Bärig! Furggegütsch Ostgrat und drei Bären


Publiziert von Nik Brückner , 27. Juni 2023 um 18:48.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Emmental
Tour Datum:25 Juni 2023
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE   CH-LU 
Zeitbedarf: 6:15
Aufstieg: 1290 m
Abstieg: 1290 m
Strecke:13 Kilometer
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Schangnau zum Kemmeribodenbad und weiter zum Parkplatz Küblisbühl.
Unterkunftmöglichkeiten:Hohganthütte: https://www.sac-emmental.ch/huetten/hohganthuette

Am Vortag hatte ich mich auf der Gratrunde über Giswilerstock, Schafnase und Rossflue warmgelaufen, nun folgte ein Highlight meines Bergsommers 2023. Yep, das weiß ich schon jetzt, denn die Tour über den Furggegütsch Ostgrat (das da rechts ist wirklich Osten) und zurück durch den herrlichen Steiniwald gehört zu den schönsten Touren, die ich in der Schweiz bislang gemacht habe.

Kopfschmerzen hatte ich. Nachts war mir auch schwindlig gewesen. Woran es lag - keine Ahnung. Aber ich war mir ziemlich unsicher, ob ich mich damit an eine IIer-Kletterei an einem ausgesetzten T5-Grat wagen sollte. Na, mal sehen. Man kann ja buchstäblich an der ersten schwierigen Stelle umdrehen.



Start war am Parkplatz Küblisbühl (1066 m), den man auch jetzt, trotz Baustelle, gut erreichen kann. Mit "Neo" von La Torre dell'Alchimista im Player.

Man könnte sogar zum Hübeli hinauf fahren, dann spart man sich noch ein paar Höhenmeter.

So lief ich aber, nachdem ich zwei Parkapps heruntergeladen und installiert hatte - noch zwei (ist ja nicht so dass ich nicht schon eine hätte) - und damit natürlich auch bezahlt hatte, auf dem breiten, markierten Wanderweg hinauf zum Hübeli (1090 m). Hier beginnt hinter der Ruine eines Gebäudes der lange Anmarsch zum Furggegütsch.

Der unmarkierte. Es gibt nämlich auch einen markierten, durch den Steiniwald, aber den wollte ich mir für den Rückweg aufheben.

Also hinter der Ruine in den Wald, dort gleich rechts und in der Folge im Zickzack hinauf. Wer genau hinschaut, sieht, dass der Weg einst mit großem Aufwand gebaut und mit Trockenmauern gegen den Hang abgestützt wurde.

Wer dagegen viel auf Karten schaut, wird schnell bemerken, dass es hier Wege gibt, die nicht auf der Karte eingezeichnet sind, und andersherum in der Karte Wege eingezeichnet sind, die es in Wirklichkeit nicht gibt. Am besten folgt man der Schweizer Landeskarte bzw. Swisstopo. Ich folgte Outdooractive, das in diesem Abschnitt nur mäßig genau ist.

Aber! Ausgerechnet in der Kletterroute dann... - aber dazu gleich mehr.


Der Weg ist nicht markiert, und die Ausnahme (ein Schild am Abzweig zum Hinter Hübeli) ist die Ausnahme, die die Regel bestätigt (weili es Ausnahmen nur dann gibt, wenn es Regeln gibt).

Den Grat erreicht man lange nicht, Birchegütsch und Brünneligrind werden in der Südflanke umgangen. Dort ist der Weg teilweise recht dürftig, aber eigentlich immer gut zu finden. Nach etwa 1:15 erreicht man den Grat dann fast, zwischen Birchegütsch und Brünneligrind, aber nur fast, denn kurz davor wendet sich der Weg nach links, um über Bänder durch eine senkrechte Felswand zu führen. Hier gibt's ein Seil, das man aber nicht braucht.

Danach geht's weiter durch den Südhang, bis man nach einer weiteren knappen halben Stunde den Grat doch noch erreicht. Hier eröffnet sich der erste Blick nach Norden.

