Ebenen vier, drei, zwei, eins: Feierabendrunde im Steinbruch


Publiziert von Nik Brückner , 15. August 2022 um 12:35. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Südwestliche Mittelgebirge » Odenwald
Tour Datum:12 August 2022
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Klettersteig Schwierigkeit: K2 (WS)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 1:30
Aufstieg: 250 m
Abstieg: 250 m
Strecke:5,5 Kilometer
Unterkunftmöglichkeiten:In Schriesheim

Nach vielen Wochen geht's mir endlich wieder ein bisschen besser, und ich will feierabends mal meine Fitness testen. Also schnell rüberkfahrn nach Schriesheim, wo die Waldelfe und ich den Ölberg besteigen wollen. Öl gibt's da allerdings keins - dafür Porphyr, aber den gibt's eigentlich auch nicht (mehr), weil er abgebaut ist. Die von der Rheinebene aus weithin sichtbaren gelblichen Felswände des des ehemaligen Steinbruchs Schriesheim prägen heute das Bild des Ölbergs.


Frank Wyatts "Zeitgeist" verklingt gerade, als wir, wie schon so oft, mal wieder an der Strahlenburg (185m) parken. Acht Parkplätze zählen wir diesmal. Sollen die Wanderer und Kletterer doch schauen, wo sie Platz finden. Wir haben Glück, finden, und wandern Richtung Steinbruch/Ölberg hinauf. Hier verläuft ein wunderbarer, felsiger Pfad genau den Bergrücken entlang hinauf, der die zahlreichen befahrbaren Wald- und Weinwege querend ignoriert.

In der Nähe eines Sendemasts (links) gelangt man an die Gabelung von Pflastersteinbruchweg und Oberem Ölbergweg. Hier nehmen wir den Wanderweg zwischen beiden, der sich zunächst in die rechte Flanke hinaufzieht, bis er oben in mehreren Serpentinen wieder auf den Rücken führt.

In dieser Passage befinden sich einige geschichtlich interessante Überreste, die allerdings im Gelände kaum zu sehen sind: die Schwedenkanzel (oder Schwedenschanze) und dürftige Überreste alter keltischer Ringwälle, von denen Teile allerdings den Steinbrucharbeiten zum Opfer gefallen sind. Davon zeugt eine riesige Geröllhalde links des Bergrückens, die man an ihrem oberen Rand passiert. Auch sechzig Jahre nach der Einstellung der Arbeiten ist an diesem Berg weniges in einem natürlichen Zustand.

Wir passieren eine Hütte, in der es sich eigentlich immer jemand gemütlich macht, wenn wir hier vorbeikommen: Mal schläft hier jemand, richtet sich für die Nacht ein, oder macht gerade gemütlich Frühstück - je nach Tageszeit.

Kurz hinter der Hütte geht's dann in den Abraum des Steinbruchs hinein: Der Untergrund wird felsig, und es ist ein bisschen wie die Querung eines Geröllfelds in den Bergen. Hier wechseln wir nach rechts, auf die Abbruchkante des großen Steinbruchs.

Der Steinbruch Schriesheim trägt nach einer früheren Betreibergesellschaft auch den Namen "Steinbruch Edelstein". Warum, werde ich später noch herausfinden.

Schon im 19. Jahrhundert wurde hier in Schriesheim Sandstein abgebaut, in den 1880er Jahren begann dann der Quarzporphyrabbau am Ölberg (heute sagt man Rhyolith). Dieses Gestein entstand hier vor etwa 290 Millionen Jahren, als es in der Region noch regen Vulkanismus gab. Die Porphyrschicht am Odenwaldrand ist bis zu 150 Meter mächtig. Das Material wird zum Beispiel für die Schotterherstellung verwendet wird.

Ein zunächst eröffneter kleiner Bruch an der Odenwaldseite des Ölbergs konnte wirtschaftlich nicht bestehen, 1899 gründeten dann zwei Mannheimer Architekten die Porphyrwerk Edelstein GmbH. Das Unternehmen begann mit dem Porphyrabbau am westlichen Ölberghang, man errichtete ein Schotterwerk an der Bergstraße und eine Drahtseilbahn, die den Steinbruch mit dem Werk verband.

