Weglos über den Roten Stein: Nordgrat über Karleswand, und Ostgrat (ohne Schafkopf)


Publiziert von Nik Brückner , 13. Juni 2017 um 19:46. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Lechtaler Alpen
Tour Datum:10 Juni 2017
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 6:45
Aufstieg: 1300 m
Abstieg: 1300 m
Strecke:8,5km

Nach meiner Umrundung des Berwanger Älpeletals auf der höchstmöglichen Route 2016 schrieb ich: "Damit hatte ich alles durch, was mich in dieser Gegend interessiert" - Wie man sich irren kann! Inzwischen hatte ich Lust bekommen, einen der beliebtesten Wanderberge der Gegend, den Roten Stein, vollkommen weglos zu überschreiten: Über Nord- und Ostgrat.

Würde das gehen? Keine Ahnung! Ich hatte eine Beschreibung des Nordgrats, die sich dann während meiner Begehung als keine Beschreibung des Nordgrats, sondern einer anderen (mir bis heute noch unklaren) Variante entpuppte. Über den Ostgrat wusste ich gar nichts. Also Terra incognita, für mich jedenfalls. Umso überraschter war ich, als sich zumindest der erste Teil der Tour, aber auch eine lange Passage des Ostgrats, als lohnende, reizvolle Gratüberschreitungen entpuppten!


Nach meiner mittlerweile üblichen Herrgottsfrüh-Anfahrt (die neue Scale the Summit im Auto gehört - die Musik muss schließlich zur Tour passen) startete ich um 9:30 Uhr auf dem kleinen Parkplatz im kleinen Kleinstockach (1180m) Richtung Stockacher Almhütten. Ich überquerte den Bach und wanderte auf der anderen Seite einen breiten, unmarkierten Weg hinauf. Der wendet sich bald nach links, und dann muss man ein wenig aufpassen, denn gleich zweigen links die Wegspuren ab, die zu den Hütten hinaufführen. Bald wird das Pfaderl deutlicher, und nach vielen Kehren steht man auf dem Absatz mit den Stockacher Almhütten (1605m).

Kleinstockach - Stockacher Almhütten: Weglein, T2, 40 Minuten


Im Aufstieg hatte ich schon ein paar der Pächter kennengelernt, nun luden mich andere zu einem Glas Wasser ein. Das ist ja nett!  - Und fragten mich gleich, ob ich zu diesen Verrückten gehören würde...

Eine Nachfrage brachte mir die Information ein, dass "vor ein paar Jahren" schonmal einer über die Karleswand und den Nordgrat auf den Roten Stein hinaufgestiegen war. Er sei zum obersten Grasfleck gegangen, habe dort kurz innegehalten, den Helm aufgesetzt, und sei kurz danach den Blicken entschwunden.


Genau so wollte ich das auch machen. Ich bedankte mich für das Wasser und die Wegbeschreibung, und machte mich auf den Weiterweg. Es geht nach den Hütten eigentlich immer auf dem Rücken weiter, zunächst durch lichten Wald, dann einen mäßig steilen Grashang zum Köpfle (1725m) hinauf, und oben auf Tierspuren durch Latschen. Es lohnt sich, den Rücken von einer geeigneten Stelle aus mal zu fotografieren, das hilft einem weiter oben, die richtige Latschengasse zu finden. Ich lief prompt in eine Sackgasse, checkte mein Foto, wechselte eins weiter nach links, und gelangte dort, an einem einzelnen, markanten Felsen vorbei, in der linken Flanke problemlos höher. Bald hatte ich den obersten Grasfleck erreicht.

Hier setzte ich den Helm auf, zurrte ihn fest, und stieg in die Felswand ein. In leichter Kletterei (I-II) ging es in wenigen Minuten hinauf auf die Kante. Ein Stück links von mir ein Steinmann, ein Stück rechts von mir das, was ich für den eigentlichen Gipfel der Karleswand halte. Aber was heißt schon Gipfel - jedenfalls ist eine Stelle dort in meiner Karte mit dem entsprechenden Namen versehen.