Im Süden ist's schon länger schön, dafür sorgen der Brienzer Grat und die hochalpine Prominenz dahinter.

Weiter im Hang, von nun an allerdings stets in Gratnähe. Etwa zehn Minuten weiter kommt man an eine Stelle, wo sich eine hier etwa acht Meter tiefe Furche durch das Massiv zieht. In die muss man abklettern, das ist kurz I, II- vielleicht.

Wer hier ein paar Meter nach rechts geht, kann in einer Rinne, die die Fortsetzung der Furche darstellt, menschliche Hinterlassenschaften entdecken. Metall, nicht was Du jetzt denkst. Ein Hinweis drauf vielleicht, dass diese Rinne begehbar ist?

Drüben geht es nun weiter durch Geröll und Schrattenkalk. Die Spur ist hier naturgemäß weniger gut zu verfolgen, grob gesagt sucht sie sich die einfachste Route durch die Karstlandschaft, weiterhin stets etwas links der Kante. Als Oripunkt mag die spitzige Hütte am Grätli (1861 m) dienen, so man sie sieht, dorthin führt der Weg als nächstes.

An der Hütte habe ich meine zweite kleine Pause eingelegt. Hier kann man offenbar auch toilettieren, wie ich in einem anderen Bericht gelesen habe. Persönliche Erfahrungen habe ich allerdings nicht gemacht. Und auch sonst nichts.

Hinter der Hütte bleibt der Weg erst einmal schwieriger zu finden, wer aber dem Weg des geringsten Widerstands folgt, folgt auch ihm. Bald gelangt man wieder ins Gras, dort ist auch die Spur wieder gut zu sehen, und am Ostgipfel der Jurteflue (1949 m) vorbei (oder oben drüber) gelangt man in den Jurtenteuffi-Sattel (1883 m).

Parkplatz Küblisbühl - Jurtenteuffi-Sattel: Unmarkierter Weg, T3 und meist leichter, eine Stelle I-II, 2:45h



Der Weg führt hier nach links, hinunter zur Hohganthütte. Hier verließ ich den Weg, und folgte weiter der Gratkante. Es geht im steilen Gras hinauf. Steil, aber so steil auch wieder nicht. Geht schon. Die Spuren verlieren sich hier gern in schotterigen Rinnen, deshalb ist die Route mit "einfach irgendwie den Grat hinauf" wohl ziemlich präzise beschrieben.

Nach etwa einer Viertelstunde ist das Gemsbödeli (2009 m) erreicht, wo man auf ein kleines Schild stößt, dass vor der heiklen Querung zur Luterschwändiegg warnt und auf einen neuen Übergang 50 Meter weiter oben verweist.

Die Luterschwändiegg ist eine steile Grasrippe, über die man auf einem Pfad von Norden her hier herauf gelangen kann.

Ich wanderte hier geradewegs die Graskante hinauf zum Einstieg (2042 m) in den (Nord)ost-Grat des Furggegütsch: eine Felsstufe im Grat, unter der der neue, obere Übergang zur Luterschwändiegg rechts abbiegt.

Jurtenteuffi-Sattel - Einstieg: wegloser Steilgrasanstieg, Trittspuren, T3, 20 Minuten


Dieser (Nord)Ostgrat ist im Grunde eine reine Kletterroute. Zum Wandern gibgt's hier nicht viel. Sie hat zwei Schlüsselstellen: gleich diese erste Felsstufe und die allerletzten Züge vor dem Gipfel. Wenn man denen gewachsen ist, sollte alles dazwischen gut machbar sein.

Ich habe zuerst ein bisschen gezögert. Der Kopfschmerz vom Morgen war - na, nicht ganz weg. Aber weg genug. Außerdem: Gelber Fels weist hier auf einen kürzlichen Ausbruch hin, und tatsächlich ist an der ersten Stufe (und durchgängig in der gesamten Route) nicht alles fest. Dann bin ich es aber doch angegangen - zum Glück, denn die Route macht viel Spaß. Nur diese erste Stufe hätte ich auch im Notfall nicht wieder abklettern wollen.


