Mi'm Luis über'n K'Grat


Publiziert von Nik Brückner , 16. Januar 2024 um 14:01.

Region: Welt » Deutschland » Südwestliche Mittelgebirge » Schwarzwald
Tour Datum:14 Januar 2024
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 950 m
Abstieg: 950 m
Strecke:19 Kilometer
Unterkunftmöglichkeiten:Im Tal

Neulich war ich mit dem Luis im Neckartal unterwegs gewesen, in der Margaretenschlucht. "Alpiner Klettersteig! Betreten auf eigene Gefahr!" warnt dort ein Schild - aber gerade das Kraxeln dort hat ihm den meisten Spaß gemacht. Was läge also näher, als mit ihm eine Gratkraxelei unter die Füße zu nehmen. Der nächstgelegene richtige Grat ist der Karlsruher Grat im Schwarzwald - eines der absoluten Highlights dort in der Gegend. Diese Tour verbindet ihn mit zwei Schluchten, einer Klosterruine, und zahllosen Wasserfällen. Eine großartige Runde.

Zur Vorbereitung gehört, am Vorabend die TNG-Doppelfolge "Gefahr aus dem 19. Jahrhundert" zu schauen. Warum, wird weiter unten geklärt. Und dann steht dem Abenteuer nichts mehr im Weg! "The Restoration - Joseph, Pt. Two" von Neal Morse eingelegt, und ab nach Ottenhöfen.



Start dieser Tour war, wie so oft, auf dem Wanderparkplatz Edelfrauengrabwasserfälle im Steinbruch Ottenhöfen (377 m). Der Weg führt nach dem Kieswerk am Gottschlägbach entlang in die Schlucht des Gottschlägbachs hinein.

Die Schlucht beginnt gleich hinter dem ehemaligen Gasthaus Edelfrauengrab und ist bis zur Gumpe "Deglerbad" etwa 700 Meter lang. Die eigentliche Talenge endet allerdings bereits knapp 300 Meter unterhalb des Deglerbads. Moos- und farnüberwucherte Felshänge umrahmen hier eine Abfolge abwechslungsreich geformter Fallstufen, deren Höhen von drei bis acht Metern reichen. Insgesamt verliert der Bach auf dieser 200 Meter langen Schluchtstrecke rund vierzig Höhenmeter.

Das Gottschlägtal liegt in einer der niederschlagsreichsten Gegenden Deutschlands. Die Wassermassen und die großen Höhenunterschiede lassen in der Schlucht unterschiedlich widerstandsfähige Gesteine als Gefällestufen sichtbar werden. Gumpen am Fuß der Fallstufen zeigen, dass an den Aufprallstellen die größte Erosionsleistung wirksam ist.


Gleich am Beginn der Schlucht befindet sich eine kleine Höhle, neben einem acht Meter hohen Wasserfall. Es handelt sich um die Auskolkungshöhle Edelfrauengrab (420m).

Um die grottenartige Auskolkung in der Schluchtwand. spinnt sich eine düstere Sage. So steht es auf einer Tafel in der Schlucht:

"Ritter Wolf von Bosenstein war während der Zeit der Kreuzzüge zusammen mit dem kaiserlichen Heer ins Heilige Land gezogen, um dieses aus der Hand der Sarazenen zu befreien. Seine Frau, die er zurücklassen musste, nahm es allerdings mit der ehelichen Treue nicht so genau und lebte mit ihrem Liebhaber in Saus und Braus. Also, eigentlich lebte sie im Schloss Bosenstein...

Eines Tages klopfte eine Bettlerin mit sieben halbverhungerten Kindern am Schloss Bosenstein an und bat um eine milde Gabe. Angesichts ihrer sieben Kinder wurde sie von der hochmütigen Schlossherrin verspottet und schroff vertrieben, so dass sie Frau von Bosenstein mit folgendem Fluch bedachte: "Sieben Kinder sollst du auf einmal zur Welt bringen, alle so elend wie die, welche du verhöhnst." Der Fluch wurde wahr. Eine Tages brachte die Schlossherrin sieben Kinder zur Welt. In ihrer Not sah sie keinen anderen Ausweg, als ihre Dienerin zu beauftragen, die Kinder in einen Sack zu stecken und im Schlossweiher zu ertränken.

