Da war doch noch was Ybrig.... Teil 3: Mieserenstock, Chläbdächer, und ein paar Hunde


Publiziert von Nik Brückner , 16. Juli 2019 um 14:04.

Region: Welt » Schweiz » Schwyz
Tour Datum:26 Juni 2019
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SZ   Östliche Sihltaler Alpen   Westliche Sihltaler Alpen 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 1400 m
Abstieg: 1400 m
Strecke:12km

Steiles Gras, schmale Grate, die Schweiz ist ein Dorado für solche Touren. Am Vortag hatte ich begonnen, einen Faden vom Vorjahr wieder aufzugreifen: Damals hatte ich vorgehabt, den ca. 7km langen Grat zwischen Turner und Mieserenstock zu begehen. Das Wetter war gut gemeldet gewesen, und ich konnte den ersten Teil, vom Wändlispitz zum Gantspitz, ohne Probleme begehen. Am Abend aber kam mir ein Wolkenbruch in die Quere, und als ich am nächsten Morgen auf die Straße trat, war diese pitschnass. Ich fuhr sogar nochmal rüber zum Golfplatz auf dem Ochsenboden, aber ein T6-Grat war mir bei den Bedingungen dann doch zu heikel. Umso mehr, als ich von einem Reitgrat am brüchigen Wänifirst gelesen hatte. Und so reiste ich unverrichteter Dinge ab.

Dann kamen andere Touren dazwischen, Fahrten in abgelegenere Gegenden, und ich musste die Tour auf's nächste Jahr verschieben. Und so blieb immer noch was Ybrig...

Und so fuhr ich dann eben Ende Juni 2019 erst wieder ins Sihltal, Bubus "Resplandor" im Player. Ich hatte nicht vor, die gesamte Runde vom Wänifirst bis zu den Chläbdächern zu gehen, denn ich war einige Tage krank gewesen, und wollte, musste es langsam angehen lassen. Das heißt: Kurze Tour, langsam gehen. Und so entschied ich mich, den Gratabschnitt vom Saaspass bis zur Ganthöchi zu begehen. Fehlt ein letzter Abschnitt: Der vom Saaspass über Mieserenstock und ein paar Hunde zu den Chläbdächern.



Ich parkierte diesmal nicht auf dem Parkplatz nach dem Golfplatz, sondern fuhr so weit das Tal hinauf, wie ich konnte. Mein exträjm tiefergelegter Bolide schaffte es nicht ganz bis zum Gribschli, und so wanderte ich zu Fuß auf der breiten Fahrstraße hinter zum Gribschli (1205m).

Parkplatz - Gribschli: Geteerte Fahrstraße, T1, 15 Minuten


Dort entschied ich mich, wie schon am Vortag, gegen den blauen, steileren Aufstieg, um mich noch ein Weilchen zu schonen. Der einfachere Weg ist mit 5 Minuten länger ausgeschildert, das fällt eh nicht ins Gewicht.

Am Gribschli beginnt der mit zahllosen Stufen versehene Aufstieg Richtung Untersihl (1390m),  Lauiberghütte (1627m) und Sihlseeli (1829m). Der Wanderweg ist ganz wunderbar, und führt einem sämtliche Schönheiten des Sihltals vor Augen: Herrliche Weideflächen, hübsche Hüttchen, wilde Grate, und als Höhepunkt das schön gelegene Sihlseeli (1829m). Dort pauste ich, wieder.

Gribschli - Sihlseeli: markierte Wanderwege, T2, 2:00


Und es ging schon wieder besser als am Vortag. Langsam kehrte meine Fitness zurück.

Am Sihlseeli lag noch viel Schnee. Aber die hinteren Grate dürften frei sein, das hatte ich mir am Vortag genau angesehen. Und so wanderte ich auf der Westseite des Sees die Grashügel hinauf, Richtung Lauiberg. Sanft geht's hinauf, zunächst über Gras, ein zwei Schneefelder umgehend, dann weiter auf einem deutlichen Weglein, entlang einem Weidezaun. Dahinter steilt schon der Aufstieg zum Gipfelgrat des Lauibergs auf, der auf guten, deutlichen Trittspuren gewonnen wird. Gerät man dabei nach links hinaus an die Kante, wird deutlich, wie tief es dort hinunter geht: das sind schon ein paar hundert Meter fast senkrechtes Gras!