Also die erste Stufe hinauf, auf einen Absatz. Hier folgt sogleich die zweite Stufe. Die bin ich in der linken Flanke hinauf, über steile, aber große Schrofentritte. Oben angelangt, geht man dann auf einer schmalen Graskante zur nächsten, deutlich höheren Felsstufe weiter. Hier geht's in grasdurchsetztem Fels hinauf. Im oberen Teil ahnt man dann schon, dass man gleich nach links wechseln wird. Dort steigt die nächsthöhere Felskante von einem grasigen Absatz auf.

Um dorthin zu gelangen, geht man ein paar Schritte auf der hier kurz waagrechten Kante vorwärts zu einem kleinen, vielleicht eineinhalb Meter tiefen Spalt. Hier beschreiben viele einen Spreizschritt. Ich fand es deutlich einfacher, in den Spalt hinunter, und drüben, ein, zwei Schritte weiter rechts, wieder hinaufzusteigen.

Schräg: Outdooractive, das auf dem Wanderweg nur einigermaßen präzise gewesen war, sagte mir in der Kletterpassage die Route derart genau an, dass ich bald damit rechnete, auch noch die einzelnen Griffe genannt zu bekommen. Sehr, sehr seltsam.

Nach dem Spalt die auch hier wieder brüchige Kante hinauf (besser nicht zu einer Querung nach rechts verführen lassen, dort ist der Fels nicht besser), und dann die logische Linie nach links, eine steile Wand querend, hinüber zu dem erwähnten grasigen Absatz. Ist ausgesetzt, aber nicht schwierig.

Nun geht es direkt vom Absatz weg die nächste Felskante hinauf. Oben angekommen, dreht der Grat ein wenig nach links und wird erneut kurz waagrecht. Gleich darauf geht es mit Hilfe kleiner Stufen in ein Schartl hinunter, drüben wieder hinauf und gleich links.

Hier befindet sich rechts der Route ein kleines Felsenfenster, durch das man einen herrlichen Blick auf die schneebedeckten Gipfel der Berner Alpen hat.

Weiter geht es nun über das Felsenfenster hinweg, die letzte Felskante hinauf. Den Abschluss der Kletterei bildet die zweite Schlüsselstelle: Die allerletzten Meter führen einen kleinen Spalt hinauf, mit wenigen, aber genau den richtigen Griffen. Wie ein Urplotz (nämlich urplötzlich) steht man dann im flachen Wiesengelände. Einige Schritte links hinauf, dann ist der Furggengütsch (2197 m) erstiegen.

(Nord)Ostgrat: Kletterroute, II mit kurzen T5-Passagen, 40 Minuten


Hier pauste ich erst einmal gemütlich herum, und versuchte dabei, einen Schläfer nicht zu wecken, der es sich hier ebenfalls gemütlich gemacht hatte. Abgesehen von ihm war ich ganz alleine. Und das an einen so schönen Sonntag!

Und was für eine Aussicht! Die 
Schrattenfluh ist zu sehen, weiter hinten die Rossfluen, dann der gesamte Brienzergrat. Und darüber: Alles was Rang und Namen hat: Wetterhorn, Schreckhorn, Finsteraarhorn, Eiger, Mönch und Jungfrau, Breithorn, Tschingelhorn, Gspaltenhorn und Blüemlisalphorn und Doldenhorn.  Im Südwesten sind die Diablerets zu sehen, näher das Morgenberghorn mit dem schönen Leissiggrat und der Niesengrat. Dahinter der Vanil Noir, die Dents de Folliéran und de Brenleire, der Schafberg, das Stockhorn, die Schibe, der Gantrisch. Und im Norden: In den Vogesen sind Grand und Petit Ballon zu sehen, im Schwarzwald Belchen und Feldberg.


Weiter ging's dann zum Südwestgipfel (2188 m), von wo aus ich auch zur Steinigen Matte noch weiterwollte. Doch da stellten sich mir drei Bären in den Weg!

