Grandiose Gratrunde: Sibe Hängst - Schaflägerzähne - Schörizflue


Publiziert von Nik Brückner , 13. Juli 2023 um 12:46.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Emmental
Tour Datum: 8 Juli 2023
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 6:15
Aufstieg: 1350 m
Abstieg: 1350 m
Strecke:15,5 Kilometer
Unterkunftmöglichkeiten:Im Tal

Vom Furggegütsch in den Odenwald und wieder zurück in die Emmentaler Alpen - es geht Schlag auf Schlag dieses Jahr. Was mach' ich diesmal? Viel ist ja nicht mehr übrig! 

Die Sieben Hengste haben's mir angetan, eine Gruppe von sieben, na, Gipfeln. Und eigentlich sind's auch keine sieben, aber dazu später.

Mit "Lemures" von Balletto di Bronzo im Player fuhr ich nach Innereriz, bis es nicht mehr weitergeht. Dort ist rechts ein Parkplatz, für den Google mich prompt um eine Bewertung gebeten hat... Na, parken kann man dort halt. Und parkieren. Es geht beides. Aber man sollte ein paar Münzen mitnehmen, ist nämlich nicht kostenlos.



Das Wetter

Jetzt muss ich erstmal ranten. Eine Woche lang war für diesen Tag stabiler Sonnenschein angesagt gewesen. Sogar am Vorabend noch. Als ich dann auf den Parkplatz fuhr, fing es plötzlich an zu regnen. Und dann, ja klar, war der Regen auch ganz plötzlich in der "Vorher"sage drin. Großartig. Nicht nur ich, sondern auch zwei Damen und zwei Hunde waren, na, nicht begeistert.

Passiert mir in letzter Zeit öfter. Ich weiß auch warum, das ist schon okay. Was mir daran nur nicht passt, ist, wenn die Meteorologen und die Hersteller der Apps sich einstweilen für ihre nochmal gesteigerte Verlässlichkeit loben. Für Wanderer und Bergsteiger ist das Wetter keine Frage der Werbung, sondern eine Frage der Sicherheit.

Ein Telefonat mit der Waldelfe sorgte dann für Zuversicht, und mit nachlassendem Regen lief ich dann doch los. Es nieselte noch ein Weilchen, und mein Aufstieg war nass, etwa zur Hälfte der Tour brach dann aber doch noch der vorhergesagte Tag an. Für die angekündigten elf Sonnenstunden reichte es aber nicht mehr. Na, Hauptsache die standen am Abend noch in meiner "Vorher"sage...

Und bevor jemand was sagt, ich nutze drei verschiedene Wetterapps. Hmpf.



Von Parkplatz in Innereriz (1040 m) weg führt ein breiter Wanderweg nach Südosten, Richtung Grünenbergpass. Der verwandelt sich bald in einen Pfad. Nach etwa 1,4 Kilometern passiert man die Alp Hinter Sohl (Pt. 1219), dort wird er wieder zu einem breiten Weg. Dieser biegt nach weiteren 500 Metern um den Nordostgrat der Sieben Hengste herum, der auch den Namen "Grätli" trägt.

Innereriz - Grätli: markierter Wanderweg, T1, 30 Minuten


Diesen Grat hinauf führt ein unmarkierter Pfad, den man durch die Wiese oberhalb des Wegs erreicht. Einfach die Wiese hinauf zum Grat, und dort den Pfadspuren folgen.

Schwierig ist das nicht. T3, T3+ vielleicht. Nennenswerte Kraxeleinlagen warten auch nicht, und wenn, dann geht's über eine I nicht hinaus. Zwei, drei mal, wenn ich mich recht entsinne. Steil ist's aber. Nach einer Stunde tritt man aus dem Wald und steht wenige Minuten später an einem Kreuz: Der Nordgipfel (1828 m) der Sieben Hengste ist erreicht.