Am Grat angekommen, ignorierte ich den Lauiberg, und wandte mich nach links, wo ich die nächsten Abschnitte meines Wegs schon in Augenschein nehmen konnte. Insbesondere das schmale Mandli, den Steilaufschwung zum wohlgeformten Pt. 2127, und dahinter, noch weit entfernt, den gutmütigen Mieserenstock.

Hier oben hat man eine herrliche Aussicht auf den Klöntalersee, links umschlossen von Schijen und Wiggis, rechts vom gletscherbekrönten Glärnisch. Dahinter ragen Fronalpstock und Mürtschenstock auf.

Dann machte ich mich an den Abstieg zum Sattel vor dem Mandli. Der Abstieg ist unschwierig, die Steilheit des Grashangs hält sich in Grenzen.

Sihlseeli - Mandli: weglos über Grasbuckel, dann unmarkierter Weg, T3, 40 Minuten


Anders ist es am Mandli (2007m), dessen Steilaufschwung man links (!) höchst ausgesetzt umgeht. An dieser Stelle schlägt das Herz zum ersten Mal höher.

Sowohl vor als auch nach dem Mandli könnte man (nach rechts, selbstverständlich) über mäßig geneigte Grashänge notabsteigen, und in den Talboden gelangen, wo man auf Wege trifft.

Danach geht es erst einmal über sanfte Wiesenrücken weiter. Eine kleine Felsstufe wird rechts im Gras umgangen, die nächste ist schnell erklettert. Dann nähert man sich unaufhaltsam der schönen Pyramide, die Pt. 2127 ist. Einige Zacken davor lässt man links liegen, dann geht es gnadenlos hinauf. Der Aufstieg zu Pt. 2127 war für mich der gruseligste, und gleichzeitig der schönste Abschnitt der Tour: Man orientiert sich immer an der Gratkante, klettert dann aber doch oft ein wenig links davon hinauf - äußerst ausgesetzt im steilen Gras, durchwegs mit mehreren hundert Metern Luft unter dem Hintern. Das Gras ist gut gestuft, nur im eingelagerten Fels muss man vorsichtig sein, denn nicht alles hält.

Nach einer Viertelstunde ist dann auch alles schon wieder vorbei, und die ausgesetzten hundert Meter zu Pt. 2127 sind überwunden.

Mandli - Pt. 2127: Trittspuren, unmarkiert, T6-/I (zwei Passagen), sonst leichter, 45 Minuten


Nun geht es einfach über Wiesenrücken in gut 20 Minuten hinüber zum Mieserenstock (2199m)

Pt. 2127 - Mieserenstock:  Weglos über Bergwiesen, T2, 25 Minuten


Hier pauste ich erst einmal ausgiebig und blickte mich um. Wie schön, am Mieserenstock diesen Ausblick zu haben!

Mein Blick fiel zunächst zurück auf den begangenen Grat, angefangen bei Diethelm und Turner, weiter über die lange Kette mit Gantspitz, Fläschenspitz und Wänifirst bis hin zum Mieserenstock, auf dem ich ja saß. Dahinter ragen Schiberg, Plattenberg, Brünnelistock und Mutteristock auf, dahinter wiederum der Alpstein mit dem Altmann. Rechts davon Schijen, Wiggis und Fronalpstock, dahinter der Mürtschenstock. Dann beherrscht der Glärnisch den Osten.

Weiter Richtung Süden folgen dann
Bös Fulen und Pfannenstock, und hey! Das ist doch der Chratzerengrat, da drüben! Der zweidimensionale Berg.... Eine meiner schönsten Touren. Ebenso wie die Überschreitung der Chilchberge, die rechts davon zu sehen sind.

Dahinter erheben sich am Horizont Bifertenstock, Tödi und Clariden. Den Süden markiert das Gross Schärhorn. Rechts davon: Gross Windgällen mit dem Wasserberg First daneben.
Im Südwesten sind das Sustenhorn, Gross Spannort, der Titlis und Uri Rotstock zu sehen.

