Karolingisches für den Schubi - und drei Klöster für uns


Publiziert von Nik Brückner , 13. Mai 2024 um 13:15. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Südwestliche Mittelgebirge » Sonstige Höhenzüge und Talgebiete
Tour Datum:11 Mai 2024
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 2:30
Aufstieg: 14 m
Abstieg: 14 m
Strecke:12 Kilometer
Unterkunftmöglichkeiten:In Lorsch

Unser guter Freund Schubi schrieb neulich in seinem Kommentar zu unserer Romanik-Tour am Haardtrand: "Jetzt machst noch a Tour mit karolingischem Bauwerk und dann check ich den Unterschied zur Romanik auch". Schubi, du musst es nur sagen. Wir kommen deinem Wunsch gerne nach!

Und für Dich nur das Beste, Schubi, nichts Geringeres nämlich als das am besten erhaltene karolingische Gebäude von allen: die weltberühmte Lorscher Torhalle, Weltkulturerbe der UNESCO. Wir wollten aber nicht nur die Reste des Hauptklosters besichtigen, sondern auch die Ruinen des noch älteren Vorgängerklosters Altenmünster sowie die des ebenfalls bei Lorsch gelegenen Nonnenklosters Hagen ze Lorse - das heute praktisch völlig verschwunden ist, und das deshalb kaum noch jemand kennt. Oh, und Experimentalarchäologen haben hier auch noch einen frühmittelalterlichen Herrenhof nachgebaut. Die komplette Klosterrunde also....

Die Waldelfe und ich müssen allerdings derzeit marienkäferchenbedingt kleine und flache Wanderungen machen. Das passt aber gut, denn all diese Ziele liegen mitten in der flachen Rheinebene, verteilt auf eiszeitlichen Sanddünen, die diese Bauten einst über die sumpfigen Niederung im Rheintal erhoben, und ihre Besiedlung damit überhaupt erst möglich machten. Vierzehn Höhenmeter hat diese Tour...


Also ab ins Auto, und Benjamin Crofts "Far and Distant Things" eingelegt (der Schubbsi is ja scho weng ä Tschessä!). Start dieser Tour ist der Ort Lorsch (93 m), einst "Lorishaim" oder "Lauresham".

Er geht zurück auf ein Kloster, das 764 als adeliges Eigenkloster von dem Robertiner Cancor und seiner Mutter Williswinth gegründet wurde. Von den Robertinern stammt das spätere französische Königshaus der Kapetinger ab.


Hier steht man mitten im UNESCO-Weltkulturerbe.

Das Kloster Lorsch (mit Abtei und dem Kloster Altenmünster) ist seit 1991 Weltkulturerbe der UNESCO. Von der Anlage sind heute nur noch die Torhalle, Fragment einer Basilika aus dem 12. Jahrhundert und Teile der Klostermauer erhalten. Landschaftsarchitektonische Gestaltungen in der umgebenden Parkanlage deuten die verlorenen Bauten an. Zum geschützten Areal gehören außerdem das Museumszentrum Lorsch, das Schaudepot Zehntscheune, das Experimentalarchäologische Freilichtlabor karolingischer Herrenhof Lauresham und der Kräutergarten zum Lorscher Arzneibuch. Diese um 785 in Lorsch verfasste medizinische Handschrift ist das älteste erhaltene Buch zur Klostermedizin aus dem abendländischen Frühmittelalter bzw. das älteste erhaltene medizinische Buch Deutschlands. Es befindet sich seit ca. 1000 Jahren in Bamberg.


Los ging's am Fuß des Klosterhügels, einer eiszeitlichen Sanddüne (von denen es hier im Rheintal so einige gibt). Hier steht die berühmte Lorscher Torhalle.

Die Tor- (älter und überholt auch "Königshalle") ist ein um 900 errichteter spätkarolingischer Bau. Er gilt als der am besten erhaltene Bau der so genannten karolingischen Renaissance. Die vielfarbige Fassade der Torhalle ist ein bedeutendes Beispiel für die Verwendung antiker Bauformen und -techniken im Frühmittelalter.

