Zwei Altenalptürm


Publiziert von Nik Brückner , 27. Dezember 2021 um 13:30.

Region: Welt » Schweiz » Appenzell
Tour Datum:24 September 2021
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Alpstein   CH-AI 
Zeitbedarf: 5:30
Aufstieg: 1111 m
Abstieg: 1880 m
Strecke:12,5 Kilometer
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Appenzell nach Wasserauen, und mit der Luftseilbahn Wasserauen-Ebenalp hinauf auf die Ebenalp.
Unterkunftmöglichkeiten:Wasserauen, Schäfler

Tag vier im Alpstein! Nachdem ich tags zuvor Borsthaldenroute und Löchlibetter unter die Füße genommen hatte, sollte es heute auf zwei Altenalptürme gehen. Inspiriert von dieser Tour von marmotta, WoPo1961 und webeBe. Herzlichen Dank dafür, Ihr drei!


"Scheherazade & Other Stories" von Renaissance lief, als ich auf den Parkplatz in Wasserauen (868m) einbog. Ein Klassiker, wie auch die Altenalptürm. Mit der Luftseilbahn Wasserauen-Ebenalp baumelte ich sodann hinauf zur Bergstation (1590 m) auf der Ebenalp. Dort besuchte ich zunächst das berühmte Wildkirchli (1486m).

Der Name "Wildkirchli", der zum ersten Mal im 16. Jahrhundert vom St. Gallener Reformator und Bürgermeister Joachim Vadian erwähnt wurde, bezieht sich auf ein rund 150 Meter langes Karst-Höhlensystem, das aus insgesamt drei Höhlenteilen besteht. Einer dieser Teile ist eine Durchgangshöhle, die heute auf einem Wanderweg durchwandert werden kann.

"Kirchli" heißt die Höhle, weil sie von 1658 bis 1853 von Einsiedlern bewohnt war, die einen Höhlenteil in eine Altarhöhle umgewandelt haben, in der bis heute Messen gefeiert werden. Die Eremiten lebten in der zweiten Höhle (allerdings nur während des Sommers). In in der dritten steht heute das Berggasthaus Aescher-Wildkirchli.


Der älteste Teil dieser Eremitage ist die 1621 von dem Mönch Philipp Tanner angelegte Höhlenkapelle (vielleicht wurde die Höhle aber schon zuvor von Alp-Bauern als Andachtsort genutzt). Mit behördlicher Unterstützung ließ Tanner einen Altar und einen Holzturm mit grossen Kreuz vor der Höhle errichten. Die Kapelle wurde dem Erzengel Michael geweiht und sollte als Wallfahrtsort dienen.

1658 wurde die Höhle dann vom Pfarrer Paulus Ulmann zu einer Einsiedelei ausgebaut. Er war der erste Eremit, der sich in Wildkirchli niederließ. Zu dieser Zeit entwickelte sich das Wildkirchli zu einem beliebten Wallfahrtsort.

Um die Einsiedelei auch über seinen Tod hinaus zu erhalten, gründete Ulmann 1679 die Wildkirchlistiftung. Diese verfügte über Grundbesitz in der Umgebung der Höhlen, aus deren Erträgen der Unterhalt der Gebäude und das Leben der Eremiten finanziert werden sollte. Die Stiftung existiert heute noch.

Etwa zwei Dutzend Eremiten lebten bis 1853 in den Höhlen. Erst als 1853 der Eremit Anton Fässler tödlich verunglückte, wurde die Einsiedelei aufgegeben. 1860 wurden die ehemaligen Unterkünfte der Eremiten durch das heutige Gasthaus Aescher ersetzt. Dieses befindet sich im Eigentum der Wildkirchlistiftung und wird von ihr verpachtet. Mit dem Gasthaus setzte die Stiftung die Gastfreundschaft der Eremiten fort - allerdings nur bis 2017: Denn als zwei Jahre zuvor der National Geographic das Berggasthaus Aescher-Wildkirchli als den "schönsten Ort der Welt" bezeichnet hatte, zog das eine Besucherschwemme nach sich, die das Berggasthaus nicht mehr bewältigen konnte. Der Herbergsbetrieb wurde daraufhin 2017 eingestellt.


Die Geschichte des Wildkirchlis reicht aber noch viel weiter zurück. 1904 machte der St. Galler Naturwissenschaftler Emil Bächler bedeutende Entdeckungen: bearbeitete Steine, Werkzeuge und Knochen, die Höhlenmenschen zurückgelassen hatten. Diese ließen sich in die Zeit zwischen 50.000 bis 30.000 v. Chr. datieren. Schon damals also gab es Hikr im Alpstein! Neben diesen Hinterlassenschaften des Neandertalers entdeckte man auch Spuren von Höhlenbären, die es sich bereits ab 90.000 v. Chr. in den Höhlen gemütlich gemacht hatten. Einige Funde werden in einem 1972 nachgebauten Eremitenhäuschen im Wildkirchli ausgestellt.