Übers Grätli zum Nordgipfel: unmarkierte Wegspur, T3/I, 1h


Von hier an führt die Pfadspur, mal mehr, mal weniger deutlich, stets in Kantennähe über die Hengste.

Die meisten Gipfelchen sind optional, müssen muss man hier gar nichts. Ich hab anfangs alles überschritten, aber als die sieben überschritten war, und trotzdem augenscheinlich noch nicht alle Hengste überschritten waren, habe ich's nicht mehr so ganz streng genommen. Offen gestanden haben mich neben den immerhin sehr beeindruckenden Tiefblicken nach rechts vor allem die Steinböcke gelockt, die zumeist knapp unter den Gipfeln oder den Scharten in der steilen Nordwestflanke standen.

Links fällt das Gelände längst nicht so steil ab. Hier erstrecken sich weite Karrenfelder, bestanden von dem typischen Märchenwald, der auf solchem Untergrund zu wachsen pflegt. Durch diese Hänge führen weitere Wege, die sicherlich genauso schön sind, wie der Gratweg.

Dieser Weg ist meist leicht zu verfolgen, lediglich an Stellen, an denen man Karrenfelder zu queren hat, ist er naturgemäß nicht zu sehen. Mit ein bisschen Spürsinn findet man ihn aber immer wieder. Im Zweifel bleibt man einfach in Kantennähe. Dabei überschreitet man dann auch den höchsten Punkt, das Sichle (1952 m). Schwieriger als T3 wird es auch hier nie.

Am Ende der Kette wird es dann grasig. Die Schibe (1955 m) ist der letzte, optionale Gipfel, die Pfadspur umgeht ihn links. Ich habe ihn noch mitgenommen, wegen des Tiefblicks hinunter zum Sichle, dem schönen Pass zwischen den Hengsten und der Burst, in den ich nun hinuntersteigen wollte.

Dazu folgt man der Wegspur, die nun in einen Sattel vor zwei weiteren Graszacken hinunterführt und sich dabei wieder der Gratkante nähert.

Sieben Hengste: unmarkierte Wegspur, T3, 1,5h


Im Sattel angelangt, traf ich erst einmal auf die beiden Damen und die beiden Hunde aus Innereriz. Damen? Wilde Damen. Sie waren den ausgesetzten Pfad vom Sichle heraufgekommen.

Hier übersteigt man einen Weidezaun, dann wendet sich der weiterhin unmarkierte Pfad kurz steil hinunter und gleich darauf nach rechts, auf ein schmales, abschüssiges Band, auf dem man nun Richtung Sichle quert. Das sieht spektakulär aus, ist teils auch recht ausgesetzt, aber an sich völlig unschwierig.

Abstieg ins Sichle: unmarkierte Wegspur, T3, 20 Minuten


Im Sichle (1679 m) angekommen, wanderte ich auf der gegenüberliegenden Seite ein Stück hinauf, und nahm dann den guten Weg, der über ein Geröllfeld zu dem Wanderweg hinüberführt, der von weiter unten heraufkommt, und zur Burst hinaufführt. Auf diesem stieg ich nun hinauf.

Die Schaflägerzähne interessierten mich noch. Schon von der Schibe aus hatte ich eine mögliche Route ins Auge gefasst, die ich nun auch nahm. Sie geht von der markanten Rechtskehre unter dem höchsten Punkt der Zähne ab.

Auf dem Wanderweg: T2, 30 Minuten


Von der Rechtskehre aus (an der auch nochmal ein Wegweiser steht) stieg ich auf einer mäßig steilen Grasrippe zum Grat hinauf (T4, oben steil), und wanderte dann auf der schmalen, aber unproblematisch zu begehenden Kante links hinüber zum höchsten Punkt der Schaflägerzähne (1952 m).

Da der Weiterweg nach Südwesten keinen Sinn zu machen scheint, wie ich mehrfach gelesen hatte, kehrte ich hier um, und wanderte nun direkt auf der Kante Richtung Burst. Das ist meist einfaches, wenn auch recht schmales Gehgelände.