Das Erdgeschoss bildet eine torartige offene Halle mit je drei halbrunden Bogenöffnungen, im Obergeschoss eine Blendarchitektur aus kannelierten Rechteckvorlagen, ionischen Kapitellen mit korinthischen Akanthusblätter und Dreiecksgiebeln. Die Wandflächen sind in rotem und weißem Sandstein gehalten, unten in Quadraten, oben in Sechs- und Dreiecken. Oben wird die Kannelierung der Säulen weitergeführt. Das Dach war ursprünglich deutlich flacher, was der Halle ein römisches Erscheinungsbild verlieh. Bewusst wurden hier also antike Formen übernommen, vielleicht um dem Anspruch der deutschen Kaiser Rechnung zu tragen, in der Nachfolge der römischen Imperatoren zu stehen.

Im Obergeschoss befindet sich eine einzelne große Halle. Und während die Fassaden des Gebäudes kaum verändert wurden, erfuhr dieser Innenraum mehrere Umbauten, die auf Umnutzungen des Raumes hindeuten. Ursprünglich war der Raum mit einer Scheinarchitektur bemalt, die heute wieder zu sehen ist: eine Säulenreihe auf einem Sockel aus verschiedenfarbigen Quadern. Aufgrund dieser Bemalung geht man von einer ursprünglich weltlichen Nutzung der Halle aus. Die genaue Funktion der Torhalle ist in der Forschung allerdings umstritten. Ursprünglich als Klostertor interpretiert, ergaben Grabungen 1927/28, dass das Gebäude immer frei stand. Eventuell aus Brandschutzgründen, vielleicht beheimatete es also einst die berühmte Lorscher Klosterbibliothek.

In der Diskussion sind auch die Nutzung als Königshalle, als Ehrenbogen mit einem Saal für Empfänge oder als repräsentativer Bau, in dem die Äbte der Reichsabtei die Gerichtsbarkeit ausübten.

Im 11. oder 12. Jahrhundert fand dann die erste Umnutzung statt: Damals wurde das mittlere Fenster der Ostwand vermauert, um Platz für eine Altarnische zu schaffen, dazu erhielt die Ostwand eine figürliche Bemalung. Beides deutet auf eine sakrale Nutzung hin.

Um 1400 erhielt die Halle ihr heutiges steileres gotisches Dach, um Platz für eine halbrunde hölzerne Tonne zu schaffen, welche die vermutlich flache Decke des ersten Obergeschosses ersetzte. Die nun höheren Wände des Obergeschosses wurden daraufhin ganz mit figürlichen Darstellungen bemalt.



Auf dem Klosterhügel hinter der Torhalle steht der Rest einer Kirche aus dem 12. Jahrhundert.

Der Kirchenrest ist im Grunde die Vorhalle der eigentlichen Klosterkirche, die heute fast vollständig verschwunden ist. Beide Gebäudeteile stammen aus dem 12. Jahrhundert. Die 50 Meter lange eigentliche Kirche, östlich der Ruine, ist als umlaufende Stufe im Gras angedeutet.

Wir verließen das Klosterareal nun in südlicher Richtung und umwanderten es bis zur Ostseite. Hier überquerten wir den Parkplatz, auf einer Holzbrücke einen Bach und hielten uns dann in nördöstlicher Richtung, hinüber zum gut ausgeschilderten Freilichtmuseum Lauresham (95 m).

Im umständlich benannten "Experimentalarchäologischen Freilichtlabor karolingischer Herrenhof Lauresham" wurde auf der Grundlage archäologischer Forschungen ein typischer Herrenhof des 8./9. Jahrhunderts, also aus der frühen Blütezeit des Lorscher Klosters nachgebaut, auf einer Fläche von ca. 4,1 Hektar. Dem Besucher soll hier das Leben der Menschen in den frühmittelalterlichen Gesellschaftsstrukturen nähergebracht werden. Daneben betreibt man hier auch experimentalarchäologische Forschung, zum Beispiel werden immer wieder handwerkliche und landwirtschaftliche Arbeitstechniken jener Zeit erprobt. Ein weiteres Projekt des Freilichtlabors ist das Auerrindprojekt, das die Abbildzüchtung einer auerochsenähnlichen Rinderrasse zu Ziel hat. Dieser ausgestorbene Ochse war im frühen Mittelalter in den Wäldern um Lorsch heimisch. Im Projekt soll die ökologische Bedeutung solcher großen Weidetiere erforscht und im Zuge von Beweidungsprojekten in der Umgebung erprobt werden.


