Lagginhorn Südgrat oder WoPo und seine Kameras Teil 2
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Leichter Flockenfall setzte ein, ein munterer Wind pfiff mir um den Helm herum und von schöner Aussicht konnte seit längerem schon nicht mehr gesprochen werden. Kurz, es gibt angenehmere Orte für solche Wetterkapriolen als irgendwo im Nirgendwo am Südgrat des Lagginhornes. Aber jetzt war keine Zeit für solche Gedanken, mein Schweizer Freund kletterte gerade einige Meter voraus an recht ausgesetzter Positur und wenn er im Moment etwas überhaupt gar nicht gebrauchen konnte, dann ein Seilzweiter, der anstatt vernünftig zu sichern, sich Gedanken übers Wetter machte!!
Als roger_h und ich uns vor Monaten für eine Tourenwoche verabredeten war die Ausgangslage noch eine andere. Da gab es noch keinen Sommer, der wohl irgendwann an einem Sonntag mal stattfand (laut Aussage eines in diesen Kreisen nicht ganz unbekannten Mannes aus Konschtanz), sich aber ansonsten eher in Nordschweden oder am Polarkreis aufhielt und dort für einen Jahrhundertsommer sorgte. Mein Schweizer Freund hatte Großes geplant und beabsichtigte mit einem Bergführer seines Vertrauens über den Nordgrat aufs Weisshorn zu steigen. Von Vorteil wäre hierfür eine recht ansprechende Kondition, auch eine gute Akklimatisation hatte noch niemanden geschadet, der seinen Bergschuh auf genannten Gipfel setzen will. Damit sich
roger_h nicht mutterseelenallein die Fitness aneignen mußte und der Flachlandexperte wiederum ein großes Herz für noch größere Bergsteiger hat, war schnell klar, "You never climb alone"
Leider hatten zwischenzeitlich Flockenpracht, niedrige Temperaturen und nur wenig bis gar kein Sonnenschein für geradezu polare Verhältnisse in großen Höhen gesorgt und an Roger`s geplante Weisshornbesteigung konnte nicht mehr geglaubt werden.
Auch unsere Tourenplanung gestaltete sich zunäxt einmal etwas schwierig. Welche Tour ist möglich, wo machen die Verhältnisse keinen Sinn, einzusteigen. Kurzum, WAS für eine Tour wollen wir Beide angehen??
Der Lagginhorn Südgrat schwebte schon seit längerer Zeit in unseren Köpfen. Aber "geht" der bei den momentane Verhältnissen? Wir hätten wahrscheinlich auch 3 Tage noch weiter diskutieren können, auf ein Ergebnis wären wir trotzdem nicht gekommen. Probieren geht über studieren. Wer nicht wagt, der kein Lagginhorn Südgrat.
Als Point of return machten wir den Vereinigungspunkt vom Südgrat und Westrippe aus. Im sehr guten Tourenbericht von Lulubusi bekamen wir die Info, das man a.) in ungefähr 2 Std. dort ist und b.) zur Not auch über die Westrippe abgestiegen werden könnte. Spätestens dort sollte dann eine Entscheidung fallen.
Mit einer der letzten Bahnen ging es hinauf nach Hohsaas, unserem Übernachtungsziel. Hierbei von einer gemütlichen Berghütte zu schreiben, wäre stark übertrieben. Aber nun gut, beim Bau dieser Hütte hatte man den Schweizhutträger leider nicht nach seinen persönlichen Wünschen gefragt! Und nu ist es zu spät für einen Neubau!
Kleiner Tip: mit dem richtigen Getränk bekommt man auch dieses Objekt etwas heimeliger
03.50 war klingeling angesagt, 04.00 Frühstück, 04.30 losmarschieren. Spezielles Montagmorgen-Programm! Sehr speziell war dann unser Frühstücksambiente. Direkt am Eingangsbereich, zwischen automatischer Schiebetür und Treppenabgang zum Klo saßen wir mit 2 sympathischen Damen, die sich den Weissmies Nordgrat als Ziel ausgesucht hatten. Wer ausserhalb der vorgegebenen Frühstückszeiten (entweder um 05.00 Uhr oder um 07.00 Uhr) in Hohsaas frühstücken möchte, der bekommt diesen "exklusiven" Frühstücksplatz.
Oben oder unten?? Das war unsere frühmorgendliche Frage, die es vor dem Start zu klären galt. Zum Lagginjoch kann man von Hohsaas die direktere Variante wählen, indem man vom Berggasthaus direkt hoch in westlicher Richtung dem "Rund-/Themenweg 18 Viertausender" folgt, um dann bei Punkt 3329 auf den Hohlaubgletscher zu treffen, oder man geht unter der Bahn hindurch und steigt in die Senke nördlich von Hohsaas ab und betritt dort den Hohlaubgletscher. Wir gingen hinunter zum Gletscher, denn beim Frühstück bekamen wir die Info, dass der direktere Weg obenrum zwar ohne Höhenverlust, aufgrund eines frischen Lawinenkegels aber trotzdem länger und mühsamer wäre, als hinab auf den Gletscher mit Höhenverlust von ca 70 m.
