An Sly zur Liese (Abnoba, Vosega, Astarte, Isis oder Diana?): Jahresabschluss mit elsässer Kelten


Publiziert von Nik Brückner , 7. Januar 2018 um 18:52. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Frankreich » Vogesen
Tour Datum:31 Dezember 2017
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: F 
Zeitbedarf: 3:00
Aufstieg: 390 m
Abstieg: 390 m
Strecke:10km

Die Umgebung der Gemeinde Niederbronn-lès-Bains ist geprägt von bemerkenswerten Spots aus sehr unterschiedlichen Epochen. Zu den ältesten Sehenswürdigkeiten zählen das Keltenlager Ziegenberg und die gallorömische Felsskulptur "Liese" am Großen Wintersberg.

Als Jahresabschlusstöürl an Sly wollten die Waldelfe und ich der geheimnisvollen Liese einen Besuch abstatten.


"X-Mas Death Jazz" von Panzerballett noch im Player, dübelten wir von unserem     Zirkuswagen     aus nach    Niederbronn-les-Bains    in den Nordvogesen, wo sich    am östlichen Or zausgang ein Wanderparkplatz    befindet.   Ein Stückl weiter nordöstlich   befindet sich jenseits der  Straße ein kleiner Park mit Brunnen, wo wir zu unserer Tour starteten. Wir folgten zunächst dem GR53, hinauf in das Tal zwischen Ziegenberg und Lichteneck. Oben im Talschluss angekommen, hat   man dann die unsinnige Wahl, das Highlight der Tour auszulassen: Das Camp Celtique. Nachdem wir stundenlang u   nschlüssig herumgestanden hatten, entschieden wir uns am Ende doch zögerlich, zurückhaltend und zudem zweifelgeplagt, die zweihundert Meter doch dranzuhängen und wanderten vor auf den Sporn des Ziegenbergs (477m), wo sich die Ruinen einer Fliehburg befinden, die heute "Camp Celtique" genannt werden.

Das sogenannte Keltenlager befindet sich auf dem Ziegenberg, einen südlich vom Großen Wintersberg entsandten Sporn, mit Blick auf das Tal von Falkensteinerbach und Niederbronn-les-Bains. Der südlichste Ausläufer des Sporns bildet ein teils natürliches, teils wohl künstliches Plateau, dessen Nord- und Westseite von einer ein bis zwei Meter hohen Trockenmauer umgeben ist, die verschiedene Felsen einbindet bzw. überbaut. Die Süd- und Ostseite des Bergs sind sehr steil, und daher von Natur aus besser gegen Angriffe geschützt. Am südwestlichen Ende bildet ein großer Felsen einen kleinen Felsvorsprung. Ein Durchlass auf der Nordwestseite ermöglicht den Zugang.

Das gesamte Gelände hat in etwa die Form eines gleichschenkligen Dreiecks, dessen zwei gleiche Seiten jeweils 160m messen. Darüber hinaus passt sich die Mauer an die natürlichen Gegebenheiten an und folgt ihren Kurven und Gegenkurven, was eine perfekte Geometrie des Geländes verhindert. Die dritte Seite des Dreiecks erstreckt sich über 60 Meter.

Einige natürlich flache oder abgearbeitete Steinplatten weisen Ritzungen auf, andere Balkenlöcher, die auf hölzerne Strukturen schließen lassen. Viel ist allerdings nicht mehr zu erkennen.

Charles Mathis meinte im späten neunzehnten Jahrhundert, hier einen Dolmen, Opfertische und Menhire gefunden zu haben. Dann wurde das Gelände aufgrund seiner Größe und seiner Lage als Oppidum gedeutet. Tatsächlich bietet der Ort eine strategisch günstige Position für eine Hochburg, in der Menschen ihre Wohnstatt gefunden haben könnten. Der Historiker Beaulieu schlug daher vor, den Gipfel dieses Berges als einen Ort druidischer Praktiken zu betrachten. Er nahm an, dass die gravierten Platten der Schauplatz ritueller Opfer gewesen sein könnten; ein Kanal und mehrere Löcher hätten demnach dazu gedient, das Blut der Opfer zu sammeln. Geile Blutriten also hier, im schnuckeligen Elsass? Wohl kaum. Im Vergleich mit ähnlichen Anlagen im Pfälzer Wald und in den Vogesen wird recht schnell wahrscheinlich, dass es sich hier um eine nur nötigenfalls benutzte Fliehburg handelt. Und die müsste dann nicht unbedingt keltisch sein.

