"Exklusiver Club"-Urlaub: Überschreitung von Derraköpfle und Unspitze


Publiziert von quacamozza , 24. Oktober 2018 um 12:14.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum: 6 Oktober 2018
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 3:45
Aufstieg: 800 m
Strecke:Baad-Untere Derrahütte-Mittlere Spitalalpe-Derraköpfle-Derraalpe-Obere Spitalalpe-Unspitze-Baad
Kartennummer:AV-Karte Bayerische Alpen BY 2 1:25 000 Kleinwalsertal Hoher Ifen, Widderstein

Immer nur Wiederholungstouren gehen? Gähn, langweilig...ich habe heute richtig Lust auf was Neues, was Wildes, was Abenteuerliches. Wobei ich 80 % der Tour auch schon von früheren Begehungen her kenne. Also doch eher alter Wein in neuen Schläuchen? Nicht ganz...

Eine anspruchsvolle Kurzrunde führt von Baad über die Ostflanke des Derraköpfles zur Derrenalpe bzw. Oberen Spitalalpe und über die Unspitze zurück nach Baad. Dabei bewegt man sich zumeist im weglosen Gelände abseits des Trubels, der gemeinhin auf den Baader Wanderwegen herrscht.

Während man die Unspitze als moderate Steilgrastour einstufen kann, hat man es am Derraköpfle mit einem unangenehmen Mix aus Steilschrofen, brüchig-plattigem Fels und Steilwald zu tun, der teilweise heikel zu begehen und selbst bei guten Verhältnissen sehr mühsam ist.




Zur Schwierigkeit:

Zustieg auf bequemen Wanderwegen T 2
Derraköpfle Ostflanke: bis zu 65 Grad steiler, 200m hoher Hang mit abwechselnd extremem Gehgelände und leichter Kletterei in unzuverlässigem Fels; es sind mehrere Aufstiegsvarianten möglich, die alle mit T 6 zu bewerten sind, einzelne Kletterstellen bis II
weitere Überschreitung des Derraköpfle: T 4 und I
Unspitze Westgrat: T 4-5 und I
Unspitze Ostgrat: oben eine Stelle T 4-5, unten ebenfalls mehrere Varianten möglich, die sich durchgängig zwischen T 4 und T 5 bewegen


Zum Zeitbedarf:

Baad-Untere Derrenhütte-Mittlere Spitalalpe: 35 min
Mittlere Spitalalpe-Beginn Ostflanke: 15 min
bis Derraköpfle:1 Std 5 min
Derraköpfle-Derraalpe-Obere Spitalalpe-Unspitze: 30-35 min
Unspitze-Ostgrat bis Wanderweg: 50 min
Rückweg nach Baad: 25-30 min



Die Tour wurde in gleicher Gehrichtung im Juni 2018 bereits von meinen ehemaligen Bergfreunden begangen und *hier beschrieben. Da es bisher der einzige Tourenbericht über die Runde ist, werde ich als Ergänzung und Erweiterung meine persönlichen Eindrücke als Vergleich anbieten.


Im Gegensatz zum Clubchef und der entspanntesten aller Steilwaldgeherinnen (höhö) reise ich mit dem Bus nach Baad. Wenn man den schon kostenlos nutzen kann...

Die Mittlere Spitalalpe (1550m), die im Jahre 2018 noch bis zum 07.10. geöffnet war, lässt sich von Baad auf zwei verschiedenen, bequemen Wegen erreichen. Ich entscheide mich im Aufstieg für die Route über die Untere Derrahütte, im Abstieg für den Weg über die Untere Spitalalpe.


Ab der Mittleren Spitalalpe wird's interessant. Man wandert am besten noch ein Stück auf dem Weg zur Oberen Spitalalpe aufwärts. Es geht an einem auffälligen Felsblock vorbei. Kurze Zeit später verflacht das Gelände, so dass der Tobel ebenerdig überwunden werden kann. Eine Überquerung ist vorher zwar auch möglich, aber mit einem kurzen, steilen Abstieg durch hohes Kraut in den Tobelgrund und jenseitigem Gegenanstieg verbunden. Das dauert mit Sicherheit länger als der ebenerdige Übergang.
Anschließend geht es über die im Sommer bewirtschaftete Wiese (der Weidezaun ist nach dem Viehscheid abgebaut) leicht fallend zurück, bis man sich direkt über der Mittleren Spitalalpe befindet. Dabei muss man aufpassen, nicht in einem der bis zu 20 cm tiefen, wassergefüllten, durch das Vieh verursachten Trittlöcher zu versumpfen. 

Eine eindeutige Linie ist ab hier nicht vorgegeben. Einen klar definierten Ostgrat gibt es erst oben ab ca. 1730m. Vielmehr ziehen von unten drei mehr oder weniger deutliche Rippen aufwärts, von denen die am weitesten links liegende zwar am ehesten Gratcharakter besitzt, sich aber gelegentlich auch verliert, während die mittlere in halber Höhe aufhört und die rechte sehr steil etwas nördlich der Hauptrippe auf dem Ostgrat endet.

Ich versuche, nach Überquerung der ersten Rippe zunächst auf der zweiten hochzusteigen und später nach links rüber zu queren. Unten liegt abgelagertes Holz im Wald. Die zweite Rippe wird allerdings entgegen des Augenscheins schnell zapfig, so dass ich bald nach links quere. Die Hauptrippe erreiche ich allerdings nicht ganz. Es geht knapp daneben über steile, moosige Tritte und unzuverlässige Felsen, einmal einem Steilabbruch nach rechts ausweichend, in bis zu 65 Grad steilem Gelände und leichter Kletterei (I-II) aufwärts. Dabei setze ich den Pickel ein. Es ist mühsam und an ein, zwei Stellen auch leicht heikel, aber ich komme ganz gut aufwärts und finde immer passable Haltemöglichkeiten. Es wird schnell klar, dass ich für diesen Hang keine zwei Stunden brauchen werde. Auf der Hauptrippe mache ich relativ starken Baumbewuchs aus. Darauf habe ich eher weniger Lust, und so wie ich es aus meiner Position abschätzen kann, ist das Gelände da auch nicht flacher.