Gerade zu diesem Zeitpunkt traf die Dienerin den vom Kreuzzug zurückkehrenden Schlossherrn. Der stellte sie zur Rede, und nachdem ihm die Dienerin glaubhaft machen wollte, kleine Hunde ertränken zu wollen, nahm der Schlossherr den Inhalt des Sacks in Augenschein. Wutentbrannt befahl der Ritter die Dienerin zurück ins Schloss und trug ihr auf, der Herrin die Ausführung ihres Befehls zu berichten. Wolf selbst brachte die Kinder zu Verwandten auf die Burg Hohenfels im Elsass und ließ sie dort unter anderem im Harfespiel erziehen.

Sieben Jahre später ließ Wolf die sieben Kinder zu einem Fest auf die Burg Bosenstein bringen. In ärmlicher Kleidung spielten sie auf ihren Harfen und sangen von ihrem traurigen Schicksal. Auf die Frage aus den Reihen der Gäste, was solch eine unmenschliche Mutter wohl verdiene, antwortete die Schlossherrin: "Diese sollte bei einem Laib Brot und einem Krug Wasser lebendig eingemauert werden." Daraufhin erwiderte ihr von Zorn erfüllter Gatte: "So sei's, du hast dein eigenes Urteil gesprochen. Es soll an dir vollzogen werden!" Und so geschah es. Wolf ließ seine Gattin bei Wasser und Brot in eine von Wasser bespülte Höhle im Gottschlägtal lebendig einmauern. Letztendlich befahl er, den Bach in die Höhle hineinzuleiten, um seine Frau von ihren Qualen zu erlösen. Seit dieser Zeit heißt die Felsenhöhle das "Edelfrauengrab"."



Heimatland! Rauhe Sitten, da im Nordschwarzwald...

Wir wanderten die Schlucht weiter hinauf, an zahlreichen Wasserfällen vorbei, auf Treppen und Stegen immer von der einen zuir anderen Seite wechselnd.

Erstmals gangbar gemacht wurde das Gottschlägtal in den Jahren 1857 bis 1862. Damals legte die Försterei Ottenhöfen die erste Weganlage in der Schlucht an. 1887 wurde dann das Gasthaus Edelfrauengrab errichtet. 1966 musste die Weganlage nach einem Unwetter wiederhergestellt werden.


Weiter hinten im Gottschlägbachtal passierten wir die Romantische Brücke (467 m), die zwar tatsächlich romantisch ist, aber nirgends hinführt. Oder ist gerade das besonders romantisch? Vermutlich ist sie ein Rest der ersten Weganlage.

Schon weit hinten im Tal, da, wo der Wanderweg im spitzem Winkel zum Grat hinaufführt, gingen wir geradeaus, um noch den Falkenschrofen zu erkunden. Das ist ein markanter Felsturm, der weit hinten im Gottschlägbachtal aus dem Wald ragt. Es ging also ausnahmsweise mal geradeaus weiter, bis der Talweg im Talschluss zu einem Hüttl hinaufkurvt. Hier bogen wir rechts ab, und statteten dem Falkenschrofen (660 m), einem zackigen Granitturm, einen kurzen Besuch ab. Von hier aus hat man einen schönen ersten Ausblick zum Karlsruher Grat.

Wir kehrten dann zurück ins Tal und nahmen den Wanderweg zum Grat hinauf. Oben gelangt man zuerst an eine Felsenkanzel, den Aussichtspunkt Herrenschrofen (635 m), von dem aus man eine tolle Aussicht hinaus ins Rheintal hat. Von aus hier folgt man dem Weg noch ein Stück, bis hinauf zum Bergrücken, der bald den felsigen Grat ausbildet.

Der Karlsruher Grat ist ein ungefähr 700 Meter langer, passagenweise recht scharfer Felsgrat. Die Felsen bestehen aus Quarzporphyr, der vor rund 290 Millionen Jahren durch Erkaltung der Magma-Füllung einer vier Kilometer langen und ca. 750 Meter breiten Gesteinsspalte entstanden ist. Erosion trug die weicheren Gesteine ab, während der härtere und widerstandsfähigere Porphyr als Grat herausgebildet wurde.