Auf dem Gletscher ging es zunäxt ohne Steigeisen, später an einer steileren Stelle mussten sie dann doch angelegt werden. Und erst am Lagginjoch wurden sie wieder in den Rucksack gesteckt. 1,5 Stunden brauchten wir ungefähr bis zum Joch. Pech für roger_h, der zu Beginn zackig Richtung Joch schritt, später jedoch bemerkte, das sein Seilpartner nur mühsam bei diesem Tempo folgen konnte... einmal Flachlandschnecke=immer Flachlandschnecke!
Spätestens im Lagginjoch war dann auch klar, heute wird kein blauer Himmel-Sonnenschein-Tag. Das, was dort um unsere Nasen wehte, war nicht wirklich ein laues Sommerlüftchen. Schweizhutfluggefahr bestand, da passte es gut, dass wir sowieso die knitterfreie "Mütze" aufsetzen wollten. Denn der Helm ist auch am Lagginhorn Südgrat ein guter Freund der Bergsteiger!! Er verhindert Löcher.. und manchmal auch wegfliegende Toupets! (erzählte mir mal ein etwas älterer Bergsteiger Kollege :-)
Ab Lagginjoch ging es erstmal seilfrei weiter. So konnte jeder von uns seinen eigenen Rhythmus finden (meiner war eher blueslastig, also langsam. Wohingegen Roger tendenziell in Richtung Speedmetall ging! Man ist DER fit, Mann ;-)
An einer recht ausgesetzten Kletterstelle bevorzugte roger_h dann doch eine Seilsicherung und nachdem auch ich hinterher geschrubbt kam, sollte auch gleich noch ein schönes "Föteli" von dieser Stelle gemacht werden. Da meine Kamera bei der Bortelhornbesteigung ihre Funktionsfähigkeit für immer aufgab, hatte ich mir nun Tina`s Kamera ausgeliehen. Sogar mit einem kleinen Karabiner war diese an meinem Rucksack gesichert worden, denn eines sollte mir niemalsnienicht passieren, dass ich diese Kamera verliere.
Wenn ich schon soo ausführlich darüber berichte, könnt ihr euch sicher denken, was an diesem Morgen geschah. An meinem Rucksack klickte zwar immer noch der Karabiner von webeBe`s Kamera, nur ihre Kamera hing nicht mehr daran. Das Band, das am Karabiner UND an der Kamera befestigt war, hatte sich an der Kamera gelöst. Leider hatte ich dies 1. nicht bemerkt und demzufolge wußte ich 2. nun auch nicht, an welcher Stelle des Südgrates sie nun liegt. Und so baumelte ab sofort neckisch der Karabiner und ein Stück des Kamerabändchens an meiner vorderen Rucksackschnalle... als Gedächnisstütze, so als wollte das Bändchen sagen:."naaa, Kamera verloren?!" So ein Kamerabändchen kann ziemlich grausam herumbaumeln, hab ich an diesem Morgen feststellen dürfen!
Alles Lamentieren nutze nix, 1. die Kamera war futsch, 2. die Kamera würde von alleine auch nicht wieder zu mir zurück kommen und 3. wenn wir weiter wie blöde nach unten starrten, könnten wir zukünftig auch bei Bofrost arbeiten.. als schockgefrosteste Eismänner.
Spontanes Zwischenfazit: Kamera weg, kalter Wind dafür da, Wolken auch... Ergebnis: spontane Zwischenfazite werden ab sofort nicht mehr gezogen!
Wir gingen von nun angeseilt weiter. Vielleicht als Vorsichtsmaßnahme, bevor ich mich selbst noch irgendwo am Grat verliere, vielleicht aber auch nur, weil der weitere Gratverlauf nach Seilsicherung aussah... ich persönlich wählte Möglichkeit B.. nur so nebenbei!
Wenn ich mich recht erinnere, entschieden wir uns dafür, am großen Gendarmen das 1. Mal abzuseilen. Unangenehm war, dabei, dass es nun richtig ungemütlich wurde, weil zum Gebläse jetzt auch ein prächtiges Flockenspiel dazu kam. Im Prinzip ja kein Problem, aber da wir in Flachlandhausen nur seltenst dazu gezwungen werden, auf Grund von unüberwindbaren Höhendifferenzen, uns abzuseilen, sind wir Flachlandhausener keine Profiabseiler. Will sagen, wir waren nicht bergführerschnell in unserer Abseilerei und demzufolge wurde uns auch ordentlich kalt. Mal wurde das Seil fälschlicherweise so gelegt, dass die Sicherungsschlinge nicht gelöst werden konnte, mal dauerte die eigentliche Abseilprozedur um ein vielfaches..kurz, bis zum perfekten Abseilmanöver darf ruhig noch etwas geübt werden!
Zu unserer Entlastung kann hier kurz angemerkt werden, dass auch nachfolgende Seilschaften recht lange für diese Stelle brauchten.