Ist halt geheimnisvoller.... Laut einer Legende soll der keltische Bezirk zudem über eine Art Brücke aus Luft mit dem Garten der Elfen auf dem gegenüberliegenden Reisberg verbunden gewesen sein. Die Waldelfe konnte - oder wollte - dazu jedoch nichts sagen.


Wir wanderten ein Wenig in dem Gelände herum, dann wandten wir uns wieder nordwärts, verließen den ummauerten Bezirk und stiegen hinauf zum höchsten Punkt unserer Tour, auf den Grand Wintersberg (Großer Wintersberg) (581m)

Hier steht ein 25 m hoher Aussichtsturm, den der Vogesenclub 1889/90 hier errichtet hat. Er bietet Wanderern einen wunderbaren Panoblick über die Nordvogesen, den Pfälzerwald und die Oberrheinebene bis hinüber zum Schwarzwald. Bei sehr guter Fernsicht sollen sogar die Schweizer Alpengipfel erkennbar sein. Und man sieht zu unserer Freude die Burg Windeck, die wir an Tag zwei unserer österlichen Fünfzehn-Burgen-Tour besucht hatten.

Hinter dem Turm führte unser Weg schließlich hinunter zu unserem eigentlichen Highlight: der Liese. Man gelang zum Col de la Liese (Liesepass) (513m), wo sich das Chalet du Wintersberg befindet, eine 1961 errichtete Schutzhütte des Vogesenclubs. Direkt neben der Hütte befindet sich der Rocher de la Liese (514m).

Auf dem Pass zwischen dem Kleinen und dem Großen Wintersberg ist ein seltsames Mädchen in einem großen Stein verewigt. Die Liese, die dem Pass ihren Namen gab, wurde aus einem etwa 2,20m hohen monolithischen Felsen herausgearbeitet. Die in den Fels gehauene Skulptur hat seit mehr als einem Jahrhundert die Aufmerksamkeit zahlreicher Archäologen erregt. Es handelt sich dabei um eine überlebensgroße sitzende Frau mit nacktem Oberkörper. Liese, oder Geiler Liese, ist der lokale Kosename der Felsskulptur.

Der Ursprung dieser Skulptur ist unklar, ebenso, wer hier dargestellt ist. Manche sehen in der Liese ein Abbild aus der keltischen Zeit, es ist jedoch nicht unmöglich, dass es ein Werk der gallo-römischen Ära ist, also aus der ersten Zeit der römischen Besetzung stammt. Sicher ist nur, dass die Skulptur sehr alt ist. Meist wird ihr Alter mit etwa 1800 Jahren angegeben. Allerdings wurde das Bildnis im Laufe der Jahrhunderte stark verändert und verstümmelt. 1935 von einem gutgläubigen Neuheiden, dann in den 1940er Jahren während des zweiten Weltkriegs. 1951 verlieh ihr dann der ortsansässige Künstler Robert Limacher in Anlehnung an ägyptische Gottheiten ihr heutiges Aussehen, ausgehend von den in der Nähe eingravierten Buchstaben "SI", die er auf die ägyptische Göttin Isis bezog. Die Skulptur wurde schließlich in den 1970er Jahren übermäßig und schlecht restauriert und hat so nur noch wenig mit der Originalgestalt zu tun, von der es aber immerhin noch Zeichnungen gibt. Die einzigen noch sichtbaren Originalteile sind die Schultern, der Bauch und die Oberschenkel. Trotz allem: Die Liese ist archäologisch besonders wertvoll, denn es handelt sich hierbei um den einzigen figürlich behauenen Felsen im Elsass (in Lothringen gibt es weitere).

Dann gibt es das Problem der Identität der Figur. Der Forscher Charles Mathis aus Niederbronn-les-Bains behauptete im 19. Jahrhundert über die Liese, "dass es sich um das Bild einer Göttin handelt, deren Kopf gekrönt ist und die auf diesen Knien ein Becken trägt. Hierher kam die Jugend, um die Göttin Astarte zu ehren". Der Historiker Beaulieu vermutete dagegen eine lokale Gottheit in ihr, Abnoba vielleicht (eine Göttin, die ursprünglich mit dem Schwarzwald verbunden war), oder Vosega (eine göttliche Personifikation der Vogesen), beide entstammen dem keltischen Pantheon. Stammt das Bildwerk jedoch aus der römischen Zeit, stellt es wohl eher Diana dar.

