Das scharfe Ding mal reiten: Der Allmegrat.


Publiziert von Nik Brückner , 9. Oktober 2019 um 14:18. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Schweiz » Bern » Berner Voralpen
Tour Datum:13 September 2019
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 4:45
Aufstieg: 1000 m
Abstieg: 1000 m
Strecke:9km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Kandersteg mit der Seilbahn zur Allmenalp.
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Von der Allmenalp mit der Seilbahn zurück nach Kandersteg.
Unterkunftmöglichkeiten:Viele in Kandersteg.

In Kandersteg zieht es die Wanderer zum Oeschinensee, die Klettersteigfans an den Allmenalp-Klettersteig und die Hochtourengeher Richtung Blüemlisalp. Kaum jemand aber weiß, dass in dem kleinen Ort auch für passionierte Reiter etwas geboten ist: Allmegrat heißt der Parcours, oder Allmengrat, und, um mit den Worten Peer Gynts zu sprechen: "Wohl 'ne Meile läuft er drang / Hin, in Sensenrückenbreite." Oder genauer: zweieinhalb Kilometer ist er lang, das mit der Sensenrückenbreite stimmt allerdings: Das Ding ist messerscharf.

Im Sommer 2019 war ich am Thuner See stationiert, um von dort aus alle schmalen Grate zu gehen, die ich finden konnte. Die Vorwoche aber verbrachte ich zusammen mit WoPo, (DAS bin ich)  der den Sommer über im Wallis war. Wir waren zusammen auf einem schönen 3000er gewesen, und hatten auch einen Abstecher nach Zermatt gemacht. Danach war ich krank - zum Glück nur für einen Tag. Irgendetwas hatte mich ausgeknockt. Wir starteten wieder, indem wir eine kurze, aber schmale Tour über die Nüschlete gingen. Danach sollte es etwas Scharfes sein: eben der Allmegrat.

(gut, das wir nur eine Woche zusammen tourten... wie sähe die Einleitung wohl nach 3 Wochen aus?!!!)


Während der (kurzen) Anfahrt ließ ich mich von Tools "Fear Inoculum" wachrütteln. Los geht's an der Allmenalp (Untere Allme, 1723m), zu der man mit einer kleinen Seilbahn hinaufbaumeln kann. Von hier aus geht es auf einem einfachen Wanderweg hinauf zum First, ein Name, der ursprünglich dem ganzen Grat galt, sich aber heute auf den Pt. 2548 zusammengezogen hat, den Gipfel, der den nordöstlichen Endpunkt des Allmegrats bildet. Der First (2548m) ist von der Allmenalp problemlos zu erreichen.

(Nicht unerwähnt bleiben soll noch das etwas nervöse Murmeltier, was uns unentwegt ausgepfiffen hat. Ausgepfiffen, als wir uns ihm auf dem Wanderweg näherten. Ausgepfiffen, als ich es wagte ein Foto zu machen und ausgepfiffen, als wir schon längst außer Sichtweite waren. Vermutlich hat es sogar noch gepfiffen, als wir Stunden später hinab nach Kandersteg seilbahnten)

Ein ziemlich aufgeregtes Murmeli. Ein Aufgeregteli.

Allmenalp  - First: markierter Wanderweg, T2, 2h


Bevor es losgeht, sollte man unbedingt die Aussicht genießen! Das Highlight ist natürlich der Blick auf den Oeschinensee über Kandersteg, mit den Dreitausendern im Hintergrund: Eiger, Mönch und Jungfrau, Blüemlisalphorn, Fründenhorn und Doldenhorn. Im Süden stehen Balmhorn und Altels und ein paar Loner. Im Südwesten erhebt sich das Wildhorn, daneben Diableretes und das Oldenhorn.

Im Westen dominieren das Albristhore und der Gsür, mit denen der lange Niesengrat beginnt. Dahinter lugen Vanil d'Arpille, die Gipfel der Breccarunde, Schafberg und Kaiseregg herüber, ebenso wie weiter im Westen Bürglen, Gantrisch, Nüneneflue und Chrummfadeflue.

Im Nordosten schließlich erheben sich Hohgant,
Schrattenfluh, und  Brienzergrat, davor der Dreispitz - ein fantastisches Panorama!

Vom Gipfel folgt man dem Aufstiegsweg einige Meter, bis zu der Stelle, an der er den Grat talwärts verlässt. Nur ein paar Schritte weiter auf dem Grat nach Südwesten beginnt das äußerst luftige Abenteuer...

Wegspuren knapp links vom Grat zeigen zunächst an, dass sich einige hier hinübertrauen. Wer weiß, vielleicht gehen viele aber auch nur bis zur ersten Felspassage, naturgemäß sieht man dort dann keine Spuren mehr. Zwischendurch sind dann nur ab und zu äußerst schwache Trittspuren zu sehen, den gesamten Übergang zum Bunderspitz scheinen also tatsächlich nur sehr wenige zu machen.

Zunächst führt also eine dünne Wegspur knapp links der Kante über den Grat, dann zieht er sich schnell äußerst schmal zusammen. Die erste Prüfung besteht aus abschüssig geschichteten Platten, über die man hinunter muss.

