Gras am Gwas


Publiziert von Nik Brückner , 22. Juli 2020 um 17:49.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Lechtaler Alpen
Tour Datum:14 Juli 2020
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 5:15
Aufstieg: 1250 m
Abstieg: 1250 m
Strecke:10km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Häselgehr nach Gramais
Unterkunftmöglichkeiten:In Gramais

Nachdem ich am Vortag auf der grasigen Tajaspitze gewesen war, zog es mich nun in abwechslungsreicheres Gelände: Steilgras, schmale Grate, Splitter, Fels und herrliche Aussichten - diese Tour hat all das zu bieten.

Ich legte "Colours Out Of Space" von Pixie Ninja ein und fuhr nach Gramais (1322m), wo diese Tour startet.

Das im 13. Jahrhundert vom Imster Raum aus besiedelte Gramais wurde im Jahre 1350 in einem Urbar der Herren von Starkenberg erstmals urkundlich erwähnt. Der Name leitet sich wohl von lat. „graminosa“, 'grasreich' oder auch von romanisch „grumoso“, 'unkrautreich' bzw. 'grasreiche Gegend' ab.

1427 sind 19 Höfe in Gramais genannt. Bis 1938 war Gramais Teil des Bezirkes Imst, in diesem Jahr erst kam der Ort zum Bezirk Reutte. Die kleinste Gemeinde Österreichs ist heute über eine gut ausgebaute 8,5 km lange Straße von Häselgehr erreichbar.


In Gramais (1322m ) wanderte ich vom Parkplatz aus dem Platzbach folgend nach Osten, hinauf zu dem 2097 Meter hohen Sattele 2097 m.

Gramais - Sattele: markierter Wanderweg, T2, 1:45h


Von hier aus kann man die Aufstiegroute zum Hinteren Riefenkopf ganz gut einsehen: nördlich über dem Sattele erhebt sich sein Südhang, aus dem direkt über dem Sattele ein Felspfeiler herausragt. Rechts davon befindet sich eine Rinne, und jenseits dieser Rinne ein Grasrücken, auf dem man über, wie man liest, gut gestuftes Gras aufsteigen kann.

Ich wanderte also aus dem Sattele hiauf zum dem Felspfeiler, und querte, nicht zu weit oben, rechts hinüber. Leider sprang just in diesem Moment eine Gams auf dem Grasrücken herum, so dass ich mich im unteren Teil lieber links der Rinne als rechts davon aufhielt. Das funktioniert auch gut, die Gams und ich kamen einander nicht ins Gehege. Allerdings ist der Anstieg hier nicht besonders bequem. Versuche, doch noch zum Grasrücken hinüberzugelangen, scheiterten an der Gams, und so stieg ich weiter oben links aus der Rinne heraus. T5 - auf der Rippe ist's, wie man liest, nur T4. Aber es ging auf meiner Route schon auch, und ich gelangte kurz oberhalb des Felspfeilers aus der Rinne hinaus. Von hier aus geht's dann leichter: Etwas links des Rückens steigt man in wenigen Minuten über gut gestuftes Gras hinauf auf den Hinteren Riefenkopf (2306 m).

Sattele - Hinterer Riefenkopf: unmarkierter, wegloser Ansteig in Steilgelände, auf meiner Route T5, 40 Minuten


Wer hier nicht rüberschaut zu dem fantastischen Grat zwischen Rotwand und Pfeilspitze! Eine der schönsten Touren hier im Lechtal, und aus dieser Perspektive sieht man sie selten.

Ich legte ein Rucksackdepot an, und machte mich an den Aufstieg zum Hochgwas.

Der Hochgwas ist ein interessant geformter, knapp 500 Meter langer Grasrücken, der nach beiden Seiten 300, 400 Meter tief abfällt. Überraschenderweise ist die Kante an keiner Stelle besonders schmal, so dass man nie das Gefühl besonderer Ausgesetztheit hat. Es handelt sich um einen Wandergrat.

Der Name "Hochgwas" leitet sich vom Wort "Wasen" ab, das auf die steilen Graspleisen verweist, mit denen die Gipfelschneide nach nahezu allen Seiten abfällt.


Ich stieg den mäßig steilen Grashang zum südwestlichen Kopf hinauf, und machte mich an die Gratwanderung. Lediglich an drei Stellen wird es ein bissl anspruchsvoller: Gleich zu Beginn geht es mal steil in ein Schartl hinunter, gegenüber muss man an einer plattigen Stelle ganz kurz ein wenig kraxeln (I). Und die Kante vor dem letzten, höchsten Kopf (2365 m) verlangt ebenfalls ein bissl Kraxelei (I). Hier ist's dann auch kurz ein wenig ausgesetzt (T4). Ansonsten verlangt der Hochgwas aber nur T3.