Hier gibt es nicht nur Auerochsen, sondern auch Bienen. Und Bienen spielen in Lorsch eine ganz besondere Rolle. Denn von hier stammt der "Lorscher Bienensegen", eine der ältesten gereimten Dichtungen in deutscher Sprache.

Der althochdeutsche Text wurde im 10. Jahrhundert verfasst und sollte vermutlich ein schwärmendes Bienenvolk an einen Bienenstock zurückrufen:

    Kirst, imbi ist hûcze
    Nû fliuc dû, vihu mînaz, hera
    Fridu frôno in munt godes
    gisunt heim zi comonne

    Sizi, sizi, bîna
    Inbôt dir sancte Maria
    Hurolob ni habe dû
    Zi holce ni flûc dû

    Noh dû mir nindrinnês
    Noh dû mir nintuuinnêst
    Sizi vilu stillo
    Uuirki godes uuillon
    Christ, der Bienenschwarm ist hier draußen!
    Nun fliegt, ihr meine Bienen, kommt.
    Im Frieden des Herren, unter dem Schutz Gottes
    kommt gesund zurück.

    Sitzt, sitzt, Bienen.
    Der Befehl kommt von der Jungfrau Maria.
    Ihr habt keinen Urlaub.
    Fliegt nicht in den Wald.

    Weder sollt ihr von mir entgleiten.
    Oder vor mir flüchten.
    Sitzt im absolut Stillen
    und erfüllt Gottes Willen.


Weiter vorn trifft man dann auf die Weschnitz, der wir nun in südöstlicher Richtung folgten. Bald standen wir an der Klosterruine Altenmünster (95 m).

Auch das Gelände des ehemaligen Mutterklosters Altenmünster der Abtei Lorsch ist Teil des UNESCO Welterbes. 764 schufen Williswinda, die Witwe Graf Ruperts, und ihr Sohn Cancor mit Unterstützung ihrer Familie die Voraussetzungen für eine Klostergründung hier auf einem langgestreckten Dünenrücken, der, von zwei Armen der Weschnitz umschlossen, eine Insel im sumpfigen Rheintal bildete. Die beiden Gründer schenkten das Kloster ihrem Verwandten, dem Metzer Erzbischof Chrodegang, damals Primas des Frankenreichs. Chrodegang wiederum ließ Reliquien des HI. Nazarius nach Lorsch überführen und beauftragte seinen Bruder Gundeland, einen ersten Konvent zu gründen, zunächst mit 16 Mönchen aus dem heute lothringischen Gorze.

Die sofort einsetzende, ungewöhnliche Blüte dieser kleinen Abtei verlangte bald nach einer größeren und auch günstiger gelegenen Niederlassung. Graf Thurincbert, ebenfalls ein Rupertiner, stellte 767 dazu eine etwa 800 Meter weiter westlich gelegene hohe Düne zur Verfügung. Während dort die Baumaßnahmen begannen und schon sieben Jahre später (774) die neue Klosterkirche eingeweiht werden konnte, verschwand das alte, hier auf der Weschnitzinsel gelegene Kloster aus der Erinnerung.

Erst seine Neugründung unter Abt Udalrich im Jahre 1071 als Propstei des Klosters Lorsch gab zum Namen "Altenmünster" ('altes Kloster') Anlass. Das Kloster verfügte über eigenen Grundbesitz und eine eigene Führung. Aus dem Lorscher Necrolog hat sich eine Liste der Pröpste von Altenmünster erhalten.

Dann bricht die Überlieferung gänzlich ab. Erst in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts begann sich die Archäologie für den Ort zu interessieren. Nach über einem Jahrhundert Forschung ermöglichte der Heimat- und Kulturverein Lorsch e. V. den Schutz des Ortes durch eine teilweise Markierung der Gebäude als Aufmauerung oder als Bodenerhebung.



