Am Sigriswiler Grat - und im Sigriswiler Grat


Publiziert von Nik Brückner , 14. Juli 2023 um 08:52.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Emmental
Tour Datum: 9 Juli 2023
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 1200 m
Abstieg: 1200 m
Strecke:14 Kilometer
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auf der kleinen Straße von Linde hinauf zur Schörizegg (Maut: 8 Franken)
Unterkunftmöglichkeiten:Im Tal

2019 war ich schon mal auf dem Sigriswiler Rothorn gewesen, am Vortag turnte ich dann am nördlichen Teil dieses Grats herum - jetzt wollte ich natürlich auch den mittleren Teil des Sigriswiler Grats noch kennenlernen. Auf der Burst hatte ich den Tipp bekommen, dass man gegen eine Gebühr von 8 Franken zur Schörizegg fahren kann - also "Step Into..."  von Vienna eingelegt, und nichts wie hin.


Diese Tour startete ich auf schönen, gemütlichen Wanderwegen. Zunächst. Von der Schörizegg (1465 m) ging es in 20 Minuten zum Oberhörnli (1488 m) und von dort aus in einer weiteren halben Stunde steil hinauf zu den Hinteren Schaflägern (1784 m). Nochmal zwanzig Minuten später langte ich am Schaflägersattel/Schnyde (1856 m) an.

Dort nahmen mich Ziegen in Empfang. Die meisten liefen desinteressiert an mir vorbei - ich bin weder grün, noch schmecke ich nach Gras. Nur die letzte kam direkt auf mich zu und stupste mich an. Auf meine Frage, was sie wolle, begann sie, ihren Kopf an meinem Bein zu reiben, und ich verstand: "streichle mich!". Was ich dann ausgiebig tat, zwei Runden sogar, offenbar war die Ziege mit meiner Leistung zufrieden.

Schörizegg - Schaflägersattel/Schnyde: markierte Wanderwege, T2, 1,5h


Weiter ging's dann auf dem grünen Gratrücken, bis der Weg kurz vor dem Geyerhorn in die rechte Flanke hinüberwechselt. Hier verließ ich den Weg und stieg hinauf auf den ersten Gipfel des Tages, den ich eine Viertelstunde, nachdem ich mich von der Ziege verabschiedet hatte, erreichte: das Geyerhorn (1981 m).
 
Schaflägersattel/Schnyde - Geyerhorn: markierter Wanderweg, zuletzt weglos, T2, 15 Minuten


Der Weiterweg zum Mittaghorn ist auch nicht schwer. Man umgeht ein paar Felsklötze rechts, wandert auf dem Grasrücken hinunter, bis man wieder auf den Weg stößt, und steigt dan auf dem und abseits des Weges hinauf aufs Mittaghorn (2014 m).

Geyerhorn - Mittaghorn: markierter Wanderweg und weglos, T2, 15 Minuten


Man könnte wieder auf dem Weg zurück und dort weiterwandern. Für alle, die auf dem Grat bleiben, beginnen nun die Schwierigkeiten. Es geht zunächst im Schrofengelände weiter. Dann muss eine kleine Felsstufe erklommen werden. Drüben geht es erst eine Felskante hinab, dann wechselt man in die rechte Flanke, wo eine Spur durchs steile Gras in ein Schartl und danach auf ein Köpfl hinaufführt. Weiter geht's in abwechslungsreichem Ab und Auf zum nächsten grünen Kopf. Dessen senkrechter Abbruch wird erneut rechts umgangen.

Danach plätschert der Grat langsam aus. Man könnte rechts steil hinunter zum Weg, oder links in unübersichtliches Gelände absteigen. Ich blieb so lange ich konnte auf der Kante, und fand ganz vorn Spuren, die mich steil rechts hinunterführten (II, optional). Dann ging's auf dem Weg weiter zu Pt. 1982 am Sigriswilergrat.

Abstieg vom Mittaghorn: wegloser Grat, T4/II, 20 Minuten


Der Wanderweg brachte mich dann in zehn Minuten zu den Vorderen Schaflägern (1921 m), wo ich ihn wieder verließ.

Zu den Vorderen Schaflägern: markierter Wanderweg, T2, 10 Minuten


Hier beginnt das Herzstück meiner Tour, der weglose (naja, es gibt ordentliche Wegspuren) Anstieg zum Nordgipfel des Rothorns. Ich verließ also den Wanderweg und wanderte auf deutlichen Spuren nahe der Gratkante weiter. Erste baumbestandene Aufschwünge umging ich links.