Über diesen Grat führt heute eine alpine Route, die auf alten, leider nicht mehr vorhandenen Schildern als "Kletterpartie" bezeichnet wurde. Ziemlich treffend: Die Route führt den Grat entlang über die rauen Porphyrfelsen. Der abschnittsweise anspruchsvolle Grat ist an einigen Stellen recht ausgesetzt und absturzgefährlich, aber – im Gegensatz zu richtigen Klettersteigen – nicht mit Drahtseilen oder Tritthilfen versehen. Weshalb er auch kein Klettersteig ist, auch wenn man das oft liest.
Eine Tourenbeschreibung zu sämtlichen Schwarzwälder Klettersteigen findet sich hier.

Die genaue Route kann frei gewählt werden, auch eine gratnahe Umgehung ist möglich. Auf dem Grat selbst sind Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sowie gutes Schuhwerk gefragt. Auch sollte man die Route bei Nässe meiden.

Die Kletterei nimmt je nach Können etwa eine halbe bis eine Stunde in Anspruch. Die Schlüsselstelle bildet dabei ein kleines Wandl, das Kletterfertigkeiten im unteren zweiten Grad abverlangt. Die Wanderschwierigkeiten übersteigen direkt auf dem Grat T4- nicht, wer allerdings die Route wie wir hier und da ein wenig aufwürzt, kann leicht in T6-Gelände geraten. Wir beließen es bei T5.

Ein aufschlussreiches Video vom Karlsruher Grat gibt's hier. Wem das nicht gefällt: Für Ungeübte bietet sich ein schmaler Waldpfad auf der Nordseite des Grates zur, je nach Laune und Können, vollständigen oder teilweisen Umgehung der Kletterpassagen an.

Der Name "Karlsruher Grat" ist im Übrigen nicht ursprünglich. Früher trug die gesamte Gratschneide (wegen der Eichen, die hier stehen und wegen ihrer Ähnlichkeit mit einem Dachfirst) den Namen "Eichhaldenfirst". Dieser Name ist heute auf einen quer verlaufenden Felsriegel zusammengeschnurrt. Als der Grat Anfang des 20. Jahrhunderts zum Anziehungspunkt für Kletterer aus dem Karlsruher Raum wurde, und erste Todesfälle gemeldet werden mussten, benannte die Gemeinde ihn 1926 zu Ehren der verunglückten Karlsruher um.



Wir hatten hier heroben einen Riesenspaß. Kraxelten neben, auf und über den Grat durch sämtliche Einser- und Zweierstellen, nahmen die eine oder andere Seitenrippe mit und besuchten - na, fast - das Kreuz auf dem Eichhaldenfirst. Luis, der die wenigste Erfahrung in solchem Gelände mitbrachte, stellte sich sehr gut an, und zeigte dem Prophyr seine Wade.

Am Ende des Grats steigt man kurz in den Wald hinunter, und gegenüber am Rücken wieder hinauf, bis man die Straße (K5370) erreicht.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wanderten wir nun weiter hinauf in die Hänge des Melkereikopfes.

Der Gipfel des Melkereikopfs (1024m) kann mitgenommen werden, muss aber nicht. Wir haben nicht.

Stattdessen querten wir den Hang auf halber Höhe, und hatten dabei nochmal einen schönen Blick hinunter auf "unseren" Grat und ins weite Rheintal, bis hinüber zu den Vogesen:

Im Süden sind noch Feldberg, Belchen und Blauen zu erkennen. Dann beginnt auf der anderen Seite des Rheintals die Kette der Vogesen, mit dem Grand Ballon und dem Petit Ballon. Es folgen das HohneckTanet und Gazon du Faing. Dann zeigen sich Tête des Faux und Grand Bézouard. Weiter Richtung Westen sieht man Ungersberg, Climont, den langgezogenen Champ du Feu, davor den Mont Sainte-Odile. Genau im Westen dann die Donons und der Rocher de Mutzig. Mit dem Schneeberg und weiteren Erhebungen senken sich die Vogesen danach ab. Erst im Nordwesten sieht man mit dem Grand Wintersberg und den ersten Gipfeln des Pfälzerwaldes wieder ein paar höhere Erhebungen. Begrenzt wird diese Aussicht durch den Schliffkopf im Süden und die Hornisgrinde im Norden.


Beim Abstieg nach Süden, Richtung Klosterruine Allerheiligen, überquerten wir an einem kleinen Parkplatz (792 m) in einer Kurve die K5370 erneut. Hier steht auch die kleine Karl-Friedrich-Hütte, die bei schlechtem Wetter Schutz bietet.

