Auf schmaler Kante von der Torflue über die Äbnistettefluen zur Schafmatt


Publiziert von Nik Brückner , 14. Juli 2023 um 12:15.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Emmental
Tour Datum:10 Juli 2023
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Entlebucherflühe - Fürstein   CH-LU 
Zeitbedarf: 6:15
Aufstieg: 1200 m
Abstieg: 1200 m
Strecke:11 Kilometer
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auf dem schmalen Strässchen von Schüpfheim hinauf zur Alp Baumgarte.
Unterkunftmöglichkeiten:Im Tal

Mensch, war das ein Gewackel mit dem Wetter. Tagelang war eine Gewitterwahrscheinlichkeit für den Montagnachmittag angesagt. Also was Kurzes, und früh morgens los. Kein Problem. Dann stand ich um halb sechs auf, schaue hinaus, und der Himmel war schwarz. Ein Regengebiet über der gesamten Zentralschweiz! Das hatten nicht weniger als drei Wetterapps komplett übersehen?

Na, wenn die sich auf den Zufall verlassen, kann ich das mit dem Glück genauso halten. Also "Commissioned Works Pt II - Six Drops of Poison", das neue Album von Ring Van Möbius eingelegt, und das schmale Strässchen Richtung Baumgarte hinaufgefahren. Man darf, und es ist sogar kostenlos.



Kurz vor Baumgarte (1302 m) stellte ich mein Auto ab und wanderte zur Alp hinüber. Dort beginnt der markierte Anstieg hinauf Richtung Leitere. Es geht zunächst eine Kuhweide hinauf zu einem kleinen Stall. Dahinter wendet sich der (hier nicht besonders gut zu erkennende) Pfad rechts einer kleinen Schotterrine einen Graskegel hinauf.

An dessen Spitze quert er nach links in die Rinne, und es geht ein paar Meter in der Rinne aufwärts, bis die Markierungen nach links weisen. Nach Überwindung einer kleinen, mit Tritten gesicherten Felsstufe (I) geht es steil im Wald eine Rippe hinauf. Weiter oben schlängelt der Weg sich im Gras hinauf zu einer weiteren Schotterrinne, in der ein Seil herabhängt.

Das ist sicherlich nützlich, wenn es hier nass oder eisig ist, bei trockenen Bedingungen braucht man es jedoch nicht.

Am oberen Ende steht man recht plötzlich an der Leiterehöhle (1784 m), einem kleinen Loch, in das man mit Hilfe einer kurzen, aber senkrechten Leiter hinabsteigen kann. Hab ich natürlich gemacht.

Zehn Minuten später ist dann der Pass Leitere (1829 m) erreicht.

Kurzes Zwischenfazit: Ich liebe diesen Weg. Wer findet sowas? Wirklich großartig.

Baumgarte - Leitere: markierter Wanderweg, T4/I, 1:10h


Hier hab ich erstmal eine Pause eingelegt, und mir die Wettervorhersagen angesehen. Eigentlich sollte es jetzt ja regnen.... Aber die Bergkette, über deren Kante ich wandern wollte, trennte den Himmel in zwei Bereiche: nordwestlich war es schwarz, und der Regen war nicht zu übersehen. Südöstlich: strahlender Sonnenschein, blauer Himmel. Ich blieb standhaft unschlüssig.

Zehn Minuten später stand ich an der Wasserfallenegg (1731 m).

Und am Himmel hatte sich nichts verändert. Wie auch, waren ja nur zehn Minuten. Sollte ich trotzdem an meinem Plan festhalten, und den Grat von der Torflue zur Schafmatt probieren? Im Notfall würde ich vielleicht absteigen können - so steil sahen die Hänge nicht aus. Oder sollte ich Richtung Grönflue ausweichen, von der die Wolken sich offenbar fernhielten? Das Regenradar kündigte mir ja ein weiteres kleines Regengebiet an, das bald über mich hinwegziehen würde. Mal sehen, was das brachte...

Schatten, weiter nichts, wie sich herausstellte. Ja dann! Ich stand auf und folgte dem Wegweiser, der mich über die Alp Chlüsmättli (1446 m) zur Toregg (1485 m) brachte, dem Sattel zwischen Torflue und Schimberig.

Leitere - Toregg: markierter Wanderweg, T2, 1: 10h


Von hier konnte ich den Himmel im Nordwesten nicht sehen. Über mir war's aber blau, also machte ich mich an den weglosen Anstieg zur Torflue. Was immer das auch ist - dazu gleich mehr.

Ich stieg zu einer Gondel hinauf, die offenbar ihre Seilbahn verloren hat, und folgte dahinter mit Wacholder bewachsenenen, und daher ziemlich dürftigen Spuren, die eine steile Rippe hinaufführen.

Unterwegs erhaschte ich einen Blick nach rechts, zu dem Tor, nach dem die Torflue benannt ist. Das soll aber so toll nicht sein, hab ich mir sagen lassen, deshalb bin ich nicht hinüber.

Der Anstieg ist steil, aber ansonsten unschwierig, und so langte ich 20 Minuten nach Verlassen der Gondel am Grat an.