Ich durchwanderte die Durchgangshöhle, passierte das Berggasthaus Aescher-Wildkirchli (1454 m) vorbei, und nahm den Weg, der direkt unterhalb der senkrechten Felswände entlang führt. Vorbei am Füessler (1555m) stieg ich hinauf zur Chlus (1726m). Dort wandte ich mich nach links, und stieg hinauf auf den Schäfler (1925m).

Bergstation - Schäfler: markierte Wanderwege, T2, 1:15


Hier wird der Wanderweg ein wenig anspruchsvoller. Auf der Kante der Läden und dann gleich links im steilen Hang geht es, gut gesichert, hinunter in den Altenalpsattel (1809m).

Schäfler - Altenalpsattel: markierte Wanderwege, T3, 20 Minuten


Der Normalweggeher kann hier aufatmen - bis kurz unterm Säntis bleibt der Weg nun brav -, für mich aber ging es hier mit den Schwierigkeiten erst so richtig los.

Im Altenalpsattel verließ ich den offiziellen Wanderweg. Vom Altenalpsattel aus führt aber doch eine mehr oder weniger deutliche Wegspur durchs hohe Gras hinauf in die Nordflanke des östlichen Altenalpturms. Wenn sich die Route in steilerem Gelände dann nach oben wendet, sind immerhin noch erdige Tritte deutlich auszumachen, denen man gut folgen kann. Die Route führt steil hinauf in eine kurze Rinne an einem Zacken linkerhand. In dieser Rinne geht's weiter hinauf, sie wird dann oben an geeigneter Stelle nach rechts verlassen. Weiter hinauf über steile Schrofen, entweder links oder rechts einer niedrigen, aber markanten Felsrippe. Im unteren Teil kann die Querung an Bohrhaken (kurzes Seil) gesichert werden.

Die beiden Routen links und rechts der Rippe führen weiter oben zusammen. Hier folgt man einer deutlichen Rinne, und steigt entweder in ihr oder knapp rechts davon weiter hinauf. Sie führt auf einen kleinen Absatz, von dem aus es nach links zu einem grasigen Gratkopf hinaufgeht. Das ist aber noch nicht der Ostgipfel. Zu diesem muss man noch in ein kleines Schartl hinunter, und drüben ausgesetzt auf oder rechts neben dem Grat mit viel Luft unter den Sohlen hinaufsteigen. Dann erst steht man auf dem Östlichen Altenalpturm (1986m).

Von hier aus hat man eine tolle Sicht auf die ersten Passagen der Überschreitung, mit dem wunderschönen Reitgrat gleich voraus. Wer wissen möchte, wie das aussieht, kann sich das hier anschauen, wer wissen möchte, wie es sich anfühlt, das hier. Noch mehr zu sehen gibt's hier und hier, sogar mit zusätzlichem Drohnen-Footage.

Mir reichte es an dieser Stelle, und ich kehrte wieder um. Es gibt eine weniger ausgesetzte Route auf den Hauptgipfel.


Auf der Aufstiegsroute stieg ich wieder hinab in den Altenalpsattel (1809m).

Östlicher Altenalpturm: unmarkiert, Trittspuren im steilen Gras, T6/I, 1h


Wer wie ich sich die Überschreitung nicht zutraut, kann dennoch einen weiteren Altenalpturm erreichen. Den Mittleren. Der Aufstieg erfolgt über die Smileyroute.

Ich wanderte weiter auf dem Säntisweg, etwa sechshundert Meter, bis rechterhand hoch oben in den Felswänden der Altenalptürm der markante Smiley zu sehen ist: ein "lächelndes" grünes Band in der Mitte der Wand. Der schuttübersäte, steile Grashang, über den man zum Smiley hinaufgelangen kann, machte zunächst keinen besonders einladenden Eindruck auf mich, aber dann ging ich den Aufstieg doch an. Hält man sich weit rechts, hat man zumindest bis auf die halbe Höhe einen recht angenehmen Steilgrasaufstieg vor sich, ohne allzuviel Schotter. Das ist auch wegen der Wanderer auf dem Säntisweg wichtig - schließlich möchte man keinen Steinschlag auslösen.