Ausgrabungen, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts durchgeführt wurden, brachten am Fuße der Liese viele Holzkohle und eine Platte mit einem Becken ans Licht. Dieses Becken fing wahrscheinlich Wasser auf, das über die Statue strömte. Dies lässt auf einen Fruchtbarkeitskult schließen. Und tatsächlich galt der Felsen der Liese lange als ein Ort, der die Fruchtbarkeit von Frauen zu verstärken in der Lage ist. Frauen, die sich ein Kind wünschten, kletterten auf den Felsen und rutschten herunter (was ihm die Bezeichnung "Rutschfelsen" eintrug). Natürlich waren sie danach besonders fruchtbar - oder doch zumindest besonders attraktiv für die Burschen ihrer Wahl. Diese späte und populäre Interpretation ist nicht zu vernachlässigen, da sie das Überleben alter Praktiken bezeugen könnte. Die Liese könnte demnach seit der Antike als ein mit besonderen Kräften ausgestatteter Fels angesehen worden sein. Die keltischen und gallo-römischen Kulte zu den Gottheiten des Wassers sind jedenfalls seit langem in der Region bezeugt.


Wir machten ein Weilchen Pause am Rocher de la Liese und lasen die alten Geschichten nach, die sich um den Felsen und die rätselhafte Frau ranken. Ich hab mal drei ausgewählt, die wir besonders schön fanden:

1. Die Liese war ein wunderschönes Mädchen mit blauen Augen und schönen roten Haaren. Ein junger Edelmann war in sie verliebt. Doch die schöne Liese bevorzugte einen einfachen Handwerker. Der Edelmann konnte das nicht ertragen. Er ließ den Handwerker ermorden und warf ihn in einen tiefen Brunnen. Als die Liese davon erfuhr, starb sie vor Kummer.

2. Eine andere Legende erzählt uns, dass ein Hirte in die schöne Liese verliebt war. Während des Sommers, als er seine Herde am Pass weidete, gravierte er das Gesicht seiner Geliebten auf den Felsen.

3. Ein Legionär Julius Cäsars, der in Ägypten stationiert war, heiratete dort ein Mädchen des Landes. Sie hatten zusammen eine Tochter, die sie Isis nannten. Nach dem Tod ihrer Eltern verliebte sich Isis in einen jungen Mann, dem sie bald über die Meere ins ferne Elsass folgte. Doch das Heimweh war stärker als die Liebe, und Isis kehrte nach Ägypten zurück. Der junge Mann, verstört von Traurigkeit, schnitzte seine schöne Isis auf einen Felsen, um die Geliebte niemals zu vergessen.


Dann nahmen wir Abschied von der Liese, die hier schon so lange einsam ausharrt. Wir wählten das  Niederbronn-les-Bains, das uns Niederbronn-les-Bains zurück nach Niederbronn-les-Bains bringen sollte. Es geht zunächst in der Nordflanke des Winterbergs entlang in einen kleinen Sattel hinunter, dann weiter über und neben dem Lichteneck (409m) auf einem schönen Wegerl hinunter zu den Hauts de Lichteneck (392m), wo sich oberhalb des Wegs ein kleines Felsenlabyrinth befindet. Dann stiegen wir, weiterhin dem roten Dreieck folgend, weiter ab und gelangten schließlich zu dem kleinen Park, an dem unsere Tour begann.

Am Fuße des Grand-Wintersberg-Massivs wird heute übrigens eine Quelle, die einst als "Quelle der Liese" galt, einst als heilig und heilend angesehen. Seit 1988 gefasst, wird dieses Wasser unter der Marke Celtique vermarktet.

Wir kehrten schließlich zurück in unseren Zirkuswagen. Nachts ging es dann auf den Ausläufer des Föhrlenbergs, auf dem die Ruine Neukastel steht, von wo aus wir die zahllosen Feuerwerke im Rheintal betrachten konnten. Dabei statt mittendrin - eine großartige und romantische Alternative zum üblichen sektseligen Geknalle. In diesem Sinne:

Die Waldelfe und ich wünschen Euch allen für 2018 Frieden, Mut, Vertrauen und Toleranz. Und dazu Liebe, Lust und die Freiheit und die Gesundheit, sie zu genießen!

Tourengänger: Nik Brückner, Waldelfe


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentar hinzufügen»