Ein Umgehen schwieriger Passagen ist hier, und für den Rest der zweieinhalb Kilometer nicht möglich. Wer also hier schon auspsycht, sollte lieber umkehren, es wird noch deutlich krasser: Sowohl schwieriger, als auch schmaler. Ein Abbruch der Tour ist erst nach den schwierigsten Passagen möglich, über die äußerst steilen Grashänge zwischen Pt. 2530 und Pt. 2521.

(WoPo: ich glaube, nach DEN letzten Sätzen wird keiner mehr den Grat ausprobieren. Die lesen sich ziemlich krass. Deshalb: wer schon Erfahrungen im T6 Gelände gesammelt hat, für den ist dieser Grat ein voller Genuss!)


Auf schmaler Schrofenkante geht es nun weiter, dann wird die Kante noch einmal eine Nummer schmaler: Plattiger, schräg abwärts geschichteter Fels bildet eine messerscharfe Schneide aus, die für etwa 50 Meter so schmal ist, dass man am besten darauf reitet. Auch ein vorsichtiges Gehen in den Flanken ist möglich, (dort sind seitlich kleine, feine Trittchen… sehr empfehlenswert!!) wobei man sich mit den Händen an der schmalen Gratkante hält. Hat man ein deutlich auszumachendes Grasköpfl erreicht, wird es etwas einfacher: Weiterhin luftig, balanciert man nun auf einer Grasschneide Richtung Pt. 2530 hinauf. Dabei sind einige kleine Stufen zu erkraxeln (I). Kurz vor Pt. 2530 wird es wieder etwas einfacher, erst die kleine, etwa zehn, zwölf Meter hohe Doppelstufe an Pt. 2530 erfordert wieder Kletterei (II).

First - Pt. 2530: Weglose Gratüberschreitung, T6/II, 40 Minuten


Zwischen Pt. 2530 und  Pt. 2521 kann man dann für ein Viertelstündchen, oder zwanzig Minuten gemütlich dahinwandern.

Pt. 2530 - Pt. 2521: Weglose Gratüberschreitung, T2, 15 Minuten


Auch der Abstieg von Pt. 2521 ist zunächst noch unproblematisch. Dann zieht der Grat nochmal kräftig an - wenn's auch nicht mehr ganz so schwierig wird, wie zwischen First und Pt. 2530.

Über einen zunächst noch gemütlichen Grasrücken geht es hinunter, dann in wieder spürbarem T-Bereich auf ein Schrofenköpfl. Dahinter verschmalt sich der Grat wieder, und weitere felsige Köpfe werden sichtbar, bei denen man sich fragen mag, wie man über die hinüberkommen soll. Kurz vor einem Kopf mit einem markanten Wandl geht es nach rechts in die Grasflanke, der Kopf wird hart rechts des Wandls auf steilen Grastritten erstiegen. Dann geht es direkt auf der Kante weiter, die hier wieder von schräg geschichteten Felsplatten gebildet wird, und entsprechend schmal ist. Der Grat wird zunehmend felsig, und es gilt, aufzupassen, denn nicht alles hier ist fest.

Sind die Köpfe überstiegen, geht es in die tiefste Scharte zwischen Pt. 2521 und Bunderspitz hinunter. Dann steilt der Grat jäh auf, weshalb man hier nach rechts in die schattige Westflanke ausweicht. Die Querung ist gut zu begehen, dennoch muss man aufpassen, denn der Fels ist mit dunkler Erde durchsetzt, die vermutlich nie richtig durchtrocknet.

Man hält auf ein kleines Felskanzele zu, das sich nur wenig höher an einem Nebengrat befindet. Von diesem aus geht es wieder ins Gras, und nun entweder direkt an der Kante, oder etwas rechts davon über Schrofen hinauf. Kaum ist man auf der Grathöhe angelangt, begibt man sich erneut in die schattige, feuchte Westflanke. Die Querung ist noch etwas ausgesetzter als die erste, aber auf den kleinen Tritten auch gut zu begehen. Und wieder führt ein felsig-grasiger Nebengrat zurück auf die Grathöhe.

Die nun folgenden kleinen Schrofenköpfe sind kein Problem, dann führt der Grat an den Gipfelaufbau heran. Wieder steilt die Kante ordentlich auf, und auch dieser Aufschwung wird umgangen. Diesmal allerdings links, auf einem deutlich ausgeprägten Band.

Nach einer Kante wird das Band in plattigem Gelände deutlich schmaler. Man quert mit Vorteil in schwierigem, weil brüchigem und kleintrittigem Gelände noch ein Stück weiter, und kehrt dann zum Grat zurück, wenn rechts oberhalb wieder gut begehbares Gras zu sehen ist. Von den Felsplatten selbst sollte man die Füße lassen, sehr verlässlich sehen die nicht aus.