Noch mal als Hinweis: Es gibt hier keine Ideallinie. Man muss einfach die Augen offen halten und das Gelände vernünftig beurteilen. Einiges spricht dafür, dass ich eine etwas anspruchsvollere Variante als meine Vorgänger gewählt habe, weil ich zu früh hochgestiegen bin, denn für mich geht es ohne jegliche Ausruhmöglichkeit nonstop aufwärts. Aber das ist okay.
Ich bemerke auch, dass ich von den Sitzbänken der Mittleren Spitalalpe beobachtet werde.

Nach diesem bereits im oberen Drittel liegenden Steilabschnitt peile ich einen auffälligen, abgestorbenen Baum mit vorstehender Wurzel auf der Hauptrippe an. Doch bereits zuvor wird das Gelände etwas flacher, das heißt ca. 50-55 Grad, und es geht sofort wieder etwas schneller voran. Dann über Steilgras nach links an die Baumwurzel. Diese muss man fest anpacken. Ich nehme zusätzlich den Zugpickel und ziehe mich links am Baum vorbei. Damit ist das Hindernis überwunden. Diese Stelle würde ich mit einer II bewerten, weil es da schon eine gute Dreipunkthaltung braucht.

Wenige Meter weiter oben ist der grasige Gipfelgrat erreicht. Richtig lohnend war das ja bis jetzt nicht gerade. Hatte ich aber auch nicht anders erwartet.

Aber dann...kommt einer der schönsten und vor allem ruhigsten Abschnitte der Tour, der Ostgrat, der seinen Namen nun auch endlich verdient. Es geht an der Vereinigungsstelle der nördlichen Rippe vorbei auf dem erholsamen Grasgrat in maximal T 4-Gelände weiter bergauf. Meist bleibt's sogar im T 3-Bereich, dazu schwache Pfadspuren. Kurz vor dem Gipfel ist eine kleine Felsstufe (I) zu überwinden, dann stehe ich auf dem Gipfel des Derraköpfle (1841m) und genieße den interessanten Rund- und Tiefblick. 


Der Abstieg verläuft auf dem zunächst schmalem Grat weiter zu einer Mini-Steilgrasstufe, die man in Abstiegsrichtung links umgeht.
Der Weiterweg ist einfache Wanderung über die Derraalpe und die Obere Spitalalpe bis zum Westgrat der Unspitze.

Einige ausgesetzte Passagen und leichte Kraxelstellen würzen den Aufstieg der Unspitze. Probleme bereitet der Grat aber nicht, so dass man zügig auf der Unspitze (1926m) steht. Auch hier weiß die Aussicht in die nähere Umgebung zu gefallen, vor allem auf den vorhin bewältigten Steilhangschinder am Derraköpfle.


Der oberste Teil des Abstiegs am Ostgrat ist steil und erfordert Trittsicherheit. Ich umgehe einen Abbruch rechts in abschüssigem Gelände. Dann wird's gemütlich. Durchgehende Trittspuren führen durch das zurzeit herbstlich goldene Gras 200 Höhenmeter hinab, bis sich der Grat verliert. Vom Geländeprofil ist das hier also sehr ähnlich wie am Derraköpfle.
Doch der finale Abstieg ist bei weitem nicht so anspruchsvoll wie die Ostflanke gegenüber. Auch an der Unspitze gibt es mehrere Möglichkeiten für die letzten 200 Höhenmeter. Ich steige etwas rechts durch eine teils steinige Grasrinne ab, die unten in einen weiten Hang ausläuft. Kurz vor Erreichen des Wanderwegs geht es an einem Jägerstand vorbei, auf Viehspuren kurz durch den Wald und zum Schluss über eine Wiese hinab zum Wanderweg, den man auf ca. 1450m trifft.

Auf dem Wanderweg, die Untere Spitalalpe rechts unten liegen lassend, zurück ins nahe Baad, durch den Ort hindurch und hinunter zur Wendeschleife, für mich die letzten Meter joggend, denn der Bus steht abfahrbereit an der Haltestelle.


Fazit:
Die jeweiligen Ostflanken sind die anspruchsvollsten und gleichzeitig die am wenigsten lohnenden Abschnitte der Tour. Die Gipfel und die ausgeprägten Gratabschnitte sind dagegen sehr schön. 

Zitat aus dem "Exklusiv-Club"-Bericht:
"Yuki und ich kennen zwei Leute, denen wir diese Tour zutrauen würden, womit allerdings nicht gesagt ist, dass die beiden auch Spaß daran hätten." 
Auch, wenn ich nicht im erlauchten Kreis sein sollte...meine zwei Cent: Ich finde diese Kurztour durchaus ansprechend, werde sie aber so nicht wiederholen. Und weil es meiner Meinung nach noch viel mehr als nur zwei Personen gibt, denen ich diese Tour zutraue, bin ich mal gespannt, ob die Runde bald wieder abgelaufen und beschrieben wird. Aber jetzt stelle ich mir erstmal eine Derraköpfle-Überschreiter-Club-Mitgliedskarte aus und freue mich auf den schönsten Berg des Allgäus.












Tourengänger: quacamozza


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