Weder weiss, noch mies: das Weissmies, 4017m


Publiziert von Nik Brückner , 10. Oktober 2019 um 11:42. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:20 September 2019
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: L
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 9:45
Aufstieg: 1150 m
Abstieg: 2100 m
Strecke:12,5km
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Auf wildem Strässchen von Saas-Almagell nach Furggstalden.
Unterkunftmöglichkeiten:Almagellerhütte, Almagelleralp, und weitere im Tal

Eigentlich war ich im Spätsommer 2019 ja am Thunersee stationiert, und dort in der Umgebung jeden schmalen Grasgrat zu gehen, den ich finden konnte. Aber in meinem Hinterkopf spukte die Idee herum, einen 4000er im Alleingang zu besteigen, wenn sich die Gelegenheit ergeben sollte, und die Verhältnisse passten. Meine Wahl fiel auf auf's Weissmies, oder auf's Lagginhorn, zwei der Berge, bei denen ich mir das zutraute.

Dann ergab es sich, dass ich eine Woche mit WoPo (Das bin ich) unterwegs war. Dabei kamen wir zufällig auf's Weissmies zu sprechen, und WoPo erwähnte, dass er mit seinem Cousin Steven dort hinauf wollte. Bei mir klingelte was, und schwupps, waren wir verabredet.


Am Vortag waren wir zur Almagellerhütte aufgestiegen, heute war Gipfeltag! Und so klingelte um Viertel vor fünf der Wecker...


Gegen halb sechs brachen wir von der Almagellerhütte (2894m) auf. Erstes Ziel: Der  Zwischbergenpass. Dorthin führt ein markierter Weg, der eigentlich nicht zu verfehlen ist, wären da nicht die vielen verschiedenen Spuren der vielen verschiedenen Vorausgänger. Wir (an dieser Stelle gebiete ich Einhalt und muss korrigierend eingreifen!! Denn nicht wir waren es, die nach rechts gerieten, sondern der Herr Schweizkappenträger meinte, es besser zu wissen. Obwohl der Herr Brückner noch etwas von Wegzeichen weiter unten und links hinauf rief!! Diesen Verhauer muß ich leider voll und ganz auf meine Kappe nehmen... mea culpa, mea maxima culpa..) gerieten im Dunkeln ein wenig zu weit nach rechts, konnten das aber schnell korrigieren, und langten nach einer knappen Stunde am Zwischbergenpass (3268m) an.

Almagellerhütte - Zwischbergenpass: Markierter Wanderweg, T2, 1h


Dort stockte uns der Atem. Die Aussicht auf die italienische Seite war atemberaubend: Ein endloses Wolkenmeer, nur wenige hundert Meter unter uns, daraus ragten die einsamen Inseln, die die Berggipfel bildeten, getaucht in das tiefe Rot der Morgendämmerung. Uns stand der Mund offen, und wir konnten uns lange nicht von diesem Anblick losreißen. Schließlich wurde uns kalt, wir zogen uns dick an, und stiefelten los.

(Obwohl ich diesen Sommer schon so manchen Sonnenaufgang in den Bergen erleben durfte, gehört dieser zu den Eindrücklichsten!! Ganz großes Kino!!)


Deshalb hab ich auch siemerzwanzg Fotos davon eingestellt....

Nach links führen einige blaue Markierungen, diese dienen aber der Kennzeichnung des ostseitigen Abstiegs vom Zwischbergenpass, und verabschieden sich bald nach rechts. Von nun an ist man für die Routenfindung selbst verantwortlich. Das ist aber nicht schwer, denn schnell gelangt man in kleinteiligen Schotter (grrrrrrrrrrr... isch krisch Plack, lese ich solche Worte.  Kleinteiliger Schotter und ich sind nicht die besten Kumpels seit diesen Sommer!!), in dem sich ein Weglein deutlich abzeichnet, das nun rechts unter roten und weißen Türmen vorbeiführt. Man quert ein Schneefeld, bzw. umgeht es unten, um zu dem Blockrücken rechts davon zu gelangen. Die hier schwerer zu verfolgende Spur führt hier hinauf.