Den Blick nach Westen verstellt der markante Druesberg. Daneben erstreckt sich am Horizont die Jurakette und, noch weiter entfernt, die Gipfel der Vogesen und des Schwarzwalds,
mit Grand Ballon, Gazon de Faite, Belchen und Feldberg.

Ich hatte ursprünglich überlegt, nur bis hierher zu gehen, das hätte meinem ursprünglichen Plan aus dem letzten Jahr entsprochen. Ich war bereits einmal auf den Chläbdächern gewesen, und hatte es dort nicht besonders schön gefunden. Zum Glück bin ich vom Mieserenstock dann aber doch nicht abgestiegen, sondern habe die Runde bis zu den Chläbdächern gedreht. Denn der nun folgende Abschnitt war zu meiner Überraschung besonders schön!


Gegen eins machte ich mich wieder auf. Ich wanderte vom Gipfelkreuz hinunter in den Sattel vor Pt. 2203, der - höher als der Kreuzgipfel - bei Swisstopo mit dem Namen "Mieserenstock" beschriftet ist. Die in der Art einer Treppe geschichtete Kante sieht nicht allzu fest aus, trotzdem geht man wohl am Besten genau dort hoch. Ich hatte von einer Umgehung links gelesen - super gruselig und unnötig gefährlich, davon würde ich die Füße lassen; ich selbst versuchte es etwas rechts der Kante über ausgeprägte Bänder und Rampen, was nur theoretisch eine gute Idee war, da diese mit losem, rutschigem Schotter bedeckt, und dadurch schwieriger zu begehen waren, als es von unten den Anschein hatte. Oben angelangt, geht es dann erst einmal grasig weiter.

Hier könnte man auch nochmal nach rechts ins Tal notabsteigen.

Auf einem Grataufschwung liegt ein felsiges Kuchenstück, an dem man ein paar Schritte nach rechts quert, bis zu einem blauen Punkt. An diesem geht es einfach hinauf (I), dann wandert man auf breitem Grasgrat hinüber zu einem schmalen, und scheinbar gegen alle Naturgesetze stabilen Felswandl, das völlig unvermittelt auf dem Grasgrat steht. Eine tolle Laune der Natur!

Das Wandl wird rechts oder links umgangen, dahinter geht es eine unten noch grasige, weiter oben zunehmend felsige Stufe hinauf zu Pt. 2149. Oben angekommen, erwartet den Begeher dann wieder Laufgelände: Über einen breiten, zunehmend felsigen Gratrücken geht es hinüber zum ersten der beiden Hunde: Dem Höch Hund. Der unschwierige Felsaufschwung zu seinem Gipfelgrat ist schnell gewonnen, der Gipfelgrat ist wiederum einfach zu begehen. Der Gipfelkopf des Höch Hunds (2215m) selbst bietet ebenfalls keine Schwierigkeiten: am Besten, man erkraxelt ihn von hinten (II).

Mieserenstock - Höch Hund: wegloser Gras- und Felsgrat, an Pt. 2203 und einigen weiteren Stellen kurz I, am Hund II, sonst T4 und leichter, 45 Minuten


Der nächste Hund am Grat ist der Teuf Hund. Er ist im Grunde nur ein vorgelagerter Zacken am steilen Felsaufschwung zum höchsten Punkt der Chläbdächer und würde vermutlich übersehen bzw. ignoriert, wenn er keinen Namen trüge. So aber nimmt man ihn nach dem wiederum einfachen Abstieg vom Höch Hund doch mit. Der Anstieg zum Teuf Hund (2126 m), der kaum eine Minute in Anspruch nimmt, ist kurz II.