Ab 1906 war das Werk an die Güterbahn von Schriesheim über Dossenheim zum Güterbahnhof Heidelberg angeschlossen, was den Abtransport des Ryoliths sehr verbesserte. Dies markierte den Beginn einer wirtschaftlichen Blütezeit. 1913 bauten fast 100 Beschäftigte rund 88.000 Kubikmeter Gestein ab. Im Gegensatz zu den Steinbrüchen der Nachbargemeinde Dossenheimer geriet der Schriesheimer Betrieb aber schon in den späten 1920er wieder in wirtschaftliche Schwierigkeiten.


Wir wandern nun die Kante entlang den Ölberg hinauf, rechts senkrechte Abbrüche, links der Waldhang. Dieser ist mal steiler, mal flacher - je steiler er ist, umso mehr (wenn auch nur kurz) fühlt es sich wie ein Grat an. Die letzten Meter überwinden wir auf einem Weg, dann stehen wir am winzigen Gipfelkreuz des Ölbergs (440 m).

Landschaft- und Naturschützer traten schon früh auf den Plan, weil sich der Steinbruch so nah an der Bergkuppe befand. Als dann 1919 bedingt durch Sprengungsarbeiten ein Schriesheimer Wahrzeichen zerstört wurde, war der Porphyrbruch endgültig umstritten: Hier auf der Kuppe des Ölbergs müssen die eigentlich geschützten "Edelsteine" gestanden haben, eine Gruppe bis zu 10 Meter hoher säulenartiger Porphyrfelsen. Zusammen mit der Strahlenburg sind sie einst ein Wahrzeichen von Schriesheim gewesen. Als die Firma, die sich nach dieser Felsgruppe nannte, sie bei Sprengarbeiten im Steinbruch zerstörte, war das sicherlich kein gutes Omen.

Zur Oberkante des Steinbruchs sind es hier nur wenige Schritte: Sie reicht bis hinauf zum Gipfel.

Der Tiefblick reicht von der Gipfelhöhe (440 m) über fünf Abbausohlen bis hinunter auf die unterste Ebene auf etwa 340 Metern. Der Blick reicht darüber hinaus über die weite Ebene des Rheins bis hinüber zum Pfälzerwald: Von der Hohen Derst im Südwesten, über Hohenberg, Ludwigsturm, Kalmit und Hohe Loog weiter zum Weinbiet, zum Peterskopf im Westen und weiter zum Donnersberg. Im Norden sind dann der Feldberg und der Altkönig im Taunus zu sehen, sowie der Melibokus im Odenwald.

Wir folgen nun auch bergab der Kante. Wenn man rechts die (ziemlilch zugestrüppte und nur wenige dutzend Meter lange) fünfte Ebene des Steinbruchs erkunden könnte, wendet sich die Route nach links, zu einem alten Gebäude. Kurz danach biegt der Weg nach rechts, hinunter zur vierten Ebene. Unsere Idee: Auf den Ebenen vier, drei und zwei durch den gesamten Steinbruch hin und her zu schwingen. An den Zugängen verwehren zwar Zäune den Zugang - aber vor allem Wanderern. Für Kletterer gibt's Durchschlupfe, die auch sinnvoll sind und deshalb rege genutzt werden.

Das Gelände entwickelte sich nach der Stillegung des Steinbruchs zu einem der bedeutendsten Klettergebiete der Region. Heute gibt es hier über 200 Kletterrouten der Schwierigkeitsgrade III bis X, die vor allem Sportkletterer anziehen. 

Durch einen solchen Durchschlupf schlupften wir nun auf die vierte Ebene, und wandern hinüber nach Norden zum gegenüberliegenden Durchschlupf. Dabei passieren wir den Ausstieg des kleinen Schriesheimer Klettersteigs (385 m).

Auf der Nordseite angelangt, wandern wir auf einem guten Weg links hinunter zur dritten Ebene, und auf dieser wieder zurück nach Süden.

Nach dem Durchschlupf steht man dann unvermittelt an den Resten weiterer Gebäude. Hier muss sich einst die Seilbahn befunden haben. Wir steigen rechts davon auf einem schmalen, etwas unangenehmen Steiglein hinunter zu weiteren Gebäuden.

Hier befand sich einst ein Komplex aus Werkstatt, Energiestation und Kompressorhaus. Im oberen Stockwerk war außerdem ein Pausenraum eingerichtet. Vergleichsweise gut erhalten ist der Einfülltrichter des damaligen Vorzerkleinerers.

In den 1950er Jahren begann man mit Modernisierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen im Steinbruch. Die Betriebe an der Bergstraße sahen sich allerdings trotzdem zunehmend mit Finanzproblemen konfrontiert. 1967 gab es dann einen Großbrand im Schotterwerk. Danach wurde der Betrieb hier eingestellt.