Am oberen Ende des Rückens wird das Geröll kleinteiliger, und die nun wieder deutlicher zu erkennende Spur führt nach links hinüber zum Südostgrat des Weissmies. Von hier an folgt man weitgehend konsequent dem Grat, ein Ausweichen in die rechte (eher im unteren Teil) oder linke (eher im oberen Teil) Flanke ist aber immer möglich - wenn auch nicht nötig.

Von hier an ist's eine etwa zweistündige Kraxelei an einem Blockgrat, der nach oben hin steiler wird. Die schwierigeren Kletterstellen befinden sich allerdings paradoxerweise im unteren Teil, drei oder vier IIer-Stellen bleiben im Gedächtnis, die aber sämtlich umgehbar sind. Der Rest ist I, I, I, und man sollte Kletterei über große Blöcke wirklich mögen, denn was anderes gibt's hier nicht.

Nach etwa zwei Stunden erreicht man den scheinbaren Endpunkt des Südostgrats, ein kleines Felsgipfelchen, auf das man die ganze Zeit zugehalten hatte.

Auf Hikr gibt es zwei Wegpunkte, "Weissmies - Südostgrat P.3972m (3972 m)" und "Weissmies - P.3965m (3965 m)", beide sind leicht neben die Punkte gesetzt, die zu benennen Sinn machen würde, und werden von verschiedenen Hikrn auf ihren Fotos verschiedenen Punkten zugeordnet. Ich ignoriere die beiden Wegpunkte also, in dieser Beschreibung wie auf meinen Fotos, um nicht noch mehr Verwirrung zu stiften, und beschränke mich im Text auf eine - hoffentlich klare und eindeutige - Beschreibung.

Hier, an diesem kleinen Felsgipfelchen, sollte man spätestens in die Eisen steigen, denn selbst im heißesten Sommer beginnt hier der Firn. Wir legten also unsere Eisen an, und machten uns an die letzten Meter.

Ein Felstürmchen wird an seiner linken Seite passiert, dann geht es auf dem Kamm weiter zu einem Felsgipfelchen, das direkt genommen und überklettert wird (I). Von hier aus hatten wir noch einmal eine ganz fantastische Sicht nach Süden, auf das gigantische Wolkenmeer, unter dem Italien liegen musste. Hinter dem Felsgipfelchen zieht sich die Firnschneide dann hinüber zum eigentlichen, ein wenig unscheinbaren Gipfel des Weissmies (4017m)

Zwischbergenpass - Weissmies: unten Wegspuren, dann unmarkierte Blockkletterei am Grat, T5/II, 3:30h


Was für eine Aussicht: Italien unterm Nebelmeer, im Süden, tief unten der Portjengrat, dann Sonnighorn und Almagellerhorn, weiter hinten dann Dufourspitze, Strahlhorn, Rimpfischhorn, Allalinhorn, Alphubel, Täschhorn, Dom, Lenzspitze, Nadelhorn. Weit im Westen die Diablerets, Wildstrubel, im Nordwesten Balmhorn und Bietschhorn. Im Norden, direkt benachbart das Lagginhorn, dahinter Aletschhorn, Jungfrau, Mönch und Eiger und das Finsteraarhorn. Dammastock, Pazolastock und Tödi im Nordosten, da ist sogar die Sulzfluh! Im Osten dann die Bernina, und die Bergamasker Alpen, vom Piz Tri bis zum Legnone. Einfach fantastisch!

Wir fotografierten, gratulierten und enthusiasmierten, dann machten wir uns an den Abstieg. Über die gleiche Route ging's zurück zur Almagellerhütte. Allerdings bedeutend langsamer, jedenfalls bis zum Felsgipfelchen, denn vom Firngrat aus wollten noch so einige Fotos geschossen werden. Ein Paar, das mit uns auf der Hütte übernachtet hatte, beglückwünschte uns, und wir wünschten im Gegenzug noch eine schöne Tour. Auch ein paar Jungs, die den Berg vom Tal aus bestiegen, begegneten uns - ansonsten waren wir allein.

