Über den Nordgrat zum Vanil Noir und weiter zur Pointe de Paray


Publiziert von Nik Brückner , 28. Dezember 2021 um 19:21.

Region: Welt » Schweiz » Freiburg
Tour Datum:17 Oktober 2021
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-FR   CH-VD 
Zeitbedarf: 6:30
Aufstieg: 1550 m
Abstieg: 1550 m
Strecke:12,5km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem Auto von Grandvillard hinauf zum Parkplatz auf der Alp Les Baudes.
Unterkunftmöglichkeiten:Chalet Les Marindes

Einen Tag nach meiner schönen Tour am schönen Stieregrat war ich Richtung Fribourg unterwegs. Einige Wochen zuvor war ich über die Dent de Brenleire, die Dent de Folliéran und den Galèregrat gestiegen. Damals war ich von der Selle des Morteys über das Chalet Les Marindes wieder zum Parkplatz Gros Mont zurückgekehrt. Nun wollte ich wissen, wie es dahinter aussieht, Richtung Vanil Noir. Und so dübelte ich eines schönen Morgens, passenderweise Dream Theaters "A View from the Top of the World" im Player, von Grandvillard hinauf zum Parkplatz auf der Alp Les Baudes, um von hier aus hinauf zum Col de Bounavalette und von dort über den Nordgrat und die Tête de l'Herbette auf den Vanil Noir zu steigen.


Los ging's also auf dem Parkplatz Les Baudes (1280m), von wo aus ich dem beschilderten Weg über die Alpen La Coudré (1367m), Cabane de Bounavaux (1620m) und Bounavaletta (1766m) hinauf in den Col de Bounavalette (1996m) stieg.

Les Baudes - Col de Bounavalette: markierte Wanderwege, T2, 1:30h


Hier setzt der Nordgrat des Vanil Noir an, dessen erster Aufschwung den Namen Tête de l'Herbette trägt. Zwei Gedanken bestimmten an dieser Stelle meine weitere Routenwahl: Zum einen wollte ich dem nordseitigen Schnee ausweichen. Den hatte ich seit Tagen von anderen Gipfeln aus gesehen, und diese Touren hatten mir gezeigt, dass darunter Eis lauern konnte. Dieser erste Gedanke legte die Route über den Nordgrat nahe, nicht aber die normale Route dort hinauf, die eben von Norden kommt.

Der zweite Gedanke: Aendu hatte in seinem Tourenbericht darauf aufmerksam gemacht, dass man bei diesem Aufstieg Steine auf die Wanderer auf dem darunterliegenden Weg lostreten kann. Und hinter mir waren nicht wenige Wanderer unterwegs. Ich entschied mich also, rechts herum auf die Tête de l'Herbette zu steigen, durch den Südhang. Dort würde ich nach Herzenslust Schutt lostreten können, ohne dadurch irgendjemanden zu gefährden.


Aus dem Col de Bounavalette (1996m) stieg ich also nun hinauf, bis sich der markierte Weg endgültig nach Norden wendet. Hier verließ ich den Wanderweg nach rechts, erkletterte eine kleine Felsstufe (II), und machte mich dann an die Ersteigung des Hangs. Das ist Steilgras, übersät mit splittrigem Schotter, unangenehm zu gehen, aber nicht allzu steil. T5, würde ich sagen. Gefährlicher schienen mir da schon die Munitionsreste der Armée suisse, die hier überall herumliegen...

Kurz hinter der Tête de l'Herbette gelangte ich auf den Grat. Das Gipfelchen ließ ich mir natürlich nicht entgehen, dann kehrte ich zurück zur Aufstiegsstelle, und machte mich an den Grat zum Vanil Noir.

Dieser Grat bietet in der Folge eine herrliche, einfache Kraxelei im Bereich T5/I. Über schmale Passagen geht es hinauf, bald ersteigt man einen schmalen Zacken, aus der darauffolgenden Scharte geht es dann über mehrere Aufschwünge hinauf auf einen großen Kopf, kurz vor dem Pas de la Boriere.

Der Pas de la Borière ist eine schmale, wilde Scharte im Nordgrat des Vanil Noir, in der der Normalweg heraufkommt. Eine ziemlich luftige Stelle, die deshalb gut mit Drahtseilen gesichert ist.