Von der Straße aus ging's weiter nach Süden und hinunter zum Kloster Allerheiligen (620m), das wir nicht erreichen, ohne vorher noch zwei mal die K5370 zu überqueren.

Allerheiligen ist ein heute noch als Ruine erhaltenes ehemaliges Prämonstratenser-Chorherrenstift, das um 1195 gegründet wurde. Die Reste der gotischen Kirche sind bis heute ein Anziehungspunkt für Kunstinteressierte, Ausflügler und Wanderer. Dementsprechend gibt es hier die übliche Infrastruktur: Parkplätze, Schautafeln, Einkehrmöglichkeiten, Eis.


Das Stift Allerheiligen wurde in einem abgelegenen Tal oberhalb einer Felsschlucht auf der straßburgischen Seite der damaligen Bistumsgrenze gegründet. Der Platz soll durch einen Esel bestimmt worden sein: Oberhalb dieser Stelle hat er einen Geldsack abgeworfen, der dann bis in die Talmulde an den zum Klosterbau bestimmten Ort gerollt sei....

Naja. Realer Kern der Sage könnte sein, dass das Kloster im 12. Jahrhundert nur mühselig über den Sohlberg auf einem Eselpfad erreicht werden konnte. Die Wahl durch Gott höchstpersönlich könnte auch bei den vielen Auseinandersetzungen um das Kloster geholfen haben. Na, und solche Gründungssagen, die eine zufällige oder gottgewollte Ortswahl proklamieren, sind zu dieser Zeit recht populär gewesen. Wir hatten so etwas erst neulich in Andlau.

Um 1195 herum wurde die Gründungsurkunde für das Prämonstratenser-Chorherrenstift von der kurz zuvor von Welf VI. verwitweten Herzogin Uta von Calw (Uta von Schauenburg) ausgestellt. Uta war zu diesem Zeitpunkt bereits über 70 Jahre alt. Die Gründung wurde daraufhin vom staufischen Kaiser Heinrich VI. bestätigt. Die Stiftung umfasste neben dem eigentlichen Grund und Boden (die Hänge von Schliffkopf, Braunberg, Sohlberg, Eselskopf und Melkereikopf) fünf Höfe im Renchtal, ein Waldstück, Fischfangrechte sowie als wertvollsten (und umstrittensten) Besitz das Patronat über die Kirche von Nußbach mit dem zugehörigen Kirchenzehnten.
 
In dieser Gegend hatten nun auch die Adelsgeschlechter der Zähringer, Staufer und Welfen umfangreichen Besitz. Streitereien dieser Familien waren an der Tagesordnung und spiegelten Konflikte um politischen Einfluss auf Reichsebene wider. Die Gründung des Stifts könnte in diesem Zusammenhang auch dazu gedient haben, Besitz- und Gebietsansprüche zu erheben und zu unterstreichen.
 
Durch das Aussterben der Zähringer und Staufer im 13. Jahrhundert festigte sich der Einfluss der Straßburger Bischöfe. Allerheiligen übernahm, von Straßburg gefördert, die kirchliche Organisation des Renchtals. Mehr und mehr geriet Allerheiligen unter die Herrschaft der Bischöfe.

Nachdem 1469 größere Bauarbeiten in Angriff genommen worden waren, zerstörte ein Brand am 13. April 1470 Klausurgebäude und Kirche. Auch nach einem zweiten Brand wurde die Klosterkirche ab 1556 wiederhergestellt. Dann überstand Allerheiligen knapp die Reformationszeit, in der die meisten benachbarten Klöster untergingen. Während der Bauernkriege allerdings wurde das Kloster gestürmt und verwüstet. Erst gegen die Zahlung von 100 Gulden erreichten Adlige, Stift und lokale Bauern eine Einigung, die die Rückgabe der geplünderten Kirchengegenstände vorsah.

Ende des 16. Jahrhunderts eskalierten dann die Spannungen mit dem Straßburger Bistum. Johann Georg von Brandenburg, Kandidat der protestantischen Partei, untersagte Allerheiligen die Aufnahme von Novizen und ließ die Klosterschule schließen. Die in Allerheiligen verbliebenen drei Chorherren wählten 1594 Jakob Jehle zum Propst, der jedoch von Johann Georg nicht bestätigt wurde. In der Folge wurde Jehle sogar von Soldaten des Bischofs gefangengenommen, und verschwand ohne ein weiteres Lebenszeichen...