Den Abstieg genossen wir nochmal in vollen Zügen. Ich hopste voraus, und scoutete nach der besten Route, WoPo mit Steven war mir dicht auf den Fersen. Wir umgingen sätliche IIer-Stellen, und kamen im Abstieg gut voran, und langten drei Stunden, nachdem wir den Gipfel verlassen hatten, wieder am Zwischbergenpass (3268m) an.

(an dieser Stelle nochmals ein dickes Kompliment an den Zeilenmeister!! Du hattest ein feines Näschen für den leichtesten Abstieg an diesem Tage. Nicht ganz unwichtig für Steven!! Und so konnte ich mich ganz auf die Sicherung des schottischen Cousin konzentrieren. Gute Teamarbeit!)

Tja, ich gehe eigentlich immer nur den Weg des geringsten Widerstands, woisch.


Weissmies - Zwischbergenpass: unmarkierte Blockkletterei am Grat, unten Wegspuren, T5/II, 3h


Eine halbe Stunde später waren wir wieder an der Almagellerhütte (2894m).

Zwischbergenpass - Almagellerhütte: Markierter Wanderweg, T2, 30 Minuten


Nach einer ausgiebigen Pause machten wir uns dann an den weiteren Abstieg. Auf unserer Aufstiegsroute vom Vortag wanderten wir in einer Stunde hinunter zur Almagelleralp (2194m), wo WoPo nicht nur das reservierte, sondern auch noch ein zweites Stück Heidelbeerkuchen verdrückte.

(Wobei ich bei unserer Ankunft erstmal ordentlich geschockt wurde. Sagte doch der gute Urs, das der Heidelbeerkuchen an diesem Tage weg wie warme Semmel ging und alles verkauft wurde! Daraufhin brach der Schweizkappenträger in fette Schweizkappenträgertränen aus! Hätte es aber gar nicht nötig gehabt, weil besagter Urs ausnahmsweise einen 2. Heidelbeerkuchen gebacken hatte. Ausdrücklick wirklich nur, auf Grund meiner kleinen Geschichte des 14jährigen Wartens und besagter Vorbestellung)

(und auch DAS muss ich einfach noch einmal erwähnen: es war himmlisch. Warmer Heidelbeerkuchen nach einer Weissmies Besteigung; diese Kombi ist mehr als empfehlenswert!!!)
(… und versprochen, in diesem Bericht werde ich nix mehr über`s Essen erzählen...großes Ehrenwort vom kleinen Schweizkappenträger)


Dann ergänze ich noch, dass auch die Gulaschsuppe auf der Almagelleralp sehr zu empfehlen ist! Überhaupt ließen wir es uns dort nochmal so richtig gutgehen.

Almagellerhütte - Almagelleralp: Markierter Wanderweg, T2, 1h


Dann ging es nochmal auf den Erlebnisweg...

Also, beim ersten Mal hat das ja fast sowas wie Spaß gemacht... Beim zweiten Mal war's nur nervig - vor allem, weil ich ja noch zwei Stunden Autofahrt vor mir hatte. Es geht über viel Metall, Leitern und zwei wackelige Seilbrücken hinüber zum Parkplatz Furggstalden. Und wieder verfingen sich meine Stecken ständig in den farbschönen, gummibärchengrünen Netzen. (Ich hätte deine Stecken wirklich nicht verloren! Ehrlich!! Du hättest mir sie einfach nur mal geben müssen. Dann wärst du fluffig hinüber getappt... und nochmal zurück... und noch mal hinüber... und nochmal... sooooo viel Freude hätte es dir gemacht... ohne Stecken!!!) Aber die Passage ist kurz, und endlich gelangten wir zum Parkplatz Furggstalden (1893m), wo WoPos Auto sich schon auf uns gefreut hatte.

Almagelleralp - Furggstalden: Klettersteigähnlicher "Erlebnisweg", WS-, sonst markierter Wanderweg, T2, 45 Minuten


Und dann ging's ab ins Tal - aber nicht ohne Musik! Genesis' "Foxtrot" dröhnte in WoPos Boliden - und wir drei sangen aus vollem Hals mit!

"A Flower?"


