Da war doch noch was Ybrig.... Teil 2: Der Bietnik auf Fläschenspitz und Wänifirst


Publiziert von Nik Brückner , 4. Juli 2019 um 15:43.

Region: Welt » Schweiz » Schwyz
Tour Datum:25 Juni 2019
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SZ   Östliche Sihltaler Alpen 
Zeitbedarf: 7:15
Aufstieg: 1400 m
Abstieg: 1400 m
Strecke:13km

So herrlich ist die Schweiz! Steiles Gras, schmale Grate, die Schweiz ist ein Dorado für solche Touren. Am Vortag war ich schon auf dem Sichelchamm gewesen, schmal, aber nun wollte ich eine liegengelassene Tour vom Vorjahr wieder aufgreifen: Damals hatte ich vorgehabt, den ca. 7km langen Grat zwischen Turner und Mieserenstock zu begehen. Das Wetter war gut gemeldet gewesen, und ich konnte den ersten Teil, vom Wändlispitz zum Gantspitz, ohne Probleme begehen. Am Abend aber kam mir ein Wolkenbruch in die Quere, und als ich am nächsten Morgen auf die Straße trat, war diese pitschnass. Ich fuhr sogar nochmal rüber zum Golfplatz auf dem Ochsenboden, aber ein T6-Grat war mir bei den Bedingungen dann doch zu heikel. Umso mehr, als ich von einem Reitgrat am brüchigen Wänifirst gelesen hatte. Und so reiste ich unverrichteter Dinge ab.

Dann kamen andere Touren dazwischen, Fahrten in abgelegenere Gegenden, und ich musste die Tour auf's nächste Jahr verschieben. Und so blieb immer noch was Ybrig...

Und so fuhr ich dann eben Ende Juni 2019 erst wieder ins Sihltal, Bubus "El Eco Del Sol" im Ohr. Ich hatte nicht vor, die gesamte Runde vom Wänifirst bis zu den Chläbdächern zu gehen, denn ich war einige Tage krank gewesen, und wollte, musste es langsam angehen lassen. Das heißt: Kurze Tour, langsam gehen. Meine Idee war eigentlich gewesen, über die Alp Wäni zur Ganthöchi am Grat aufzusteigen, an jene Stelle also, an der ich meine erste Tour beeendet hatte, und von dort aus in südlicher Richtung weiterzugehen. Doch das wäre ein mühsamer Anstieg gewesen: Steil, weglos, durch endlose Heidelbeerfelder, und das in der Julihitze des Jahres 2019. Angesichts meiner krankheitsbedingten Schwäche am Vortag entschied ich mich um: Ich wanderte auf dem einfacher erwarteten Wanderweg hinauf zum Sihlseeli, und ging die Tour in der Gegenrichtung. Eine gute Entscheidung, wie sich zeigen sollte, denn so hat man die schwierigen, ausgesetzten, brüchigen Stellen im Aufstieg.



Ich parkierte auf dem Parkplatz (965m) nach dem Golfplatz, dort, wo ich später von der Alp Wäni herunterkommen würde, und wanderte auf der breiten Fahrstraße hinter zum Gribschli (1205m).

Parkplatz - Gribschli: Geteerte Fahrstraße, T1, 1,5h


Dort entschied ich mich gegen den blauen, steileren Aufstieg, um mich noch ein Weilchen zu schonen. Der einfachere Weg ist mit 5 Minuten länger ausgeschildert, das fällt eh nicht ins Gewicht.

Am Gribschli beginnt der mit zahllosen Stufen versehene Aufstieg Richtung Untersihl (1390m),  Lauiberghütte (1627m) und Sihlseeli (1829m). Der Wanderweg ist ganz wunderbar, und führt einem sämtliche Schönheiten des Sihltals vor Augen: Herrliche Weideflächen, hübsche Hüttchen, wilde Grate, und als Höhepunkt das schön gelegene Sihlseeli (1829m). Dort pauste ich, zum wiederholten Male. Ich hatte mich auf dem Aufstieg nicht verausgabt.

Und es ging besser als am Vortag. Noch nicht ganz wieder fit, aber besser.

Am Sihlseeli lag noch viel Schnee. Aber die Grate dürften frei sein, sogar die hinteren, die ich gar nicht unbedingt auf der Rechnung gehabt hatte. Und so wanderte ich in zehn Minuten hinauf zum Saaspass (1896m), in freudiger Erwartung des eigentlichen Herzstücks meiner Tour: Der Gratüberschreitung zur Ganthöchi.

Gribschli - Saaspass: markierte Wanderwege, T2, 2h


Am Saaspass hat man eine herrliche Aussicht auf den Klöntalersee, links umschlossen von Schijen und Wiggis, rechts vom gletscherbekrönten Glärnisch. Dahinter ragen Mürtschentsock und Fronalpstock auf.

Ich wandte mich nach links (Norden), wo der scharfe Felsgrat zum Fläschenspitz schon um die Ecke lugt. Aber zunächst geht es gemächlich zu. Der Biet (1968m) ist schnell erreicht, entlang einem Weidezaun, und am Gipfel krönte ich mich selbst zum - Achtung, anschnallen - Bietnik.

