Weißes Pulver, von früh bis spat!


Publiziert von Nik Brückner , 2. August 2022 um 11:12.

Region: Welt » Deutschland » Südwestliche Mittelgebirge » Odenwald
Tour Datum:25 Juni 2022
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 700 m
Abstieg: 700 m
Strecke:15 Kilometer

Bergbau bei Schriesheim - ein Thema, das mich immer wieder mal in diese Gegend zieht. Zum Beispiel hier und hier. Dieses Mal geht's um weißes Pulver...

Hm? Na Baryt - Schwerspat!

Okay, okay, Burgruinen, felsige Tälchen und eine enge Felsschlucht sind auch dabei. Aber die hat auch schon wieder was mit Bergbau zu tun. Dazu später mehr. 
 
Im südlichen Odenwald, entlang Klüften in der so genannten Schriesheim-Formation, wurde im 19. und 20. Jahrhundert Schwerspat abgebaut. Das Baryt wurde aus heißen, wässrigen Lösungen in einer Verwerfungsspalte ausgeschieden, die sich heute noch über fast zwei Kilometer vom Zins durch das Weittal bis ins Pappelbachtal verfolgen lässt. Das weiße Pulver wurde als Zusatz bei der Farb- und Papierherstellung verwendet. Und man erzählt, dass man es in schlechten Zeiten zum Strecken verwendet hat. 

Nee, von Brotmehl natürlich! Wovon denn sonst. Insgesamt wurde hier in der Gegend fast 140 Jahre lang, bis 1939, Schwerspat abgebaut. Spuren davon kann man vom Pappelbachtal über die Obere Griet bis hinunter ins Weittal entdecken: Erdeinbrüche, Stolleneingänge und die schon angeteaste Schlucht. 


"Tributelogy" vom Morgaua Quartet eingelegt, und los geht's! Start der Tour ist die kleine Parkmöglichkeit am Griethweg (170 m), unweit der Einfahrt in den Branichtunnel. Von hier aus geht es nicht ins Weittal (Weite Tal) hinein, sondern geradewegs nach Norden, in den Felsengrund. Dazu wandert man von der Parkmöglichkeit aus ein paar Meter zurück (Richtung Westen), dann geht's rechts steil hinauf zu ein paar Häusern am Waldrand. Hier wendet sich der Weg nach rechts (Norden), in den Felsengrund hinein

Etwa dreihundert Meter nach dem Waldrand ist der Weg durch den Felsengrund recht dicht zugewachsen. Hier führt rechts ein Steig hinauf auf den Bergrücken. Der ist schöner, den nehmen wir. Auf dem Rücken angekommen, geht es nun nach links, den Rücken hinauf. Dabei überqueren wir einen breiten Waldweg, bevor der Steig über den Bergrücken am darauffolgenden Waldweg, dem Hohe-Waid-Weg endet

Hier einige Schritte nach links, und im spitzen Winkel hinauf zum Zinsweg (weiße Markierung S3), der uns nach rechts zur Zinshütte (373 m) führt. 

Ich habe von hier aus noch einen Abstecher auf den Zins (398 m) eingelegt, um dort den ersten Bergbaustollen einzusehen. Den habe ich aber ebensowenig gefunden wie ein spannendes Gipfelerlebnis, und so wanderte ich unerlebter Dinge wieder zurück zur Zinshütte (373 m).

Ebenfalls nicht machen muss man Folgendes: Hinter der Hütte den nächsten Bergrücken hinauf zu einem Hochsitz bei einer Futterstelle, und von hier aus auf dem Eisengrubweg nach links hinunter zum Schanzenköpfle. Die erste Hälfte dieser Teilstrecke ist ziemlich zugewachsen, Brombeeren und Brennesseln, nicht schön. Die zweite ist dafür wieder empfehlenswert, also...

Man kann aber auch direkt von der Zinshütte zum Schanzenköpfle gehen. Hier steht die Ruine Schanzenköpfle (398 m).
 
Die Ruine auf dem Schanzenköpfle liegt in knapp Metern Höhe auf einem Sporn der Hohen Waid. Man vermutet, dass die Burg um 1100 gebaut wurde und damit eine der ältesten Höhenburgen der Region war.
 
Die Burgen auf dem Schanzenköpfle und weiter unten auf dem Hirschberg gehören zusammen. Beide wurden wahrscheinlich von dem edelfreien Geschlecht der Hirschberger errichtet. Aufgrund der Datierung einiger Scherben, die man hier gefunden hat, geht man davon aus, dass das Schanzenköpfle die ältere Anlage war und vielleicht zu Beginn des 12. Jahrhunderts errichtet wurde. 
 