Eine Auflösung des Stifts konnte dennoch knapp verhindert werden. 1600 wurde unter dem katholischen Bischofskandidaten ein neuer Propst bestimmt. Das Stift erhielt gegen Zahlung einer jährlichen Abgabe seine Güter und Rechte zurück.
Allerdings lebte damals nur noch ein Kanoniker in Allerheiligen. Schließlich verzichtete Johann Georg auf seine Rechte am Bistum.

Es folgte der Dreißigjährige Krieg - den das Stift aber trotz großer Verwüstungen im Renchtal unbeschadet überstand. Danach erlebte das Stift dann seine größte Blüte: Die Zahl der Kanoniker stieg wieder auf über zwanzig an. 1657 wurde Allerheiligen zur Abtei erhoben. Die Klosterschule entwickelte sich im 18. Jahrhundert zu einem renommierten Gymnasium mit Internat, das über 50 Schüler beherbergte. 1773 konnte die Abtei Reliquien der Heiligen Clemens von Metz und Bonifatius erwerben, die die Anziehungskraft als Wallfahrtsort erheblich vergrößerten: An Feiertagen kamen bis zu 2000 Pilger. Pacht- und Zinseinkommen sowie Forsterträge sorgten zusätzlich für eine umfangreiche finanzielle Ausstattung.

Dadurch verstärkte sich allerdings auch der Zugriff der Straßburger Bischöfe. Streitigkeiten entzündeten sich regelmäßig an Steuerforderungen Straßburgs sowie an der Wahl des Propstes bzw. Abts. Nachdem die Finanzen des Stifts bereits mehrfach zur Erweiterung der Straßburger Machtbasis eingesetzt worden waren, ließ Bischof Louis César Constantin de Rohan-Guéméné den Konflikt 1757 eskalieren, indem er die Bestätigung der Abtswahl verweigerte, keine neuen Pfarrer mehr einsetzte und alle von Allerheiligen eingesetzten Pfarrer durch Kapuzinerpatres ersetzte. Die Abtei musste kapitulieren.

Im Rahmen der Säkularisation wurde das Stift dann 1802 aufgehoben. Die 29 Mitglieder des Konvents mussten die Abtei verlassen und wurden in Lautenbach untergebracht. Zur Sicherung der seelsorgerischen Arbeit wurden vom badischen Staat zwei Kapuziner nach Allerheiligen entsandt. 1804 beschädigte dann erneut ein Brand das Klostergelände. Damit war dem Klosterleben ein Ende gesetzt: Einrichtung und Bibliothek wurden verkauft, kurzzeitig wurde in den Gebäuden eine Wollspinnerei betrieben, 1812 wurden die Gebäude allerdings auf Abbruch versteigert und als Steinbruch für die neuen Kirchen in Ottenhöfen und Achern benutzt. 1820 stürzte die Klosterkirche endgültig ein.

Der Rest ist schnell erzählt. Die Romantik zog erste Besucher an. Ab 1840 wurden die Büttensteiner Wasserfälle unterhalb des Klosters touristisch erschlossen, 1844 eine Gaststätte in den Klostergebäuden eingerichtet, nachdem die badische Forstdomäne die Nutzung als Steinbruch untersagt hatte. Bald begann man mit der Sicherung der Ruinen.
 
1853 besuchte Karl Baedeker die Reste der Abtei und beschrieb sie in seinem Reiseführer, was die Besucherzahl weiter steigerte, 1871 wurde die Gaststätte zu einem dreistöckigen Kurhotel erweitert, 1887 entstand sogar ein zweites Hotelgebäude.

Tja, und dann kam Allerheiligen zu Weltruhm.

Ein gewisser Samuel Langhorne Clemens hatte Baedekers Reiseführer gelesen und besuchte 1878 im Zuge seiner seiner Europareise die Ruine. Und beschrieb Abtei, Wasserfälle und das Hotel wiederum in seinem eigenen Buch "A Tramp Abroad". Es erschien unter seinem Pseudonym: Mark Twain.