Zurück am Grat ist das restliche Stück zum Bunderspitz dann kein Problem mehr. Der Grat entspannt sich, und man wandert zunächst auf einem gemütlichen Grasrücken dahin. Kurz vor dem Gipfel wird's dann wieder felsiger,  dabei kann ein Spalt mit einem großen Spreizschritt ("ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein großer  (Spreiz)Schritt für mich") überwunden oder links umgangen werden. Dann ist es geschafft: zweieinhalb Kilometer in Sensenrückenbreite sind überwunden, der Bunderspitz (2546m) ist erreicht.

(ein fettes "Schweizkappe ab" das du dir DAS alles merken konntest! Da schaffe ich eher den Allmegrat wieder zurück zum First, als mir all die Auf`s und Ab`s zu behalten. Aber deshalb schreibst DU ja auch diesen Bericht... und ich darf kommentieren!!)

Merken? Merken konnte ich mir nur, dass es da links und rechts runterging.... Für den Rest hab ich die Fotos! ;o}

Pt. 2521 - Bunderspitz: Weglose Gratüberschreitung, T5, 50 Minuten


Hier am Gipfel genossen wir erst einmal das eben erlebte - öhrm - Erlebnis. Wir unterhielten uns ein Weilchen mit einer Einheimischen aus Spiez, bei der wir Werbung für den Allmegrat machten, dann stiegen wir ab.

Der Abstieg erfolgt auf dem Wanderweg, der zunächst dem Bundergrat hinunter in die Scharte zwischen Bunderspitz und Chlyne Loner folgt, und dann über die Obere Allme (1945m) zur Allmenalp (Untere Allme, 1723m) zurück führt.

Bunderspitz - Allmenalp: Markierte Wanderwege, T2, 1h


Ausrüstung:

Mit Helm und Stecken sind wir ausgekommen. C-Schuhe sind selbstverständlich.


Fazit:

Extreme und extrem scharfe Tour, die sämtliche Register schwierigen Gratwanderns zieht: lange, messerscharfe Abschnitte, ausgesetzte Passagen, schöne Grasrücken, kleine und große Schrofenköpfe, und dazu eine Aussicht, die ihresgleichen sucht. Ein schönes Video gibt's hier - und schöner kann Gratwandern nicht sein. Ein absolutes Highlight in meinem Tourenbuch! WoPo, klasse, dasste dabei warst! Hat einen Riesenspaß gemacht!

(WoPo: keine Schotterschei.... äh... Schottersteine, keine Geröllkac.. öhm... Geröllkatastrophe. Nur ehrlicher Fels. Allein deshalb schon hab ich diese Tour genossen. Und dann kamen all die anderen positiven Dinge dazu: Ausblick, Spaß, Akrobatik, noch mehr Spaß, ausgesetztes Gelände, juchhu!!, Nik`s Ausführungen zu allen möglichen Dingen.... und die entdeckte Gemeinsamkeit "wir-wollen-Haken-im-Hotel-Badezimmer".... et wa schön, et wa joot.. am End ä bisken zu koot....)

Tja, und weil wir's gerade von WoPo haben, dies war die letzte Tour unserer gemeinsamen Tourenwoche (och nö... jetzt schon?! Ich will aber noch nicht!!), die einige Tage zuvor am Grisighorn, einem 3000er im Wallis, begonnen hatte. WoPo kehrte ins Wallis zurück, und ich zog weiter zum Leissiggrat. Zu diesem Zeitpunkt ahnten wir noch kaum, dass wir uns eine Woche später wiedersehen würden: Aus meiner vagen Idee, noch einen 4000er allein zu besteigen, sollte Wirklichkeit werden - eine Tour zusammen mit WoPo und seinem Cousin Steven auf's Weissmies.

(Stimmt!!! Da war ja noch was!! Au fein... noch mehr zu lesen!!)


Tourengänger: WoPo1961, Nik Brückner


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Kommentare (5)


Kommentar hinzufügen

Schubi hat gesagt:
Gesendet am 9. Oktober 2019 um 21:03
Servus Nik.

EIndrucksvolle Bilder und lustiger Tourenbericht!
In Kandersteg waren wir genau vor einem Jahr und sind auch mit dieser kleinen Seilbahn nach oben. Haben uns aber "eine Etage tiefer" aufgehalten und uns nur den Alpschelengrat zugetraut (man sieht ihn auf eurem Doppelporträt kurz vor Schluss), und dann weiter nach Süden. Tourenbericht wollt ich eigentlich noch schreiben ...

Viele Grüße, Frank

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. Oktober 2019 um 13:15
Schreib mal! Der Grat sieht doch sehr schön aus - und deutlich besser für Paare geeignet. Man läuft doch gern nebeneinander... ;o}

Gruß,

Nik

Schubi hat gesagt: RE:
Gesendet am 29. Oktober 2019 um 17:43
Jo, nebeneinander ist's halt romantischer ;-)
*Hier die Tour!
Bis zum Wochenend und viele Grüße, Frank

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 29. Oktober 2019 um 20:30
Wir haben uns den Bericht gerade angeschaut! So schön! Ist eine fantastische Gegend.

Schubi hat gesagt: RE:
Gesendet am 30. Oktober 2019 um 14:28
Märci vielmal! Und die Gegend um Kandersteg sagt auch Märci ;-)


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