"Schanzenköpfle" ist nie der Name dieser Burg gewesen. In der frühesten urkundlichen Erwähnung (um 1400) ist vielmehr vom "obern Burgberg über Hirtzberg" die Rede. Daraus lässt sich schließen, dass die Burg zum damaligen Zeitpunkt bereits verlassen war. Wann genau und warum sie aufgegeben wurde, ist nicht bekannt, vermutlich schon um 1200, ganz sicher aber vor 1483, wenn von einer ehemaligen Burg die Rede ist. Vielleicht wollte man einfach in den tiefer gelegenen neuen Ansitz umziehen.
 
Die Burg wurde auf einem künstlich geformten Hügel errichtet, auf einem etwa 30 mal 35 Meter großen Plateau. Sie war von einem Graben sowie einer Ringmauer umschlossen, die heute noch an zwei Stellen sichtbar ist. Im Süden befinden sich die Fundamente eines Zangentors. Am deutlichsten sichtbar ist heute noch der Ringgraben, der den Burghügel umgibt und der seinerseits von einem Wall umfangen war.

Vom Schanzenköpfle führt ein herrlicher Hohlweg zur 500 Meter nordwestlich gelegenen Ruine Hirschburg (Markierung Burgenweg, blaue Burg auf weißem Grund). Zunächst wandert man hinunter zum Kornbuckelweg, dann geht's auf diesem ein Stück nach links (Westen) bis zu einer Linkskurve. In dieser wandert man dann geradeaus weiter hinunter zur Ruine Hirschburg (300 m)

Die Hirschburg (auch Burg Hirschberg), ist ähnlich der Ruine auf dem Schanzenköpfle eine hochmittelalterliche Höhenburg. Sie liegt etwa 100 Meter tiefer als jene ältere Anlage. Sie wurde vermutlich Ende des 12. Jahrhunderts als Ersatz für die um 1200 aufgegebene Burg auf dem Schanzenköpfle erbaut, wahrscheinlich ebenfalls von den Hirschbergern. Diese zweite Burg gehörte 1264 zur Hälfte den Herren von Strahlenberg. 1329 verkauften die Strahlenberger ihren Anteil dem Mainzer Erzbischof. Seitdem wurde sie von den Hirschbergern allein bewohnt.
 
Die Hirschburg wurde bereits im Jahr 1300 bei Kriegszügen der Habsburger gegen den Pfalzgrafen bei Rhein zerstört und danach nicht wieder aufgebaut. Auch erbauten die Ritter von Hirschberg damals im Ort Leutershausen einen großen Hof. Wie lange die Burg verfiel, ob oder wann sie geschleift oder abgerissen wurde, ist allerdings nicht bekannt.
 
Die ovale Burganlage liegt auf einem künstlich veränderten Bergsporn, der an drei Seiten steil abfällt und nur im Osten mit dem Berghang verbunden ist. Um diese Flanke zu schützen, wurde dort ein Halsgraben angelegt. Das ca. 50 Meter langen Plateau war einst von einer Ringmauer umschlossen, innerhalb derer mehrere Gebäude standen. Heute liegen hier nur noch die gekippten Reste eines runden Bergfrieds, der wohl im 13. Jahrhundert errichtet wurde.

Auf der Südseite des Burghügels befand sich eine Vorburg, deren Reste inzwischen dem neuzeitlichen Gesteinsabbau zum Opfer gefallen sind.
 
Ich stieg von der Burg nach Westen hinunter, und zweigte dann, weiterhin dem Burgenweg folgend, gleich nach Norden ab, ins Tal des Staudenbächles. Hier muss man ein Stück dem Bachlauf bergwärts folgen, auf dem Wolfsackerweg, bevor man das Staudenbächle überqueren kann. Es geht nun nordwärts weiter, hinauf zum Kornbuckelweg, den wir in der Nähe des Birkenbächles erreichen.

Ich wanderte hier ein Stück auf dem Kornbuckelweg nach rechts (südwärts), vielleicht 50, 60 Meter, um dann links hinauf in den Hang zu zacken. Hier kurvt ein hübscher Weg auf halber Höhe zwischen Kornbuckelweg und Leichtweg um einen Bergsporn herum nach Norden. Bald wandert man auf einem herrlichen Pfad am oberen Ende eines Weinbergs entlang, dann geht es auf einem alten Hohlweg wieder in den Wald hinein. Bald steht man oberhalb der Hütte am Kehrrang (246m).