Ausrüstung:

  
Helm und Stecken haben gereicht, für den Firngrat hat man besser die Steigeisen dabei.    Am Gipfeltag nicht benötigte Ausrüstungsgegenstände kann man netterweise in der Almagellerhütte deponieren.

(kleiner Tip vom Schweizkäppchen diesbezüglich:... auch wenn man noch sooo müde ist nach der Tour... besser ist es die deponierten Gegenstände auch wieder mit ins Tal zu nehmen. Es soll Menschen geben, die vergessen diese Tätigkeit schonmal)


Hihi! Na da hatteter ja Glück, dass das - wie war das? - das Schweizer Militär das Ding wieder mit runtergebracht hat? Sehr geiler Einsatz!

Fazit

Eine fantastische Tour, insbesondere bei solch idealen Bedingungen. Der Berg ist über diese Route in der Tat ohne weiteres im Alleingang begehbar. Es braucht nur die Steigeisen und einen Helm, und für mich natürlich meine Stecken, ohne die ich nie anzutreffen bin. Dass ich die Tour zusammen mit WoPo und Steven gehen konnte, war fantastisch, die beiden fügten dem Tag den dringend benötigten Sozialfaktor hinzu. WoPo, Steven, es war super mit Euch! Was machen wir als nächstes!

(och, wenne mich so fragst, also Ideen hätte ich noch so Einige.
Isch guet gsi!!
Echt jetzt!!
Dat machnwa nomma)


Tipptopp! Auf die nächste Tour - diesmal in den Allgäuern! Aber zunächst musste ich wieder zurück ins Gras, auf schmale Grate.



Tipp:

Einen guten Eindruck von der Tour vermittelt Tobis YouTube-Video.

Tourengänger: WoPo1961, Nik Brückner


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Kommentare (8)


Kommentar hinzufügen

boerscht hat gesagt:
Gesendet am 10. Oktober 2019 um 16:04
Coole Tour, Glückwunsch! Der Sonnenaufgang am Grat dort ist mir auch noch in bester Erinnerung.

Gruß Adrian

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 11. Oktober 2019 um 09:58
Servus Adrian!

Danke Dir! Ja, wir haben unterwegs auch über deine Tour und die tollen Fotos gesprochen!

Gruß,

Nik

Schubi hat gesagt:
Gesendet am 15. Oktober 2019 um 10:14
Servus Nik.
Auch von mir: Glückwunsch zu diesem Erlebnis! Ein launiger Bericht und herrliche Bilder.
Neidische Grüße ;-) Frank

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 17. Oktober 2019 um 12:32
Dank Dir, Frank. War eine fantastische Tour. Und das wäre auch mal was für Euch, würde ich sagen. Ich glaube, das könnte Euch gefallen.

Gruß,

Nik

F3ttmull hat gesagt:
Gesendet am 7. August 2020 um 15:01
Auch von mir Glückwünsche. Habe die Tour solo im August 2019 begannen, da mein Kollege lieber eine lockere Wanderung rund um Zermatt machen wollte. Bin dann früh gegen 7 Uhr in Saas-Almagell startet, nachdem ich 15 Minuten nach Fränkli gesucht hatte, da die Parkautomaten typisch deutsch nur Münzen annahmen und keine Scheine fressen. Den Grat habe ich im Abstieg gewählt, aufgestiegen bin ich auf rechter Seite immer am Abgrund entlang, bis ich dann wieder auf den Grat auf der linken Seite 300 hm weiter oben gelangt bin. Ganz zum Schluss auf dem Firngrat kurz die Steigeisen angezogen und die letzten Meter auf den "Gipfeli" gelaufen. War ne schöne Tagestour mit ca. 10h inkl. Radler in der Almagellerhütte :D

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 9. August 2020 um 17:33
Perfekt! Ein 4000er als Tagestour, das ist schon was Besonderes. Gratuliere!

Gruß,

Nik

F3ttmull hat gesagt:
Gesendet am 10. August 2020 um 14:33
Vielen Dank, v.a. wenn man bei 1.670 müNN startet und knapp 2.400 Hm im Auf- und Abstieg hat :D

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. August 2020 um 15:45
Jaja, ich kenn solche Tage.... Hast vermutlich gut geschlafen in der Nacht! ;o}


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