Unter der ersten Felswand auf dieser rechten Seite richtete ich ein Rucksackdepot ein, querte dann links hinauf, und stieg im Zickzack zum tiefsten Punkt des Lächelns hinauf. Hier steht man unter einer Felswand, die an dieser Stelle etwa 2,5 Meter hoch ist, und sich hier, genau in der Mitte, recht leicht erklettern lässt. Zwei, drei Züge im zweiten Grad, das war's schon. Oben geht's dann auf das schon von unten gut sichtbare grasig-grüne Band, auf dem man nun nach rechts hinaufsteigt - auf überraschend guten Tritten. Es wird nach oben zwar recht steil, schmal ist das Band zudem, aber bei aller Ausgesetztheit entschärfen die guten Tritte den Anstieg in diesem Bereich doch sehr.

Ist man oben angekommen, sind es nur noch wenige Schritte zum Mittleren Altenalpturm (2031m).

Hier ist es zwar gruselig schmal, trotzdem ließ ich mal den Blick in die Runde schweifen: Im Westen und Norden schaut man nach Deutschland raus, da gibt's keine prominenten Erhebungen. Allenfalls Belchen und Feldberg im Schwarzwald sind am Horizont zu erahnen. Im Osten sind es dann die ersten Berge der Allgäuer, die wieder prominentere Namen tragen: Grünten, Aggenstein, Leilachspitze, Großer Daumen, Nebelhorn, davor der Diedamskopf und der Hohe Ifen. Es folgen Hochvogel und Rauheck, dahinter die Zugspitze. Direkt im Osten dann Krottenkopf, Mädelegabel, Widderstein und Hohes Licht. Es folgt mit der Parseierspitze die Königin der Lechtaler Alpen. Dann das Verwall mit dem Hohen Riffler, der Kuchenspitze und dem Patteriol. Ganz hinten am Horizont ragen die Weißkugel und das Fluchthorn empor, davor die Sulzfluh im Rätikon. Dann folgen, sehr viel näher, der Hundstein, die Fälentürm, der Altmann, Lisengrat, Säntis und Girenspitz, davor Hängeten, Hüenerberg und Öhrli.

Im Abstieg heißt es dann Vorsicht walten lassen. Jeder losgetretene Stein landet auf dem Wanderweg! Ich hielt an besonders heiklen Stellen immer wieder an, um nachzusehen, ob unter mir jemand ging, und stieg erst dann weiter ab, wenn keine Wanderer zu sehen waren.

Am Lächeln kletterte ich dieses Mal nicht die Stelle ab, an der ich hinaufgekommen war, sondern ging ein paar Meter weiter, wo gute Tritte einen Abstieg ohne Kletterei möglich machen. Man steigt im Abstiegssinn (Blick zum Wanderweg) erst nach rechts, dann wendet man sich scharf nach links hinunter, und steht schnell am Fuß der kleinen Wand.

Der weitere Abstieg ist im oberen Teil noch sehr steil, und man muss höllisch aufpassen, nichts loszutreten. Ich hielt mich im Abstiegssinn links, um schnell wieder in dichtes Gras zu gelangen. Dort wird's dann bald einfacher.

Mittlerer Altenalpturm: unmarkiert, weglos, Steilgras, T6 und kurz II, 45 Minuten


Wieder auf dem Wanderweg, wanderte ich nun hinunter zur Altenalp (1595m), und bog kurz hinter der Hütte nach rechts ab, um in den Talgrund hinunterzugelangen. Der steile Abstieg ist mit viel Geschick in den Steilwald hineingezirkelt, und es macht viel Spaß, zu sehen, wie die Weganlage jede Schwachstelle des Geländes raffiniert auszunutzen weiß. Im Tal angekommen, wandte ich mich nach links, zum herrlich gelegenen Seealpsee (1141m).

Auf dem Wanderweg zum Seealpsee: markierte Wanderwege, T3, 1:15

Ich wanderte am Seeufer entlang, und machte es mir dann auf der schönen Sonnenterrasse am See gemütlich. Danach wanderte ich auf dem breiten Fahrweg hinunter nach Wasserauen (868m) zum Parkplatz.

Seealpsee - Wasserauen: markierter Fahrweg, T1, 45 Minuten


Fazit:

Schöne Tour auf die Altenalptürme, die auch für Nichtreiter geeignet ist. Die Landschaft dort oben ist schmal, aber (oder deshalb?) atemberaubend. Aber nach so viel T6 brauchte ich zum Abschluss etwas zum Genießen. Ein paar Tage zuvor hatte ich von der Chammhaldenroute aus eine Reihe schöner Gipfel mit Gr- entdeckt, die mir sehr gefielen: Grauchopf, Grenzchopf und Grüenhorn. Die wollte ich an meinem letzten Tag im Alpstein besuchen.


Ausrüstung:

C-Schuhe, Stecken, Helm. Einen Pickel mitzunehmen, ist keine schlechte Idee.

Tourengänger: Nik Brückner


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