Hier nahm ich den breiten Kehrrangweg, der in der Folge auch ein Waldlehrpfad ist. Man will ja schließlich was lernen. Man kurvt weiter nordwärts, zum Pavillon am Waldlehrpfad (255 m), wo sich der Weg teilt. Der Kehrrangweg geht rechts weiter, der Margarethenruhweg geradeaus. Ich nahm letzteren, verließ ihn aber bald wieder, um rechts in einem Tälchen doch wieder zum Kehrrangweg hinaufzusteigen. Auf diesem schwang ich dann weiter nach Norden, bis ich ihn dann nach weiteren 500 Metern endgültig verließ, um zum nördlichsten Punkt meiner Tour aufzusteigen: der Steinernen Kanzel.

Dazu verlässt man den Kehrrangweg nach rechts, für einen kleinen Pfad, der hier den Hang hinaufführt: den Grenzpfad. Von diesem aus führt bald ein ebenso kleiner Pfad nach links zur Steinernen Kanzel (279 m).

Klingt toll, ist aber eher so lala. Eine kleine Felswand mitten im Wald, ohne viel Aussicht. Immerhin hat ein netter Mensch hier ein Gedicht an einen Baum geschlagen. Gibt es sowas noch!

Wieder zurück auf dem ansteigenden Grenzpfad beginnt hier nun der vielleicht schönste Abschnitt der Tour. Der hübsche Steig führt den Berghang hinauf, überquert den Buchenweg und den Pavillonweg, und geht danach in den breiten Kanzelbergkopfweg über. Kurz darauf verlässt man den breiten Weg wieder, und wendet sich nach links, auf den viel schöneren Kanzelbergostweg. Dieser herrliche Pfad umrundet den Kanzelberg auf dessen Ostseite, und führt hinüber zur hübsch an einer großen Lichtung gelegenen Saatschulhütte (383 m).

Von hier aus geht es nun in südlicher Richtung weiter, hinauf zum höchsten Punkt der Tour. Wir überqueren des Eselsbergweg, und wandern danach links hinauf zur Hohen Waid. Kurz unterhalb des Gipfels befindet sich rechts des Weges eine von zahlreichen Absturzstellen einer Lockheed F-104 "Starfighter".

Unter dem Namen "Starfighter-Affäre" ist eine Absturzserie von F-104 der Bundeswehr in den 1960er-Jahren bekannt geworden, im Zuge derer innerhalb von 18 Monaten 44 Maschinen abstürzten. Von den insgesamt 916 von der Bundeswehr beschafften Starfightern stürzte insgesamt ein Drittel ab, wobei 116 Piloten ums Leben kamen. Eine dieser Unglücksstellen befindet sich hier an der Hohen Waid. Ein Kreuz erinnert an den tödlich verunglückten Luftwaffen-Captain D. L. McCullough.
 
Die technischen Mängel dieses offensichtlich unausgereiften Flugzeugs sind legendär. Zum Beispiel stellte man schnell fest, dass einige Instrumente im Cockpit überhaupt nicht funktionsfähig waren. Außerdem sah die erste Version des Starfighters einen Schleudersitz vor, der den Piloten nicht nach oben, sondern nach unten aus dem Flugzeug befördern sollte. Grund dafür war die Befürchtung, dass der Pilot beim Ausschuss mit dem T-Leitwerk kollidieren könnte. Damit war der Schleudersitz allerdings im Tiefflug nicht verwendbar, da er den Piloten in den Boden geschossen hätte...

Schnell wurde hinterfragt, warum die Bundeswehr unter Verteidigungsminister Franz Josef Strauß entgegen dem Rat von Experten ein offensichtlich unausgereiftes Flugzeug in großen Stückzahlen bestellt hatte. Bestechungsgelder in Millionenhöhe sind damals zwar geflossen, Bestechungsvorwürfe u. a. gegen Strauß und Manfred Wörner, CDU-Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Verteidigungsausschusses, konnten aber nicht erhärtet werden. Seltsame Geschichte. Wer mehr wissen möchte, kann mal "Starfighter-Affäre" und "Lockheed-Skandal" googeln. 

Von der Absturzstelle aus sind es nur wenige Meter hinauf zum Gipfel der Hohen Waid (455 m) - dem höchsten Punkt unserer Tour. Hier wanderte ich noch ein wenig nach Südwesten, dann querte ich weglos ein kurzes Stück links hinunter zum Eisengrubweg und weiter zum Zinsweg.

Vom Zinsweg aus führt der Ameisenweg geradewegs den Bergrücken hinunter. Er quert bald den Hohe-Waid-Weg, dann sollte man den Abstecher zur Grube Hermannsgrund (308 m) nicht verpassen.

Es ist eine der wenigen Gruben hier, von der noch einiges zu sehen ist. Unter anderem der Beginn eines Stollens, der hier in die Hohe Waid gegraben wurde. Hier wurde Orthoklas (Kaliumfeldspat) abgebaut. Dieser konnte hier recht einfach vom Quarz getrennt werden, weswegen sich der Abbau besonders lohnte. Begonnen wurde mit dem Abbau des Kaliumfeldspats im Hermannsgrund Mitte des 19. Jahrhunderts. Vom Steinbruch aus wurde der Feldspat über eine Holzrutsche bis hinab ins Tal gekippt. 