Über den Hochgwas hin und zurück: weglose Gratüberschreitung, kurz T4/I, sonst T3, 40 Minuten


Zurück an meinem Rucksackdepot machte ich mich nun an die nächste Etappe: den Übergang zum Wannekopf. Vom Hinteren Riefenkopf (2306 m) aus zieht sich ein schöner, erneut nicht wirklich schmaler Grasgrat hinüber zum Wannekopf. Dabei wird ein markanter Graskopf überschritten. Kurz vor dem Wannekopf geht's in ein Schartl hinunter. Ein wenig weiter vorn wechselt der Untergrund dann schlagartig, und der Spaß hört auf: Ein etwas mühsamer, aber eigentlich nicht schwieriger Anstieg auf splitterigem Bruch beginnt. Zum Glück ist der Anstieg kurz, und nach nur etwas mehr als zehn Minuten Splitterbruch erreicht man den Gipfel des Wannekopfs (2319m).

Hinterer Riefenkopf - Wannekopf: wegloser Grasgrat, dann Anstieg im Bruch, T2, dann T4, 30 Minuten


Es folgt das Herzstück der Tour: Der Übergang zum Seitekopf, auf einem zerrissenen Felsgrat.  Erneut wechselt das Gelände seinen Charakter komplett: Eben noch vom Gras in den Bruch, nun vom Bruch in den (selbstverständlich weiterhin brüchigen) Fels.

Man wandert zunächst noch einfach vom Wannekopfs westwärts hinunter, an die ersten Felsen heran. In der Folge kann nun alles überklettert (meist II) oder (meist rechts) auf breiten, aber ausgesetzten Bändern umgangen werden (meist T5). Ich hab's, der Abwechslung halber, mal so, mal so gemacht. Auf diese Weise nähert man sich nun einem markanten Turm zwischen Wannekopf und Seitekopf. Dieser Turm kann offenbar überklettert werden, ich entschied mich für die Umgehung. Man wandert auf dem Grat ziemlich nah ran an den Turm, dann geht es links hinunter, deutlichen Tierspuren zu einem ersten, dann zu einem zweiten winzigen Schartl folgend. Danach kann man direkt zum Grat wieder hinaufsteigen.

Oben erkennt man dann, dass der Turm absolut machbar gewesen ware: der Abstieg auf dieser Seite kann kaum Abstieg genannt werden. Eine vielleicht zwei Meter hohe Stufe wäre kein Problem gewesen.

Ich wanderte weiter auf dem zerrissenen Felsgrat, und glich die verpasste Kletterei am Turm nun dadurch aus, dass ich konsequent alles überkletterte. Wer darauf keine Lust hat, kann dort, wo die Turmumgehung die Grathöhe erreicht, gerade auf der anderen Seite auf weiteren Bändern weitergehen, das ist erneut T5. Meine Routenwahl war auch nicht schwieriger, aber deutlich ausgesetzter, und eine Kette von mal kürzeren, mal längeren IIern.

So näherte ich mich nun dem Seitekopf. Je weiter man nach Westen kommt, umso einfacher wird das Gelände, ein kleiner, felsiger Gratzacken ist schnell überwunden, dann wandert man den zunehmend grünen Gipfel hinauf. Bald steht man dann am Seitekopf (2344 m).

Wannekopf - Seitekopf: Weglose Gratüberschreitung, T5/II, 40 Minuten


Hier pauste ich erneut eine Runde, eine große sogar, ich lag mindestens eine Stunde lang faul am Gipfel herum. Mein Blick fiel dabei natürlich zuerst auf die Kette gegenüber, von der Großen Schafkarspitze zur Wannenspitze. Dahinter erheben sich Vorderseespitze, Fallesinspitze, Ruitelspitze, durch ein Joch hindurch konnte ich sogar die Tajaspitze ausmachen, auf der ich tags zuvor gewesen war. In den Allgäuern zeigten sich Hohes Licht, Hochfrottspitze, Mädelegabel und Trettachspitze, danaben der Krottenkopf und daran anschließend die lange Hornbachkette. Zirmebenjoch und Lichtspitze, die nordwestlichen Pfeiler der Kette, auf der ich saß, verdeckten den Hochvogel. Jenseits davon waren Geißhorn, Rote Spitze und die Leilach zu sehen. Im Nordosten ragen die atemberaubenden Grate von Rotwand, Pfeilspitze und den Kreuzspitzen auf, der Thaneller ist zu sehen, und natürlich die dominante Namloser Wetterspitze. Rechts davon die Gipfel der Heiterwand, und, nicht zu vergessen, dazwischen die Zugspitze. Im Osten dominieren dann der Muttekopf und die Große Schlenkerspitze. Und ganz nah, dem Hinteren Riefkopf gegenüber, noch 'ne Tajaspitze.