Hey! Das ist doch der Chratzerengrat, da drüben! Der zweidimensionale Berg.... Eine meiner schönsten Touren. Wie schön, am Biet diesen Ausblick zu haben!

Weiter geht's dem Weidezaun folgend, über gemächliche Wiesenhänge hinunter vom Biet. Und hier sieht man schon, dass es gleich ziemlich zur Sache gehen wird: Die Kante schnürt sich stark zusammen, der Fläschengrat ist der erste schwere Abschnitt der Tour.

Man könnte diesen auch links in Geröll, steilen Schrofen und Gras umgehen (auch ein - wegloser - Abstieg zur Chilenmatthütte ist möglich), an einer steileren Stufe sind sogar Wegspuren zu sehen, aber man ist ja zum Spaßhaben hier!

Einatmen, Luft anhalten - und los: Ich blieb am Grat und stieg dort zunächst einen steilen Grashang hinauf, bis dieser in äußerst unangenehmem, brüchigem Fels ausläuft. Der ist auch noch abschüssig geschichtet, was das Begehen zu einer kleinen Nervenübung macht. Hat man diese Steilstufe (II) überwunden, und die Kante erreicht - geht's dann grad so weiter, nur dass es zusätzlich auch noch schmal und ausgesetzt ist. Eine weitere Stufe ist mit einem dünnen Seil gesichert - aber das ist dann auch schon egal. Ich hab's nicht mal benutzt.

Dummerweise - denn dadurch habe ich prompt trickys Gratbuch überlaufen. Sorry, tricky, meinen Eintrag musst Du dir dazudenken!

Der Grat bleibt äußerst schmal, wird aber grün, und die vielen Blümchen sorgen für ein sonnigeres Gemüt. Dann kann man ausatmen: Die Landschaft wird breiter und breiter, und der Schlussanstieg zum Fläschenspitz (2073m) ist dann kein Problem mehr.

Was für eine Aussicht! Mein Blick fiel zunächst zurück auf den begangenen Grat, angefangen bei Diethelm und Turner, weiter über die lange Kette mit dem Gantspitz, bis hin zum Fläschenspitz, auf dem ich ja saß. Dahinter ragen Schiberg, Plattenberg, Brünnelistock und Mutteristock auf, dahinter wiederum der Alpstein mit dem Säntis und dem Altmann. Rechts davon der Fronalpstock, dahinter der Mürtschenstock. Tief unten im Tal: der Klöntalersee. So schön!

Dann beherrscht der Glärnisch den Osten,
Bös Fulen den Südosten. Dann erheben sich am Horizont Bifertenstock, Tödi und, genau im Süden, Clariden. Davor der Chratzerengrat, eine meiner schönsten Touren.

Am Horizont geht's weiter mit Gross Schärhorn und Gross Ruchen. Dann schiebt sich "mein" Grat dazwischen, mit dem Mieserenstock, den Hunden und dem Druesberg, genau im Südwesten.

Rechts davon: Brisen, Schwalmis und der Pilatus.
Dahinter erstreckt sich am Horizont die Jurakette und, noch weiter entfernt, die Gipfel der Vogesen und des Schwarzwalds,
mit Grand Ballon, Gazon de Faite, Belchen und Feldberg.


Ich blieb trotz der schönen Aussicht nicht lang. Wenn hinter Fliegen Fliegen fliegen fliegt der Nik schnell weiter. Nur den Blick auf die hinteren Grat erblickte ich noch. Da lag zwar viel Schnee, aber die Kante war frei! Das könnt' man doch gleich morgen...

Vom Fläschenspitz geht es in schmalem, aber nicht gruseligem Gras hinunter ins nächste Schartl. Hier ist man dann wieder im spürbaren T-Bereich: Eine ziemlich schmale Kante steigt man nun hinauf zum nächsten Zacken. Dahinter wird es wieder leichter: Man steht vor dem Klein (warum eigentlich nicht "Chli"? Wenn schon, denn schon!) Blasseli (2034m). Ein schöner Zacken, vor allem von der anderen Seite, der sich gemütlich besteigen lässt. Dementsprechend hat es hier auch wieder Weidezäune. Vorsicht, dass man nicht ins Stolpern gerät!

Das Blasseli wird dann links (westseitig) umgangen. Hier finden sich gute Spuren, die zu einem steilen, felsigen Abbruch führen. Der ist aber gut getreppt, und so ist man schnell hinuntergestiegen. Unten angekommen, quert man dann auf einer von mehreren Spuren wieder hinüber zum Grat.

Bis zum Wänifirst bleibt es jetzt erst einmal entspannt. Überraschend stößt man auf steile Treppen, die in den Hang gezimmert wurden, die kann man natürlich nutzen, wo sie schon einmal da sind (auch ein Notabstieg zur Alp Wäni wäre hier möglich). Dann geht's rauf auf den First!