Wie der Name schon sagt, ist die Karleswand eigentlich kein Gipfel, sondern eine Wand, die das Kärle, das zwischen ihr, dem Roten Stein und dessen Ostgrat eingelagert ist, nördlich und westlich begrenzt. Das Gelände, das "Karleswand" genannt wird, ist demnach mit dem Nordgrat des Roten Steins identisch.

Erstmal nach links, in den Steinmann schauen! Und tatsächlich: Im Steinmann entdeckte ich eine alte Kaffeedose, darin ein vollkommen aufgeweichtes Gipfelbüchlein. Ich trug mich ein - als zweiter überhaupt! Wie war das? "Vor ein paar Jahren"? Yep, kann hinkommen.

Von der Stelle aus, an der ich auf den Grat hinaufkam, hätte man ohne Weiteres in das Kar zwischen Karleswand und Rotem Stein hinuntersteigen können, auch später geht das noch einige Male. Ich blieb allerdings auf dem Grat und wollte diesen in der Folge so selten wie möglich verlassen.

Nun ging es also über die Karleswand (2154m). Tja, was soll man schreiben. Es geht eigentlich über alles rüber. Das ist vom Steinmann weg erst einmal gar nicht schwer, ausgesetztes Gehgelände. Allerdings wartet der Grat immer wieder mit Einser- und Zweierstellen auf, deren Felsqualität zudem nicht gerade berühmt ist.

Im Gegensatz zu dem vermaledeiten Übergang vom Roten Stein zum Steinmandl allerdings muss man sagen, dass diese Route vergleichsweise (und überraschend) gut ist. Was das in diesen typischerweise brüchigen Bergen bedeutet, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich hatte jedenfels viel Spaß - und ich mag Bruch nicht besonders!

Es geht also auf dem Grat hinauf zu den ersten Erhebungen. Eine von diesen wurde dazu auserkoren, auf meiner Karte mit dem Namen "Karleswand" versehen worden zu sein (Pt. 2154). Die Kante ist schmal, aber überraschend gut begehbar. Klettereien folgen später. Man erklettert das meiste am Grat, wenn man mal ausweichen muss, dann meist nach links, rechts nur selten. Über Schotter geht es zu einem markanten Aufschwung, und den unteren Teil im zerrissenen Fels hinauf, über Zacken und zwischen ihnen hindurch. Oben warten brüchige Platten, die man vorsichtig auf der Kante nimmt, dann geht es über eine weitere ziemlich zerrissene Passage. Der oberste Teil des markanten Aufschwungs wird über ein angenehm breites Band von links nach rechts angegangen, an dessen äußerstem Ende kann man die nächste Stufe am Einfachsten erklettern. Oben angekommen ist es nicht mehr schwer bis zum höchsten Punkt des Aufschwungs.

Dahinter könnte man nochmals ins Kärle absteigen, oder zu einem Sattel im Ostgrat (ca. 2170m), über den Pfadspuren zum Wanderweg hinüberführen. Allerdings ist es jetzt nicht mehr schwierig: Über eine schöne Grasschneide geht es nun an den Gipfelaufbau heran. Dort folgt im unteren Teil ein weiterer felsiger Aufschwung, dann geht es über steiles Gras und Schrofen in der linken Flanke weiter, und oben direkt unterm Gipfel noch einmal durch Fels. Dann ist es geschafft: Der Gipfel des Roten Steins (2366m) ist erreicht!