In die Scharte kann man auf verschiedenen Wegen absteigen, ich wählte eine Möglichkeit halblinks. Der Pas de la Borière (2316 m) selbst fordert einem dann doch einiges ab. Vorsichtig überwindet man die ausgesetzte Scharte mit Hilfe des Seils, und steigt drüben wieder hinaus. Dann folgt man dem nun einfacheren Grat bis zum Gipfel des Vanil Noir 2389m).

Col de Bounavalette - Vanil Noir: Steilgras, weglose Gratüberschreitung, zuletzt markierter Wanderweg, T5/I, 1:30h


Hier brotete ich ein und verquatschte mich mit einigen der vielen Bergsteiger, die hier heraufkommen. Zwei kannten sich gut in der Gegend aus, und gaben mir den einen oder anderen wertvollen Tipp. Dann genoss ich die fantastische Rundsicht: Im Norden gleich Vanil d'Arpille, Dent de Folliéran und Dent de Brenleire, Kaiseregg und Schafberg, Ochse und Bürglen, der Gantrisch und das Stockhorn natürlich, im Nordosten die Gastlosenkette mit Zuckerspitz, Dent de Ruth und Dent de Savigny, dahinter die Gipfel des Niesengrats, Eiger, Mönch und Jungfrau natürlich, Doldenhorn und Balmhorn, Wildstrubel, Dom, Weisshorn, Dent d'Hérens, Oldenhorn und Diablerets, der Mont Blanc natürlich, davor Gros Van und Mont d'Or, im Südwesten Mont de Grange, Les Cornettes de Bise und schließlich im Westen die Dent de Lys und der Moleson.

Dann ging's weiter. Ich wollte auf jeden Fall zum Vanil de l'Ecri und zur Pointe de Paray, ungeachtet der Schneesituation in deren Nordflanken. Ich konnte Wanderer auf diesen Gipfeln sehen, und so schien die Schneelage dort kein Problem zu sein. Vorher wollte ich mir ohnehin noch etwas anderes ansehen: Den Weiterweg zur Tour de Doréna. An einen Besuch dieses ziemlich exklusiven Gipfels war zwar nicht zu denken (ich hatte jedenfalls keine Lust auf Eis und Harsch in einer T6-Route), aber ich wollte doch so weit wie es ging auf dem Südostgrat des Vanil Noir nach vorn gehen, um mir die Situation dort anzusehen.

   
Ich stieg also auf dem Wanderweg zur Ostschulter ab, und machte mich dort auf den Abstieg über den Südostgrat. Der ist insgesamt nicht schwierig, einige Felsstufen sind aber doch dem Bereich T4/I zuzuordnen. Ich ging vor bis zu einem letzten Aufschwung vor dem niedrigsten Punkt, besah mir die Situation (und ein junger Steinbock mich), und kehrte dann um.

Exkursion am Südostgrat: weglos, Grasgrat, T4/I: 30 Minuten


Zurück am Wanderweg, machte ich mich an das lustige, kettengesicherte Kraxelabenteuer, das durch die Südostwand des Vanil Noir in den Sattel Pt. 2236 führt. Eine schöne Passage - und dank ihrer südöstlichen Exponiertheit vollkommen schneefrei.

Ganz im Gegensatz zum Nordhang des Vanil de l'Ecri. Allerdings waren dort inzwischen so viele Leute zu sehen, dass meine Zweifel verflogen. Tatsächlich bereitete der Aufstieg keinerlei Probleme, und schnell stand ich auf dem Gipfel des Vanil de l'Ecri (2376m).

Was für ein Anblick! Die Pointe de Paray sieht von hier aus wie ein schmales, elegantes, und kaum zu ersteigendes Horn. Kaum zu glauben, dass man vom Vanil de l'Ecri völlig problemlos dort hinüberkommt - und das noch auf einem guten Weg!

Nun, gut ist er, markiert aber nicht. Ich machte mich an den Abstieg vom Vanil de l'Ecri (nicht zu spät links hinuntersteigen!) und wanderte über die grasigen Matten hinüber zum Fuß des Nordgrats der Pointe de Paray. Hier wendet sich das Steiglein in die Flanke. Rechts der Kante ging es nun - überraschend einfach! - hinauf Richtung Gipfel. Erst kurz vor dem Gipfel bewahrheiteten sich dann meine Bedenken: Eis. Ein Mädel, das mir entgegenkam, hatte im Abstieg echte Probleme. Doch auch hier erlaubt das Gelände ein Ausweichen in den Hang, wo es auf guttrittigem Schnee weiterging. Schnell stand ich auf dem Gipfel der Pointe de Paray (2375m).