Hier heißt es wieder Vorsicht, denn im Gras ist Draht verborgen. Aber dort, wo es richtig schmal wird, ist ein Weidezaun sinnlos, in der nun folgenden schwierigen Passage muss man sich also nicht um derlei Stolperfallen kümmern.

Der Wänifirst ist, wenn man von Süden kommt, ein spektakulärer, schmaler, aber zunächst noch einfach zu begehender Grasgrat. Man folgt ihm an einen schrofigen Aufschwung heran, und steigt diesen hinauf. Oben beginnt dann ein waagrechter Abschnitt: Hier ziehen glatte Felsplatten steil nach links hinunter, von rechts hängen Graswächten über die Kante. Hier heißt es, vorsichtig sein, um zu vermeiden, dass man auf einer dieser nur lose aufliegenden Graswächten geht. Da man aber auch nicht so richtig in der Grasflanke gehen kann, ist das ein ziemlich heikler Abschnitt.

Zum Glück ist er nur kurz, und über festes Gras geht es weiter auf den nächsten Zacken. Dann kurz hinunter in ein Schartl, und mit Hilfe einer Kette eine kurze, leider wieder brüchige Felsstufe hinauf (II). Oben geht es auf einer schmalen Graskante weiter zu einem weiteren Felsaufschwung. Dann ist der höchste Punkt des Wänifirsts (2004m) erreicht.

Wo war denn nur der Reitgrat? Ich hatte doch etwas von einem Reitgrat gelesen! Och Mönsch. Hatte extra meinen Sattel eingepackt...

Von hier aus steigt man besser links (westseitig) hinunter, wo gute Wegspuren durch den Hang hinunter Richtung Ganthöchi führen. Ich ignorierte das, weil ich noch mehr Grat haben wollte, und geriet zunächst in sehr vergnügliches, weil nochmal äußerst schmales Gelände. Dann jedoch muss man eine steile Kante hinunter, wo das Gras schlecht ist, und der Fels brüchig. Das ist ziemlich unangenehm, im Abstieg zumal. Auf dieses "Vergnügen" würde ich beim nächsten Mal also verzichten...

Kaum war ich auf den Wegspuren angekommen, verloren diese sich im nun breiten, weniger steilen Wiesengelände. Hier zirkelte ich hinunter zur Ganthöchi (1824m).

Saaspass - Ganthöchi: unmarkierte Gratüberschreitung, einige Passagen T6, viel Gehgelände T3, T4, zwei, drei Stellen II, 2,5h


Hier war ich schon einmal gewesen. Und ich erinnerte mich, dass der Abstieg zu den Hütten der von hier aus schon gut sichtbaren Alp Wäni ziemlich unangenehm gewesen war. Ich entschied dieses Mal, in der Rinne abzusteigen, die direkt in der Scharte beginnt. Eine gute Wahl, die Rinne ist gut begehbar, viel besser, als das kratzige Heidelbeergestrüpp links und rechts davon.

Man steigt so lange hinunter, bis man weiter unten zwei Querwege sieht. Auf dem unteren ein paar Meter nach links, über eine Rinne hinüber, und dann wieder weglos in möglichst grasigem Gelände mühsam noch lange hinunter bis zu den Hütten der Alp Wäni (1330m) - die zwischendurch einfach nicht näherkommen will.

Ganthöchi - Wänialp: Wegloser Kraut- und Grashang, T3-T4, 45Min


Im Gegensatz zum letzten Mal war leider niemand zuhaus. Auf dem guten Weg wanderte ich daher gleich weiter ins Tal, und dort zu meinem Auto.

Wänialp - Parkplatz: Unmarkierter Alpweg, T2 und Fahrweg im Tal, T1, 30 Minuten


Fazit:

Scharfe Grate, steiles Gras - eine grandiose Runde für Liebhaber des schmalen grünen Bereichs. Der Wänifirst langt aber ordentlich hin, darauf sollte man gefasst sein. Der lange Grat lässt keine Wünsche offen: schmal, oft lotrecht nach rechts und stotzig nach links, dazu der Sound von hunderten Schafen und ihren Glocken. Einfach fantastisch! Insidertipp: Am Abend vorher mit Insektenvernichter drüberfliegen und die Fliegen genozidieren...

Ich war langsam gegangen, bedingt durch die letzten Nachwehen meiner Krankheit, und bei der Hitze unabdingbar, aber ich fühlte mich wieder besser. Gut genug, um am nächsten Tag den letzten Teil des Grats zu begehen!



Ausrüstung:

- Helm
- Pickel (hab' ihn aber nicht gebraucht)
- Stecken
- C-Schuhe, unbedingt
- Massenvernichtungswaffen (für die Fliegen)


P. S.

Fluebrig-Westentaschenkenner tricky hat eine inhaltsreiche 14-seitige Dokumentation zu sämtlichen von ihm begangenen Sommer- und Winterrouten am Fluebrig als PDF online gestellt. Eine spannende Lektüre, die viele wilde Routen an diesem Gras- und Felsberg enthält.

Tourengänger: Nik Brückner


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