Auf der zweiten Ebene angekommen, wenden wir uns nach rechts, schlupfen, und wandern hinüber zum Ausstieg des untersten Teils des Schriesheimer Klettersteigs, den wir eigentlich hinuntersteigen wollen. Aber die Sicherungen hier wurden abmontiert - vielleich nach einem Felssturz, wie es sie hier sicherlich öfter gibt. Davon zeugen zahllose Brocken, die hier herumliegen. Zum Glück treffen wir einen Kletterer, der uns verrät, dass es einen neuen Einstieg gibt, einige Meter weiter südlich. Ein bissl senkrechter als der alte, leitet er uns sicher hinunter auf die unterste Ebene, und wir verlassen den Steinbruch Edelstein nun endgültig.

Der Zugangsweg führt hinunter zum Oberen Ölbergweg. Auf diesem wandern wir etwa 200 Meter nach links (Süden), bis rechts ein unscheinbarer, unmarkierter Pfad in den Wald hinunter führt. Dieser quert etwa 90 Hm weiter unten einen weiteren Waldweg und endet dann auf etwa 240 Hm, auf einem dritten. Diesem folgen wir nach rechts, aus dem Wald heraus und in die Weinberge hinein. Auf aussichtsreichen Weinbergwegen queren wir nun hinüber und hinunter zur Strahlenburg (185 m), die nach einem kurzen Anstieg erreicht ist.

Um 1235 begann Conrad I. von Strahlenberg mit dem Bau der Strahlenburg. Aus dieser Zeit sind noch der ursprünglich 30 Meter hohe Bergfried und der innere Teil der Anlage erhalten. Der Palas dürfte im 14. Jahrhundert errichtet worden sein: 1329 veranlassten Zahlungsschwierigkeiten die Strahlenberger, ihre Burg an Hartmut von Cronberg zu verpfänden. Dieser veranlasste in der Folge umfangreiche Ausbaumaßnahmen. 1468 kamen dann die Veldenzer in den Besitz der Burg.
 
Wann genau die Strahlenburg zerstört wurde, ist bisher ungeklärt. Zwei Ereignisse kommen in Frage: Das eine ist eine Belagerung 1470, im Zuge einer Fehde zwischen Ludwig von Veldenz und dem Kurfürsten, deren Hintergrund die Weißenburger Fehde zwischen Kaiser Friedrich III. und dem Kurfürsten war. Die Strahlenburg wurde nach acht Tagen eingenommen, ihre Besatzung, 19 Edle und 30 Fußknechte, gefangen genommen oder gleich ertränkt. Daraufhin wurde die Burg in Brand gesteckt. Möglicherweise wurde die Burg aber auch erst um 1504, während des Landshuter Erbfolgekriegs durch hessische Truppen in Brand gesetzt.
 
1733 wurde die Ruine freigegeben, ihre Steine durften zum Bau von Weinbergsmauern verwendet werden. Die Grafen von Oberndorff sicherten ab 1784 die Reste gegen weiteren Verfall. Erhalten sind heute der 27 Meter hohe Bergfried (kann wegen baulicher Mängel nicht bestiegen werden) und der rechteckige Palas, der allerdings entkernt wurde. Am Palas haben sich drei frühgotische Fenster erhalten. Eine fünfeckige Ringmauer umschließt die Anlage. Darin befindet sich heute der Burggasthof Strahlenburg.


... in dem wir diese Feierabendrunde gemütlich ausklingen lassen, bevor wir die letzten Meter zum Parkplatz unter die Vibrams nehmen. Schön war's!



Anforderungen:

Herrliche, aussichtsreiche Runde, durchgängig auf guten, aber meist unmarkierten Wegen, die teils ein wenig unangenehm zu gehen sind (stellenweise T3). Der Klettersteig ist nicht schwer, man braucht für die Stufe, die ich abgeklettert bin, etwa eine Minute (für die anderen auch), und Einheimische gehen ihn ungesichert. Wer nicht weiß, ob er dafür erfahren genug ist, den Klettersteig nicht kennt, leicht auspsycht, oder einfach vernünftig ist und auf Nummer sicher gehen will, der schnallt sich besser an. Ein Helm empfiehlt sich aber auf jeden Fall. Der Klettersteig wird von den vielen Kletterern im Steinbruch auch gern im Abstieg genutzt. Ein Steinchen kann da natürlich schon mal ins Rutschen kommen.

Tourengänger: Nik Brückner, Waldelfe


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