Stockacher Almhütten - Roter Stein: weglos, Steilgras und Schrofen, dann ausgesetzte Gratüberschreitung in teils brüchigem Fels, T5/II, 3 Stunden


Auf dem Roten Stein traf ich auf Mister Muscle und seine Freundin, zwei echt nette Österreicher aus der Gegend um Imst, die vom Fernpass heraufgestiegen waren. Wir unterhielten uns eine Weile, dann ließ ich sie ziehen. Auch die nächste Gruppe, abschiedende Junggesellen wartete ich noch ab - es hatte sich zugezogen, und an eine Begehung des Ostgrats war nicht zu denken. Ich wollte jedoch die Hoffnung nicht aufgeben, dass es vielleicht doch noch hinhauen könnte, und wartete ab. Und meine Geduld zahlte sich aus: Nach einer Dreiviertelstunde riss es auf, und der Ostgrat war frei.

Also erst einmal die Rundsicht genießen. Es geht im Norden los mit den Ammergauer Alpen: dem Säuling und dem Branderschrofen. Daneben der Hohe Straußberg. Dann ist die Krähe zu sehen, und die Hochplatte. Bald schiebt sich im Vordergrund der Danielgrat ins Blickfeld, von der Kohlbergspitze bis zum, na, eben dem Daniel. Dahinter sind noch die Geierköpfe zu sehen, der Kreuzspitz und der Friederspitz.
 
Es folgen die Lechtaler Alpen, beginnend mit deren nördlichstem Grasberg, der Bleisspitze. Rechts dahinter erhebt sich der Wetterstein, mit dem Waxensteinkamm, der Zugspitze und dem Hochwanner. Davor die nahe Gartnerwand.

Es folgt die Mieminger Kette, mit der Hochwand und der Sonnenspitze direkt davor, der Hohen Munde ganz hinten, den Griesspitzen und schließlich dem wuchtigen Wannig. Im Südosten weitet sich der Blick dann und dort sind mit Ruderhofspitze, Schrankogel, Acherkogel und Grieskogel ein paar veritable 3000er zu sehen. Weiter Richtung Süden folgen dann die Wildspitze, die Verpeilspitze und die Watzespitze. Der Süden wird dann vom nahen Loreakopf markiert.

Rechts davon erkennt man dann die Weißseespitze und den Glockturm. Danach schiebt sich die Heiterwand ins Blickfeld, davor die unmittelbar benachbarte Steinmandlspitze, mit ihren Ausläufern, den Suwaldspitzen.

Darüber erheben sich der Muttekopf, die Große Schlenkerspitze, Gatschkopf und Parseierspitze, der Hohe Riffler im Verwall, die Freispitze und die Vorderseespitze. Davor sind die Tajaspitze und der Hochgwas zu sehen, sowie, ein Kuriosum hier, die Namloser und die Holzgauer Wetterspitze in scheinbar unmittelbarer Nachbarschaft zueinander. Es folgen die drei Kreuzspitzen.
 
Weiter Richtung Westen ragen die Allgäuer Alpen empor, beginnend mit der Mädelegabel, der Bretterspitze und der Urbeleskarspitze. Den Westen markiert der Hochvogel. Es folgen Großer Daumen, Kleiner Daumen, Leilachspitze, Rauhhorn, Schochenspitze, Geißhorn, Sulzspitze, Litnisschrofen, und Krinnenspitze.

Der kleine Einstein ist zu sehen, dann folgt die Gaichtspitze, dahinter der Lumberger Grat, Rote Flüh, Gimpel und Köllenspitz, bevor der Thaneller dann den Nordwesten dominiert. Jenseits davon endet der Rundblick mit der Gehrenspitze.


Jetzt aber los!


Es geht direkt vom Gipfelkreuz hinunter. Das ist anfangs noch okay, wird aber bald äußerst heikel. Der Ostgrat ist brüchiger als der Nordgrat und übersät von rutschigem Schotter. Bald steht man vor einem Abbruch, den man links umgehen kann, aber nur in äußerst heiklem Gelände und mit entsprechender Vorsicht. Nach einigem Zögern wagte ich mich Schritt für Schritt hinunter, der halbe Berg zerbröselte unter mir. Bald sah ich ein Gleis rechts unten, und entschied, den Grat aufzugeben und darauf zuzuhalten. Der Abstieg war noch einmal haarig, doch endlich kam ich unten an und stieg auf dem Gleis weiter ab. Herrje! Ich war froh, da wieder unten zu sein. Heraus kam ich an dem besagten Sattel auf ca. 2170 Metern Höhe, über das eine Wegspur quert, die von der Südseite des Ostgrats auf dessen Nordseite führt, und sich dort verliert. Hier sah ich, dass ich gut daran getan hatte, den Grat zu verlassen, er endet in einer überhängenden Schneide.