Der Uferweg wird bald zu einem hübschen schmalen Pfad, und dann zu einem "Nisthöhlenlehrpfad".

Unterschiedliche Nisthöhlen für Vögel sind mit kleinen Infotafeln ausgestattet, damit die vielen verschiedenen Vogelarten auch wissen, welche Höhlen für die geeignet sind.


Eineinhalb Kilometer weiter stehen dann einige markante Steine am Weg, die Frondienst-Abschnittssteine (95 m).

Zum Schutz vor Überschwemmungen mussten die Kurmainzer Untertanen Jahr für Jahr die Weschnitz säubern, das Bett auf die gehörige Weite und Tiefe ausheben, die Dämme ausbessern, erhöhen und befestigen. Zu dieser harten Fronarbeit wurden die arbeitsfähigen Männer des Oberamtes Starkenburg und des Amtes Gernsheim herangezogen. Jede Gemeinde hatte, je nach Mannschaftsstärke, ihren durch mächtige Steine gekennzeichneten Abschnitt. Pro Mann wurde eine Arbeitsleistung von 3,70 Meter pro Tag gefordert.

Zwölf dieser Steine standen am sogenannten oberen Abschnitt (von der Biblis-Kleinhäuser Grenze bachaufwärts bis zum Zusammenfluß der Alten und der Neuen Weschnitz bei Lorsch) unverrückbar auf dem Damm eingegraben. Auf den Distriktsteinen wurden die Namen der Gemeinden eingehauen und somit der jeweilige Arbeitsabschnitt festgelegt.

Nach 1803 verloren diese Steine ihre Bedeutung und man entfernte sie vom Weschnitzdamm. Beim Ausheben des neuen Landgrabenbettes kamen dann im August 1971 vier dieser ehemaligen Abschnittssteine zum Vorschein. Sie waren offensichtlich zur Verfüllung verwendet worden. 1986 wurden diese Steine im Rahmen des heimatkundlichen Lehrpfades hier aufgestellt. Als seltene Flurdenkmäler sollen sie der Nachwelt erhalten bleiben und erinnern.



Kurz darauf standen wir am Weschnitz - Stauwerk (93 m).

Hier waren wir schon einmal gewesen - auch das im Frühmittelalter: Vor einigen Jahren haben wir nämlich die historische Grenze des Heppenheimer Kirchspiels aus dem Jahr 805 umwandert. Die verlief irgendwo hier in der Nähe des heutigen Stauwerks.


Am Stauwerk bogen wir nun rechts ab und folgten dem Weg, der das Naturschutzgebiet "Weschnitzinsel von Lorsch" westlich umläuft. Bald stößt man auf die historische Herrenbrücke (97 m).

Die Herrnbrücke erhielt ihren Namen von den "Herrn" - den Landesfürsten, die sie errichtet und unterhalten haben. Sie führte nach dem herrschaftlichen Jagdgebiet zwischen der alten und der neuen Weschnitz, den allein den Landesfürsten vorbehaltenen Jagdwiesen Entenfang auf der Weschnitzinsel. Hier kreuzte die frühmittelalterliche Gaugrenze zwischen dem Oberrhein- und dem Lobdengau die Weschnitz und lief an der Südgrenze der Heppenheimer Mark zur Bergstraße hin. Ein Grenzhag (Dornenhecke) machte die Gaugrenze weithin sichtbar.


Direkt hinter der Brücke ermöglicht ein hölzerner Aussichtsturm einen Blick in das für Besucher gesperrte Naturschutzgebiets "Weschnitzinsel von Lorsch": der Hans-Ludwig-Turm (95 m).

Der Erhalt des Naturschutzgebiets "Weschnitzinsel von Lorsch", des größten zusammenhängenden Grünlandgebiets in Südhessen, ist ein Lebenswerk des Lorscher Ornithologen Hans Ludwig. Ludwig war unter anderem Ortsbeauftragter für Vogelschutz der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, Landesvorsitzender des Vereins für Waldvogelpflege und Vogelschutz, Betreuer des NSG Weschnitzinsel, Vorstandsmitglied des NABU Kreisverbandes Bergstraße sowie Mitbegründer des Lorscher Vogelvereins. In Erinnerung an seine Verdienste um den Natur- und Vogelschutz in Lorsch, in der Region und darüber hinaus, ist dieser Aussichtsturm nach Hans Ludwig benannt.