Toregg - Grathöhe: wegloser Anstieg, T4, 25 Minuten


Auf dem Grat sah ich: Der Himmel im Nordwesten war grau, aber vermutlich würde ich für die nächsten ein, zwei Stunden safe sein. Mehr brauchte ich nicht.

Ich fand eine dünne Wegspur, und folgte ihr nach links.

Der Grat von hier zur Schafmatt lässt sich grob in zwei Passagen einteilen. Die Schwierigkeiten befinden sich sämtlich in der ersten: Kletterstellen, ausgesetzte (Rechts-)Umgehungen. Nach einer, eineinhalb Stunden hat man diese hinter sich; danach wandert man auf dem nun gemächlicheren Gratrücken zur Schafmatt hinauf.

Erstes Highlight: die Linksumgehung einer kleinen überhängenden Felswand. Die ist noch nicht schwierig, aber für ein schönes Foto gut. Danach umgeht die Spur einen ersten Grasgipfel rechts, der vielleicht die Torflue (1603 m) ist, vielleicht aber auch nicht.

Und damit wären wir beim Thema Torflue. Die Hikr sind sich überhaupt nicht einig darüber, was das ist. Die einen identifizieren diesen Grasgipfel mit der Torflue, die anderen einen Kreuzgipfel danach. Das teilt sich etwa 50:50, was nicht weiterhilft. Ganz abgesehen davon, dass die Beichnung "Fluh" ohnehin ursprünglich die senkrechten Felswände zur Rechten gemeint haben dürfte. Naja. Also, zu dem ersten Grasgipfel habe ich von der Gondel aus 30 Minuten gebraucht, das sind vielleicht fünf Minuten auf dem Grat - falls das jemandem hilft.

Nach dem Grasgipfel führt die hier schlechte Spur durch einen recht steilen Grashang zurück zum Grat, der gleich sehr, sehr schmal wird. Man wandert ein paar Meter nach vorn und wundert sich gleich, warum man plötzlich auf einem Seil läuft. Die Lösung: Dieses hilft beim Abstieg von dem schmalen Gratl: Es geht links ausgesetzt hinunter in eine kleine Scharte.

Danach verfolgt man den Grat weiter zu einer weiteren Felsstufe, die abgekraxelt wird. Danach wird es erstmal einfacher, und die Spur führt hinauf auf den nächsten Grasgupf. Von diesem geht es steil, aber unschwierig hinunter in die nächste Scharte. Dahinter wartet ein markanter Zacken mit Gipfelkreuz.

Dieser Zacken ist der andere Gipfel, der von manchen Hikrn den Wegpunkt "Torflue" verpasst bekommen hat. Da es hier bei uns aber auch einen Wegpunkt namens "Äbnistetteflue - Gipfelkreuz" hat, und ansonsten kein anderer Gipfel vor der Schafmatt ein Kreuz trägt, dürfte dieser wohl tatsächlich der Kreuzgipfel der Äbnistetteflue sein, und nicht die Torflue.

Hier wartet die schwierigste Kletterstelle der Tour: Aus der Scharte etwas links der Kante im Fels hinauf. Das ist unten steil und brüchig, wird nach oben hin aber schnell besser: sowohl weniger steil als auch weniger brüchig. Weiter oben folgt dann wieder Gehgelände und in wenigen Minuten steht man am Gipfelkreuz der Äbnistetteflue (1815 m).

Grathöhe - Gipfelkreuz: weglose Gratüberschreitung, Pfadspuren, T5/II, 30 Minuten


Von hier an wird es erstmal wieder einfacher. Die Spur führt vom Gipfel hinunter in einen Sattel.

Hier muss man Acht geben. Eine deutliche Spur führt vom Sattel links in die Flanke, eine weniger gute geradeaus am Grat weiter. Wie ich herausfand, ist die linke, bessere Spur offenbar eine Abstiegsmöglichkeit, Sie führt jedenfalls bergab vom Grat weg. Die andere Spur verliert sich zwar bald im Gras, findet sich danach aber wieder. Es ist die richtige.

Es geht also den nächsten Grasgupf hinauf und oben am zunächst weiterhin einfachen, von Bäumen und Felsen besetzten Gratrücken weiter. Ein paar Minuten später erreicht man die spärlichen Überreste eines Gebäudes, das einst an eine kleine Felswand gelehnt war. Die Route, die hier wieder schlecht zu erkennen ist, führt direkt oberhalb dieses Wandls nach rechts hinauf. Man geht kurz in der rechten Flanke, dann wieder auf der Grathöhe in weiterhin einfachem Gelände. Dabei wird die Äbnistetteflue (1834 m) überschritten. Sie ist nicht bezeichnet, und einfach einer der Grasgüpfe hier.

Auf einem dieser Güpfe steht man plötzlich vor einem Felsabbruch. Hier muss man ein paar Schritte zurück: Nur wenige Schritte unterhalb des höchsten Punkts geht es in der rechten Flanke im ausgesetzten Steilgras auf dürftigen Tritten hinunter in die nächste Einsattelung.