Aber gegenüber sieht's gut aus...

Nochmal rauf? Nach diesem Husarenritt? Ach, wenn ich schon mal da bin...

Der Gratkopf Pt. 2185 sieht auch gar nicht schlecht aus, und so hab ich's einfach mal ausprobiert. Zum Glück! Denn der nun folgende, nochmal ca. 500 Meter lange mittlere Gratbschnitt gehörte zu den Highlights meiner Tour! Die Felsqualität ist hier deutlich besser als beim Abstieg vom Gipfel.

Der Gratkopf Pt. 2185 wird überklettert (I), danach geht es direkt auf der Schneide weiter. Über den nächsten Zacken und auf der von großen Platten gebildeten Schneide weiter. Ein paar Schritte bin ich auf günstigen Kanten dieser Platten in der rechten Flanke gegangen, aber nie mehr als einen Meter unter der Kante und nie länger als zwei, drei Meter. Ansonsten ging es immer oben rüber.

Nach einem kurzen Grasabschnitt näherte ich mich der Schlüsselstelle des mittleren Gratabschnitts (und meiner Tour): Einem schmalen Aufschwung, III, von dem aus es, äußerst schneidig weiterging. Oben angekommen, war es dann aber wieder einfacher. Man kann diesen Aufschwung auch südseitig umgehen.

Es folgen grasdurchsetzte Partien, dann wieder eine scharfe Felsschneide, und bald macht der Grat einen Schlenker nach rechts, über ein paar kleine Schrofenköpfe. Dann geht es hinunter in einen grasigen Sattel...

Hier, in etwa bei Pt. 2094 stand ich dann vor einem Hindernis, das mich endgültig überforderte: Ein Aufschwung, der deutlich mehr Kletterfertigkeit benötigt, als ich mitbrachte. Ich stieg also über steiles Gras nach Süden ab, entdeckte dabei noch eine kleine Höhle, und gelangte etwas östlich der Abzweigung zum Bichlbacher Jöchle auf den Wanderweg.

Roter Stein Ostgrat: im oberen Teil brüchigster Fels, ab dem Joch deutlich besser, ausgesetzter, teil messerscharfer Grat, T6/III (eine Stelle) und leichter, 2 Stunden


Hier machte ich nochmal Pause, und wandte mich dann nach links, Richtung Bichlbächler Jöchle (1943m). Schöne Erinnerungen taten sich auf! Hier war ich auf meiner Tour von Garmisch nach Vaduz schon vorbeigekommen.

Aus dem Jöchle ging es dann auf dem schönen Wanderweg hinunter nach Kleinstockach (1180m), wo schon das Kloine Auto auf mich wartete, um mich nach Reutte zu fahren, wo ich untergekommen war. Schön war's! Eine wilde, abenteuerliche, tolle Tour!

Übers Bichlbacher Jöchle nach Kleinstockach: Wanderweg, T2, 1 Stunde


Fazit:

Spannende, abenteuerliche Entdeckungsreise (jedenfalls für mich), die ich allen widme, die den Nordgrat nachgehen mögen. Vom oberen Teil des Ostgrats rate ich dringend ab (der ist durchaus vergleichbar mit dem Übergang zum Steinmanndl). ab dem Joch auf ca. 2170 Metern Höhe ist er aber wieder höchst vergnüglich! Helm aufsetzen!

Am nächsten Tag wurde es dann scharf: Da stieg ich auf den heißen Frieder...

Tourengänger: Nik Brückner


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