Höch Hund - Teuf Hund: wegloser Felsgrat, T3, am Teuf Hund I-II, 15 Minuten


Nun begann der überraschend vergnügliche Teil der Tour: Vom Schartl zwischen Hund und Felsaufschwung zu den Chläbdächern aus geht man wenige Schritte waagrecht links der Felswand bis zu einem weiteren blauen Punkt. Er markiert den Einstieg in den Aufstieg. Über mehrere kurze Felsstufen (II), die erstaunlich fest sind, auch wenn's nicht so aussieht, steigt man hinauf zum Grat vor einem Felsen, der aussieht wie eine Pilzkappe. An diesen Felsen ran, direkt davor nach links, und gleich wieder hinauf zum Grat. Weiter geht's auf dem Grat zu letzten Absätzen, und schließlich fast eben zu dem Mauerstück, das den Gipfel der Chläbdächer (2175m) bildet. Wer mag, kann dort hinaufkraxeln (II) - aber bitte dabei nicht den Gipfel vom Berg schmeißen!

Teuf Hund - Chläbdächer: Felskletterei, I-II, 10 Minuten


Irre, der Blick zum schmalen Schiffsbug des Druesbergs und zum Druesbergband, auf dem ich vor einigen Jahren schon unterwegs gewesen war. Von hier aus glaubt man kaum, dass man das begehen kann.

Nun ging's weiter zum Westgipfel. Dabei muss man drei, vier Felsstufen erklettern, die man meist frontal nimmt (I, II, nicht links auf Bändern umgehen! Heikel!), auf dem Chläbdächer/Westgipfel (2138m) hat man's dann geschafft: Die Gratüberschreitung ist beendet.

Chläbdächer - Westgipfel: T4, Stellen I/II, 15 Minuten


Ich stieg nun hinunter in die Twäriberglücke (2029m) - dumm, weil ich mir nicht gemerkt hatte, dass der Abstieg auf der Sihltaler Seite auf halber Höhe zwischen Chläbdächer/Westgipfel und Twäriberglücke beginnt. Also wieder hinauf. Zudem war der obere Teil des blau markierten Abstiegs schneebedeckt, so dass ich nicht recht einsehen konnte, wie weit ich links unterhalb der Felswand queren musste, um auf dem richtigen Weg zu sein. Der Schnee selbst war hier oben zu steil und zu hart, um darauf gehen zu können. Also stieg ich in höchst unangenehmem Gelände einige dutzend Meter ab, bis ich rechts von mir Markierungen sah, und gefahrlos hinüberqueren konnte. Von da an war der Abstieg kein Problem mehr: Auf dem Weglein sowie auf den weiter unten befahrbaren Schneefeldern gelangte ich in einer Dreiviertelstunde hinunter auf den breiten Fahrweg in der Nähe der Sihltalhütte.

Chläbdächer/Westgipfel - Fahrweg: markierter Wanderweg, oben T4, dann bald leichter, 45 Minuten


Da ich diese Seite des Sihltals noch nicht kannte, hielt ich mich links, und wanderte auf dem Fahrweg nach Untersihl (1390m) hinunter, wo ich auf meinen Aufstiegsweg traf. Auf diesem ging's hinunter zum Gribschli (1205m)

Auf dem Fahrweg hinunter zum Gribschli: T1, T2, 45 Minuten


Zehn Minuten später hatte ich mein Auto erreicht.

Gribschli - Parkplatz: Geteerte Fahrstraße, T1, 10 Minuten


Fazit:

Scharfe Grate, steiles Gras - eine grandiose Runde für Liebhaber des schmalen grünen Bereichs. Der schönste Abschnitt dieses langen Grats, der am Fluebrig seinen Anfang nimmt. Die Tour lässt keine Wünsche offen: schmal, oft lotrecht nach links und stotzig nach rechts - einfach fantastisch!


Ausrüstung:

- Helm
- Pickel (hab' ihn aber nicht gebraucht)
- Stecken
- C-Schuhe, unbedingt
- Massenvernichtungswaffen (für die Fliegen)


P. S.

Fluebrig-Westentaschenkenner tricky hat eine inhaltsreiche 14-seitige Dokumentation zu sämtlichen von ihm begangenen Sommer- und Winterrouten am Fluebrig als PDF online gestellt. Eine spannende Lektüre, die viele wilde Routen an diesem Gras- und Felsberg enthält.

Tourengänger: Nik Brückner


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