März 2015 um 17:14
Einen Kommentar vom Moomin und dem Oli zu bekommen ist immer wie ein kleines Geschenk. Tach ihr Beiden, merci vielmal fürs kommentieren. Es freut mich überaus sehr, dass euch meine damalige Bekleidung gefällt. Da sieht man, dass der modebewusste, junge Flachlandhausener in Sachen Outfit immer das richtige Händchen hatte. Und wenn dies dann SOOO gut bei Euch ankommt, ist die WoPo-Welt für einen kleinen Augenblick tiptop!!
Es grüßt der WoPo aus Flh und hofft auch weiterhin auf ein Wiedersehen!!

TeamMoomin hat gesagt: RE:Einfach
Gesendet am 8. April 2015 um 08:55
Ja mal schuaen wenn der Schweizerhutträger dieses Jahr in die Schweiz kommt, dann machen wir zusammen was wenn ich dann noch/bzw. gerade in der Schweiz bin.
Wann gedankst du und die beste Begleiterin der Welt zu kommen?

Lg Oli und Moomin

WoPo1961 hat gesagt: RE:Einfach
Gesendet am 8. April 2015 um 12:41
Ende Juni/ Anfang Juli sind wir im Engadin.
Und ab Mitte September im Wallis. Wir können ja über PN etwas konkreteres abkaspern!

Bis bald
WoPo


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