Schulter am Vanil Noir - Pointe de Paray: (un)markierter Wanderweg, T2, 1:15


Jetzt die Frage: Wie geht's hier weiter? Ich folgte dem Südgrat ein Stück, dann stand ich an der obersten von fünf brüchigen Stufen. Für mich ging's hier defi nicht weiter, für den Typ mit dem Seil direkt unter mir aber schon. Wir winkten uns kurz zu, dann kehrte ich zum Gipfelkreuz zurück.

Wie also runterkommen? Es gibt einen gelb markierten, aber nicht beschilderten Abstieg über die Nordwestrippe. Der ist einigermaßen steil, aber es gibt eine durchgängige Wegspur. Diese schlängelt sich im oberen Teil raffiniert durch Felstrümmer, und folgt weiter unten der Gratlinie.

Unten sieht man zwei Aufschwünge: Pt. 1992 (Tête de Saint-Jacques) und Pt. 1901. Dazwischen liegt ein zweiter Sattel, davor ein erster. Aus dem ersten Sattel, Pt. 1959, führt eine Wegspur nach Norden. Dieser Weg ist durchgängig markiert und stets gut zu verfolgen; er führt ohne Unterbrechung zur Alp Petsernetse (1697m) - auch wenn Swisstopo etwas anderes behauptet.

Pointe de Paray - Petsernetse: markierte Wanderwege, T3 und leichter, 1h


An der Alp Petsernetse angekommen, steht man dann vor einem Problem: Es gibt keinen Verbindungsweg zur Alp Fédjîre, von wo aus man direkt zum Parkplatz kommt. Möglich ist es aber trotzdem. Den Tipp habe ich erneut von Aendu. Er schreibt: "Von Petsernetse habe ich direkt Richtung Fédjîre gequert, damit ich einen Gegenaufstieg vermeiden konnte. Diese Querung ist aber recht mühsam (steiles Gras)." Mühsam fand ich's nun nicht, aber ich hatte vermutlich einfach andere Verhältnisse. Die erlaubten mir sogar, das einfach durchzulaufen, ohne dass ich einzelne Tritte prüfen musste.

Die beste Route: Von Petsernetse (1697m) auf dem unteren der beiden Wege, die Richtung Fédjîre führen (aber beide irgendwo im Gelände enden). Der untere, breitere, verkrautete Weg führt bald an einen Weidezaun, und wendet sich nach links ins Tal. Hier bleibt man geradeaus, und betritt den Grashang. In diesem sollte man möglichst nur wenig absteigen. Kurz vor dem Sattel gerät man nämlich in eine Lawinenrinne, wo plattiger Fels zu queren ist. Wer die richtige Höhe hat, kann nun einfach zwischen den Platten durchlaufen. Zum Sattel links hinunter geht's erst, wenn man am Rücken angekommen ist.

Petsernetse - Sattel/Fédjîre: weglose Steilgrasquerung, T4, 15 Minuten



Hier befindet sich die Alp Fédjîre (1564m). Von hier aus führt ein schmaler Fahrweg hinunter zum Lac de Coudré (1329m). Am Lac geht's dann nach links zum Wanderweg und auf diesem zurück nach Les Baudes (1280m).

Fédjîre - Les Baudes: (un)markierte Wanderwege, T2, 30 Minuten



Fazit:

Die Stimmen im Netz übertreiben nicht - das ist eine Königstour. Umso mehr bei Verhältnissen, denen man zunächst nicht richtig trauen wollte, die sich dann aber als machbar herausstellten. Der Nordgrat zum Vanil Noir ist klasse, und die Pointe de Paray ein wirklich elegantes Gipfelziel.

Und so eins war auch mein nächstes: Da ging's nämlich über den schmalen Grat der Galiteflue.



Ausrüstung:

Ich kam mit C-Stiefeln, Stecken und einem Helm aus. 

Tourengänger: Nik Brückner


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