Hier sind die Spuren wieder deutlicher. Sie führen die nächste Kante hinauf. Oben angelangt, weisen sie - zum Glück recht unmissverständlich - in die linke Flanke. Hier helfen große Metallklammern eine senkrechte Felsstufe hinunter.

Die sind ein bissl unangenehm zu erreichen und weit auseinander (die langen Beine mitbringen!), aber es geht schon.

Man gelangt auf ein (eventuell mal künstlich erweitertes) Band, das durch plattigen Fels führt. Hier waren einst Sicherungen angebracht, die Seile existieren aber nicht mehr. Braucht man aber auch nicht.

Wer diese Passage verpasst, kommt vermutlich über den Grat. Nach Ausweis dieses Berichts von Felix geht auch das ganz gut.

Der Grat führt nun weiter zu einem markanten Klotz. Das ist die Änggelaueneflue. Diese wird rechts auf einem schmalen, noch einmal ziemlich ausgesetzten Band umgangen.

Spuren auf der anderen Seite scheinen mir aber anzudeuten, dass auch eine Linksumgehung möglich wäre.

Gipfelkreuz - Änggelaueneflue: weglose Gratüberschreitung, Pfadspuren, T5/I, 1h


Danach sind die Schwierigkeiten überwunden. Man muss zwar noch ein wenig Acht geben, weil das Gelände steil und teilweise ausgesetzt bleibt, technisch Anspruchsvolles kommt aber nicht mehr.

Es geht zunächst einen steilen Grashang hinauf, in dem sich die Spuren wieder verlieren. Dann wechselt der Untergrund und damit auch die Vegetation: In der Folge führt die Route durch Heidelbeeren, Wacholder und Heidekraut, und ist deshalb wieder gut zu verfolgen (Vorsicht bei Nässe auf den zahllosen kleinen Zweigen und Wurzeln!). Die Route folgt weitgehend diesen Heidelbeerzacken, oder umgeht sie links. Ein kurzer Abstieg in ein kleines Schartl und ein längerer in ein größeres verlangen noch einmal Aufmerksamkeit.

An dieser Stelle findet sich ein roter Pfeil. Wo der wohl hin verweist?

In ständigem Auf und Ab, den Gipfel immer vor Augen, ist dann bald auch die Schafmatt (1979 m) erreicht.

Änggelaueneflue - Schafmatt: weglose Gratüberschreitung, Pfadspuren, T3, 45 Minuten


Der höchste Punkt meiner Tour! Rundsicht genießen! Mein Blick fiel zuerst nach Norden, Richtung Heimat. In den Vogesen sind Grand und Petit Ballon zu sehen, im Schwarzwald Belchen und Feldberg. Im Nordosten zeigen sich Schimberig, Stäfeliflue und der Pilatus. Weiter Richtung Osten folgen Glärnisch, Tödi und Titlis.

Richtung Südosten zeigen sich dann Sustenhorn, Gwächtenhorn, Dammastock und Ritzlihorn. Davor erhebt sich der nahe Fürstein.

Im Süden folgt die ganz große Prominenz: Rosenhorn, Wetterhorn, Schreckhorn, Eiger, Mönch und Jungfrau. Dann Breithorn, Tschingelhorn, Gspaltenhorn und Blüemlisalphorn und Doldenhorn. Davor erstreckt sich fast der gesamte Brienzergrat.

Im Südwesten, jenseits der Grönflue, zeigt sich die Schrattenfluh, dahinter der Hohgant mit dem Furggegütsch und der Sigriswiler Grat. Im Südwesten schließlich runden Nüschlete, Stockhorn, Dent de Brenleire, Nünenefluh und Gantrisch die Aussicht ab.


Zwei Stunden und fünfzehn Minuten war ich auf dem Grat unterwegs gewesen. Und es war trocken geblieben. Aber jetzt war für den Nachmittag Regen angesagt. Die einen sagten 15 Uhr, die anderen 13 Uhr. Es war aber schon 13 Uhr, und trocken.... Sollte ich dem Himmel etwa mehr glauben als meinen Apps?

Und eventuell die Grönfluh noch dranhängen? Oder lieber auf Nummer sicher gehen, und mich mit einem Freund in Luzern verabreden?

Ich hab letzteres gemacht. Und dafür den Abstieg noch einmal richtig genossen. Auf dem herrlichen Wanderweg lief ich in einer Viertelstunde zum Pass Leitere (1829 m) hinunter, eine weitere Stunde später stand ich wieder an der Alp Baumgarte (1302 m).

Schafmatt - Baumgarte: markierte Wanderwege, T4/I, 1:15h


Fazit:


Eine herrliche Grattour, die auf meiner Route auch dazu noch sehr schnell zu erreichen ist. Mir hat's viel Spaß gemacht! Wer mehr Zeit und eine stabilere Wettervorhersage ist, kann sie in gleicher Richtung auch noch verlängern, Vorschläge dazu gibt's auf Hikr ja genug.


Ausrüstung:

C-Schuhe, Stecken, Helm

Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (2)


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Nyn hat gesagt:
Gesendet am 15. Juli 2023 um 16:02
Danke fürs Mitnehmen,Nik. Schees Gratl

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. Juli 2023 um 21:32
Gerne! Schee is gwen!


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