Zwischendurch ist nun die Zeit gekommen, um mal eben hurtig meinen Schweizhut zu zücken. Den hat mein Schweizer Freund und Begleiter nämlich echt verdient!! Nicht nur wie er souverän den besten Weg am Grat fand, nicht nur wie er mich sicher bis zum Gipfel führte, auch nicht allein für die recht beeindruckende Stelle, an der man sehr luftig nach rechts an einem Riss klettern mußte.. im Vorstieg. Nein, für das "Gesamtpaket" Lagginhorn Süd, für die kompletten 6 Stunden am Grat, für ALLE Sicherungen, die mit klammen Fingern gelegt werden mußten, fürs unzählige Seilaufnehmen und wieder ausgeben, fürs Warten im "Schneegebläse, während der Seilzweite sich mal wieder schwer tat....
Die 2. Abseilstelle ist die bekannte Stelle kurz vor dem letzten Aufschwung. Mittlerweile ist wohl jedem Südgrataspiranten klar, NICHT nach links (also zur Saaser Seite) abseilen, sondern nach rechts (im Sinne des Aufstiegs) runter zu einem kleinen Felsbalkon und dann auf diesem zu einem befestigten Seil mit Knoten. Von dort zunäxt nochmals etwas abwärts und dann seitlich rechts zum sicheren Stand. Ich kann nicht behaupten, dass mir diese Stelle allergrößten Spaß bereitet hatte, aber sie sieht unangenehmer aus, als sie dann tatsächlich war. Danach im Firn etwas steiler wieder hinauf zum Grat und von dort in ein paar Minuten zum Gipfel.
Schön, wenn man den Lagginhorngipfel einmal für sich hat. Unschön, wenn es ausgerechnet dann so ungemütlich kühl ist. Noch unschöner, wenn man nicht mal eine tolle Aussicht bekommt.. und am unschönsten, wenn man noch nicht mal ein Gipfelfoto machen KANN!! (denn Rogers Smartphone hatte kältefrei...der Akku schwächelte bei diesen Temperaturen.. und bevor ein Smartphone Husten und ne Erkältung bekommt, schaltet es sich einfach mal aus!)... (und mein blöder Kamerakarabiner klimbimte immer noch ohne Kamera an der Rucksackschnalle).
Ohne Ausgabe von Finisher Tshirts (roger_h`s gaaaanz persönlicher Traum!!!) ging es nach ausgiebigen 1:23 min vom Gipfel auf dem Normalweg hinunter. Im ersten steilen Firn mußte ich an den tödlichen Absturz einer 5er Seilschaft von 2012 denken und bin "elfengleich" vorsichtig abgestiegen. Als es sich "ausgefirnt" hatte, machten wir endlich auch eine etwas längere Pause (schlimm, wenn der Seilerste NIE eine Pause benötigt!!!). Puh, am liebsten hätte ich mich von dort direkt nach Kreuzboden beamen lassen können, denn ein Hauch von Müdigkeit machte sich im Körper des Flachlandhausener bemerkbar.
Der weitere Abstieg war dann auch eher unelegant, stolpernd und rutschend; ein Nilpferd in Bergschuhen wäre wohl fast noch geschmeidiger hinunter gelaufen. Erst eine kurzfristig von "Dr" Roger verschriebene Weizenkur auf der "Weizmieshütte" verhalf zu neuer Kraft und Geschmeidigkeit. Wie der berühmte Schmittchen Schleicher mit den elastischen Beinen kamen wir danach zum Kreuzboden und wurden dort u.a. von der liebsten webeBe begrüßt, die überraschenderweise gar nicht erstaunt war, dass der Autor dieser Zeilen ihre Kamera dem Lagginhorn "geschenkt" hatte.
PS: für die letzte Hochtour des Jahres habe ich dann keine Kamera mehr mitgenommen...wahrscheinlich hätte man mir auch keine Kamera mehr ausgeliehen :-\
Die Tour zum Lagginhorn ist nirgends ausgesprochen schwierig, aber lang und verlangt routiniertes und effizientes Seilhandling. Wenn man die ganze Tour komfortmässig sichern will, benötigt man deutlich mehr Zeit als die 4 Stunden, welche die meisten Tourenführer für die Strecke Lagginjoch - Lagginhorngipfel angeben.Vom Moment an, wo man erstmals das Gipfelkreuz erblickt, dauert es noch ziemlich lange bis man dann tatsächlich bei selbigem steht. An einigen Stellen ist die Kletterei durchaus ausgesetzt. An allen Abseilstellen könnte man auch abklettern, zumindest am letzten Gendarm schien uns Abseilen jedoch die deutlich angenehmere Variante zu sein.
Routinierte Seilschaften, die sich gewohnt sind alpin zu klettern und zu sichern, werden zusätzlich zu einem Abseilgerät kaum mehr technisches Material benötigen als ein paar Schraubkarabiner und zwei, drei Bandschlingen. Klemmkeile oder Friends und Expressen könnten da und dort sicherlich zusätzlich eingesetzt werden.
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