Zwei Stellen auf dem Weg zur Burst rechtfertigen die Bewertung mit T6. Beide können luftig an der Kante abgeklettert oder rechts davon auf zumeist wackeligen Schottertritten umgangen werden (II). Die erste ist eine schmale Felskante, die zweite eine steile Graskante.

Schaflägerzähne: wegloser Grat, T6/II, 40 Minuten


Dann sind die Schwierigkeiten überwunden, und es geht hinüber zum Wanderweg, auf dem ich nun in wenigen Minuten zur Burst (1968 m) hinaufwanderte.

Zur Burst: markierter Wanderweg, T1, paminuttn


Der höchste Punkt meiner Tour! Und die Sonne schien auch, also erstmal die Rundsicht genießen. Mein Blick fiel zuerst nach Norden, Richtung Heimat. In den Vogesen sind Grand und Petit Ballon zu sehen, im Schwarzwald Belchen und Feldberg. Im Nordosten zeigen sich Schafmatt, Grönflue, Hächle und der Hohgant mit dem Furggegütsch.

Den Osten dominiert der Titlis, weiter Richtung Südosten folgen Sustenhorn und Dammastock. Davor erstreckt sich fast der gesamte Brienzergrat.

Im Südosten folgt die ganz große Prominenz: Wetterhorn, Schreckhorn, Finsteraarhorn, Eiger, Mönch und Jungfrau. Dann Breithorn, Tschingelhorn, Gspaltenhorn und Blüemlisalphorn. Im Südwesten schließen Vanil Noir, die Dents de Folliéran und de Brenleire, Nüschlete,
Stockhorn, Schibe, Gustispitz, Nünenefluh und Gantrisch die Runde ab.

Nach einer kleinen Pause machte ich mich dann an den Abstieg. Es ging nach Norden hinunter, auf dem Verbindungsgrat zur Schörizfluh. Der ist im oberen Teil noch gemächlich, zieht sich dann zu einer schmalen Felskante zusammen, und wird im unteren Teil dann wieder breiter. Ist man am tiefsten Punkt angelangt, findet sich eine Pfadspur, die durch gemütliches Gelände zum vordersten Punkt der (an sich unspektakulären) Schörizflue (1892 m) führt.

Burst - Schörizfluh: wegloser Grat, T4, 15 Minuten


Der Gipfel mag unspektakulär sein, die Flanken sind es nicht. Zum Abstieg wählte ich die auf Hikr schon mehrfach beschriebene Route durch die Ostflanke der Schörizflue. Dazu ging ich zurück in den Sattel zwischen Schörizflue und Burst, und stieg hier links weglos hinunter.

Na, ganz weglos ist das nicht. Durch die gesamte Flanke führen - wenn auch recht dürftige - Spuren. Ob die allerdings von Tieren oder anderen Menschen stammen, kann ich nicht sagen. Einen nennenswerten Anteil daran dürften Hikr haben, also danke dafür!

Zunächst geht's im schotterdurchsetzten Gras gemächlich bergab, dann wenden sich die Spuren auf einem Sporn kurz nach rechts hinunter, bevor die Querung wiederaufgenommen wird. In der Folge hält sich die Spur meist direkt unter der senkrechten Felswand (weiter unten ist auch nochmal eine, die man aber glücklicherweise nicht so deutlich wahrnimmt...). Man schwingt sicht durch mehrere Trichter von Rippe zu Rippe, neun Stück insgesamt, wenn ich mich recht entsinne. Kraxeln muss man nicht, aber die Wanderschwierigkeiten, die die meiste Zeit T3 nicht übersteigen, nehmen zum Ende hin spürbar zu. Den letzten Trichter hinüber zu einem Weidezaun hab ich im T5-Gelände gequert. Das könnte weiter unten einfacher sein, dort sah's weniger steil aus. Nächstes Mal dann.