Nach einem kurzen Abstieg sah ich im gegenüberliegenden Hang die nächsten Spuren, die mich hier einen ehemaligen Weg vermuten ließen. Diesen/m folgend, siegt ich nun schräg links den Hang hinauf, nicht wirklich an der Kante entlang. Eine kleine, felsige Stufe (I) im oberen Drittel stellt dabei kein Problem dar.

Am Grat fand ich deutlich bessere Spuren vor, die nun bis zum Nordgipfel hinauf nicht mehr abreißen. Sie führen über einige Köpfl, dann um einen markanten Klotz herum. Danach geht es in den steilen, aber nicht besonders schwierigen Schlussanstieg. Hier sind allenfalls einige kleine I-erstellen zu bewältigen. Man ist schnell oben auf dem Nordgipfel des Sigriswiler Rothorns (2034 m).

Vorders Schafläger - Nordgipfel: wegloser Grat, Pfadspuren, T4/I, 25 Minuten


Vom Nordgipfel sucht man sich seinen eigenen Weg durch die Karrenfelder hinunter in den Sattel, dann geht's drüben auf der markierten Route hinauf auf den Hauptgipfel des Rothorns. Dabei muss man ganz unten ein bisschen kraxeln. Der Rest ist aber einfach, und bald steht man auf dem Sigriswiler Rothorn (2051 m)

Nordgipfel - Rothorn: wegloser Abstieg, dann markierter Wanderweg, T4 und leichter, kurz I, 15 Minuten


Mein höchster Punkt für diesen Tag! Und gar nicht so viel los. Ein netter Typ mit Hund, ein Paar, das war's. Da kann man schon mal eine gemütliche Pause einlegen.

Der höchste Punkt meiner Tour! Also erstmal die Rundsicht genießen. Mein Blick fiel zuerst nach Norden, Richtung Heimat. In den Vogesen sind Grand und Petit Ballon zu sehen, im Schwarzwald Belchen und Feldberg. Im Nordosten zeigen sich Schafmatt, Grönflue, Schrattenfluh und der Hohgant mit dem Furggegütsch.

Den Osten dominiert der Titlis, weiter Richtung Südosten folgen Wildgärst und Schwarzhorn. Davor erstreckt sich fast der gesamte Brienzergrat.

Im Südosten folgt die ganz große Prominenz: Wetterhorn, Schreckhorn, Finsteraarhorn, Eiger, Mönch und Jungfrau. Dann Breithorn, Tschingelhorn, Gspaltenhorn und Blüemlisalphorn, Doldenhorn und Balmhorn. Im Südwesten sind die Gipfel des Niesengrats zu sehen. Dann schließen Vanil Noir, die Dents de Folliéran und de Brenleire, Nüschlete,
Stockhorn, Schibe, Gustispitz, Nünenefluh und Gantrisch die Runde ab.

Irgendwann brach ich dann wieder auf und machte mich an den Rückweg. Aber nicht ohne das Schafloch noch mit einzubauen, einen 500 Meter langen Stollen, der durchs Rothorn führt - das darf man hier einfach nicht auslassen.

Ich stieg also vom Gipfel herunter und wanderte Richtung Südwesten, Richtung Oberbärgli.

Unterwegs kam mir eine Gruppe entgegen, von denen einer unter starken Kopfschmerzen litt. Dehydrierung vielleicht? Es war inzwischen wirklich bullenheiß geworden.

Kurz vor dem Oberbärgli wollte ich links hinunter, um zum Schafloch zu gelangen. Da kam mir eine Gruppe junger Männer entgegen, die offenbar ebenfalls dorthin wollten.

Männergruppen im Gebirge sind ja immer wieder ein Thema. Diese hier erreichte ich, als die ersten schon Richtung Schafloch abgebogen waren. Beim Überholen roch ich Bier und andere Alkoholika. Dummerweise zickzackt der Weg bald steil hinunter, die Jungs waren direkt über mir, und prompt schossen von oben Steine herab. Der größte, halb so groß wie mein Kopf, verfehlte mich nur um ein paar Meter. Ein deutlicher Ruf meinerseits brachte zwar den nicht zum Stehen, zum Glück aber die, die ihm vielleicht noch nachgefolgt wären.