Der Turm erfüllt - ganz im Sinne seines Namengebers - den Zweck, Menschen Beobachtungen zu ermöglichen, ohne dabei die Natur zu stören.

Und eine schöne Aussicht hat man auch, auf die Höhen des Odenwalds: im Norden der Melibokus, dann folgen Ludwigshöhe und Felsberg, Hemsberg und Kesselberg, die Starkenburg bei Heppenheim, der Kreuzberg, die Hohe Waid und schließlich der Ölberg.



Zurück über die Herrenbrücke (97 m) wanderten wir nun in der vorigen Richtung weiter. Unser Weg auf der linken Seite des Landgrabens bog dann in Waldnähe nach Süden ab und folgte weiter dem Rand des Naturschutzgebiets. Ca. einen halben Kilometer nach einem großen Bauernhof ist rechterhand ein ungewöhnliches weißes Gebäude zu sehen: das Bruchhäusel. Es markiert den Standort des ehemaligen Klosters Hagen ze Lorse (96 m).

Das einstige Frauenkloster "Hagen ze Lorse" ist heute fast gänzlich in Vergessenheit geraten. Sein Gründungsjahr ist unklar. Denkbar wäre eine Gründung um 1130 durch Uta von Calw; andere Quellen legen eine Gründung um 1120 durch den Wormser Bischoff Burkhard II nahe. Vor Ort ist zur vollständigen Verwirrung eine weitere Zahl genannt. Über seine Geschichte und die Aufgabe bzw. Zerstörung des Klosters ist leider wenig bekannt.

Es ist eine Überlieferung aus dem 16. Jahrhundert, nach der hier auf einer kleinen Anhöhe Bischof Burkard II. von Worms (1120-1149) das Kloster Hagen gründete, unter Verwendung von Material der karolingischen Basilika. Der Lorscher Abt Heinrich (1152-1167) bedachte es in seinem Testament mit 10 Mark Silber. In einer Urkunde von 1285 oder 1295 werden Augustinerinnen als Insassen genannt. Nach 1300 löst sich das Kloster von der geistlichen und weltlichen Oberhoheit des Bischof von Worms und unterstellt sich der Propstei Lorsch.

Schon im 15. Jahrhundert bestand das Kloster nicht mehr: 1423 ist es nicht mehr besiedelt. Das Wirtschafts- und Weideland ist verpachtet. 1629 heißt es immerhin, Überreste des Klosters seien noch vorhanden.

1753 entdecken Hirten (bei Raubgrabungen) Bestattungen. Hundert Jahre später, 1851, wird hier das Bruchhäusel (Pferdehäuschen) auf dem Mauerstumpf eines Eckturms der ehemaligen Ringmauer errichtet, als Unterstand für Bauern und Hirten.


Das Augustinerinnenkloster Hagen ze Lorse wurde dann 1904 wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt: Damals führte Leutnant Heinrich Gieß im Auftrag des Freiherrn Erwin Heyl zu Herrnsheim Grabungen durch. Er fand innerhalb eines Grabens Grundmauern einer Kirche und Reste der Klostergebäude. Auch prähistorische, römische und karolingische Funde kamen zutage.

1970 wurde das Gelände durch den Heimat- und Kulturverein Lorsch zu einem Garten umgestaltet und im Bruchhäusel eine Gedenkstätte für das ehemalige Kloster eingerichtet.


Auf der Westseite des Gartens wanderten wir nun nach Norden, erneut vorbei an dem großen Hof und weiter zu den nächsten. Hier ging es in den Wald und den nächsten Sanddünen folgend zum höchsten Punkt unserer Tour: dem Sachsenbuckel (110 m). Durch herrlichen Kiefernwald ging es weiter zum Sachsenbuckel Parkplatz (96 m) und von dort nach rechts, wieder hinaus aus dem Wald. Hier befand sich einst das Dorf Seehof.