Querung an der Schörizfluh: weglos, Trittspuren, T3, zum Ende T5, 20 Minuten


Am Nordeck traf ich auf Schafe, die mich neugierig beäugten. Diese sorgen hier für zahllose Wege und Weglein, die alle irgendwo beginnen und irgendwo wieder enden. Ich hielt mich oben noch ein Stück an der Felswand entlang, dann stieg ich halbrechts mühsam, aber unschwierig über Gras und Geröll zur Schörizegg (1465 m, Parkmöglichkeit) ab.

Abstieg zur Schörizegg: Wegspuren, T3, 30 Minuten


Hier stieß ich wieder auf einen Wanderweg, an dem Innereriz bereits angeschrieben steht. In einer guten Dreiviertelstunde wanderte ich an Ober Schöriz (1360 m) und Under Schöriz (1224 m) vorbei nach Innereriz (1040 m).

Schörizegg - Innereriz: markierter Wanderweg, T1, 45 Minuten


Fazit:


Grandiose Tour in einer fantastischen Landschaft. Die beiden U-förmigen Täler, die am Sichle zusammenkommmen, links und rechts begrenzt von senkrechten Felswänden, bilden eine wunderschöne und einzigartige Landschaft. Die Tour selbst ist höchst abwechslungsreich und kann obendrein in vielerlei Weise abgewandelt (z. B. leichter oder schwieriger gestaltet) werden.

Ein Video von der Überschreitung der Sieben Hengste (mit Anstieg übers Grätli) findet sich hier.



Ausrüstung:

C-Schuhe, Stecken, Helm (für die Schaflagerzähne und die Querung an der Schörizflue)

....und weil's so schön war, bin ich am nächsten Tag gleich noch einmal dort hinaufgestiegen.

Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (3)


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Schubi hat gesagt:
Gesendet am 14. Juli 2023 um 13:34
Servusla Nik.

>"ein Parkplatz, für den Google mich prompt um eine Bewertung gebeten hat..."

find ich ja scho etwas bedrängend. Kein Wunder, dass inzwischen auch viele Berge bei Google eine Bewertung bekommen haben, und sogar Ozeane.

Aber davon ab: Super, dass du trotz Regen doch noch losgestiefelt bist. Über Wetter-Apps hammer uns ja auch schon viel ausgetauscht. Ich schau mir inzw. ebenfalls meist Prognosen mehrerer Wetterdienste an und erstelle damit sozusagen meine eigene Eintreff-Wahrscheinlichkeit ;o)

Schaut nach einer feinen Tour aus, tolle Bilder.

Grüßla
Frank

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 14. Juli 2023 um 13:40
Interessant. Wenn Du den Kommentartext änderst, während ich meine Antwort schreibe, wird die Antwort nicht gespeichert.

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 14. Juli 2023 um 13:40
Jetzt aber! (oder wie der gebildete Engländer sagt: now but)

Finde das schon wichtig, Frank. Woher sollen ein Parkplatz oder ein Ozean denn sonst ihr Selbstwertgefühl ziehen? Wenn nicht aus Bewertungen und Vergleichen? Wir wissen doch alle ganz doll, dass Bewertungen und Vergleicherei zu einem ganz besonders guten Selbstwertgefühl führen. Vom Schulhof, aus Insta. Und es gibt ja doch auch gar keine anderen Wege!

Das mit dem Wetter... - ja, ich mach das ja genauso wie du. Meistens führt das lediglich zu ziemlich genau derselben Komik, die man an Zeitungsständen erleben kann, wenn das Goldene Blatt aufgeregt von der Trennung von Harry und Mettwurst berichtet, während der Goldene Fist unmittelbar daneben von der großen und ungetrübten Liebe von Harry und Mettwurst weiß. Was soll man machen.

Ja, war eine pfundige Tour! Und die Gegend ist einfach fantastisch.

Grüßle,

Nik


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