"Den ganzen Nachmittag ging es bergauf. Um fünf oder halb sechs erreichten wir den Gipfel und plötzlich teilte sich der dichte Vorhang des Waldes und wir schauten in eine tiefe, schöne Schlucht hinunter mit einem weiten Panorama bewaldeter Berge dahinter, deren Gipfel in der Sonne leuchteten und deren von Lichtungen durchzogene Hänge von violetten Schatten gedämpft wurden. Die Schlucht zu unseren Füßen – genannt Allerheiligen – bot am Ende ihres grasbewachsenen Bodens gerade genug Platz für ein abgeschieden von der Welt mit ihren Belästigungen gelegenes, gemütliches, entzückendes Menschennest, und folglich hatten die Mönche der alten Zeit nicht verpasst, es zu entdecken. Hier waren die braunen und anmutigen Ruinen ihrer Kirche und ihres Konvents, die bewiesen, dass auch die Priester vor siebenhundert Jahren bereits den gleichen guten Riecher hatten, die besten Winkel und Ecken eines Landes aufzuspüren, wie heute."


Wir besichtigten die eindrucksvollen Ruinen der alten Abteikirche.

Von der Kirche sind die Westfassade, die südlichen Langhausarkaden, die Seitenkapelle des südlichen Querschiffs sowie der Abschluss des nördlichen Querschiffes erhalten, in dem sich heute noch ein Treppenhaus befindet. Von den nördlichen Arkaden des Langhauses sind nur noch die Sockel zu sehen. Am südlichen Querschiff ist der Anschluss des Klausurgebäudes erkennbar; Mauerreste des östlichen Konventsgebäudes wurden zwischen 1976 und 1980 freigelegt.

Die ältesten noch erhaltenen Bauteile der Klosterkirche wurden auf die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts datiert. Stilistisch orientieren sie sich an der Straßburger Bauhütte. An der Ruine können Stilmerkmale aller Epochen von Spätromanik bis Spätgotik entdeckt werden: Die Westfassade stammt aus der Zeit der Spätromanik. Daran schloss sich ein dreischiffiges spätgotisches Langhaus an. Der wie die Querschiffarme viereckige Chor weist frühgotische Stilelemente in den Kapitellen und den Gewölberippen auf. Diese werden auf die Zeit zwischen 1220 bis 1250 datiert und gehören damit zu den ältesten bekannten gotischen Bauformen am Oberrhein.

Der gotische Kapellenanbau am südlichen Querschiff ist äußerlich noch erhalten und weist im Innern ein noch vollständiges sechsteiliges Gewölbe mit Schlussstein auf.

An der Südseite der Kirche schlossen sich Klausurgebäude und Kreuzgang an.
Von diesen restlichen Abteigebäuden blieben lediglich der als Forsthaus und später als Hotel genutzte Gebäudeteil sowie das Ökonomiegebäude erhalten, ebenso Teile der Gartenanlage. Die auf drei Terrassen angelegte spätbarocke Gartenanlage ist sogar noch recht gut erhalten, einschließlich der Becken und der Balustrade der oberen Terrasse.

Wir verließen das Kloster schließlich und wanderten den Talweg hinunter zu den Büttensteiner Wasserfällen, die heute allgemein "Allerheiligen-Wasserfälle" genannt werden.

Die Allerheiligen-Wasserfälle sind nichts Geringeres als die größten Wasserfälle des Nordschwarzwalds. Der Grindenbach fällt hier durch eine enge Porphyr-Schlucht über sieben Stufen insgesamt 66 Meter in die Tiefe. Wegen der Auskolkungen (Gumpen oder Bütten) unter den Katarakten nennt man die Fälle auch "Büttensteiner Wasserfälle" oder "Die Sieben Bütten".

Die Wasserfälle gehörten jahrhundertelang dem Kloster Allerheiligen. Erst am Anfang des 19. Jahrhunderts erkundeten romantische Zeitgenossen die bis dato unzugängliche Schlucht mit Hilfe von Leitern. 1840 baute dann die Forstverwaltung einen Weg, der über mehrere Treppen und Stege die Schlucht begehbar machte. Der Steig musste seither mehrfach renoviert werden und ist seit 1964 ein aus Sandstein aufgemauerter Treppenweg.


Am Ende der Schlucht angekommen (hier an der - Überraschung - K5370 ist noch ein Parkplatz (512 m), von dem aus man Zugang zum unteren Teil der Schlucht hat) wandten wir uns nach rechts und stiegen steil wieder hinauf in den Wald. Oben ging es dann nach rechts und hoch über den Wasserfällen, mit spektakulären Tiefblicken vom Aussichtspunkt Engelskanzel (594 m) wieder zurück zum Kloster (620 m).