Nach diesem Rundblick machte ich mich an den Abstieg. Eine nicht immer deutulich zu erkennende Wegspur führt vom Gipfel weg nach Südwesten hinunter. Das Gelände ist im oberen Teil nie besonders steil, und so hat man oft die Gelegenheit, sich zu orientieren. Das muss man auch, um vor lauter Gehen den Weg nicht zu verlieren. Im Bereich von Lawinenverbauungen muss man besonders aufpassen, dort zweigen mehrfach Weglein nach links wie rechts ab. Wer unterhalb einen Jägerstand entdeckt, kann sich an diesem orientieren, das Weglein führt direkt dort vorbei und ist danach wieder einfacher zu verfolgen.

Etwa eineinhalb Stunden, nachdem ich den Gipfel verlassen hatte, stieß ich an einem Sendmast auf einen breiten Weg. Hier ist links "Gramais Forststraße, 30 min" angeschrieben. Wer sich daran hält, muss aber recht langsam gehen. Ich war in gemütlichen zehn Minuten an meinem Auto in Gramais (1322m) zurück.

Seitekopf - Gramais: dürftiger, (teils schlecht) markierter Wanderweg, T3, 1:40h


Fazit:

Kurze, wunderbar abwechslungsreiche Tour in einem versteckten Winkel der Lechtaler Alpen. Die Tour macht viel Spaß - vorausgesetzt, man kommt in dem splitterigen Bruch zwischen Wannekopf und Seitekopf gut zurecht.


Ausrüstung:

Helm (unbedingt!), Stecken

Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (12)


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Nyn hat gesagt:
Gesendet am 22. Juli 2020 um 19:02
Schees Gratl und scheene Bilder, Gratulation Nik!
Ähnliches hab ich noch vor, mit dem Gwas Nordgrat und Spitzkopf dazu - vielleicht klappt das ja noch dieses Jahr

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 23. Juli 2020 um 11:22
Den Spitzkopf hatte ich optional auf der Liste - sah dann aber fad aus. Da bin ich lieber wieder zurückgegwast.

Nyn hat gesagt: RE: Fad
Gesendet am 23. Juli 2020 um 12:22
Echt? Also der Gwas-Nordgrat sieht doch hier oder hier alles andere als fad aus...

Nik Brückner hat gesagt: RE: Fad
Gesendet am 23. Juli 2020 um 12:29
Ja, aber nur wegen dem Ab- und Wiederaufstieg da - das war's mir nicht wert.

Nyn hat gesagt: RE: Wiederaufstieg
Gesendet am 23. Juli 2020 um 12:45
aso...
War ja auch dein dritter Tourentag hintereinander nach dem 13h Gegeiere mit mir :D
Da ist die Motivation für Wiederaufstiege schon eingeschränkt. ich kenn das ...
Du denkst: Mei jetzt bin ich schon mal da, könnte ich nicht..., aber deine Beine sagen: Hey, jetzt reichts mir.

Nik Brückner hat gesagt: RE: Wiederaufstieg
Gesendet am 23. Juli 2020 um 12:46
Nee, es ging gar nicht mal um den Wieseraufstieg, das ist ja kein riesiger Höhenunterschied. Der Spitzkopf selbst hat mich nicht angemacht. Woisch.

Nyn hat gesagt: RE: Wiederaufstieg
Gesendet am 23. Juli 2020 um 12:58
Jo, basst scho'....Nix für ungut, Nik
Meine eigene Gwas-Planung sieht bisher folgende 2 Varianten:
Entweder ab Boden über in meinem AVF kurz beschriebene Route II-III Südost und Ostseite zum Sättele zwischen Spitzkopf und Gwas, dann über Gwas zum Hinteren Riefenkopf>Sattele> Boden...

oder die Variante von Norden wie bei maxlbeschrieben auf den Spitzkopf mit Fortsetzung bis je nachdem....
zum Seitekopf oder wahlweise ab Sattele vor dem Wannenkopf (nach dessen besteigung ) nach Norden hinab
Mei, wäre ich doch nur noch fitter :D

Nik Brückner hat gesagt: RE: Wiederaufstieg
Gesendet am 23. Juli 2020 um 12:59
Oh - Variante eins klingt lecker! Saxuma Bescheid, wenn Du das angehst?

Nyn hat gesagt: RE: Saxuma
Gesendet am 23. Juli 2020 um 13:05
klaro

Nik Brückner hat gesagt: RE: Saxuma
Gesendet am 23. Juli 2020 um 13:08
primo!

Nic hat gesagt:
Gesendet am 23. Juli 2020 um 12:25
Der Übergang vom Hochgwas ist meiner Meinung nach lohnenste Abschnitt der Tour. Neben dem Übergang zum Seitekopf. Der Grat von unten via Spitzkopf auch.

Gruß Nico

Nic hat gesagt: RE:
Gesendet am 23. Juli 2020 um 12:26
*Übergang zum Spitzkopf


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