Furggengütsch - Bären: Markierter Wanderweg, T2, 10 Minuten


Das sind drei kleine Gipfelchen, die der Weg südseitig umgeht. Zu faul, den Ab- und Wiederaufstieg in Kauf zu nehmen. machte ich mich daran, die Bären zu besteigen. Nochmal klettern - bei der Hitze! Eine richtige Bärensauna hier.

Den ersten Bären nahm ich nicht durch seinen Spalt, sondern von links, wo es in bombenfestem, gnubbeligen Fels in fröhlicher Kletterei hinaufgeht (II). Dann überlief ich den Gipfel und stieg steil in die schmale Scharte zum zweiten Bären hinunter. Drüben geht's über grasige Schrofen hinauf zum Bärenhöhepunkt (2160 m). Dann geht's in die zweite, noch schmalere Scharte hinunter, und drüben hinauf zum dritten Bären. Den man schließlich deutlich links haltend wieder verlässt.

Hier stieß ich dann auf einen Weg, und folgte diesem hinauf zur Steinigen Matte (2164 m).

Bärenüberschreitung - Steinigi Matte: unmarkierte Kraxelei, T5/II, 20 Minuten


Und bei dieser Gelegenheit, weil die Bezeichnungen durcheinander geworfen werden, ich das verwirrend fand, und es einem keiner gescheit erklärt: Hohgant heißt der ganze Gebirgsstock. Das Hohgantmassiv besteht aus einer sieben Kilometer langen Bergkette. Die Hauptgipfel sind (von West nach Ost): Trogenhorn (1973 m), Hohgant West (2063 m), Steinigi Matte (2163 m), Furggegütsch (2197 m) und Brünneligrind (1790 m).

Kompliziert wird es durch zwei Dinge. Zum einen dadurch, dass die Steinigi Matte auch Hohgant genannt wird. Zum anderen dadurch, dass sie aber nicht der höchste Punkt ist. Das würde ja Sinn machen, dann wäre nämlich der höchste Punkt des Hohgant der Hohgant. Ist er aber nicht. Das ist der Furggegütsch. Der nicht zusätzlich auch Hohgant heißt. Alles klar?!?


Ich sah mir hier noch die Fortsetzung an: Aff, Wysschrüzgrat, Widderfeld, Wimmisgütsch. Hätte ich wirklich gern noch drangehängt, aber der Rückweg wäre dann deutlich umständlicher geworden. Also machte ich mich hier auf den Rückweg.

Karhole (1897 m), Hohganthütte (1805 m), wo ein paar Leute saßen und es sich gemütlich machten. Und dann ging es, wie eingangs schon geschwärmt, durch den herrlichen Steiniwald hinunter zur Schluecht (1608 m) und schließlich zu den Hütten am Schärpfeberg (1271 m). Von dort folgte ich dem breiten (und zuletzt zwegenz Pflasterung etwas nervigen) Weg hinunter zum Hübeli (1090 m) und schließlich zu meinem Parkplatz am Küblisbühl (1066 m).

Steinigi Matte - Küblisbühl: markierter Wanderweg, T2, 2h



Fazit:

Eine meiner schönsten Touren in der Schweiz. Das lange Weg am Grat ist wunderschön, Schrattenkalk mag ich eh, dann die Kletterroute, die beeindruckende Gipfelregion und der Rückweg durch den Steiniwald. Fantastisch!

Ein aufschlussreiches Youtube-Video gibt es hier.



Ausrüstung:

C-Schuhe, Stecken, Helm.

Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (2)


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Nachtfrost hat gesagt: Einen Bärendank!
Gesendet am 10. Juli 2023 um 13:46
Und wieder eine Tour von dir, die ich dieses Wochenende wiederholt habe. Erneut vielen Dank für die ausführliche Beschreibung und die aussagekräftigen Bilder!

Christoph

Nik Brückner hat gesagt: RE:Einen Bärendank!
Gesendet am 10. Juli 2023 um 15:12
Christoph, das freut mich sehr. Ich bin gerade wieder in der Gegend, es ist einfach herrlich hier. Neue Berichte folgen in den nächsten Tagen! ;o}

Herzlichen Gruß,

Nik


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