Hinter dem Kloster ging es nun über eine Wiese hinauf zum Wald, wo sich ein weiterer Parkplatz (650 m) befindet, von dem aus man eine schöne Aussicht auf das Kloster Allerheiligen hat. Wir wanderten dahinter in den Wald und hielten uns dort links, um zum Parkplatz Heiliges Kreuz (692 m) auf einem Bergsattel zu gelangen. Hier wählten wir den Waldweg, der uns ins Kolbenloch, den Talschluss der Unterwasser, führte. Über diesen breiten Waldweg (die einzige unschöne Passage der Tour), vorbei an der Strittwaldhütte (676 m), ging es dann hinüber zu den Häusern am hübschen Blöchereck (600 m), von wo aus wir auf kleinen Pfaden ins Gottschlägbachtal abstiegen. Unser Zickzackweg endet direkt am Ausgangpunkt, im Steinbruch Ottenhöfen (377 m).



Nachklapp!

Und das war's! Na, fast. Denn wir sind schließlich noch zum Mummelsee hinaufgefahren. Nach einer Woche unter Null musste der doch zugefroren sein! Und was könnte da schöner sein, als den See auf dem Eis zu überqueren.

Und tatsächlich! Der See war zugefroren, das Betreten erlaubt, und die letzten Tagestouristen liefen oder schlittschuhten noch darauf herum. Wir stiegen von den Stegen hinunter auf die Eisfläche und begannen unsere Überquerung. Und wir kamen auch recht weit. Dick war das Eis unter uns - aber auch schwarz und bedrohlich. Immerhin soll es hier Nixen geben, die -

"Hat das gerade geknackt?"

"Nein nein. Sicher nicht. Das war bestimmt nur der kleine Eisbrocken, den du gerade über das Eis gekickt hast."

"Hm."

"Waaaaaaa! Jetzt hab ich's auch gehört!"

"Uaaaaaaaaa!"

"Wasmachenwirbloßwasmachenwirbloßwasmachenwirblooooooß!"

"Okay, also erstmal gehen wir auf Abstand, dann drehen wir uns vooooorsichtig um, und gehen genau denselben Weg wieder zurück, okay?"



Was soll ich sagen, es gibt uns noch. Aber das Knacken war echt unheimlich.... Und ich mag es gar nicht, wenn's unter mir knackt.



Fazit:

Immer wieder eine herrliche Tour, in jeder Variante eine der schönsten im Nordschwarzwald. Zwei Schluchten, ein Grat, steile Hänge, wurzelige Wege, eine Höhle mit einer grausamen Geschichte - und wie zum Ausgleich eine gotische Klosterruine, plus Mark Twain -.mehr kann man als Romant nicht von einer Tour verlangen! Umso schöner, wenn man so einen netten Begleiter dabei hat! Luis, sowas mammer bald mal wieder!

Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (4)


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Schubi hat gesagt:
Gesendet am 16. Januar 2024 um 15:17
Servusla Nik.
Suuuperschöne Tour, Habter gut gemacht. Verdammt, musst ich grad an dem Tag gen Vogesen starten, wäre gern dabei gewesen :-/
Winterlichen Gruß
Frank

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. Januar 2024 um 15:28
Ist eine meiner Standardtouren. Ich geh nicht viele Touren mehrfach, aber die gehört dazu. So schön ist die. Ich lass mich also gern zum Nochmalgehen überreden. Außerdem: Deine Bilder vom 9telstein waren so schön, da haben eher wir was verpasst!

Warme Grüße,

Nik

Nyn hat gesagt: Eisiges
Gesendet am 17. Januar 2024 um 10:04
Vielfältig zapfige Eindrücke. Danke fürs Mitnehmen!

Nützliche Hinweise für die Begehung von Eisflächen habe hier gefunden:
https://www.kv-birkenfeld.drk.de/.../Eisregeln.pdf

Nik Brückner hat gesagt: RE:Eisiges
Gesendet am 17. Januar 2024 um 10:10
Servus Markus!

Ja, war eine schöne, kalte Tour. Für den Tipp vielen Dank! Besonders wichtig war für uns der Satz "Wenn das Eis knistert, muss die Eisfläche nicht fluchtartig verlassen werden. Auch dickes und tragfähiges Eis kann knacken und Geräusche von sich geben.". ;o}

Eisigen Gruß,

Nik


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