Hier, beim sogenannten "Sachsenbuckel", lag wahrscheinlich schon vor dem 12. Jahrhundert die Wildhube Kessenau. Der Name bezeichnete eine Einzelhofsiedlung, bestehend aus Haus, Hof und unmittelbar anschließendem Ackerland. ("Hube" war die Bezeichnung für ein Bauerngut in einer Größe von 30 Morgen, eine Wildhube war ein solches Bauerngut, das aus Wald, also aus unbebautem (wildem) Boden, gerodet wurde.)

Urkundlich wird die Wildhube erstmals 1423 erwähnt. In dieser Zeit befand sich hier auch ein bedeutungsvoller Grenzstein, der in der Bevölkerung als Wildhubenstein oder Hinkelstein bekannt war. 1721 wurde er durch den jetzt noch vorhandenen sandsteinernen Grenzstein ersetzt. Der Grenzstein zeigt unter anderem ein Dreieck, Zeichen der ehemaligen Gemeinde Seehof.

Der Seehof war wahrscheinlich ursprünglich ein Wirtschaftshof des Klosters Lorsch. Seinen Namen erhielt er von dem dort befindlichen Lorscher See.

Im Jahr 1648 wird die Gemarkung Seehof wie folgt beschrieben: "Die Gemarkung besteht aus 1200 Morgen und das Fischwasser Lorscher See zieht neben dem Lorscher Wald bis an die Virnheimer Gemarkung".

Mehrere Urkunden zeugen von der bewegten Geschichte des Seehofs im Mittelalter. So wird 1474 berichtet, dass der Lorscher See durch den Pfalzgrafen Friedrich zur Versorgung seinerHofhaltung auf der Friedrichsburg (heute Neuschloss) benutzt wurde.

1802 kam der Seehof von Kurmainz an das Großherzogtum Hessen. In den Jahren 1833 bis 1856 war Seehof dann eine eigenständige Gemeinde mit über 200 Einwohnern.

Aufgrund schlechter Bedingungen für die Landwirtschaft wanderten in den Jahren 1853/1854 die meisten Einwohner in die USA aus. Die Häuser wurden versteigert und größtenteils in Hüttenfeld wieder aufgebaut. Damit wurde der Ort fast vollständig aufgegeben. Im Verzeichnis der Wohnplätze des Großherzogtums Hessen von 1867 wird Seehof nur noch als Gemarkung der Gemeinde Lorsch mit einem Haus und acht Einwohnern genannt.



Wir veließen nun den Seehof und nahmen nach einem Hundeplatz den Weg "Riedring", der uns schnurgerade zurück zum Kloster Lorsch (95 m) brachte.


Fazit:

Flache, aber dafür historisch hochinteressantes kleines Töürl, das gleichzeitig furchs Frühmittelalter und durch UNESCO-Weltkulturerbe führt. Und zu drei Klöstern. Und über eiszeitliche Dünen.  Wer sich für so etwas interessiert, findet in dieser Gegend schwerlich Interessanteres.


So, Schubi! Jetzt
checkste vielleicht den Unterschied zur Romanik - tät uns freuen! Ers näggsde Ma bist du einfach dabei. Oder..... ich sag mal so: Eine Karolingertour hätt ich noch! Einstweilen herzliche Grüße in den Nordschwarzwald!

Tourengänger: Nik Brückner, Waldelfe


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Kommentare (2)


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Schubi hat gesagt:
Gesendet am 13. Mai 2024 um 23:28
Oh no, Nik! Jetzt setzt du mich mit meinem fehlenden Wissen in Baustil-Kunde auch noch in die Titelzeile :-/
Aber Märci anyway für den gewidmeten Geschichts-Unterricht.

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 14. Mai 2024 um 09:23
Ach was. Als würde Dir das irgendwer übelnehmen! Wir haben uns vor allem über deine Anrgung gefreut. War eine wunderbare Runde, die wir sehr gerne dir gewidmet haben.

Herzlichen Gruß,

Nik


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