Ich schaute, dass ich weiterkam. Dummerweise musste ich weiter unten noch einmal unter den Jungs queren, um zu einen malerischen kleinen Felsentor zu kommen. Ich beeilte mich, dann hatte ich die Gruppe weit genug hinter mir gelassen und gelassen wanderte ich unter grandiosen Felswänden hindurch zum Schafloch (1780 m)

Rothorn - Schafloch: markierter Wanderweg, T4 und leichter, kurz I, 45 Minuten


...das man übersehen kann! Es befindet sich zwar am Weg, aber oberhalb, und unmittelbar angeschrieben ist es auch nicht. Was man aber merkt, und das überdeutlich, ist die kalte Luft, die aus dem Loch fällt. Ich spürte, sah nach links hinauf, und dort den Eingang.

Das Schafloch ist ursprünglich eine natürliche Höhle gewesen, in deren vorderem Bereich (angeblich) bis zu 1000 Schafe Platz gefunden haben, wenn ihnen das Wetter mal nicht zugesagt hat - daher der Name. Daran an schloss sich einst eine natürliche Eishöhle, deren Aussehen heute nur noch mit Hilfe historischer Beschreibungen nachzuvollziehen ist. Demnach gab es hier unter anderem einst einen 20 Meter breiten und 60 Meter langen sog. "Stalagmitensaal", in dem sich durch herabtropfendes Wasser Stalagmiten von kristallinem Eis befanden und einen 21 m langen und 56 m breiten Eissee. Etwa die Hälfte dieser ursprünglichen Höhle muss mit Eis bedeckt gewesen sein.

Der spätere General Guillaume-Henri Dufour besuchte am 5. September 1822 das Eisloch und veröffentlichte darüber einen Bericht. Im Jahr 1884 wurde die Höhle dann von Berner Ingenieuren vermessen.

 

Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Höhle schließlich von der Schweizer Armee zur "Sperrstelle Schafloch" erweitert. Sie baute das Schafloch zu einem Verbindungs- und Logistikstollen aus, dessen Länge heute in verschiedenen Quellen mal mit 500, mal mit 800 Metern angegeben wird. An beiden Enden wurden Waffenstände zur Verteidigung eingerichtet, zudem kamen Seilbahnen zum Materialtransport zum Einsatz. Davon zeugen heute noch vorhandene Überreste. Die Waffenstellungen sind heute noch zugänglich.

Zweck der Anlage war es, durch den Stollen den Nachschub der Truppen ins Justistal sicherzustellen, falls Truppen die Höhen von Heiligenschwendi dem Feind überlassen müssten. Sie sollte den Einheiten auch als letzte Ausweichmöglichkeit dienen.

Durch die Aufweitung der Öffnungen durch die Armee nahm der Luftzug stark zu. Dies ist anscheinend der Hauptgrund dafür, dass die Grotte kein Eis mehr führt.

Der heute öffentlich zugängliche Stollen ermöglicht die Unterquerung des Sigriswilgrats und ist sowohl von Südosten her (aus dem Justistal) erreichbar, als auch von der Zettenalp auf der nordwestlichen Gratseite.


Das Schafloch hat also eine interessante Geschichte, es ermöglicht heute spannende Touren, es hat aber vor allem noch einen anderen, ziemlich großen Vorteil, und das vor allem im Sommer: es ist eiskalt da drin. Und so ließ ich mir so richtig schön Zeit: Ich zog mein Jackerl an und schlenderte gemütlich durch den Stollen. 15 Minuten für 500 Meter ist eine gute Zeit, würde ich sagen. Oder für 800.

Durchs Schafloch: T1, 15 Minuten


Ich verließ das Schafloch durch den nördlichen Stolleneingang (1805 m), und stieg auf dem markierten Wanderweg wieder hinauf zu dem Schaflägern. Von dort aus ging es auf den nun teilweise schon bekannten Wegen über Schaflägersattel/Schnyde (1856 m), Hinders Schafläger (1784 m) und Oberhörnli (1488 m) zurück zum der kleinen Parkmöglichkeit an der Schörizegg (1465 m), wo mein Autschgerl bereits auf mich wartete.

Schafloch - Schörizegg: markierte Wanderwege, am Schafloch T3, dann leichter, 1:55h



Fazit:

Wie bereits am Vortag eine grandiose Tour in einer fantastischen Landschaft. Der Grat ist überraschend einfach, wartet aber ständig mit Überraschungen auf. Das Highlight für mich war aber - na was - das Schafloch. Ich kann mich nur an ein ähnliches Erlebnis erinnern, einen Stollen am Kaunergrat. Da drin gab's allerdings ein Gespenst...


Ausrüstung:

C-Schuhe, Stecken, Helm sowie eine Lampe (Handy, Stirnlampe, Taschenlampe) fürs Schafloch.

...und dann ging's am nächsten Tag auf einen deutlich schärferen Grat.

Tourengänger: Nik Brückner


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