Das besonders reine Material, das hier gewonnen wurde, wurde nach Frankenthal und Mannheim zur Porzellanherstellung gebracht. Material der zweiten und dritten Wahl wurde in Mannheim-Friedrichsfeld zu Keramikglasuren verarbeitet.

Im Jahr 1928 waren die Vorkommen ausgebeutet und der Abbau wurde eingestellt. Der Stollen am Ende des Steinbruchs ist eine Probegrabung von 1939. Damals hat man noch einmal nach weiteren Vorkommen gesucht - vergeblich.


Wieder zurück am Ameisenweg verfolgt man diesen noch bis der Heddesbachweg quert. Hier ein kurzes Stück nach links, dann führt ein Zickzackweg hinunter ins Weittal, das wir in der Nähe der Grube Wilhelmsstollen erreichen. 

Ein kurzes Stück nach links, dann geht's am Rande einer Waldweidewieder dem Burgenweg folgend rechts steil hinauf zur Spatschlucht (267 m).

Die Spatschlucht ist ein besonders imposantes Naturdenkmal in der Region. Sie entstand etwa um 1800, als in hier der Gegend der übertägige Abbau des Schwerspats Fahrt aufnahm.

Seit 1937 ist die auf diesen übertägigen Abbau zurückgehende Spatschlucht aufgrund ihrer kulturhistorischen und geologischen Bedeutung als Naturdenkmal eingestuft, 1939 wurde der Schwerspatabbau an dieser Stelle dann endgültig aufgegeben.
 
Von der Spatschlucht aus führt der Weg weiter zur Wolfsgrube (250 m), einer weiteren ehemaligen Spatgrube.

In der Zeit nach 1823/24 waren die Spatgruben besonders ergiebig und brachten jährliche Erträge von etwa 5000 Gulden. Von 1824 bis 1827 etwa wurde eine Menge von über 1250 Tonnen gewonnen. 

1939 wurde der Schriesheimer Schwerspatbergbau eingestellt, weil inzwischen sämtliche Vorräte erschöpft waren. Nach der Stilllegung wurde lediglich noch Gesteinsmaterial aus alten Schürfgräben an der Oberen Griet zur Sicherung der unterirdischen Hohlräume gewonnen. Heute zeugen noch die zahlreichen Pingen (Erdeinbrüche) und Schürfgräben vom Abbau des Baryts. Eindrucksvoll ist vor allen der einst 381 Meter lange Lange-Schaar-Stollen. Diese Schächte und Löcher sind heute aus guten Gründen abgesperrt, aber selbst vom Weg aus noch eindrucksvoll anzusehen. Von den einst hier befindlichen Gebäuden (Mannschaftsbaracken, ein Kompressorhaus, eine Werkstatt, eine Garage und ein Brennstofflager) steht heute nur noch eines, es wird heute als evangelisches Freizeitheim genutzt. Von der ehemaligen einspurigen Grubenbahn, mit der das Gestein zunächst nach Ladenburg zum Verladen auf den Neckar, später zur Eisenbahn nach Schriesheim gebracht wurde, ist überhaupt nichts mehr zu sehen.


Hier geht's dann noch einmal dem Burgenweg folgend steil hinauf auf den letzten Bergrücken, immer zwischen tiefen Löchern hindurch, die der Bergbau hier hinterlassen hat. In der Nähe der Grube Obere Griet 1 (318 m) erreichen wir den Scheitel.

Auf der Oberen Griet sind noch die Reste zweier Schächte zu erkennen, von denen der untere der Belüftung der eigentlichen Grube diente.

Drüben geht's dann wieder bergab. Man gelangt auf den Griethweg...

...und wer über ein gutes Gedächtnis verfügt, erinnert sich, das Auto auf der Parkmöglichkeit am Griethweg (170 m) abgestellt zu haben. Zwei Kilometer sind es auf dem Griethweg bis zurück zum Ausgangspunkt.

 

Fazit:

Interessante - und überraschend schöne - Runde durch 1000 Jahre Geschichte an der Bergstraße. Wer sich ausschließlich, oder einfach mehr für Schwerspat interessiert, kann auch die ca. 8 Kilometer lange Runde auf der Schriesheimer Schleife des Geopark-Pfads "Steine, Schluchten und Sagen" des Geo-Naturparks Bergstraße-Odenwald machen. Da gibt's weißes Pulver bis zum Abwinken.

Tourengänger: Nik Brückner


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